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Herausgeber und Herausgeberin

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar

Abteilungsvorstand der Abteilung für Anästhesiologie, allgemeine Intensivmedizin, Notfallmedizin, interdisziplinäre Schmerztherapie und Palliativmedizin am Klinikum in Klagenfurt am Wörthersee.

FH-Prof.in Mag.a Dr.in Olivia Kada

Lectur/Senior Researcher im Studiengang Gesundheits- und Pflegemanagement an der Fachhochschule Kärnten.

Dr. Georg Pinter

Abteilungsvorstand Zentrum für Altersmedizin am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee (Akutgeriatrie/Remobilisation mit geriatrischer Tagesklinik, Abteilung für chronisch Kranke).

Univ.-Prof. Dr. Herbert Janig

Klinischer und Gesundheitspsychologe.

Priv.-Doz. Dr. Walter Schippinger

Ärztlicher Leiter der Albert Schweitzer Klinik, Leitung der Abteilung für Innere Medizin, Geriatrische Gesundheitszentren der Stadt Graz.

Mag. Dr. Karl Cernic

Geschäftsführer Kärntner Gesundheitsfonds in Klagenfurt am Wörthersee.

Prof. Dr. Cornel C. Sieber

Chefarzt Innere Medizin, Geriatrie, Gastroenterologie, Lehrstuhl für Innere Medizin – Geriatrie an der FAU Erlangen-Nürnberg, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg.

Rudolf Likar, Olivia Kada, Georg Pinter, Herbert Janig, Walter Schippinger, Karl Cernic, Cornel Sieber (Hrsg.)

Ethische Herausforderungen des Alters

Ein interdisziplinäres, fallorientiertes Praxisbuch für Medizin, Pflege und Gesundheitsberufe

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034226-2

E-Book-Formate:

