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Grundkurs Philosophie

Band 21

Michael Reder
Andreas Gösele
Lukas Köhler
Johannes Wallacher

Umweltethik

Eine Einführung in globaler ­Perspektive

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2019

 

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-031467-2

 

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-031468-9

epub: ISBN 978-3-17-031469-6

mobi: ISBN 978-3-17-031470-2

 

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Inhalt

1.  Einleitung

2.  Umweltethische Grundlagen

2.1  Umweltethik im Spiegel gegenwärtiger Ethikansätze

2.1.1  Deontologische Umweltethik

2.1.2  Konsequentialistische Umweltethik

2.1.3  Eudaimonistische Umweltethik

2.2  Das Verhältnis von Mensch und Umwelt

2.2.1  Anthropozentrismus

2.2.2  Alternativen zum Anthropozentrismus

Egalitärer Pathozentrismus

Biozentrismus

Universaler und holistischer Physiozentrismus

Pluralistischer Holismus

2.3  Gerechtigkeit als umweltethisches Prinzip

2.3.1  Reichweite der Gerechtigkeit

2.3.2  Von der Gerechtigkeit zur Umweltethik

2.3.3  Weltweite Gerechtigkeit und Umweltschutz

2.3.4  Freiwillige internationale Kooperation

2.3.5  Intergenerationelle Gerechtigkeit

3.  Umweltethik und Entwicklung

3.1  Nachhaltigkeit als umweltethisches Leitprinzip

3.1.1  Nachhaltige Entwicklung

3.1.2  Terminologisches und historisches Zwischenspiel

3.1.3  Nachhaltigkeit und Kapital

3.1.4  Schwache vs. starke Nachhaltigkeit

3.1.5  Zwischenpositionen

3.2  Umweltökonomie

3.2.1  Grundsätzliche Überlegungen

3.2.2  Wirtschaftspolitische Instrumente

Eigentumsrechte

Steuern/Auflagen/Handelbare Rechte

3.2.3  Gemeingüter – Trittbrettfahrer

3.2.4  Diskontierung des Zukunftsnutzens

3.3  Umwelt und Entwicklung

4.  Umweltethik zwischen Politik und Recht

4.1  Politik angesichts ökologischer Herausforderungen

4.1.1  Spannung zwischen Politik und dem Politischen

4.1.2  Normative Leitsätze der Umweltpolitik

4.2  Demokratie in Zeiten der Nachhaltigkeit

4.2.1  Repräsentation und Demokratie

4.2.2  Deliberative Demokratie

4.2.3  Radikale Demokratie

4.2.4  Pragmatistische Demokratie

4.2.5  Demokratische Umweltpolitik und Global Governance

4.3  Recht und Umweltethik

4.3.1  Was ist das (Umwelt-)Recht?

4.3.2  Ziele und Formen des Umweltrechts

4.3.3  Konstitutionelle Verankerung und Klageberechtigung

4.3.4  Internationales Umweltrecht und Menschenrechte

5.  Ökologische Herausforderungen

5.1  Vielfalt und Struktur ökologischer Herausforderungen

5.2  Klimawandel, Entwicklung und Menschenrechte

5.2.1.  Ausgang bei der Vulnerabilität der Menschen

5.2.2.  Menschenrechte als umweltethische Orientierung

5.2.3  Klimagerechtigkeit

5.3  Umweltethische Perspektiven auf Ressourcen. Fokus: Wasser

5.3.1  Wasserknappheit: Notwendigkeit einer Ressourcenethik

5.3.2  Strategien nachhaltiger Wasserbewirtschaftung

5.4.  Biodiversität als Thema der Umweltethik

6.  Kulturelle Dimensionen der Umweltethik

6.1  Lebensstile und Konsum

6.1.1  Mensch oder Institution?

6.1.2  Leitbilder und nachhaltiger Konsum

6.2  Kultur und Religion als Thema der Umweltethik

6.2.1  Kultur als Dimension ökologischer Themenfelder

6.2.2  Religionen und ihre umweltethische Bedeutung

7.  Ausblick

Literatur

Personenregister

1.  Einleitung

Der Umgang mit der Umwelt ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Thema in Wissenschaft und Gesellschaft geworden. Nicht nur die Debatten um Nachhaltigkeit, sondern auch um viele konkrete (globale) Herausforderungen wie die Nutzung von Ressourcen oder die Begrenzung des Klimawandels sind Ausdruck hiervon. Dabei geht es im Kern immer auch um ethische Fragstellungen, denn der Diskurs über den Umgang mit der Umwelt impliziert unterschiedliche normative Aspekte, die es ethisch zu diskutieren gilt.

