MICHAEL ROBERTS

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 39:

Die Schwerkraft-Falle

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DIE SCHWERKRAFT-FALLE von Michael Roberts 

1. 

2. 

3. 

 

Das Buch

 

Man schreibt das Jahr 2500 irdischer Zeitrechnung.

Auf einer hibernienlosen Insel Aquas, Shakra, errichten die Terranauten eine zweite Basis. David terGorden und weitere Terranauten halten es für möglich, dass hier das zukünftige Treiberzentrum als Nachfolge von Zoe entstehen kann. Asen-Ger bringt mit einer Loge die LASSALLE gefährlich nahe an den Planeten Oglallah heran.

Unter dem Kommando von Llewellyn 709 nähert sich das Schiff dem Planeten, trotz der Drohungen der Raumüberwachung. Dann wird der Raumer beschossen. Eine Großloge von mehr als 50 Treibern verhindert die Zerstörung. Stattdessen wird die LASSALLE in Position gebracht: für den Einsatz des Gravitrons...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  DIE SCHWERKRAFT-FALLE von Michael Roberts

 

 

 

 

  1.

 

 

»Jetzt!« 

Der Gedankenbefehl Asen-Gers wurde von dem koordinierten Gruppenbewusstsein der Treiberloge aufgenommen und sofort in die Tat umgesetzt. In exakt demselben Sekundenbruchteil brachen die sieben Männer und Frauen ihren Psionischen Kontakt mit der übergeordneten Dimension von Weltraum II ab. Wie ein Ding aus einer anderen Welt, was sie genau genommen in diesem Augenblick ja auch war, kehrte die Lasalle ins Normaluniversum zurück. 

Keine fünfzigtausend Kilometer von Oglallah, dem anvisierten Zielplaneten entfernt... 

Während der noch gar nicht so weit zurückliegenden Blütezeit der Treiberraumfahrt war es strengstens verboten gewesen, Schiffe im Zivilisationsbereich eines Sternensystems rematerialisieren zu lassen. Die Kollisionsgefahr wurde als zu groß angesehen, und es hatte in der Tat mehr als einmal schreckliche Katastrophen gegeben, bevor dieser Erlaß in Kraft trat. Nur Logenmeister mit außergewöhnlichen Fähigkeiten waren in der Lage, den Transitionsvorgang so exakt zu steuern, dass das Risiko minimalisiert wurde. 

Asen-Ger war ein solcher Logenmeister. Trotzdem atmete er jetzt erleichtert auf. Es war gut gegangen, Yggdrasil sei Dank.

Es war nicht Leichtfertigkeit gewesen, die ihn veranlasst hatte, die Lasalle in unmittelbarer Planetennähe herauskommen zu lassen. Es gab einen überaus zwingenden Grund für diese Maßnahme. Die Grauen Garden, die auf Oglallah stationiert waren, sollten keine Gelegenheit finden, sich auf den zum Schlachtschiff umgerüsteten Frachtschlepper einzustellen. 

Der Terranautenführer verlor keine Zeit. Die Arbeit der Loge war fürs erste getan. Die Treiber würden sich nun in ihren Ruheraum zurückziehen, um sich von den Strapazen des Flugs durch Weltraum II zu erholen. Er wurde jetzt auf der Logenplattform nicht mehr gebraucht. In der Kommandozentrale jedoch war seine Anwesenheit dringend erforderlich. –  

Mit schnellen Schritten eilte er die Wendeltreppe hinunter, die zur Zentralebene führte. 

Jetzt, wo das Schiff nicht mehr mit Treiberkräften vorwärts bewegt wurde, trat der interplanetare Ionenantrieb in Aktion. Llewellyn 709, der als Schiffsführer fungierte, saß am Input-Terminal des Steuercomputers. Er war jederzeit bereit einzugreifen, wenn es erforderlich werden sollte, vom vorprogrammierten Kurs abzuweichen. 

Außer dem Riemenmann hielten sich rund fünfzig weitere Terranauten in der Zentrale auf. Das gehörte keineswegs zur Standardroutine eines Flugs, w»r in diesem Falle jedoch eine unerlässliche Sicherheitsvorkehrung. Die psionisch Begabten sollten mit ihren besonderen Kräften garantieren, dass die Mission der Lasalle nicht vorzeitig scheiterte. 

Wenige Augenblicke stellten sich auch Edison Tontor und Einstein III in der Kommandozentrale ein. 