pdf:    ISBN 978-3-17-034227-9

epub: ISBN 978-3-17-034228-6

mobi: ISBN 978-3-17-034229-3

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort
  2. Teil I – Fallbezogener Einstieg
  3. 1 Fallvignette
  4. Georg Pinter und Rudolf Likar
  5. 1.1 Notaufnahme
  6. 1.2 Akutgeriatrie
  7. 1.3 Diagnosen
  8. 1.4 Verlauf
  9. 1.5 Interviewleitfaden aus Sicht der Herausgeber
  10. 2 Hat sich die Medizin verselbstständigt und vom alten kranken Menschen entfernt?
  11. Dieter Hubmann
  12. 2.1 Wer soll entscheiden: Die kaufmännisch Verantwortlichen? Die Ärzte? Die Politik?
  13. 2.2 Immer nur die Ärzte?
  14. 2.3 Ethische Entscheidungen als Belastung?
  15. 2.4 Werden solche Fälle je zur Routine?
  16. 2.5 Ab wann ist das System überfordert?
  17. 2.6 Wie weit können Sie sich als Seelsorger in die Rolle des Arztes versetzen?
  18. 2.7 Wie gehen Ärzte mit diesen vielen Herausforderungen heute um?
  19. Teil II – Allgemeiner Teil
  20. 3 Rechtliche und ethische Betrachtungen zur palliativmedizinischen Betreuung in der Sterbephase
  21. Gerhard Aigner
  22. 3.1 Einleitung
  23. 3.2 Die Relativität des Altersbegriffes
  24. 3.3 (Verfassungs-)rechtliche Eckpunkte
  25. 3.4 Strafrecht versus ärztliches Berufsrecht
  26. 3.5 Resümee – gesetzlicher Handlungsbedarf?
  27. 4 Zentrale theoretische Grundlagen von Ethik und Patientenwohl in der Medizin bezogen auf die Lebensphase Alter
  28. Manfred Kanatschnig
  29. 4.1 Einleitung
  30. 4.2 Zum Begriff der Ethik
  31. 4.3 Zum Begriff einer »Geronto-Ethik«
  32. 4.4 Geriatrische Medizin und Ethik
  33. 4.5 Organisation und Ethik am Beispiel des Ethikboards Klagenfurt
  34. 4.6 Schlussbetrachtung
  35. Literatur
  36. 5 Ethik in der Altenpflege – zentrale Grundlagen aus pflegerischer Sicht
  37. Monique Weissenberger-Leduc und Michaela Zmaritz-Kukla
  38. 5.1 Einleitung
  39. 5.2 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz GuKG
  40. 5.3 North American Nursing Diagnosis Association International (NANDA-I)
  41. 5.4 Persönliche Definition
  42. 5.5 Allgemeine Ethik – Angewandte Ethik
  43. 5.6 Medizin- und Pflegeethik
  44. 5.7 Braucht die Pflege eine eigene Ethik?
  45. 5.8 Prinzipienorientierte Ethik von Beauchamp und Childress
  46. 5.9 Zusammenfassung
  47. Literatur
  48. 6 Ethik und Alter(n) aus gesundheitspolitischer Perspektive
  49. Andreas Klein
  50. 6.1 Einleitung
  51. 6.2 Verschobene Selbstverständnisse
  52. 6.3 Adhärenz und Eigenverantwortung
  53. 6.4 Neue Technologien in der Gesundheitsversorgung
  54. Literatur
  55. 7 Grundlagen der Ethik am Lebensende
  56. Ulrich H.J. Körtner
  57. 7.1 Einleitung
  58. 7.2 Die Debatte über ein gutes und menschenwürdiges Sterben
  59. 7.3 Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit von Leiden
  60. 7.4 Tun und Unterlassen
  61. 7.5 Würde und Autonomie am Lebensende
  62. 7.6 Zusammenfassung
  63. Literatur
  64. 8 Der Patient und seine Vertretung in medizinischen Angelegenheiten: Rechtsethische Grundlagen
  65. Jürgen Wallner
  66. 8.1 Einleitung
  67. 8.2 Zentrale Begriffe
  68. 8.3 Rechtsethische Rahmenbedingungen
  69. 8.4 Fallvignetten
  70. 8.5 Zusammenfassung
  71. Literatur
  72. 9 Ethische Vereinbarkeit von Ökonomie und Medizin insbesondere für ältere Patienten
  73. Karl Cernic
  74. 9.1 Ökonomie und Medizin
  75. 9.2 Versorgungsforschung und Rationierung
  76. 9.3 Ethik und Evidenz
  77. 9.4 Schlussfolgerung
  78. Literatur
  79. 10 Die andere Seite: Entwicklungspotentiale Gesundheitskompetenz und Gerotranszendenz
  80. Herbert Janig
  81. 10.1 Einleitung
  82. 10.2 Arzt-Patient-Beziehung
  83. 10.3 Chancen des Älterwerdens
  84. 10.4 Gesundheitskompetenz
  85. 10.5 Gerotranszendenz
  86. 10.6 Resümee
  87. Literatur
  88. 11 Die Frage nach dem »guten Sterben« in Österreich
  89. Klaus Wegleitner, Katharina Heimerl, Patrick Schuchter und Alexander Lang
  90. 11.1 Einleitung
  91. 11.2 Sterben als sozialer Prozess – die soziale Organisation des Sterbens
  92. 11.3 Sterben in Österreich
  93. 11.4 Bedürfnisse der Betroffenen
  94. 11.5 Sorgenetze am Lebensende
  95. 11.6 Ausblickende Zusammenfassung
  96. Literatur
  97. 12 Endlichkeit und Vulnerabilität in der psychologischen Alternsberatung
  98. Frieder R. Lang und Roland Rupprecht
  99. 12.1 Einleitung
  100. 12.2 Abgrenzung von Altern und Krankheit
  101. 12.3 Die Morbiditätskompression ist eine gesellschaftliche Aufgabe
  102. 12.4 Die Medikalisierung des Alters fördert die Altersdiskriminierung
  103. 12.5 Die Kompensationsthese gesunden Alterns verweist auf mögliche Lösungen
  104. 12.6 Der Lebenswille und Wunsch nach einem langen Leben
  105. 12.7 Zusammenfassung und Ausblick
  106. Literatur
  107. 13 Institutionelles Wissensmanagement in der Versorgung am Lebensende: Potentiale aus Sicht der Experten
  108. Kristin Attems und Willibald J. Stronegger
  109. 13.1 Einleitung
  110. 13.2 Definitionen zentraler Begriffe
  111. 13.3 Darstellung wesentlicher Theoriebezüge: Institutionen und Lebensende
  112. 13.4 Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse: Österreichische Expertenbefragung
  113. 13.5 Methode
  114. 13.6 Ergebnisse und Analyse
  115. 13.7 Diskussion
  116. 13.8 Zusammenfassung
  117. Literatur
  118. 14 Sterbehilfe – Situation in Österreich
  119. Herbert Watzke
  120. 14.1 Einleitung
  121. 14.2 Gesetzliche Regelungen der Sterbehilfe in Österreich
  122. 14.3 Wahrung der Patientenautonomie
  123. 14.4 Sterben zulassen
  124. 14.5 Fallbezug
  125. 14.6 Zusammenfassung
  126. Literatur
  127. 15 Kulturgerontologie, medizinische Geisteswissenschaften und Ethik
  128. Desmond O’Neill
  129. 15.1 Einleitung
  130. 15.2 Ethik und ältere Menschen
  131. 15.3 Die Entstehung der Kulturgerontologie
  132. 15.4 Kulturgerontologie und Personalität bei Demenz
  133. 15.5 Forschung und Wissenschaft
  134. Literatur
  135. 16 Gedanken und Erlebnisse eines Krankenseelsorgers
  136. P. Anton Wanner
  137. 16.1 Das Leid des Menschen – ein Mysterium
  138. 16.2 Aus der Sicht der Philosophen und Literaten
  139. 16.3 Aus christlicher Sicht
  140. 16.4 Denkwege aus Religion und Kultur
  141. 16.5 Gott im Dialog mit dem Menschen
  142. 16.6 Der Mensch von Gott veranlagt
  143. 16.7 Lebenskrisen im Wandel der Lebensphasen
  144. 16.8 Im Leid gereifte Geschenke
  145. 16.9 Noch ein Erleben
  146. 16.10 Sehnsucht nach Befreiung
  147. 16.11 In Würde getragen
  148. 16.12 Ein Gesprächserlebnis
  149. 16.13 Abschlussgedanken
  150. Literatur
  151. 17 Einfluss kultureller und religiöser Zugänge auf das Altern und Sterben
  152. Michael Peintinger
  153. 17.1 Einleitung
  154. 17.2 Alter
  155. 17.3 Gesundheit und Krankheit im Alter
  156. 17.4 Schmerzbekämpfung
  157. 17.5 Sterben
  158. 17.6 Todesverständnis in den Religionen
  159. 17.7 Kommunikation über den bevorstehenden Tod
  160. 17.8 Therapiezieländerungen
  161. 17.9 Todesverständnis
  162. 17.10 Organtransplantation
  163. 17.11 Conclusio
  164. Literatur
  165. 18 Moral Distress in der Arbeit mit geriatrischen Patienten
  166. Olivia Kada
  167. 18.1 Einleitung
  168. 18.2 Zur Definition von Moral Distress
  169. 18.3 Theoretische Einbettung und Forschungsstand
  170. 18.4 Moral Distress im Kontext Geriatrie
  171. 18.5 Moral Distress im Kontext Pflegeheim
  172. 18.6 Ein Blick auf die Interventionsebene
  173. 18.7 Zusammenfassung
  174. Literatur
  175. 19 Persönliche Betrachtungen eines Spitalsarztes in einem österreichischen Krankenhaus
  176. Mario Molnar
  177. 19.1 Einleitung
  178. 19.2 Vom Landeskrankenhaus zum Klinikum
  179. 19.3 Zusammenfassung
  180. Literatur
  181. 20 Psychiatrieethik – Ethik in der Psychiatrie
  182. Herwig Oberlerchner
  183. 20.1 Einleitung