Auch die Philosophie beschäftigt sich nicht zuletzt deshalb seit einigen Jahrzehnten intensiv mit diesen ökologischen Fragen. Oftmals tut sie dies als Bereichsethik. Bereichsethiken sind in den vergangenen Jahrzehnten zu einem festen Bestandteil der philosophischen Forschung geworden. Angesichts vielfältiger Herausforderungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern fragen diese, was sie zur Analyse, ethischen Reflexion und teilweise auch zur politischen Bearbeitung dieser Probleme beitragen können. Dabei suchen sie einen Austausch mit den angrenzenden Disziplinen und schließen ethische Argumentationsfiguren an deren Erkenntnisse an. Philosophisch betrachtet spielen (meta-)ethische, sozial-, politisch-philosophische und wirtschaftsethische Argumente in diesen Kontexten ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die Umweltethik gehört neben anderen Bereichsethiken wie der Wirtschafts- oder Medizinethik sicherlich zu den bereits gut etablierten Bereichsethiken. Seit vielen Jahrzehnten ist sie institutionell ein Bestandteil philosophischer und theologischer Fakultäten. Im interdisziplinären Gespräch mit Umwelt- und Sozialwissenschaften werden unterschiedliche Facetten verschiedener Umweltveränderungen aus ethischer Sicht reflektiert und politische Optionen diskutiert. Der seit einigen Jahren intensiv erforschte Bereich der Klimaethik ist ein prominentes Beispiel hierfür.

Vor diesem Hintergrund entwirft der Band einen breit gefächerten Blick auf unterschiedlichste Theorien und Themen der Umweltethik. Diese lassen sich auf verschiedenen Ebenen verorten. Erstens geht es um umweltethische Grundlagenforschung. Hierbei stellen sich grundlegende Fragen, beispielsweise wie Natur bzw. das Verhältnis des Menschen zur Natur aus ethischer Perspektive zu verstehen ist. Diese ethischen Reflexionen sind auch mit umfassenden Interpretationen der Umwelt und des Menschen verbunden. Daran anschließend finden sich vielfache Überlegungen zu unterschiedlichen moralischen Prinzipien, wie beispielsweise zu dem der Gerechtigkeit. Umweltethische Diskussionen von Gerechtigkeit beziehen sich dabei auf intra- wie intergenerationelle Fragen, denn menschliches Verhalten gegenüber der Umwelt ist aufgrund seiner Pfadabhängigkeit oftmals durch langfristige Folgen gekennzeichnet, die auch (und v. a.) zukünftige Generationen betreffen.

Zweitens spielen Debatten um Nachhaltigkeit und Entwicklung eine zentrale Rolle in diesem Themenfeld. Seit einigen Jahrzehnten haben sich diese beiden Begriffe zu einem Kristallisationspunkt umweltethischer Debatten herausgebildet. Mit beiden wird zum einen die globale Dimension umweltethischer Überlegungen betont, zum anderen auch eine ökonomische Perspektive auf das Themenfeld eröffnet.

Drittens spielen Fragen der politischen Philosophie und Rechtsphilosophie eine wichtige Rolle im Diskurs der Umweltethik. Denn mit Blick auf politische und rechtliche Lösungen geht es immer auch um eine überzeugende Konzeptualisierung des Politischen und Rechtlichen angesichts ökologischer Herausforderungen. Themen in diesem Bereich sind beispielsweise, ob und wie demokratische Strukturen auf nationaler wie internationaler Ebene angesichts ökologischer Probleme verändert werden sollten und welche Rolle die Menschenrechte (z. B. als ein ethisch begründeter Schwellenwert) in der Umweltpolitik spielen könnten. In diesem politischen Feld spielen auch Fragen der Umweltökonomie als Dimension des Politischen eine immer wichtigere Rolle in umweltethischer Perspektive.

