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Die Reihenherausgeber

Univ.-Prof. Dr. med. Johannes Pantel ist Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinischer Gerontologie am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt. Zuvor war er viele Jahre in leitenden klinischen Funktionen an den Universitätskliniken Heidelberg und Frankfurt am Main tätig. Er ist Mitbegründer und stellvertretender Vorstandssprecher des Frankfurter Forums für Interdisziplinäre Alternsforschung (FFIA). Als Autor und Herausgeber publizierte er über 20 einschlägige Sach- und Fachbücher und ist Co-Chief-Editor der Zeitschrift »GeroPsych – The Journal of Gerontopsychology and Geriatric Psychiatry«.

Univ.-Prof. Dr. med. Johannes Pantel

Leiter Arbeitsbereich Altersmedizin
Institut für Allgemeinmedizin
Johann Wolfgang Goethe-Universität
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt

PD Dr. med. Rupert Püllen ist Chefarzt der Medizinisch-Geriatrischen Klinik am AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUS in Frankfurt am Main. Er ist an der Goethe-Universität Frankfurt zuständig für den Querschnittsbereich Medizin des Alterns und des alten Menschen und darüber hinaus Honorarprofessor an der Universität Pecs. Als ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie ist er jetzt Vertreter im Fullboard der European Geriatric Medicine Society (EuGMS) sowie Mitherausgeber der »Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie«.

PD Dr. med. Rupert Püllen

Chefarzt Medizinisch-Geriatrische Klinik
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie 2014–2016
AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUS
Wilhelm-Epstein-Straße 4
60431 Frankfurt am Main

Helmut Frohnhofen Nikolaus Netzer

Schlaf und Schlafstörungen im höheren Lebensalter

Grundlagen und Therapiemöglichkeiten

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034186-9

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-034187-6

epub:    ISBN 978-3-17-034188-3

mobi:    ISBN 978-3-17-034189-0

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort zur Reihe
  2. Vorwort
  3. 1 Einleitung
  4. 2 Wichtige Begriffe aus der Schlafmedizin (Terminologie)
  5. 2.1 Müdigkeit
  6. 2.2 Schläfrigkeit
  7. 2.3 Fatigue
  8. 2.4 Arousal
  9. 2.5 Einschlaflatenz
  10. 2.6 Schlafperiode (Sleep Period Time, SPT)
  11. 2.7 Gesamtschlafzeit (Total Sleep Time, TST)
  12. 2.8 Wachliegezeit (Wake After Sleep Onset, WASO)
  13. 2.9 Schlafeffizienz
  14. 2.10 Elektrookulogramm (EOG)
  15. 2.11 Elektromyogramm (EMG)
  16. 2.12 Elektroenzephalogramm (EEG)
  17. 2.13 Schlafstadium
  18. 2.14 Hypnogramm
  19. 2.15 Pulsoximetrie
  20. 2.16 Aktometrie
  21. 2.17 Polygraphie
  22. 2.18 Polysomnographie
  23. 2.19 Periodische Bewegungen der Extremitäten (Periodic Limb Movements in Sleep, PLMS)
  24. 2.20 Apnoe, Hypopnoe, Apnoe-Hypopnoe-Index
  25. 3 Die Regulation von Wachheit und Schlaf
  26. 3.1 Die Schlafstadien und deren Abfolge
  27. 3.2 Mechanismen der Regulation von Schlaf und Wachheit
  28. 3.3 Das Arousalsystem
  29. 4 Der Schlaf im höheren Lebensalter
  30. 4.1 Der normale Schlaf im höheren Lebensalter
  31. 4.2 Klinische Folgen des veränderten Schlafs im höheren Lebensalter
  32. 5 Schlafmedizinische Diagnostik im höheren Lebensalter
  33. 5.1 Allgemeine Schlafanamnese
  34. 5.2 Strukturierte Anamnese und Fragebögen
  35. 5.3 Schlaftagebuch
  36. 5.3.1 Abend- und Morgenprotokoll (Kurzversion)
  37. 5.3.2 Abend- und Morgenprotokoll (Standardversion)
  38. 5.4 Spezifische Schlaffragebögen
  39. 5.4.1 Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI)
  40. 5.4.2 Berlin-Fragebogen
  41. 5.4.3 Epworth Sleepiness Scale (ESS)
  42. 5.4.4 Die Stanford Sleepiness Scale (SSS)
  43. 5.4.5 Die Karolinska Sleepiness Scale (KSS)
  44. 5.4.6 Das Sleep Wake Activity Inventory
  45. 5.4.7 Essener Fragebogen Alter und Schläfrigkeit (EFAS)
  46. 6 Klassifikation von Schlafstörungen
  47. 6.1 Insomnie
  48. 6.2 Schlafbezogene Atmungsstörungen
  49. 6.2.1 Obstruktive Schlafapnoe
  50. 6.2.2 Zentrale Schlafapnoe
  51. 6.3 Zentrale Hypersomnie-Syndrome
  52. 6.4 Störungen des zirkadianen Rhythmus
  53. 6.5 Parasomnie
  54. 6.6 Bewegungsstörungen im Schlaf
  55. 7 Management häufiger Schlafstörungen beim alten Menschen
  56. 7.1 Schlaflosigkeit (Insomnie) beim alten Menschen
  57. 7.1.1 Diagnostik der Insomnie
  58. 7.1.2 Folgen einer unbehandelten Insomnie
  59. 7.1.3 Behandlung der Insomnie
  60. 7.2 Tagesschläfrigkeit (Hypersomnolenz) beim alten Menschen
  61. 7.2.1 Häufigkeit und Typen von Tagesschläfrigkeit
  62. 7.2.2 Diagnostik von Tagesschläfrigkeit
  63. 7.2.3 Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS)
  64. 7.3 Das Restless-Legs-Syndrom
  65. 7.3.1 Epidemiologie des Restless-Legs-Syndroms
  66. 7.3.2 Pathophysiologie des Restless-Legs-Syndroms
  67. 7.3.3 Diagnostik des Restless-Legs-Syndroms
  68. 7.3.4 Differenzialdiagnose des Restless-Legs- Syndroms
  69. 7.3.5 Therapie des Restless-Legs-Syndroms
  70. 7.3.6 Das Restless-Legs-Syndrom bei Demenzkranken
  71. 7.4 Schlaf und Demenz
  72. 7.4.1 Epidemiologie und Bedeutung von Schlafstörungen bei Demenz
  73. 7.4.2 Die bidirektionale Beziehung von Schlaf und Demenz
  74. 7.4.3 Zerebrale Effekte einer experimentellen Störung des Schlafs
  75. 7.4.4 Gestörter Schlaf als Folge einer Demenz
  76. 7.4.5 Schlafbezogene Atmungsstörungen und Demenz
  77. 7.4.6 Der Schlaf bei Menschen mit einer Alzheimer-Demenz
  78. 7.4.7 Der Schlaf bei Menschen mit vaskulärer Demenz
  79. 7.4.8 Der Schlaf bei Menschen mit frontotemporaler Demenz (FTD)
  80. 7.4.9 Der Schlaf bei Menschen mit Lewy-Körper- Demenz (LBD) und mit Demenz bei M. Parkinson (PD)
  81. 7.4.10 Behandlung von Schlafstörungen bei Menschen mit Demenz
  82. 7.5 Der Schlaf von Menschen im Pflegeheim
  83. 7.6 Nykturie und Schlaf
  84. 7.7 Schmerz und Schlaf
  85. Literatur
  86. Sachregister