  184. 20.2 Das Recht auf Selbstbestimmung
  185. 20.3 Überprüfung der Selbstbestimmungsfähigkeit
  186. 20.4 Zwangsmaßnahmen im Kontext Psychiatrie
  187. 20.5 Würde
  188. 20.6 Freiheit und Suizid
  189. 20.7 Präventive Ethik im Kontext Psychiatrie
  190. 20.8 Zusammenfassung
  191. Literatur
  192. 21 Das Thema Sterben und Tod in Dokumenten der Bioethikkommission
  193. Alois Birklbauer
  194. 21.1 Einleitung
  195. 21.2 Definition zentraler Begriffe
  196. 21.3 Wesentliche Theoriebezüge
  197. 21.4 Empfehlungen der Bioethikkommission
  198. 21.5 Zusammenfassung
  199. Literatur
  200. 22 Ethische Aspekte der Altersprolongierung
  201. Johannes Huber
  202. 22.1 Gibt es einen siebenten Schöpfungstag?
  203. 22.2 Zentrale Fragen der heutigen Medizin
  204. 22.3 Ausblick auf die ethischen Fragen der Zukunft
  205. Literatur
  206. 23 Social Egg Freezing – Auswirkungen auf die Gesellschaft und der damit verbundenen Sicht des Alters
  207. Bernhard Svejda
  208. 23.1 Einleitung
  209. 23.2 Medizinischer Hintergrund
  210. 23.3 Rechtslage
  211. 23.4 Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen
  212. 23.5 Auswirkungen auf die Gesellschaft
  213. 23.6 Auswirkungen auf das Altern
  214. 23.7 Latest News
  215. 23.8 Zusammenfassung
  216. Literatur
  217. 24 Schwierige Entscheidungsfindungen an der Schwelle zum Leben
  218. Robert Birnbacher
  219. 24.1 Einleitung
  220. 24.2 Zwillingsschwangerschaft und selektiver Fetozid
  221. 24.3 Das »best interest concept« in der täglichen Praxis
  222. Literatur
  223. 25 Wie intelligent ist künstliche Intelligenz …?
  224. Rüdiger Stix
  225. 25.1 Einleitung
  226. 25.2 Definitionen zentraler Begriffe
  227. 25.3 Darstellung wesentlicher Theoriebezüge
  228. 25.4 Zusammenfassung
  229. Literatur
  230. 26 Forschung an nicht einwilligungsfähigen Menschen
  231. Gerald Pichler
  232. 26.1 Einleitung
  233. 26.2 Allgemeines zur »Forschung an Einwilligungsunfähigen«
  234. 26.3 Betroffene Patientengruppen
  235. 26.4 Dauerhaft nicht einwilligungsfähige Personen
  236. 26.5 Blick und Ziele und Formen der Forschung
  237. 26.6 Schutz des Menschen
  238. 26.7 Schutz des Menschen
  239. 26.8 Rechtliche Aspekte
  240. 26.9 Zusammenfassung
  241. Literatur
  242. 27 Intensivmedizin für alte Patienten – klinischer Kontext und ethische Fragestellungen
  243. Andreas Valentin
  244. 27.1 Einleitung
  245. 27.2 Die Relativität des Altersbegriffes
  246. 27.3 Beeinflusst ein hohes Alter die Prognose eines Intensivpatienten
  247. 27.4 Kriterien für die Aufnahme an die Intensivstation
  248. 27.5 Intensivmedizin und Therapielimitation
  249. 27.6 Die individuelle Situation ist wesentlich
  250. 27.7 Zusammenfassung
  251. Literatur
  252. Teil III – Spezifische Kapitel mit Fallbezug
  253. 28 Leitlinien in der Geriatrie aus ethischer Sicht
  254. Walter Schippinger
  255. 28.1 Einleitung
  256. 28.2 Medizinische Leitlinien
  257. 28.3 Der geriatrische Patient
  258. 28.4 Fallvignette
  259. 28.5 Ethische Beratung des Falls
  260. 28.6 Fazit
  261. Literatur
  262. 29 Die PEG-Sonde bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz – macht sie Sinn?
  263. Thomas Frühwald
  264. 29.1 Einleitung
  265. 29.2 Zusammenfassung
  266. Literatur
  267. 30 Ethische Betrachtung der geriatrischen Aus-, Fort- und Weiterbildung
  268. Peter Dovjak und Georg Pinter
  269. 30.1 Wie geht es weiter mit der Geriatrie?
  270. 30.2 Behandlungsschritte
  271. 30.3 Auflösung des ethischen Dilemmas
  272. 30.4 Zusammenfassung
  273. Literatur
  274. 31 Ethikkonsile als Entscheidungshilfen
  275. Walter Müller
  276. 31.1 Einführung
  277. 31.2 Kasuistik
  278. 31.3 Vorgeschichte
  279. 31.4 Fazit
  280. Literatur
  281. 32 Ethische Aspekte der Kommunikation mit geriatrischen Patienten
  282. Marina Kojer
  283. 32.1 Einleitung
  284. 32.2 Die Rolle der Ethik in der Kommunikation
  285. 32.3 Kommunikation mit Menschen mit Demenz als ethische Herausforderung
  286. 32.4 Leistungsverständnis und Teamarbeit
  287. 32.5 Fazit
  288. Literatur
  289. 33 Demenzdiagnostik und Ethik
  290. Dan Verdes
  291. 33.1 Einleitende Problembeschreibung
  292. 33.2 Fallbeschreibung 1
  293. 33.3 Behandlungsschritte
  294. 33.4 Fallbeschreibung 2
  295. 33.5 Beschreibung und mögliche Auflösung des ethischen Dilemmas
  296. 33.6 Botschaften
  297. 33.7 Fazit
  298. Literatur
  299. 34 Übertherapie in der Intensivmedizin – weniger ist manchmal mehr!
  300. Barbara Friesenecker
  301. 34.1 Einleitende Problembeschreibung
  302. 34.2 Fallbeispiel 1
  303. 34.3 Fallbeispiel 2
  304. 34.4 Übertherapie – ein häufiges Problem »moderner« Medizin
  305. 34.5 Fazit
  306. Literatur
  307. 35 Therapiezieländerung und Therapiebegrenzung in der Notfallmedizin
  308. Dietmar Weixler
  309. 35.1 Einleitung
  310. 35.2 Wegfall der Indikation
  311. 35.3 (Mutmaßliche) Ablehnung einer medizinischen Therapie
  312. 35.4 Vorausverfügte Abwehr einer lebensverlängernden Therapie im Rettungs- und Notarztdienst – die Rolle der Patientenverfügung
  313. 35.5 Fazit
  314. Literatur
  315. 36 Therapiezieländerung/Palliative Sedierungstherapie
  316. Rudolf Likar, Markus Egger
  317. 36.1 Fallvignette: P., 80-jähriger Patient
  318. 36.2 Therapiezieländerungen
  319. 36.3 ARGE Ethik (ÖGARI)
  320. 36.4 Was umfassen die Therapiezieländerungen?
  321. 36.5 Opioide am Lebensende
  322. 36.6 Zusammenfassung
  323. 36.7 Palliative Sedierungstherapie
  324. 36.8 Empfehlungen zur Begleitung und Betreuung von Menschen am Lebensende und damit verbundenen Fragestellungen Stellungnahme der Bioethikkommission vom 9.2.2015
  325. 36.9 Zusammenfassung
  326. Literatur
  327. 37 Ethische Fragestellungen in der Allgemeinmedizinischen Praxis
  328. Dieter Michael Schmidt
  329. 37.1 Einleitung
  330. 37.2 Fallvignette
  331. 37.3 Ethik im Pflegeheim
  332. 37.4 Ethik im Gesundheitssystem
  333. 37.5 Fazit
  334. Literatur
  335. 38 Placebo, Nocebo und keine Behandlung
  336. Wolfgang Grisold
  337. 38.1 Einleitung
  338. 38.2 Geschichte
  339. 38.3 Was ist Placebo?
  340. 38.4 Wissenschaftliche Überlegungen zum Placebo-Effekt
  341. 38.5 Nocebo
  342. 38.6 Ethische Überlegungen
  343. 38.7 Zusammenfassung
  344. Literatur
  345. 39 Ethische Überlegungen und das Management von neuromuskulären Erkrankungen im Alter
  346. Stefan Quasthoff
  347. 39.1 Einleitung
  348. 39.2 Heimbeatmung
  349. 39.3 Schmerztherapie
  350. 39.4 Genetik
  351. 39.5 Drei Beispiele aus dem Bereich der cpNME
  352. 39.6 Spinale Muskelatrophie (SMA)
  353. 39.7 Morbus Pompe (chronisch progrediente Muskelatrophie)
  354. 39.8 Fazit
  355. Literatur
  356. 40 Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit im hohen Alter – Fallreflexion
  357. Elisabeth Medicus und Markus Mader
  358. 40.1 Einleitende Problembeschreibung
  359. 40.2 Darstellung des Falls
  360. 40.3 Darstellung der Vorgehensweise
  361. 40.4 Weiterer Verlauf
  362. 40.5 Fazit
  363. Literatur
  364. 41 Ethische Aspekte der An- und Zugehörigenarbeit in Pflege- und Reha-Einrichtungen
  365. Susanne Dungs
  366. 41.1 Problembeschreibung
  367. 41.2 Darstellung der Fallskizze: Herr Grün und seine Angehörigen
  368. 41.3 Das ethische Dilemma im Fall des Herrn Grün
  369. 41.4 Ethik vom Anderen her
  370. Literatur
  371. 42 Ethische Entscheidungen am Lebensende – ein interdisziplinärer medizinrechtlicher Dialog
  372. Rudolf Likar, Gernot Murko und Georg Pinter
  373. 42.1 Falldarstellung
  374. 42.2 Die rechtliche Dimension
  375. 42.3 Strafrechtliche Komponenten
  376. 42.4 Rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts
  377. 42.5 Ethische Betrachtungen
  378. Literatur
  379. Autorinnen und Autoren