Viertens werden in der umweltethischen Forschung einzelne Themenfelder auf ihre normativen Implikationen hin analysiert und kritisch diskutiert. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist die Frage nach dem Klimawandel und einer ethisch begründeten Klimapolitik. Aber auch Fragen nach dem Umgang mit Ressourcen (angefangen von Wasser bis hin zu seltenen Rohstoffen) spielen in diesem Feld eine wichtige Rolle. Hierbei werden die grundlegenden Erkenntnisse zum Mensch-Umwelt-Verhältnis, zu umweltethischen Prinzipien und ihrer Bedeutung aus der Perspektive der politischen Philosophie und Rechtsphilosophie auf die jeweiligen gesellschaftlichen Felder übertragen. Je nach ethischem Ansatz führt dies zu unterschiedlichen Konzeptionen von Umweltethik angesichts globaler Herausforderungen.

Der fünfte und letzte Bereich bezieht sich auf kulturelle Aspekte der Umweltethik. Denn es zeigt sich immer deutlicher, dass in gesellschaftlichen und politischen Fragen nicht nur die ethische Begründung und politische Ausgestaltung von Institutionen eine herausragende Rolle spielen, sondern auch kulturelle Faktoren. Hierbei geht es beispielsweise um kulturelle Verhaltensmuster im Bereich der Konsumethik oder den Einfluss von Religionen als kulturelle Akteure zur Reflexion und Bearbeitung ökologischer Herausforderungen.

Der vorliegende Band möchte in allen fünf Richtungen eine Einführung in die Umweltethik geben und dabei vor allem auch die globale Dimension der Fragestellung ausleuchten. Die einzelnen Überlegungen nehmen dabei immer wieder auf theoretische Grundlagenfragen der Umweltethik Bezug und übersetzen diese in allgemein verständlicher Sprache in unterschiedliche konkrete Themenfelder. Drei Exkurse von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren eröffnen zudem eine Praxisperspektive auf die einzelnen Argumente. Dank gilt hierfür Monica Streck vom Flughafen München, Thomas Loster von der Münchener Rück Stiftung und Bernd Bornhorst vom Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR.

Diesem Band liegen vielfältige Forschungen zugrunde, die an der Hochschule für Philosophie bzw. am Institut für Gesellschaftspolitik, dem Vorgänger des Zentrums für globale Fragen an der Hochschule für Philosophie seit gut 15 Jahren durchgeführt wurden. Zu nennen sind u. a. das Projekt »Klimawandel und Gerechtigkeit«, das im Auftrag der Münchener Rück Stiftung und MISEREOR zusammen mit dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung von 2005–2008 durchgeführt wurde. Zu nennen sind des Weiteren die Forschungsarbeiten innerhalb des Umweltethikzentrums an der Hochschule für Philosophie, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt von 2014–2018 finanziert wurde, und das Forschungsprojekt »Zukünftige Generationen als Leerstelle der Demokratie«, das von der Fritz Thyssen Stiftung von 2016 bis 2018 an der Hochschule angesiedelt gewesen ist.

In der Perspektive all dieser, und weiterer (kleinerer) Projekte, liegt zudem eine enge Verbindung von Philosophie und ökologischer Praxis. Die Philosophie kann helfen, die normativen oder politisch-philosophischen Implikationen ökologischer Herausforderungen zu rekonstruieren, erklären oder auch zu kritisieren. All diese Überlegungen sind aber immer auch auf die ökologische Praxis angewiesen, an der sich die theoretischen Argumente bewähren müssen. In diesem Sinne gehört zur philosophischen Umweltethik deshalb immer auch die Verschränkung mit der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Praxis.1