Vorwort zur Reihe

 

 

 

Altersmedizin dient dem älteren Patienten, indem sie wie kein zweites Fach seine Besonderheiten und Bedürfnisse ganzheitlich in den Blick nimmt. Sie ist aber auch vielseitig, spannend und effektiv.

Dies anhand ausgewählter Handlungsfelder deutlich zu machen, ist ein wichtiges Anliegen der Reihe »Altersmedizin in der Praxis«. Das wichtigste Ziel ist es jedoch, das auch in der Altersmedizin exponentiell anwachsende Wissen für den Versorgungsalltag kompakt und praxisnah aufzubereiten.

Doch braucht man dazu heute noch Bücher? Haben nicht Internet und Zeitschriften das Buch längst abgelöst, weil sie häufig einen rascheren Zugriff auf manchmal schnell veraltendes Fachwissen erlauben? Das mag in einzelnen Bereichen und zu manchen Fragestellungen zutreffen; doch wer sich vertieft mit einem Thema auseinandersetzen möchte, wer nicht nur Fachinformationen, sondern auch ausgewogene Bewertungen sucht, wer sich durch einen erfahrenen Autor fundiert in ein Thema hineinführen lassen möchte, der greift besser zu einem Buch. Nicht zuletzt bieten Bücher eher Sponsor-unabhängige Informationen als kostenlos zugängige Publikationen.

Die Reihe »Altersmedizin in der Praxis« erhebt nicht den Anspruch, das weite und wachsende Gebiet der Altersmedizin vollständig darzustellen. Es geht vielmehr darum, einzelne für die altersmedizinische Praxis wichtige Themen aufzuarbeiten und in einer didaktisch gut aufbereiteten Form auf dem neuesten Wissensstand zu präsentieren.

An wen richtet sich die Reihe? Natürlich in erster Linie an Ärzte jeglicher Fachrichtung, die regelmäßig ältere Patienten in der Praxis, dem Krankenhaus oder in einem anderen Kontext betreuen. Die Bücher richten sich ebenfalls an Ärzte in Weiterbildung und an Studenten, aber auch an andere Professionelle des Gesundheitswesens, die Umgang mit älteren Patienten haben. Die einzelnen Bände können dabei sowohl als fundierte Einführungen und Übersichten zu den jeweiligen Themen gelesen werden als auch als kompakte Nachschlagewerke für den Einsatz in der täglichen Praxis dienen.

Die Herausgeber

Johannes Pantel und Rupert Püllen

Vorwort

 

 

 

Obwohl viele alte Menschen über Schlafstörungen klagen, werden diese in dieser Patientengruppe oft nicht wahrgenommen, adäquat untersucht oder abgeklärt. Dieses Buch soll bei der Abklärung und Behandlung von Schlafstörungen bei alten Menschen helfen.

Regelmäßiger Schlaf fördert und erhält die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit nachhaltig. Gestörter Schlaf hat gerade für alte Menschen erhebliche Bedeutung. Schlafstörungen beeinflussen unter anderem die Lebensqualität, die Selbstversorgungsfähigkeit und die Hirnleistung. Sie modifizieren viele geriatrische Syndrome. Da Schlafstörungen in der Regel gut behandelbar sind, ist auch zu erwarten, dass die damit verbundenen geriatrischen Probleme eine Verbesserung zeigen.

Das Assessment des Schlafs muss angesichts der vielfältigen Auswirkungen von Schlafstörungen auf die Gesundheit und der verfügbaren Therapiemöglichkeiten fester Bestandteil eines geriatrischen Basisassessments werden.

Das Buch richtet sich besonders an alle Berufsgruppen, die in die Behandlung und Pflege alter Menschen eingebunden sind.