Vorwort

 

 

Das Jahrbuch der Diözese Gurk stand 2012 unter dem Motto »Was uns im Alter trägt«. In diesem Jahrbuch bezeichnete ich mit dem Wort des Propheten Jesaia »… bis ihr grau werdet, will ich euch tragen« – ein Zuspruch Gottes, auch im Alter und besonders dort bei den Menschen zu sein – Alter als ein Lebensprogramm mit Zukunft. Dabei ging es mir besonders darum, den Menschen aus einer Instrumentalisierung für die Arbeitswelt oder für die Freizeitindustrie herauszuhalten, einer Instrumentalisierung, die der Würde des Menschen widerspricht. In diesem Sinne ist der Mensch nicht mit seinem Alter – als Alter – zu umschreiben, sondern stets in erster Linie als Mensch zu sehen und das Alter in die Herausforderung der Gestaltung dieses Menschseins zu stellen. Würde ist unverrechenbar – negativ wie positiv auch mit der Zahl von Jahren. Würde ist nicht gebunden an Gesundheit oder Krankheit, sondern diese sind in Achtung der unverrechenbaren Würde so zu gestalten und zu behandeln, dass sie ihre Förderung erfahren können.

Auf diesem Hintergrund will ich einige Bemerkungen in Bezug auf den sehr wertvollen Sammelband über Medizin im Blick auf Alter einbringen.

Ein erster Punkt: Alter wird in einer Zeit, die unter der Perspektive der Jugendlichkeit steht – bisweilen gesteigert zum Jugendwahn –, manchmal mit Krankheit gleichgesetzt. Dies hat zur Folge, dass sich manche Mediziner und Medizinsparten in die Richtung der Anti-Aging-Medizin einordnen lassen.

Es ist erstrebenswert, dass einengende Folgen des Alterns erforscht, behandelt und dann vielleicht in Jugendlichkeit gewandelt werden, aber Alter stellt keine Krankheit dar, die bekämpft werden muss. Altern ist ein natürlicher Vorgang, der das Leben prägt und mit dem Leben gegeben ist. Deswegen ist es gerade der Entwicklung des Menschen abträglich, das Altern bekämpfen zu wollen. Vielmehr geht es aus meiner Sicht für die Gerontologie darum, Krankheit und Gesundheit unter den Bedingungen des Alters zu betrachten und nach Möglichkeiten zu suchen, das Wohlbefinden der Menschen unter diesen Bedingungen zu fördern.

Das kann nicht von Erfolg gekrönt sein, wenn man das Alter und das Altern bekämpft, sondern es soll bei der Anti-Aging-Medizin um die Frage gehen, wie Hilfe und Unterstützung in der Gestaltung des Alterns gewonnen werden können. Nach einem bekannten Spruch geht es auch in der Medizin nicht nur darum, Jahre ins Leben zu bringen, sondern ebenso auch darum, Leben in die Jahre.

Dazu eine zweite Bemerkung, diese den Gesundheitsbegriff betreffend. Gesundheit wird oft über Abwesenheit von Krankheit oder krankmachenden Faktoren definiert. Eine solche Sicht reicht dann bis in die Definition von Gesundheit in der Weltgesundheitsorganisation, nach der Gesundheit als die Abwesenheit von körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Beeinträchtigungen gefasst wird. In einem solchen Zugang ist es wichtig und richtig, dass nicht nur körperliche Beeinträchtigungen, sprich Krankheiten, gesehen werden, sondern auch seelische oder soziale Begegnungen. Aber ein vollständiges Freisein von solchen Beeinträchtigungen ist illusorisch, nicht nur bei alten Menschen. Gesundheit darf also nicht nur über die Abwesenheit von Krankheit definiert werden, sondern wesentlich auch positiv als Ausrichtung auf Wohlbefinden in den Ermöglichungen und Behinderungen durch das Alter. So ist es zum Beispiel wichtig, in einem positiven Lebenskonzept die Bedrohungen und Chancen durch das Alter positiv miteinzubeziehen, etwas, wenn man den Blick nur auf Krankheiten richtet, was nur zu leicht versäumt wird: Nicht nur die Vermeidung und Heilung von Krankheiten und Beeinträchtigungen, sondern, wenn sie unvermeidbar sind, der gelungene Umgang mit ihnen soll ein Ziel ärztlicher Anregungen sein.

Daraus ergibt sich eine dritte Bemerkung: Medizinische Behandlung besonders im Alter muss eingebaut sein in eine umfassende Strategie, zusammen mit pflegerischer, physiotherapeutischer, psychischer, psychosozialer, aber auch seelsorglicher Betreuung. Aus ethischer Sicht ist ein ganzheitlicher Zugang zum Menschen notwendig. Der Platz der seelsorglichen Betreuung wird von den anderen Zugängen mitbestimmt, wie der seelsorgliche Zugang integrierend auf die anderen Zugänge wirken soll. Dabei geht es vor allem um die Sinnfrage, die Frage nach Zusammenhängen, die auch über den Glauben gefunden werden können. Das Leben des Menschen, das besonders im Alter auseinanderzudriften droht, bedarf eines seelsorglichen Zugangs, der zur ganzmenschlichen Betreuung führt.

Nun zu einer vierten Bemerkung: Vermehrt finden wir uns heute in der Situation, dass Leben gerade im Alter auf nacktes Überleben reduziert wird. Mit den Möglichkeiten der Lebensverlängerung und Lebensbewahrung, aber nicht nur mit diesen, sind auch vermehrt Situationen verbunden, in denen der Mensch nicht mehr autonom entscheiden kann, weil beispielsweise Denkfähigkeiten reduziert bis ausgeschaltet sind, wo »nur« noch das biologische Überleben im Mittelpunkt steht. In diesem Zusammenhang bricht dann die lange zurecht als Tabu ausgegrenzte Frage des »lebenswerten Lebens« auf und die weitere Frage, ob denn die Würde es nicht erfordert, diesem »lebensunwerten Leben« ein Ende zu setzen. Hier gilt am grundsätzlichen Ausgangspunkt: »Das Leben des Menschen ist unantastbar« festzuhalten. Dieser verbietet eine verrechnende Sicht auf lebenswert und lebensunwert.

Mit Würde ist nach Immanuel Kant das angesprochen, was nicht verrechenbar ist, was nicht in Konkurrenz zu anderen Werten gesetzt werden kann, auch wenn eine solche Konkurrenzsituation immer wieder in der alltäglichen Wirklichkeit geltend gemacht wird. Immanuel Kant schreibt wörtlich: »… der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen…«1 Und an einer anderen Stelle schreibt er: »Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.«2 Mit der Figur der Menschenwürde wird der Mensch also der verrechnenden Konkurrenz entzogen, was besonders im Hinblick auf die Schwachen, viele alte Menschen und die, die keinen Anwalt haben, der ihnen in der Verrechnung beistehen könnte, wichtig ist. Im Hinblick auf die Formulierung »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, wie sie sich im Bonner Grundgesetz in Artikel 1 findet, bemerkt Hermann J. Pottmeyer: »Es besteht die Neigung, überall in Gesellschaft und Geschichte zu beobachten, den Kreis der Würdeträger auf die Tatkräftigen und Leistungsfähigen einzuschränken. Dieser Neigung wehrt das Grundgesetz, wenn sein Artikel 1 die Würde des Menschen unantastbar nennt.«3 Und Pottmeyer zitiert dann Arno Baruzzi: »Die Würde ist deshalb unantastbar, weil es Unmündige, Kranke, Kinder, Gebrechliche überhaupt gibt. Das Fragile des menschlichen Daseins ist vor allem mit Art. 1 benannt.«4

Hier kommt auch die Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen zu tragen. Wenn die Würde auf dem Prüfstand steht, so kann die Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen zum Tragen kommen, wenn die Würde am Prüfstand steht, kann die Lehre der Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott ein Moment sein, das die Würde schützt. Dies gilt besonders in den verletzlichen Phasen des Alters und des Sterbens.