Die beiden Männer waren im Gegensatz zu allen anderen Anwesenden keine Treiber. Sie hatten während der Reise durch Weltraum II im künstlichen Tiefschlaf gelegen, eine unabdingbare Maßnahme für jeden, der nicht über Psi-Talente verfügte. Der Geist eines Normalsterblichen war dem geballten Ansturm der Phänomene aus der übergeordneten Dimension nicht gewachsen und wäre mit großer Sicherheit wahnsinnig geworden. 

Edison Tontor, General-Manag des Konzerns Consolidated Tontor, der sich vom ehemaligen Konzilsmitglied zum erbittertsten Feind des Lordobersts Max von Valdec gewandelt hatte, warf einen schnellen Blick auf den zentralen Bildschirm. Plastisch zeichnete sich dort der bläuliche Ball Oglallahs ab. 

»Gute Arbeit«, lobte Tontor, an Asen-Ger gewandt. »Wir sind unmittelbar vor der Haustür des Planeten herausgekommen. Hat man schon versucht, Verbindung mit uns aufzunehmen?« 

»Noch nicht«, antwortete Llewellyn 709. »Aber es kann nicht mehr lange dauern, bis wir etwas von der Raum-Überwachung zu hören bekommen. Sie sollten sich schon mal bereithalten, Tontor.« 

Der Generalmanag nickte und nahm in dem Schalensessel vor dem Holokissen des Bordkommunikators Platz.

Auch Einstein III, Chefwissenschaftler von ConTon, der mit Hilfe des von ihm entwickelten Gravitrons in der Lage war, einen Krieg ganz allein zu entscheiden, nahm seine Position ein. Mit Hilfe eines anderen Computer-Terminals kümmerte er sich um die Funktionsbereitschaft seiner Wunderwaffe. 

Mit einer Geschwindigkeit von jetzt knapp zwanzig Kilometern in der Sekunde jagte das Treiberschiff dem einzigen besiedelten Planeten des Schiwa-Systems entgegen. Der Ionenbeschleuniger am Heck des Schiffs-dorns steigerte seine Leistungsfähigkeit. Die Lasalle wurde schneller und schneller. Es würde nur noch Minuten dauern, bis das Schiff in einen Orbit um Oglallah einschwenken konnte. 

Der Planet, etwas größer als die Erde, zählte nicht zu den bedeutendsten Welten des terranischen Sternenreichs. Das Schiwa-System, zur Gruppe der so genannten Indischen Systeme gehörend, lag fast zweitausend Lichtjahre von der Erde entfernt, ganz am Rand des von Menschen besiedelten Raumsektors also. Oglallah, begünstigt durch nahezu optimale klimatische Gegebenheiten, war eine Welt, die von der Landwirtschaft lebte. Nicht ohne Grund nannte man den Planeten die Kornkammer des Randes. Terra konnte ohne Oglallah existieren, denn es gab genug näher gelegene Welten, die die irdische Müßiggänger-Gesellschaft mit den erforderlichen Nahrungsmitteln versorgten. Für den Sektor der Indischen Systeme jedoch war Oglallah eine ökonomische Trumpfkarte. Und das galt besonders für den noch auf unsicheren politischen und wirtschaftlichen Beinen stehenden Bund der Freien Welten. 

Größer und größer wurde der grünblaue Ball Oglallahs auf dem zentralen Bildschirm der Lasalle. Die Konturen der Kontinente zeichneten sich bereits deutlich ab, waren problemlos mit dem bloßen Auge zu erkennen. 

Gut fünf Standardminuten waren seit dem Auftauchen des Treiberschiffes vergangen, als sich die planetare Raumüberwachung schließlich meldete. Auf dem Holokissen des Funkgeräts erschienen Gesicht und Oberkörper eines Graugardisten im Range eines Hauptmanns.  

»Fremdes Schiff, identifizieren Sie sich!« 

Edison Tontor hatte das Gerät bisher lediglich auf Empfang, nicht auf Sendung geschaltet. Er blickte fragend zu Llewellyn hinüber. 

»Wie lange wird es noch dauern, bis unser Schiff in Position ist?«, erkundigte er sich. Seine Stimme klang ungeduldig, fordernd, befehlsgewohnt. 

Auf den Riemenmann machte das jedoch wenig Eindruck. Zwar hatten er und Asen-Ger Schiff und Besatzung in den Dienst des Bundes der Freien Welten gestellt. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sich die Terranauten nun als Untergebene des Ersten Vertreters ansehen mussten. 