In diesem Buch werden auch Personengruppen ausführlich besprochen, die sonst weniger häufig in der schlafmedizinischen Literatur behandelt werden, deren Probleme aber jedem, der alte Menschen betreut, geläufig sind. Hier seien insbesondere Menschen mit Demenz und Heimbewohner genannt.

Der Bereich Therapie ist bewusst umfangreicher dargestellt. Ausführlich werden immer wichtiger werdende nicht pharmakologische Therapieverfahren besprochen. Diese gelten als nebenwirkungsfrei, können schnell erlernt und im klinischen Alltag von allen Mitgliedern des geriatrischen Teams angewendet werden.

Ziel des Buchs ist es, das Wissen um den Schlaf älterer Menschen zu erweitern, damit mehr Sensibilität für die Schlafprobleme im Alter zu schaffen und therapeutische Angebote zu formulieren, die auch von Pflegenden im klinischen Alltag eingesetzt werden können. Zudem widmet das Buch speziellen Schlafproblemen im Alter eigene Kapitel. Das ist neu. Hier fließen Erfahrungen aus dem klinischen Alltag ein, die wissenschaftlich basiert die Versorgung älterer Menschen verbessern sollen.

Dr. Alfred Wiater

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)

Die Autoren

 

 

 

Priv.-Doz. Dr. med. Helmut Frohnhofen ist Arzt für Innere Medizin, Geriatrie, Palliativmedizin und Schlafmedizin. Er ist zudem Somnologe (DGSM) und Mitglied der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten-Herdecke. Am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen leitet er den Bereich Altersmedizin.

Priv.-Doz. Dr. med. Helmut Frohnhofen
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit
Department für Humanmedizin, Lehrstuhl für Geriatrie
Alfred-Herrhausen-Str. 50
58448 Witten
E-Mail: helmut.frohnhofen@uni-wh.de

Univ.-Prof. Dr. med. Nikolaus Netzer ist Arzt für Innere Medizin, Pneumologe, Geriater, Sport- und Schlafmediziner (ESRS-zertifizierter Somnologe). Er leitet die Geriatrische Klinik Ghersburg in Bad Aibling sowie das Hermann Buhl Institut für Hypoxie- und Schlafmedizinforschung. Zudem ist er am Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck sowie am Institut für Alpine Notfallmedizin der Eurac Research in Bozen tätig.

Prof. Dr. med. Nikolaus Netzer
Hermann Buhl Institut für Hypoxie- und Schlafmedizinforschung
der Universität Innsbruck
Ghersburgstr. 9
83043 Bad Aibling
E-Mail: nikolaus.netzer@eurac.edu

1          Einleitung

 

 

 

Ausreichender und erholsamer Schlaf ist in jedem Lebensalter ein wichtiger Faktor für Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Die Folgen eines gestörten Schlafs belasten die betroffenen alten Menschen, deren Angehörige und die Betreuungspersonen. Der unausgeschlafene, chronisch müde ältere Mensch ist weniger gut zu motivieren, reduziert seine Alltagsaktivität und ist in seiner Befindlichkeit und Stimmung beeinträchtigt. Der Umgang im Alltag wird dadurch erschwert.

In einer alternden Gesellschaft wächst die Zahl der Menschen mit Multimorbidität, Pflegebedürftigkeit, Demenz-Syndromen oder der Notwendigkeit einer Heimunterbringung. Gerade bei diesen Menschen stellen Schlafstörungen eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar.

Zu wenig Schlaf oder ein ständig unterbrochener Schlaf führt zu Störungen der Wachheit, der Befindlichkeit und der Aufmerksamkeit. Die Fehlerrate steigt an und die Leistungsfähigkeit des Gehirns nimmt ab. Selbst eine einzige gestörte Nacht verursacht schon messbare Veränderungen der Leistungsfähigkeit am darauffolgenden Tag. Dies zeigt, wie wichtig ein dauerhaft guter Schlaf ist. Wird der Nachtschlaf ständig gestört, so führt dies zu ernsthaften Gesundheitsstörungen.

Etwa die Hälfte der älteren Menschen ist mit ihrem Schlafvermögen unzufrieden und klagt über Früherwachen, Ein- und Durchschlafstörungen, häufigeres nächtliches Erwachen, nicht erholsamen Schlaf oder Tagesmüdigkeit (Kuhlmei et al. 2013). Schlafstörungen werden aber trotz ihrer hohen Prävalenz und Relevanz bei alten Menschen diagnostisch und therapeutisch kaum berücksichtigt. Allein die Erhebung einer Schlafanamnese oder die Frage nach Schnarchen, Atempausen oder Tagesmüdigkeit erfolgt bei alten Menschen praktisch nicht (Bonanni et al. 2005).

Ein häufiges Missverständnis bei Betroffenen, Angehörigen und Ärzten liegt auch in der Annahme, dass Schlafstörungen im höheren Lebensalter zum normalen Altern gehören. Diese Annahme ist fatal und führt zu der hohen Zahl an Unterdiagnostik und Unterbehandlung von Schlafstörungen.

Andererseits fehlt bei einigen alten Menschen trotz einer erheblichen klinischen Symptomatik der Leidensdruck. Müdigkeit oder Schläfrigkeit am Tag werden akzeptiert und der Tagesschlaf tröstet über die Monotonie und Einsamkeit des Alltags hinweg. Auch hier besteht Aufklärungs- und Handlungsbedarf, denn gestörter Schlaf hat ein erhebliches und oft unterschätztes eigenständiges Morbiditätspotenzial, das die oft vorliegenden multiplen Erkrankungen in ihrem klinischen Bild verändert (Bloom et al. 2009).