Eine fünfte Bemerkung: Mit der Formel der Weisheit des Alters wird oft der Punkt angesprochen, dass der Überblick, den der Mensch in einem langen Leben gewonnen hat, nun in die Bewertung der Zusammenhänge einmündet. Damit kommt vermehrt auch die Autonomie in den Blickpunkt. Der Mensch, der für sich selbst verantwortlich ist, der selbstbestimmt sein Leben in die Hand nimmt, soll das auch und gerade im Alter tun. Mit Patientenverfügungen und ähnlichen Institutionen versuchen wir der Patientenautonomie gerecht zu werden. Mit dem Begriffsbestandteil »Verfügung« wird aber ein problematischer Gesichtspunkt angesprochen: Wer kann über Leben verfügen? Kann ich selbst über mein Leben verfügen? Verfügen kann man nur über Sachen: Ist das Leben eine Sache?

Somit zeigt sich angesichts des Alters die Wichtigkeit von Autonomie wie auch ihre Grenze. Erkenntnis heißt in unserem Zusammenhang auch Erkenntnis zur Anerkenntnis. Wir müssen, und auch der alte Mensch selbst, anerkennen, dass Leben unverfügbar ist, dies als Konsequenz der Würde. Weisheit wird damit auch eine Einordnungsgröße, der Mensch eingeordnet in die Weite des Lebens überhaupt.

In diesem Zusammenhang eine letzte Bemerkung: Medizin hat ein wichtiges Ziel in der Bekämpfung des Todes. Medizin bedeutet aber auch Anerkenntnis des Todes, um aus dieser Einordnung heraus die Mitverantwortung für die Gestaltung des Sterbens ableiten zu können. Die Entwicklung zeigt, dass in einer weitgehenden Bindung der Ressourcen an die Bekämpfung des Todes zu wenig in die Begleitung des Sterbens investiert wurde. In palliativmedizinischen Zugängen, in der Hospizarbeit haben sich wichtige Bewegungen zur Begleitung im Sterben entwickelt.

Das Bedenken dieser und anderer Punkte kann einen Beitrag bedeuten, dass Alter verstärkt ein Lebensprogramm mit Zukunft werden kann. Ich danke allen, die mit ihren Beiträgen zu diesem Programm beitragen.

Dr. Alois Schwarz

1     Kant, I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Kants gesammelte Schriften hrsg. v. d. Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaft. Erste Abteilung, Werke. Bd. IV, Berlin 1911, 385-463, 428.

2     Ebenda 434.

3     Pottmeyer, H.J., Das kirchliche Krankenhaus – Zeugnis kirchlicher Diakonie, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, hrsg. von Marre H./Stubing, J., Bd. 17, Münster 1983, 62-82, 64.

4     Baruzzi, A., Europäisches »Menschenbild« und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Freiburg/Br. 1979, 109, zit. von Pottmeyer H.J., Das kirchliche Krankenhaus 64.

 

 

 

Teil I – Fallbezogener Einstieg

1          Fallvignette

Georg Pinter und Rudolf Likar

1.1       Notaufnahme

Frau Z. verspürt seit zwei Tagen rezidivierend Palpitationen (unregelmäßigen Herzschlag) und ein Beklemmungsgefühl in der Brust. Zusätzlich hat sie das Gefühl, nicht durchatmen zu können. Im Herbst des Vorjahres bestand bereits eine ähnliche Symptomatik. Damals erfolgte eine umfassende stationäre Abklärung. Zusätzlich gibt sie Polyurie (vermehrtes Harnlassen) an.

Die Patientin wird aufgrund dieser Anamnese von ihrer Hausärztin in die Notaufnahme geschickt.

Im Labor zeigt sich eine mäßiggradige, normochrome, normozytäre Anämie (Blutarmut) bei einem Hb von 9,3 g/dl, sowie ein Kreatinin von 1,86, BUN 53 mg/dl, eine GFR von 23 ml/min (deutliche Einschränkung der Nierenfunktion), sowie eine Hyponatriämie von 120 mmol/l (Salzmangel).

In der Notfallambulanz gibt die Patientin Übelkeit an und erbricht daraufhin. Sie erhält eine Kurzinfusion mit einem entsprechenden Medikament und des Weiteren eine Kochsalzinfusion.

Das Medikament Candesartan HCT wird in der Notaufnahme aufgrund der Hyponatriämie abgesetzt (Nebenwirkung).

Aufgrund der Beschwerden, als auch Bradykardie (langsame Herzfrequenz von 47/Minute) wird die Patientin zur Beobachtung an der Aufnahmestation aufgenommen.

Die Patientin ist tags darauf Herz-Kreislaufmäßig stabil, gibt leichte Übelkeit an und wird in weiterer Folge auf eine Akutgeriatrie verlegt.

1.2       Akutgeriatrie

Bei der Übernahme von der Notaufnahme berichtet die Patientin, dass sie schon zu Hause in den letzten Wochen immer wieder Übelkeit, Erbrechen sowie rezidivierend dünn-breiige Stühle gehabt hat. Es bestand kein Fieber und kein Kontakt mit Menschen mit einer Durchfallsymptomatik.

Die Patientin kommt zu Hause öfter zu Sturz. Sofern aus der Anamnese erhebbar, handelt es hierbei am ehesten um Stolperstürze (lokomotorische Genese der Stürze).

Die Patientin ist zu Hause mit einem Rollator mobil, bei Einkäufen unterstützt sie die Tochter, die in derselben Stadt wohnt.

Frau Z. beschreibt eine Kurzzeitgedächtnisstörung, die sie im Alltag gelegentlich belastet. Sie kann mit Brille noch die Zeitung lesen, hat beim Hören trotz Hörgerätversorgung größere Probleme, vor allem wenn mehrere Menschen gleichzeitig mit ihr sprechen. Die Zahnprothese passt nicht mehr richtig, wodurch sie beim Essen in letzter Zeit beeinträchtigt ist.

Es besteht eine leichtgradige Stressharninkontinenz, die die Patientin unter Nutzung einer Vorlage gut beherrschen und kompensieren kann.

Die Patientin lebte bisher allein in ihrer Wohnung. Im Bedarfsfall erhält sie Unterstützung durch die in der Nähe lebende Tochter. Zusätzlich zur Pension erhält sie Pflegegeld der Pflegestufe 1.

Bisherige Medikamente

•  Candesartan HCT 16/12,5 mg

1-0-0-0

•  Furosemid 40 mg

0,5-0-0-0

Körperlicher Status

•  Alter:

96 Jahre

•  Geschlecht:

weiblich

•  Allgemeinzustand:

leicht reduziert

•  Ernährungszustand:

reduziert

•  Größe:

154 cm

•  Gewicht:

46 kg

•  BMI:

19,4

•  Blutdruck:

200/80mmHg

•  Pulsfrequenz:

47/Minute

•  Lunge:

Eupnoe, diskretes Entfaltungsknistern, sonst unauffällig

•  Herz:

2/6 Systolikum über der Aortenklappe, rhythmisch unauffällig

•  Abdomen:

die Bauchdecke ist weich, es besteht kein Druckschmerz, es sind keine Resistenzen palpabel, die Darmgeräusche sind in allen vier Quadranten lebhaft, es besteht keine Abwehrspannung, kein Meteorismus

•  Extremitäten:

keine wesentlichen Einschränkungen in der Beweglichkeit, keine Ödeme

Untersuchungsergebnisse

Aufnahmelabor

•  Hämoglobin:

9,5g/dl (normochrome, normozytäre Erythrozyten)

•  Creatinin:

1,22mg/dl

•  GFR-Cockcroft/Gault:

22 ml/min.