»Auch Treiber sind keine Hexenmeister, General-Manag«, belehrte er den 

bulligen Mann mit dem glatt rasierten Schädel und den leicht schräg gestellten Mongolenaugen. »Wir brauche noch einige Zeit. Halten sie den Grauen irgendwie hin. Vielleicht haben Sie mit der Geschichte vom Geisterschiff Glück!«  

Als Geisterschiffe bezeichnete man Raumer, die während ihrer Reise durch Weltraum II die Orientierung verloren und an einem ganz anderen Ort wieder ins Normaluniversum transistierten, als ursprünglich beabsichtigt war. Manche dieser verirrten Schiffe blieben für alle Zeit verschollen. Andere hingen, schafften nach oft jahrelanger Odyssee schließlich doch die Rückkehr in den von Menschen besiedelten galaktischen Bereich. Da offiziell inzwischen alle Treiberschiffe durch die neuen Kaiserkraft-Raumer ersetzt worden waren, ließ sich die Existenz des Lasalle, wollte man keinen Verdacht erwecken, tatsächlich nur einigermaßen glaubhaft erklären, indem sie vorgab, ein solches Geisterschiff zu sein. 

»Identifikation!«, verlangte der Graugardist erneut. 

Edison Tontor ging auf Sendung. Vorsorglich vermied er es, Bildkontakt herzustellen, sondern beschränkte sich von Seiten der Lasalle aus auf akustische Signale. 

Dem Vorschlag des Riemenmanns folgend, erzählte er die abenteuerliche Geschichte eines Frachters, den es auf seinem Flug in den Ostkreuz-Sektor ins galaktische Zentrum verschlagen hatte. Er gab vor, nicht zu wissen, wie viel Realzeit in der Zwischenzeit vergangen war. 

Bevor der Graue einen Kommentar zu dieser Saga abgab, die Tontor breit und umständlich zum Besten gab, verlangte er zunächst, dass sich der Schiffsführer des Irrfahrers optisch zeigen möge. 

»Tut mir Leid«, beschied Tontor dieses Ersuchen negativ, »das ist nicht möglich. Ein großer Teil unserer Bordsysteme ist defekt, darunter auch die Bordkamera.« 

Während dieses Dialogs hatte sich die Lasalle dem Planeten immer weiter genähert. Das mit sämtlichen astronomischen und geographischen Daten Oglallahs gefütterte Elektronengehirn des Schiffs hatte inzwischen längst ein Bremsmanöver eingeleitet. Der Zeitpunkt, an dem die Lasalle in einen planetennahen Orbit gehen konnte, war nicht mehr fern. 

Natürlich war dies der oglallahnischen Raumüberwachung keineswegs entgangen. Prompt kam die Aufforderung, den Annäherungsvorgang unverzüglich abzustoppen. Nun fing Edison Tontor an, irgendetwas von eingeschränkter Manövrierfähigkeiten zu erzählen. Wenn er bisher noch einigermaßen glaubhaft geklungen hatte, so war das jetzt allerdings nicht mehr der Fall. Das Misstrauen sprach dem Grauen aus jedem einzelnen Zug seines knochigen Gesichts. 

»Nehmen Sie sofort eine Kursänderung vor!«, sagte er scharf. »Drehen Sie ab. Widrigenfalls haben Sie sich die Konsequenzen selbst zuzuschreiben!« 

Die erwartete Konfrontation mit den Garden Oglallahs kündigte sich unabwendbar an. Dennoch blieb die Lasalle weiterhin auf ihrem bisherigen Kurs. 

Asen-Ger trat hinter Einstein III. Er überragte den kleinen Wissenschaftler mit dem wirr nach allen Seiten wegstehenden Haar um mehr als einen halben Meter. Einstein III war fast ein Zwerg. Aber das galt nur für seine Körpergröße. Mit Fug und Recht konnte man ihn als einen Geistesriesen bezeichnen. 

»Wie weit sind Sie mit Ihren Vorbereitungen?«, fragte der Terranautenführer. 

»Liegt ganz an Ihnen«, antwortete der ehemalige Summacum. »Bringen Sie das Schiff in einen stabilen Orbit, und ich kann binnen kürzester Zeit loslegen.« 

»Die benötigte Energie...« 

»Kein Problem! Die Magnetfelder Oglallahs überschwemmen uns geradezu damit. In dieser Beziehung kann das Gravitron aus dem vollen schöpfen.« 

Weniger als zwanzigtausend Kilometer war der Planet jetzt noch entfernt. Der Bordcomputer begann, die Lasalle in eine Kreisbahn einschwenken zu lassen. 