Schlafstörungen sollten daher angesichts ihrer Häufigkeit, ihrer komplexen Interaktionen im Kontext von Multimorbidität und Polypharmazie sowie aufgrund ihrer Auswirkungen auf die somatische und psychische Gesundheit als multifaktorielles geriatrisches Syndrom klassifiziert werden (Vaz Fragoso und Gill 2007).

Besondere Beachtung verdient dabei die bidirektionale Beziehung zwischen einem gestörten Schlaf und der Morbidität eines alten Menschen. Ältere Menschen mit Schlafstörungen leiden häufiger an einer arteriellen Hypertonie, einer Depression, persistierenden Schmerzen oder kardiovaskulären Erkrankungen (Taylor et al. 2007). Andererseits zeigen Menschen mit diesen Erkrankungen häufiger Schlafstörungen (Foley et al. 2004).

Die komplexen Regulationsmechanismen des Schlafs und deren Interaktionen mit der im Alter häufigen Multimorbidität stellen aber eine große diagnostische und therapeutische Herausforderung dar.

Bisher gibt es keine allgemeinen Empfehlungen, wie Schlafstörungen bei alten Menschen abgeklärt, behandelt und im weiteren Verlauf überwacht werden sollen (McCall 2005). Hier werden, wenn überhaupt, oft Schemata übernommen, die an jüngeren Patientengruppen entwickelt und erprobt wurden (Bloom et al. 2009).

Empfehlungen zum Management von Schlafstörungen bei alten Menschen müssen aufgrund dieser Komplexität die folgenden Punkte berücksichtigen:

•  die erhebliche Heterogenität der Gruppe älterer Menschen. Daraus leitet sich die Notwendigkeit individualisierter Behandlungskonzepte ab,

•  die sehr begrenzte Zeit, die den Mitarbeitern im Gesundheitswesen für die individuelle Betreuung von Patienten zur Verfügung steht. Daher können die vorhandenen, aber umfangreichen Algorithmen und Assessments für den Schlaf im klinischen Alltag oft nicht umgesetzt werden und werden deshalb auch nicht angewandt,

•  das umfangreiche verfügbare Wissen zum Management von Schlafstörungen, das berücksichtigt werden sollte,

•  die Einbindung von Spezialisten auf dem Gebiet der Schlafmedizin in ein umfassendes Behandlungskonzept und

•  die klinische Situation des Patienten mit Polypharmazie, Multimorbidität, Compliance und Umsetzbarkeit von validierten Konzepten.

2          Wichtige Begriffe aus der Schlafmedizin (Terminologie)

 

 

 

In der Schlafmedizin sind zahlreiche Fachbegriffe etabliert, mit deren Hilfe der Schlaf bzw. der gestörte Schlaf eindeutig beschrieben werden kann. Diese Begriffe werden auch verwendet, um den Schweregrad einer Schlafstörung anzugeben und den Einfluss einer Behandlung zu dokumentieren.

 

2.1       Müdigkeit

 

Der Begriff Müdigkeit beschreibt das subjektive Gefühl der Erschöpfung. Die Leistungsfähigkeit ist bei körperlichen, psychischen oder kognitiven Anforderungen reduziert. Müdigkeit ist die physiologische Folge langer Wachheit und signalisiert den Bedarf an Schlaf. Ausreichend langer Schlaf beseitigt Müdigkeit. Dieser entmüdende Effekt des Schlafs ist auch differenzialdiagnostisch verwertbar.

Merke

Müdigkeit ist ein physiologisches Phänomen, welches durch ausreichenden Schlaf beseitigt wird.

 

2.2       Schläfrigkeit

 

Schläfrigkeit ist die verminderte Wachheit infolge einer reduzierten zentralnervösen Aktivierung. Schläfrigkeit manifestiert sich klinisch durch Schlafphasen an Zeitpunkten, an denen üblicherweise Wachheit erwartet wird. Tagesschläfrigkeit ist die phänotypische Manifestation eines gestörten, nicht erholsamen Schlafs. Da der Schlaf gestört ist, führt Schlafen im Gegensatz zur Müdigkeit nicht zu einer Beseitigung der Tagesschläfrigkeit. Tagesschläfrigkeit ist kein physiologisches Phänomen und bedarf einer weiteren Abklärung, da eine Vielzahl behandelbarer Faktoren Tagesschläfrigkeit auslösen kann. Schläfrigkeit kann durch spezifische Fragebögen erfasst werden. Hierzu zählen die Epworth Sleepiness Scale (ESS) oder die Karolinska Sleepiness Scale (KSS). Diese Skalen wurden aber nie für geriatrische Patienten validiert. Ein für geriatrische Patienten entwickelter Fremdbeurteilungsbogen zur Erfassung von Tagesschläfrigkeit ist der Essener Fragebogen Alter und Schläfrigkeit. Viele Fragebögen können kostenlos von der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) heruntergeladen werden (www.dgsm.de).

Merke

Schläfrigkeit ist kein physiologisches Phänomen und sollte weiter abgeklärt werden.

 

2.3       Fatigue

 

Fatigue bezeichnet einen Zustand der andauernden Erschöpfung, Leistungsschwäche und Kraftlosigkeit, der sich durch körperliche Ruhephasen oder Schlaf nicht beseitigen lässt. Dieses Kriterium unterscheidet Fatigue auch von der physiologischen Müdigkeit nach langen Wachphasen. Patienten mit Fatigue sind nicht schläfrig. Die Ursachen von Fatigue sind vielfältig.

Merke

Fatigue muss von Müdigkeit und Schläfrigkeit abgegrenzt werden.