•  CRP:

7 mg/dl

•  Natrium:

128 mmol/l

•  Kalium:

3,9 mmol/l

Labor im weiteren Verlauf des stationären Aufenthaltes:

•  Leukozyten

20.790/µl

•  Hämoglobin:

9,1g/dl

•  Creatinin:

1,43 mg/dl

•  Natrium:

143 mmol/l

•  hs Troponin

438 pg/ml

EKG bei Aufnahme:

Sinusrhythmus 47/min., LT, ST-Senkungen horizontal bis descendierend in II, III, aVF, V3-V6, QTc-Zeit 440 msec.

Röntgen Thorax bei Aufnahme

Gering verbreiterter Herzschatten.

Röntgenkontrolle während des Aufenthaltes

•  Im Vergleich dazu zunehmend fleckige Verdichtungen über der rechten Lunge sowie links apikal – in erster Linie im Rahmen von Infiltraten.

•  Incipiente Stauungszeichen bei grenzwertig großem Herz.

•  Geringer Pleuraerguss linkssseitig.

•  Ausgeprägte Atheromatose der Aorta.

•  Unverändert die Residuen links medio-basal.

Weitere Röntgenkontrolle

Deutliche Zunahme der Infiltrate beidseits.

Fallrelevante Ausschnitte aus dem Basisassessment an der geriatrischen Fachabteilung

•  Barthel-Index bei Aufnahme: 85 von 100 Punkten,

•  Hilfsmittel bei stationärer Aufnahme: Rollator

•  MMSE (Mini Mental State Examination): 27 von 30 Punkten

•  MNA (Mini Nutritionl Assessment): 10 Punkte (Malnutritionsrisiko)

1.3       Diagnosen

•  Hypertensives Lungenödem (Wasseransammlung in der Lunge)

•  Respiratorische Insuffizienz (starke Beeinträchtigung der Atmung)

•  Pneumonie bds. (Lungenentzündung beidseits)

•  Dysphagie für Flüssigkeiten (Schluckstörung)

•  Hyponatriämie (Salzmangel)

•  prim. art. Hypertonie (Bluthochdruck)

•  Sinusbradykardie (langsame Herzfrequenz)

•  chronische Niereninsuffizienz IV (chronisches höhergradiges Nierenversagen)

•  renale Anämie (Blutarmut wegen der Nierenschwäche)

•  Osteoporose

•  Vitamin D-Mangel

•  Hypoalbuminämie (Verminderung des Eiweißgehaltes im Blut)

•  Brustdrüsenkrebs Operation links + Bestrahlung vor Jahren

1.4       Verlauf

Bereits am Abend des Überstellungstages an die Akutgeriatrie zeigte die Patientin ein hypertensives Lungenödem (Wasseransammlung in der Lunge) mit einer respiratorischen Insuffizienz (starke Beeinträchtigung der Atmung). Nach Akutversorgung wurde die Patientin kurzzeitig an der Intensivstation zur CPAP-Atemtherapie übernommen. Nach der stationären Rückübernahme am Folgetag präsentierte sich die Patientin mit ausgelenkten herzspezifischen Biomarkern (Hinweis auf Unterdurchblutung des Herzmuskels), mit einer Anämie (Blutarmut) und deutlich ausgelenkten Nierenretentionsparametern (Nierenschwäche). In Folge sind die Entzündungswerte im Blut deutlich ansteigend, klinisch und radiologisch findet sich eine Pneumonie (Lungenentzündung) beidseits. Es erfolgt eine antibiotische Therapie und es wird eine logopädische Begleitung mit Dysphagieprophylaxe-Maßnahmen veranlasst. Eine Rollatormobilität ist schon kurz darauf wiedergegeben.

Einige Tage später kommt es in den Morgenstunden neuerlich zu einer respiratorischen Verschlechterung mit akutem Sättigungsabfall (starke Beeinträchtigung der Atmung). Unter Anforderung des Notfallteams wird die Patientin zur weiteren Versorgung an die Intensivstation des Hauses transferiert.

Übernahme der Patientin zur Atemtherapie an der Intensivstation: Beginn mit einer nicht-invasiven Beatmung. Die nicht-invasive Beatmung war nicht erfolgreich, deswegen wurde bei der Patientin tags darauf eine Intubation (Einführen eines Beatmungsschlauchs in die Lunge) durchgeführt. Die Patientin hatte eine Lungenentzündung, die zu einer massiven Beeinträchtigung der Lungenfunktion führte, und auch deutlich erhöhte Entzündungswerte. Bei der Patientin mussten eine invasive Beatmung zur besseren Belüftung der Lunge sowie eine kinetische Therapie (d. h. Bauchlage) durchgeführt werden.

Es konnte durch invasive kardiorespiratorische und antibiotische Therapie nach fünf Tagen eine Besserung erzielt werden. Die Patientin konnte extubiert werden (Entfernung des Beatmungsschlauchs). Die Patientin konnte in deutlich gebesserten Zustand auf die Akutgeriatrie rückverlegt werden.

1.5       Interviewleitfaden aus Sicht der Herausgeber

Mit der Patientin wird besprochen:

•  dass bei einer Verschlechterung keine weitere Intensivtherapie durchgeführt wird, weiters:

–  keine weitere Intubation (Einführen eines Beatmungsschlauchs)

–  keine Tracheotomie(Luftröhrenschnitt)

–  keine Dialyse (Ersatz der Nieren)

–  keine kardiopulmonale Reanimation (Wiederbelebung)

•  Es wird ein dementsprechendes Gespräch mit der Patientin geführt und auch dokumentiert

•  Dies wird auch der Tochter mitgeteilt

Wie ist Ihre Einschätzung aus ethischer Sicht?

Wenn Sie aus dem Blickwinkel Ihrer Forschung bzw. praktischen Tätigkeit auf die Vignette blicken, welche Assoziationen haben Sie?

Wie steht Ihr Buchkapitel mit der Vignette in Verbindung bzw. was kann aus dem Kapitel für die Arbeit mit vergleichbaren Patienten und/oder die Forschung abgeleitet werden?

2          Hat sich die Medizin verselbstständigt und vom alten kranken Menschen entfernt?

Dieter Hubmann

 

Warum ist dieses Buch gerade jetzt so wichtig für Patienten5, deren Angehörige, Pflege und Ärzte?

Rudolf Likar: Das Projekt ist vor zwei Jahren entstanden, es war ein Wunsch von mir. Georg Pinter ist gleich aufgesprungen. Der Grund ist einfach: Die ethischen Fragen stellen eine immer größere Herausforderung in der Medizin dar. Wir können heute schon so viel leisten, sogar Organe ersetzen. Aber es bleibt die Frage: Tust du dem Menschen dabei etwas Gutes? Gibst du ihm noch Lebensqualität? Oder ziehst du dich zurück in Therapieentscheidungen aufgrund von Leitlinien? Die Menschen werden immer älter, die 80-Jährigen sind eine der am stärksten wachsenden Altersgruppe. Die Herausforderung an die Intensivmedizin lautet nicht mehr, was wir tun können – weil wir fast alles tun können –, sondern wo die Grenzen liegen und wo wir uns zurücknehmen, weil wir praktisch keine Selbstbestimmtheit und keine Verbesserung der Lebensqualität mehr erlangen können.