Das Gesicht des Graugardisten auf dem Holoschirm verhärtete sich. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. 

»Letzte Warnung!«, kam seine schnarrende Stimme. »Wenn Sie nicht sofort ihr unautorisiertes Anflugmanöver abbrechen, treten die planetaren Abwehrsysteme in Aktion!« 

Edison Tontor versuchte es noch einmal mit seiner Hinhaltetaktik. Jede Sekunde, die er noch herausschinden konnte, zählte. 

»Hören Sie...«, begann er, wurde jedoch gleich unterbrochen. 

»Sie haben noch exakt sechzig Stan-dardsekunden!«, sagte der Graue. »Der Countdown... läuft!« 

Jedermann an Bord der Lasalle wusste, dass es sich keineswegs um eine leere Drohung handelte. Die Oglallah umkreisenden Kontrollsatelliten hatten das Schiff selbstverständlich längst angemessen. Ihre zur Planetenoberfläche gesandten Peilstrahlen wurden von den dortigen Elektronengehirnen aufgefangen, koordiniert und automatisch an die Abwehrbatterien weitergegeben: Und diese warteten nur darauf, ihre mörderischen Energien in den Raum jagen zu können. Wenn der Feuerbefehl gegeben wurde... 

»Sie haben noch dreißig Sekunden!«, schnarrte der Graue. 

Ein bisschen nervös wandte sich Edison Tontor in seinem Schalensitz um. 

»Sollten wir nicht langsam gewisse Vorbereitungen treffen, Asen-Ger?«, fragte er leicht belegt. 

Der Terranautenführer nickte. 

 

*

 

»Zufrieden?« 

Argan Pronk, der vierschrötige Gouverneur Aquas und Zweiter Vertreter des Bunds der Freien Welten, saß auf dem Pilotensitz eines Schwebers und sah David terGorden erwartungsvoll von der Seite an. 

Durch die Frontscheibe konnte David auf die kleine Insel hinunterblicken, über der der Schweber fast bewegungslos in der Luft hing. Das Eiland, rund zweihundert Kilometer von der aquanischen Hauptinsel Middlehaven entfernt, besaß einen Durchmesser von knapp tausend Metern. Im Gegensatz zur überwiegenden Mehrzahl der in die Tausende gehenden Inseln der Wasserwelt am äußersten Rand des menschlichen Siedlungsraums war es vollkommen vegetationslos. Dies war der Hauptgrund dafür, dass gerade diese Insel das Wohlgefallen der Terranauten gefunden hatte. Die ansonsten allgegenwärtigen Hibernien, blumenartige Pflanzen, die eine für Treiberhirne schmerzliche Psi-Aura ausstrahlten, gab es hier nicht. Deshalb hatte sich die Insel, die auf den Namen Shakrra getauft worden war, als Standort der Terranautenbasis sozusagen von selbst angeboten. Der Name sollte an den im Kampf gegen das Konzil gefallenen Noman-Führer Brak Shakram erinnern. 

David war erst gerade von Rorqual nach Aqua gekommen, um Besprechungen mit der Führung des Bunds der Freien Welten zu führen. Als lebendes Symbol der Terranautenbewegung und einer ihrer Führer hatte er natürlich ein ganz besonderes Interesse daran, dass seine Organisation mit der anderen großen Widerstandsbewegung gegen die Konzilsherrschaft zu einem guten Einvernehmen kam. 

Und die Zusammenarbeit trug auch bereits gute Früchte. Mit ihren Treiberschiffen halfen die Terranauten einmal, die logistischen Probleme des neu gegründeten Planetenbunds zu bewältigen, indem sie den Frachtverkehr zwischen den einzelnen Welten übernahmen. Zum zweiten unterstützten sie den Bund dabei, weitere Planeten an der Peripherie des von Menschen besiedelten Raumsektors der Konzilsgewalt zu entreißen und in den Bund zu integrieren. Als Gegenleistung gewährten die Freien Welten unter ihren Führern Edison Tontor und Argan Pronk den Terranauten völlige Bewegungsfreiheit auf ihren Planeten und gestatteten ihnen die Einrichtung von Stützpunkten.