 

2.4       Arousal

 

Unter einem Arousal wird ein kurzes Aufwachereignis verstanden, das sich elektrophysiologisch durch eine Ableitung der Hirnstromkurve während des Schlafs nachweisen lässt. Arousals unterbrechen die Kontinuität des Schlafs (Fragmentation) und reduzieren seine erholsamen und konsolidierenden Effekte. Arousals dauern etwa drei Sekunden und können aufgrund ihrer Kürze von den Patienten morgens nicht erinnert werden. Definitionsgemäß muss einem Arousal elektrophysiologisch für wenigstens zehn Sekunden ein stabiler Schlaf vorausgehen.

 

2.5       Einschlaflatenz

 

Die Einschlaflatenz ist die Zeitspanne vom Aufsuchen des Betts bis zum Einschlafen. Die Einschlaflatenz ist der Parameter zur Diagnose einer Einschlafstörung. Sie sollte unabhängig vom Alter weniger als 30 Minuten andauern. Die Einschlaflatenz wird üblicherweise erfragt, kann aber auch im Rahmen einer Polysomnographie gemessen oder mittels Aktometrie geschätzt werden.

 

2.6       Schlafperiode (Sleep Period Time, SPT)

 

Die Zeit vom ersten Einschlafen bis zum letztmaligen Erwachen. Die Schlafperiode (Sleep Period Time, SPT) beinhaltet per Definition auch die Zeit, die nach dem ersten Einschlafen wach zugebracht wird.

 

2.7       Gesamtschlafzeit (Total Sleep Time, TST)

 

Die Zeit, die schlafend im Bett verbracht wird. Die Gesamtschlafzeit (Total Sleep Time, TST) beträgt auch bei gesunden älteren Menschen etwa sechs bis acht Stunden.

 

2.8       Wachliegezeit (Wake After Sleep Onset, WASO)

 

Die Wachliegezeit (Wake After Sleep Onset, WASO) ist die Summe der Zeiten, in denen der Betroffene nach dem ersten Einschlafen und bis zum letztmaligen Einschlafen wach im Bett liegt. Die WASO ist die Differenz aus SPT und TST. Die WASO beträgt bei gesunden Erwachsenen bis zu 30 Minuten. Bei älteren Menschen (65+) kann eine WASO bis zu zwei Stunden betragen. Wenn die Tagesbefindlichkeit normal ist und Müdigkeit oder Schläfrigkeit fehlen, dann kann eine WASO von bis zu zwei Stunden als altersnormal angesehen werden.

 

2.9       Schlafeffizienz

 

Die Schlafeffizienz ist der relative Anteil der Zeit im Bett, der schlafend verbracht wird. Die Schlafeffizienz liegt bei jungen Erwachsenen oberhalb von 90 % und sollte bei gesunden alten Menschen einen Wert von 80 % nicht unterschreiten.

 

2.10     Elektrookulogramm (EOG)

 

Das Elektrookulogramm ist die Ableitung der Augenbewegungen mithilfe von Klebeelektroden. Der Augapfel fungiert als Dipol. Durch seine Bewegung entstehen kleine Spannungsschwankungen, die durch Elektroden an den Schläfen abgeleitet werden können. Rasche Augenbewegungen im Schlaf treten während des REM-Schlafs, langsame und rollende Augenbewegungen im Schlafstadium N1 auf.

 

2.11     Elektromyogramm (EMG)

 

Das Elektromyogramm zeichnet die Aktivität der quergestreiften Muskulatur auf. In der Schlafmedizin werden die Klebeelektroden unterhalb des Kinns aufgeklebt, um den Tonus der Halsmuskulatur zu erfassen. Elektroden über dem M. tibialis anterior erfassen Beinbewegungen im Schlaf.

 

2.12     Elektroenzephalogramm (EEG)

 

Das Elektroenzephalogramm (EEG) wird im Schlaflabor abgeleitet. Die Elektroden werden nach dem sog. 10-20-System auf der Schädelkalotte angebracht. Sie erlauben die Ableitung der Gehirnstromkurven.

 

2.13     Schlafstadium

 

Aufgrund der elektrophysiologischen Parameter EEG, EOG und EMG werden die einzelnen Schlafstadien bestimmt. Die Bewertung erfolgt epochenweise, wobei die Schlafstadien N1, N2 (Leichtschlaf), N3 (Tiefschlaf) und REM-Schlaf unterschieden werden. Eine Epoche umfasst den Zeitraum von einer halben Minute. Einer Epoche wird ein Schlafstadium zugeordnet. Die Summe der Bewertung der einzelnen Epochen ergibt dann das Hypnogramm.

 

2.14     Hypnogramm

 

Ein Hypnogramm ist die graphische Darstellung der Abfolge der Schlafstadien über die Zeit. Ein Hypnogramm besteht aus mehreren Schlafzyklen. Ein Schlafzyklus setzt sich aus der Abfolge der Schlafstadien Einschlafen (N1), Leichtschlaf (N2) zu N3 und wieder über N2 zu REM zusammen. Ein Schlafzyklus dauert etwa 60 bis 90 Minuten. Der Zeitraum bis zum ersten Auftreten von REM-Schlaf wird REM-Latenz genannt. Diese beträgt normalerweise mehr als 40 Minuten.

 

2.15     Pulsoximetrie

 

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Abb. 2.1: Beispiele einer Pulsoximetrie. Die oberen Abbildungen (A) zeigen zwei Registrierungen mit unterschiedlicher Entsättigungstiefe bei einer Auflösung über jeweils 21 Minuten. Die untere Abbildung (B) zeigt die komprimierte Darstellung einer Registrierung über eine (A) ganze Nacht.