Georg Pinter: Der entscheidende Punkt war, dass wir heute wissen, dass die Zahl der Maßnahmen, die man unternimmt, oft nicht notwendig ist. Sie führen nicht wirklich zu einer Verlängerung des Lebens, sondern eher zum Dahinsiechen und zur Verlängerung des Leids. Was wir heute wissen, ist, dass die Ärzte die Überlebenszeit ihrer Patienten oft viel zu lange ansetzen. Das geschieht aufgrund der emotionalen Bindung zu den Patienten auf der einen Seite und aus dem, was wir nicht gelernt haben, auf der anderen: Zu erkennen und zu akzeptieren, dass der Weg unweigerlich an das Ende führt. Das ist für einen Arzt, der so sozialisiert wurde, dass er zur Heilung beitragen soll, oft nur schwer zu akzeptieren. Da gibt es Versagensängste, das Nicht-loslassen-können – und das Nichtbeschäftigen mit der eigenen Endlichkeit. Das führt zu diesem Konfliktpotential. Diese Entscheidungen sind für einen einzelnen Arzt gar nicht möglich. Was wir seit vielen Jahren auf unserer Palliativstation beobachtet haben: Das Wissen um diese Umstände kommt nur langsam in Umlauf, obwohl wir an der Quelle sitzen. Das Lernen über diese Grenzsituationen findet nur sehr verzögert statt. Das ist ein emotionales, psychologisches und soziales Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen.

Wie kann man gegensteuern?

Pinter: Den Kollegen müssen wir vermitteln, dass in der Palliativmedizin auch eine Systematik dahintersteht, die man lernen kann, wie man eine Chemotherapie lernen und sich das Wissen aneignen muss. Auch Haltung ist erlernbar. Bei unseren Ethiktreffen sind oft nur die älteren Mediziner dabei – auch das müssen wir ändern.

Likar: Wir haben früher, im Studium, noch mit nächtelangen Diskussionen unseren Charakter formen können. Das Studium ist heute aber verschult, keiner lernt mehr, Entscheidungen zu treffen. Das, was auf die Ärzte zukommt, ist nichts, was man nach den Leitlinien herunterbeten könnte. Etwas nicht nach Leitlinien zu machen, sondern eine humane Entscheidung zu treffen, eine patientenspezifische, wie den Abbruch einer medizinischen Behandlung. Also eine radikale Patientenorientiertheit, wenn ich zum Beispiel merke, dass es schwerste Lungenprobleme gibt, und ich trotzdem noch den Atemschlauch einsetze – da muss ich innehalten. Da geht es um Entscheidungen, für die ich schon im Vorfeld die Kraft hätte aufbringen müssen, sie mit dem Patienten abzusprechen. Etwas nicht zu tun ist auch eine medizinische Leistung, es ist eine Haltung, aber die müssen wir erst lernen. Und dabei gibt es eine große Kluft zwischen denen, die immer etwas tun wollen, und jenen, die das nicht wollen. Ich brauche dafür zuerst eine medizinische Indikation und dann ein Therapieziel. Ich muss eine Prognose haben, es müsste eine Verbesserung der Lebensqualität geben und auch der Patient muss sich äußern, wenn er kann. Das ist die große Herausforderung: Kann ich eine Verbesserung der Lebensqualität erreichen, habe ich eine Prognose, dass es besser wird? Und da ist der Kernpunkt: Viele Ärzte denken nicht daran, dass sich die Lebensqualität verschlechtert.

Pinter: Weil das ganze System Leitlinien-getriggert ist. Und es immer mehr Spezialisierung gibt. Damit glaubt jeder, dass er alleine in der Schuld und in der Haftung ist. So sichert man sich auch ab. Wahrscheinlich müssen wir unser ganzes Ausbildungssystem überdenken. Auch hinsichtlich der neuen Arbeitszeitenregelung, weil weniger Zeit in der Ausbildung da ist. Und es ist immer schwieriger, etwas nicht zu tun als es zu tun. Nehmen wir die PEG-Sonde her, für einen dementen Menschen, in seiner letzten Lebensphase: Eine PEG-Sonde zu legen, das wissen wir, ist oft falsch. Oft ist die Prognose mit der Sonde sogar schlechter, weil er früher stirbt.

Likar: Wenn es darum geht, Ernährung über den künstlichen Weg zuzuführen, dann ist das ist eine medizinische Indikation, das gehört nicht zu den Grundbedürfnissen. Das heißt, ein Grundbedürfnis wäre, wenn ich dem Patienten einen Löffel gebe, und er kann selbst noch die Nahrung vom Löffel nehmen und schlucken. Aber wenn er das nicht mehr kann, und ich die Ernährung künstlich zuführe, dann brauche ich eine Indikation. Auch für die Flüssigkeitstherapie brauche ich eine Indikation, das wissen viele nicht. Aber wenn ich nur sehe, dass ich mit einer künstlichen Essenszufuhr den Sterbeprozess verlängere, dann darf ich den Menschen nicht mehr ernähren. Ich muss natürlich Mundpflege und so weiter machen, weil das spürt er – aber nicht, wie viel Ernährung ich ihm zuführe. Da sind viele Fragen, die auf uns zukommen. Jetzt diskutieren wir, ob der Patient noch eine Dialyse bekommt oder ob er beatmet wird – aber wir werden auch darüber diskutieren, ob die künstlich zugeführte Ernährung überhaupt indiziert ist.

Hat sich die Medizin verselbstständigt und vom alten, kranken Menschen entfernt? Hat sich die Medizin auch deshalb verselbstständigt, weil anscheinend mit der Reparaturmedizin – wenn schon nicht alles – immerhin vieles möglich ist?

Likar: Viele kommen auch durch die Angehörigen unter Druck. Dr. Google lässt grüßen. Aber wir sollten vor den Angehörigen und dem Internet-Wissen keine Angst haben, wenn es das erweiterte Erwachsenenschutzrecht gibt, dann müssen wir aufpassen. Denn Nichtmediziner haben von der Tragweite der Entscheidungen keine Ahnung. Unsere Aufgabe ist es, die Angehörigen dorthin zu führen. Der Betroffene spürt, auf welchem Lebensweg er ist. Wenn ich zu einem schwer Lungenkranken sage, dass wir darauf schauen, wenn es zu schwerer Atemnot kommt, dass er schlafen kann, dann ist er froh, dass wir das ansprechen. Oder wenn wir darüber reden, ob er noch einen Atemschlauch oder ein Beatmungsgerät haben möchte, wenn es dem Ende zugeht. Wir sollten uns nicht entmündigen lassen und die Entscheidung auf die Angehörigen abwälzen. Ein Angehöriger hat vielleicht mit der Krankheit Erfahrung, aber nicht die Expertise über 30 Jahre.

Müsste man das Medizin-Studium ändern, das in seiner jetzigen Form vieles nicht leisten kann?

Pinter: Es gibt zum Beispiel ganz neue Therapien bei Tumorerkrankungen, die die Lebenszeit verlängern. Aber das, was der Arzt erkennen muss, lautet: Was ist der Effekt davon? Auf das bereitet das Studium niemanden vor. Ein Fall aus meinem Freundeskreis erklärt vielleicht das ganze Dilemma: Bei einem Patienten ist mit 88 Lungenkrebs diagnostiziert worden, und weil er robust war, hat man sich zu einer Chemotherapie entschieden. Der Sohn berichtet heute, dass die Entscheidung, wenn er gewusst hätte, was passiert, wie massiv die Nebenwirkungen sind, vielleicht anders ausgefallen wäre. Die Lebensqualität war nicht tumorbedingt, sondern therapiebedingt schlecht. Natürlich kann man das nie voraussehen. Es geht letztlich darum: Wie geht es dem Patienten nach der Therapie? Und dafür braucht es extrem viel Erfahrung und dass man den Weg gemeinsam geht. Aber ich habe oft das Gefühl, dass man diesen Weg nicht gemeinsam mit den Patienten geht. »Gutes wollen, schlechtes Tun«, das ist das Thema, in dem wir uns immer wieder bewegen. Der Effekt für den Patienten ist oft schlechter als das, was wir erreichen wollten.