Die Pulsoximetrie ist ein etabliertes Messverfahren zur Bestimmung der arteriellen Sauerstoffsättigung und der Pulsfrequenz (image Abb. 2.1). Sie eignet sich auch für die Diagnose von Atmungsstörungen im Schlaf. Da jedoch nur Sauerstoffentsättigungen als Folge einer Atmungsstörung registriert werden können, werden leichte bis mittelschwere schlafbezogene Atmungsstörungen nicht erkannt (Stradling und Crosby 1991). Zudem wird der Schlaf nicht erfasst, so dass eine Pulsoximetrie den Schweregrad einer schlafbezogenen Atmungsstörung erheblich unterschätzen kann. Schwere Formen einer schlafbezogenen Atmungsstörung werden hingegen mit hoher Spezifität erkannt.

Das Verfahren ist nicht belastend und wird auch von geriatrischen Patienten und Menschen mit Demenz gut toleriert. Pulsoximeter messen auch die Herzfrequenz, wobei kurz andauernde Anstiege der Pulsfrequenz ein indirekter Marker für Weckreaktionen im Schlaf sind.

Eine Differenzierung der verschiedenen Formen einer schlafbezogenen Atmungsstörung ist durch eine Pulsoximetrie alleine nicht möglich. Sie ist eher ein Screeningverfahren mit besonderem Wert für die Geriatrie. Ergeben sich für einen Patienten weitere Konsequenzen aus dieser Vordiagnostik, dann sind umfangreichere Messverfahren erforderlich.

 

2.16     Aktometrie

 

Die Aktometrie ist ein sehr einfaches und nicht belastendes Messverfahren mit dessen Hilfe Bewegung registriert wird (image Abb. 2.2). Das Verfahren hat eine hohe Aussagekraft. Der Patient trägt ein Gerät von der Größe einer Armbanduhr am nicht bevorzugten Arm über einen Zeitraum von wenigstens einer Woche. Das Gerat kann bei speziellen Fragestellungen auch am Fußgelenk oder an den Zehen getragen werden. Es zeichnet Bewegungen auf und bildet Ruhe- und Aktivitätsmuster ab. Bewegung korreliert hoch mit Wachheit, fehlende Bewegung mit Schlaf. Vergleichsstudien zeigen eine sehr gute Übereinstimmung der aktimetrischen Aufzeichnungen mit den Messungen im Schlaflabor (Gonçalves et al. 2014). Auch die Erfassung von nächtlichen Bewegungsstörungen oder Restless-Legs ist möglich.

Die Aktometrie ist damit ein Verfahren zur Erfassung der Bewegungsaktivität von Patienten über längere Zeiträume, wodurch Schlafzeiten mit geringem Aufwand und geringer Störung der Patienten erfasst werden können (Morgenthaler et al. 2007). Viele Anbieter stellen entsprechende Geräte oder Smartphone-Apps bereit. Einer aktuellen Übersichtsarbeit zufolge unterschätzen jedoch viele dieser Anwendungen das Ausmaß von Schlafstörungen und überschätzen die Gesamtschlafzeit im Vergleich zur Polysomnographie (Kolla et al. 2016).

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Abb. 2.2: Zwei Aktometriebefunde mit einer Registrierzeit von jeweils fünf Tagen. Das linke Beispiel zeigt einen Normalbefund, das rechte Beispiel einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Die grauen Balken zeigen Aktivität, fehlende Balken Inaktivität an.

 

2.17     Polygraphie

 

Für eine reduzierte apparative schlafmedizinische Diagnostik stehen Systeme zur Verfügung, die einzelne Parameter aus der Polysomnographie aufzeichnen.

Bei allen diesen sog. Polygraphiegeräten sollten die Sauerstoffsättigung, der Atemgasfluss, Schnarchgeräusche, die Pulsfrequenz, Atembewegung von Brustkorb und Bauch sowie die Körperlage erfasst werden. Bei der Polygraphie wird der Schlaf nicht gemessen, so dass falsch negative Befunde bei Patienten erhoben werden, die nicht geschlafen haben.

 

2.18     Polysomnographie

 

Die Polysomnographie ist das wichtigste Verfahren zur Beurteilung des Schlafs. Dabei werden zahlreiche Sonden und Detektoren am Körper des Patienten angebracht.

Gerade ältere Patienten müssen über diese umfangreiche Verkabelung vorab aufgeklärt werden. Denn das Verlassen des Betts ist durch die angebrachten Sonden deutlich behindert und auch das Aufsuchen einer Toilette wird sehr problematisch bis unmöglich.

Dies erklärt auch, warum gerade ältere Patienten häufig nicht gut im Schlaflabor zu untersuchen sind. Für Menschen mit Demenz ist eine Untersuchung im Schlaflabor zudem mit Angst und Verunsicherung verbunden. Daher werden diese Patienten vergleichsweise selten in einem Schlaflabor untersucht, obwohl gerade bei diesen Patienten Schlafstörungen häufig sind. Gerade für diese Patienten sind aber einfache Messverfahren oft geeigneter. Zukünftig werden Techniken benötigt, die körperfern, aber verlässlich eine Registrierung ermöglichen.

 

2.19     Periodische Bewegungen der Extremitäten (Periodic Limb Movements in Sleep, PLMS)

 

Bewegungen im Schlaf werden über ein Elektromyogramm und über die nächtliche Videoaufzeichnung erfasst. Die Mindestdauer einer Bewegung (Leg Movement) beträgt 0,5 Sekunden, die Höchstdauer zehn Sekunden. Eine Serie von Bewegungen umfasst mindestens vier solcher Ereignisse. Der Abstand zwischen den einzelnen Ereignissen muss mindestens fünf und sollte höchstens 90 Sekunden betragen, damit die Ereignisse als Serie gezählt werden dürfen.

 

2.20     Apnoe, Hypopnoe, Apnoe-Hypopnoe-Index

 

Ein fehlender Atemgasfluss von wenigstens zehn Sekunden Dauer wird bei Erwachsenen als Apnoe bezeichnet. Bleibt während einer Apnoe die Atemanstrengung erhalten, spricht man von einer obstruktiven Apnoe, fehlt die Atemanstrengung, liegt eine zentrale Apnoe vor. Gemischte Apnoen beginnen als zentrale Apnoe und gehen im weiteren Verlauf in eine obstruktive Apnoe über. Aus der Anzahl der nächtlichen Atemereignisse und der Schlafzeit wird ein Quotient gebildet, der Apnoe- Hypopnoe-Index (AHI), der als Maß für den Schweregrad einer schlafbezogenen Atmungsstörung dient.

3          Die Regulation von Wachheit und Schlaf

 

 

3.1       Die Schlafstadien und deren Abfolge

 

Im Alltag äußern sich Schlafstörungen als Schlaflosigkeit (Insomnie), als unerholsamer Schlaf oder als Tagesschläfrigkeit (Hypersomnolenz). Ob im Einzelfall eine relevante Schlafstörung vorliegt, muss durch die weitere Diagnostik abgeklärt werden. Dazu ist es wichtig zu wissen, wie der Schlaf des Menschen reguliert wird, welche Faktoren den Schlaf und das Schlafvermögen beeinflussen und was im höheren Lebensalter als normal gilt (Bloom et al. 2009).

Der Schlaf besteht aus zwei fundamentalen physiologischen Komponenten, dem sog. REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement-Schlaf, paradoxer Schlaf) und dem sog. Non-REM-Schlaf. Der Non-REM-Schlaf wird weiter in die Stadien Leichtschlaf (N1 und N2) und Tiefschlaf (N3) unterteilt (Berry et al. 2017).

Die Bestimmung des jeweiligen Schlafstadiums ist aufwendig und erfolgt im Schlaflabor. Im Rahmen einer Polysomnographie werden zahlreiche physiologische Parameter gemessen. Für die Bestimmung der Schlafstadien sind dazu Ableitungen der Gehirnstromkurve (Elektroenzephalogramm, EEG), der Bewegungen der Augen (Elektrookulogramm, EOG) und des Tonus der Halsmuskulatur (Elektromyogramm, EMG) erforderlich.

Der Schlaf beginnt mit dem Schlafstadium N1, geht dann in das Schlafstadium N2 über, erreicht das Tiefschlafniveau (N3) und führt wieder über das Schlafstadium N2 zur ersten REM-Schlafphase. Dieser physiologische Ablauf wird als Schlafzyklus bezeichnet, dauert zwischen 60 und 90 Minuten und endet immer mit einer REM-Schlafphase. Der normalerweise etwa sechs bis acht Stunden andauernde Nachtschlaf besteht aus drei bis fünf solcher Schlafzyklen. Mit Fortschreiten der Nacht nimmt der Anteil an Tiefschlaf (N3) kontinuierlich ab und die Länge der REM-Schlafphasen nimmt zum Morgen hin zu.

 

3.2       Mechanismen der Regulation von Schlaf und Wachheit

 

Die Regulation von Wachheit und Schlaf wird durch zwei grundlegende Mechanismen gesteuert. Im Jahr 1982 veröffentlichte Borbély dazu ein Modell, welches den periodischen Wechsel von Schlaf und Wachheit, von Schlafdauer und von Schlafqualität beschreibt (Borbély 1982). Diesem Modell liegen zwei basale Prozesse zugrunde, die durch ihre Interaktion den jeweiligen phänotypischen Wachheitsgrad bestimmen. Der eine Prozess wird homöostatischer Prozess (Prozess S), der andere zirkadianer Prozess (Prozess C) genannt.

Die Abbildung zeigt schematisch den zeitlichen Verlauf beider Prozesse über einen Zeitraum von 24 Stunden (image Abb. 3.1).

Der homöostatische Prozess (Prozess S) wird als Akkumulation von Schlafdruck infolge von Wachheit interpretiert. So, wie der Verzicht auf Trinken Durst erzeugt, so erzeugt Wachheit physiologische Müdigkeit und das Bedürfnis zu Schlafen. Dieser im Tagesverlauf ansteigende Schlafdruck wird durch den einsetzenden Schlaf wieder abgebaut und der Zyklus beginnt von vorne. Als organisches Substrat dieses Konstrukts konnte experimentell unter anderem der periodisch wechselnde Adenosingehalt in einigen schlafregulierenden Zentren des Gehirns identifiziert werden. Mit zunehmender Wachheit steigt der Adenosingehalt in diesen Arealen an und erzeugt über eine Neuromodulation mit einer Inhibierung der neuronalen Aktivität Müdigkeit mit erhöhter Einschlafwahrscheinlichkeit (Reichert et al. 2016).

Der zirkadiane Prozess (Prozess C) ist durch Oszillationen der Wachheit über eine 24-Stunden-Periode gekennzeichnet und fördert bei tagaktiven

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Abb. 3.1: Regulation der Wachheit im Modell nach Borbély (modifiziert nach Achermann und Borbély 2003, S. 684)

Lebewesen die Wachheit am Tag und den Schlaf in der Nacht. Die Oszillationen dieses Prozesses werden durch zahlreiche Umweltfaktoren wie der Helligkeit der Umgebung, der körperlichen Aktivität, emotionaler oder endokriner Parameter getriggert.