Likar: Pramstaller hat das Buch »Rettet die Medizin« geschrieben. Er hat gesagt, wir sollen von der Ökonomie wieder zur wertebasierten Medizin kommen, vom Spezialisten zum Generalisten und allgemein zum Partner für Verwaltung, vom Heiler der alten zur neuen Welt usw. Im Studium wird ja immer das virtuelle Thema gebracht, wir können Teleradiologie bis zu Telediagnostik und Televisite. Aber eine Hand zu halten, dem Patienten in die Augen zu schauen und ihn zu fragen: Du, geht’s dir schlecht? Es ist ein großer Unterschied, ob ich – überspitzt formuliert – übers iPad alles Gute wünsche. Alles geht Richtung tele, tele, tele, und wir schalten uns selber aus – und das ist die teure Medizin, denn wenn die Parameter des Patienten laut Telemedizin stimmen, aber es eine schwerste Lungenkrankheit gibt, sehe ich die tele nicht. Wenn wir in Zukunft Entscheidungen treffen, ohne den Patienten zu sehen, dann ist das der falsche Weg. Menschen kommunizieren anders, wenn ich neben ihnen sitze, als wenn ich sie über den Bildschirm anschaue.

Pinter: Wir haben eine Untersuchung über unnötige Pflegetransporte ins Krankenhaus gemacht. Da werden Menschen zum Sterben in das Krankenhaus geflogen. Eine zutiefst inhumane Medizin. Wir haben analysiert, warum das passiert: Aus dem Beweggrund, dem Patienten zu helfen. Aber es hat keiner mit ihm geredet, ob er da überhaupt hin will. Oder ob er in seiner gewohnten Umgebung bleiben will. Der Notarzt kann das akut nicht entscheiden, weil er vorher nicht mit dem Patienten geredet hat.

Likar: Es ist immer wichtig, dass man die Entscheidungen in der Phase der Krankheit trifft, weil man als Gesunder keine Vorstellung hat, was da letztlich vorgeht. Man überfordert jeden, wenn man das vorher macht. Der Lebenswille ist ja sowieso der stärkste, da ändert sich nichts. All diese Entscheidungen, die man dem Gesunden im Erwachsenenschutzrecht aufbürdet, gehen zu weit. Wir geben damit die Kompetenz ab, aber die Situation wird dadurch nicht besser beherrschbar. Wir delegieren die Verantwortung – etwa, ob ein Luftröhrenschnitt gemacht wird. Aber der Patient, der kein Mediziner ist, hat ja keine Ahnung, welche Auswirkungen das auf die Lebensqualität hat.

Pinter: Im Buch wird ein Kapitel über die Verantwortung des Menschen selbst behandelt (image Kap. 10). Der sich darauf verlässt, dass, wenn etwas passiert, die Medizin sowieso alles reparieren kann, wie beim Auto. Das funktioniert ja auch zum Teil ganz gut. Es wird aber ganz wichtig sein, dass der Mensch für sich selbst Verantwortung übernimmt, auch in seinem Lebensstil. Etwa beim Rauchen.

Likar: Wir haben den Tod letztlich zu einer Diagnose gemacht. Menschen, die sterben, können auch ohne Arzt sterben, alles versuchen wir zu therapieren, und wenn wir es nicht therapieren können, dann wollen wir es erfassen. Aber wenn ich das den Angehörigen nicht erkläre und die Verantwortung übernehme, dann kann ich nicht erwarten, dass das verstanden wird.

Pinter: Der Tod ist der Todfeind der Gesundheitsreligion, schreibt Lutz in einem Essay. Aber der Tod ist nicht der Todfeind, der Tod ist da. Mit der Geburt ist auch der Tod impliziert, das ist in der Medizin aber ausgeblendet. Aber den Weg muss jeder gehen. Das ist der Weg, den die Palliativmedizin aufgezeigt hat.

Likar: Ich glaube, was wichtig ist: Zum Hinterfragen solcher komplexen Entscheidungen in den letzten Tagen eines Menschen brauche ich Freunde im medizinischen Team. Da hilft mir keine perfekte Work-Life-Balance, da hilft mir kein Berg, den ich besteige. Da hilft mir nur ein perfektes Team in der Medizin, das ich aufbauen muss. Ich brauche über mein Tun und Handeln Menschen, mit denen ich auch in meiner Freizeit rede.

Pinter: Das geht sich in den aktuellen 48 Stunden Arbeitszeit und bei dem Arbeitsdruck, den die Ärzte haben, nicht aus.

Likar: Genauso ist es. Aber wenn ich nicht reflektiere, und es nicht als Haltung sehe, sondern als Job, dann komme ich nicht weiter.

Pinter: Es braucht einen Systemwandel, wir haben so viele erfahrene tolle Leute in den Häusern, die aber in die Praxis abwandern, weil sie den Druck oder anderes nicht ertragen. Es braucht einen Systemwandel, auch mit uns selber. Dass die Jungen andere Lebensentwürfe haben, das ist so. Wir haben ja noch Prüfungen gehabt, die wir mit und am Patienten präsentieren und beantworten mussten. Stattdessen gibt es heute Multiple Choice-Tests, die der medizinischen Realität nicht entsprechen. Etwa wenn ich heute einen alten, multimorbiden Menschen hernehme, der zuerst einmal 15 Medikamente bekommt – dann ist er erst richtig krank. Es braucht ein Team, ohne Teamwork funktioniert es nicht.

Ist das nicht alles zu viel Verantwortung für den Menschen Mediziner?

Likar: Jungärzte sollte man in der Ausbildung keine ethischen Entscheidungen treffen lassen. Erst, wenn sie Oberärzte sind. Solche Entscheidungen kann man aber nur zu zweit, in einem erfahrenen Team, treffen. Entscheidungen müssen auch mit der Pflege kommuniziert und vom Team getragen werden.

Pinter: Jeder, der in dem Zusammenhang etwas beiträgt, ist wichtig. Die Struktur ist in den Abteilungen da, aber das muss auch inhaltlich von Ärzten und Pflege so getragen und gelebt werden. Der Arzt muss aber den Lead haben. Er ist der, der die Fäden zusammenführt, und er kann sich auch beraten lassen. Etwa von einem Ethikboard.

Likar: Jedes große Haus sollte so ein Ethikboard haben. Nach dem Gesetz steht auch fest: Wir Ärzte müssen entscheiden, weil wir verantwortlich sind. Ich kann die Entscheidung nicht abwälzen. Abzuwarten sind die Auswirkungen zum erweiterten Erwachsenschutzrecht. Ein Angehöriger, der gewählte Erwachsenenvertreter, der den Patienten vertritt, weiß ja nicht, was eine Herzinsuffizienz ist, und warum wir uns so entscheiden.

Pinter: Das neue Erwachsenenschutzrecht bedeutet, dass ich den Willen des Patienten ergründen muss. Im Falle einer Erkrankung wählt man jemanden, der mich vertritt, wenn ich nicht reden, kommunizieren kann.

Likar: Nur als Beispiel: Wenn der gewählte Erwachsenenvertreter sagt, ich darf den Luftröhrenschnitt nicht machen, dann darf ich ihn nicht machen, auch wenn er medizinisch indiziert ist.

Pinter