Der zirkadiane Prozess C wird durch ein dreistufiges und hierarchisch strukturiertes System reguliert, das einerseits Stabilität beim Wechsel zwischen Wachheit und Schlaf und andererseits eine Anpassung an akute und chronische Veränderungen der Umgebung ermöglicht. Morphologisch gehören zu diesem System neben dem Ncl. suprachiasmaticus (SCN) der dorsomediale Hypothalamus (DMH) und die ventrolaterale präoptische Region (VLPO) (Saper 2013).

Der Hauptschrittmacher (»Innere Uhr« oder »Master Clock«) für alle biologischen Rhythmen befindet sich im SCN. Dieser Hauptschrittmacher beeinflusst als Master Clock die in jeder Zelle des Organismus vorhandenen lokalen Oszillatoren (Reppert und Weaver 2002). Der Hauptschrittmacher arbeitet durch eine Rückkopplungsschleife mit einer Aktivierung und einer Deaktivierung von Genen. Die Genprodukte CLOCK und BMAL1 in den Zellen des SCN unterhalten diesen Auto-Feedback-Mechanismus. Zahlreiche Gene und Genprodukte beeinflussen die Varianz der individuellen Schlafzeit. Dabei scheint die Summe kleiner Einzeleffekte der jeweiligen Genprodukte den Phänotyp des Schlafs zu bestimmen (Shi et al. 2017).

Der SCN selbst wird direkt von Neuronen der Netzhaut versorgt und erhält so die wichtige Information über die Helligkeit der Umgebung (Johnson et al. 1988). Zudem sendet und empfängt der SCN Signale an und aus dem Organismus und integriert auf diese Weise den Stoffwechsel des Organismus mit den Informationen aus der Umwelt (Hirota und Fukada 2004).

Der endogene Rhythmus des SCN wird durch diese Vernetzung an die Anforderungen aus der Umwelt angepasst, sog. Entrainment. Da eine helle Umgebung, fehlende Dunkelheit in der Nacht, »Lichtverschmutzung« oder Blindheit direkten Einfluss auf die Oszillationen des SCN haben, können durch diese Faktoren auch Störungen des zirkadianen Rhythmus verursacht werden.

Tierversuche zeigen zum Beispiel, dass die Oszillationen der Zellen des SCN auch nach deren Isolierung aus dem Gehirn in vitro persistieren. Die Periodenlänge dieser Oszillationszyklen beträgt etwa 24 Stunden und ist genetisch determiniert. Sie kann zwischen den einzelnen Individuen um Minuten, seltener Stunden variieren. Genetische Veränderungen, Mutationen, Veränderungen im Metabolismus der Genprodukte oder Degenerationen in diesem System beeinflussen unmittelbar dessen Periodenlänge und Stabilität mit direkten Auswirkungen auf das phänotypische Schlafmuster (Saper 2013).

Die Verbindungen des SCN mit den Kerngebieten der Schlaf-Wach-Regulation sind komplex. Die Abbildung 3.2 zeigt eine vereinfachte Darstellung der wichtigsten Verbindungen des SCN (image Abb. 3.2) (Saper 2013).

Vom SCN führen Projektionen in Kerngebiete, die in die Regulation von Schlaf und Wachheit eingebunden sind. Die vom SCN ausgehenden Projektionen sind aber eher moderat und führen überwiegend durch die ventrale und dorsale subparaventrikuläre Zone (vPVZ; dPVZ) zum dorsomedialen Hypothalamus (DMH) (Watts et al. 1987; Watts und Swanson 1987). Läsionen der ventralen Anteile dieser Verbindungsstruktur (vPVZ) stören den zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus und die motorische Aktivität eines Individuums. Läsionen im dorsalen Teil (dPVZ)

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Abb. 3.2: Vereinfachte schematische Darstellung wichtiger zerebraler Zentren, die in die Regulation des Schlafs eingebunden sind (nähere Erläuterungen im Text) (modifiziert nach Saper et al. 2005b, S. 1261)

stören den zirkadianen Verlauf der Körperkerntemperatur, nicht aber die Wachheit (Lu et al. 2001).

Zudem wird der DMH durch viszerale, kognitive, emotionale und physische Afferenzen über praktisch alle inneren und äußeren Einflüsse auf den Organismus informiert, integriert diese und modifiziert so seinen efferenten Output (Saper et al. 2005a).

Diese komplexe Organisationsform von Wachheit und Schlaf erklärt auch, warum emotionale oder kognitive Belastungen den Schlaf rauben, warum nach einer opulenten Mahlzeit Müdigkeit auftritt, warum körperliche Aktivität die Wachheit steigert oder überlange Wachphasen von Helfern bei Katastropheneinsätzen ohne kurzfristigen Schlafbedarf möglich werden. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge erlaubt andererseits aber auch, bei Störungen in diesem System spezifische und rational begründbare therapeutische Interventionen zu entwickeln.

Das Hauptziel des DMH ist die ventrolaterale präoptische Region (VLPO), die auch als das »Tor zum Schlaf« bezeichnet wird. Über GABAerge Neurone, die den stärksten Input an die VLPO liefern, hemmt der DMH deren Aktivität und damit deren Schlaf-induzierende Wirkung und erzeugt so indirekt Wachheit. Vom DMH führen auch glutamaterge Projektionen zum lateralen Hypothalamus (LH) und induzieren Wachheit und Appetit (Chou et al. 2003).