Für

Ben, Finn, Nele und Ella

»Was war das?« Hannes, Inga und Emil bleiben stehen wie vom Donner gerührt. Oma Rosella sieht die drei Kinder fragend an. Sie ist schon ein bisschen schwerhörig und hat nichts mitbekommen.

Inga stößt sie sanft in die Seite. »Lausch mal!«

Nun bekommt es auch Oma Rosella mit. »Feuer! Alarm!« Erschrocken sieht sie sich um. »Brennt es irgendwo?«

Auch die Kinder bekommen es mit der Angst zu tun. Aber so aufmerksam sie sich auch umschauen, nirgendwo gibt es ein Rauchwölkchen zu sehen. Nur Dünen, Strandhafer und in der Ferne das Meer.

»Hilfe! Überfall!«

»Da scheint jemand in Not zu sein.« Emil ist der Erste, der sich in Bewegung setzt. Eigentlich ist er meist eher vorsichtig und denkt erst gut nach, bevor er vorschnell handelt. Hannes dagegen ist der Tollkühne, der notfalls auch vor einer Rauferei nicht haltmacht, und Inga ein Mädchen, das jede Angst

Nun begreifen auch Hannes und Inga und folgen ihm, so schnell sie können. Oma Rosella ist natürlich langsamer, aber sie schiebt ihren Rollator doch mit einem Tempo über den Weg, dass der Kies nur so spritzt.

Das kleine Haus, aus dem die Rufe dringen, sieht verlassen aus, so, als wäre es nicht bewohnt. Der Vorgarten ist schon lange nicht mehr gepflegt worden, an den Fenstern hängen keine Gardinen.

»Du Armleuchter!«

Die drei Kinder sehen sich entsetzt an. Was ist da los? Wird da jemand gefangen gehalten? Bedroht?

Nun zögert Emil doch und sieht sich ängstlich um. Auch Hannes bleibt stehen, nur Inga wagt es, sich der Tür zu nähern. Vorsichtig späht sie hindurch. Dann macht sie einen großen Satz in das Haus und ist verschwunden. Hannes und Emil sehen sich an und folgen ihr notgedrungen. Schließlich können die zwei Jungs ihre Freundin Inga doch nicht alleinlassen, wenn Gefahr droht. Das geht ja gar nicht.

»Lass mich in Ruhe mit deinen Weisheiten«, unterbricht ihn der Mann, der eine Tüte mit Körnern in der Hand hält. Als er hört, dass jemand eintritt, dreht er sich um. »Was wollt ihr denn hier?«, fragt er, als er die Kinder sieht. »Den Papagei kaufen? Den könnt ihr haben!«

»Was ist mit dem Papagei?«, fragt Emil. Ihm ist die Erleichterung anzusehen, dass es hier keinen Menschen gibt, der bedroht wird.

Auch Inga und Hannes atmen auf. »Wer sind Sie?«

»Jan Paulsen, der Nachbar von Ria Schluck. Sie ist vor Kurzem ins Seniorenheim gezogen. Aber den Papagei wollte bisher niemand haben. Ich habe versprochen, ihn zu füttern, bis klar ist, wer ihn nimmt.«

Die Kinder treten näher. »Wie heißt er?«

»Ria Schluck kenne ich«, kommt nun Oma Rosellas Stimme von der Tür. Sie lässt ihren Rollator draußen stehen und tritt ins Zimmer, indem sie sich an der Wand festhält und vorsichtige Schritte macht. »Sie wohnt jetzt auch im Haus am Leuchtturm. Auf derselben Etage wie ich. Sie hat mir von dem Papagei erzählt.«

»Der arme Käpten«, sagt Inga. »So ganz allein …«

»Du kannst ihn ja zu dir nehmen«, sagt der Nachbar.

Aber Inga braucht nicht lange nachzudenken. »Ich glaube, das geht leider nicht. Bei uns wohnen sowieso schon viel zu viele Leute. Für einen Papagei ist da kein Platz.«

Auch Hannes ist sich ganz sicher, dass seine Mutter keinen Papagei haben will, der ständig redet, komische Dinge sagt und mit Körnern um sich schmeißt – wie jetzt gerade.

Emil zögert. Seine Mutter ist Schriftstellerin und benimmt sich oft sehr sonderbar, wenn sie gerade einen Roman schreibt. Spielt er im Sommer, vergisst sie, Weihnachtsgeschenke zu kaufen, spielt er in den Bergen, läuft sie im Dirndl zum Strand und versucht

»Wir sollten mit Enno Wunderfass reden«, meint Oma Rosella. »Im Haus am Leuchtturm ist doch genug Platz. In der Eingangshalle zum Beispiel.«

»Meinst du, das klappt?«, fragt Inga und auch die anderen Leuchtturm-Haie gucken skeptisch. Sie kennen Enno Wunderfass, den Leiter des Seniorenheims, und wissen, dass er ein strenger Mann ist.

Aber Oma Rosella will sich nicht damit abfinden, dass der Papagei allein bleiben muss, weil niemand ihn haben will. »Gleich morgen reden wir mit Herrn Wunderfass«, sagt sie. »Nach der Schule. Wenn ihr die Hausaufgaben erledigt habt.«

Inga lacht. »Die Herbstferien sind noch nicht vorbei, Oma! Wir können schon morgen Vormittag ins Haus am Leuchtturm kommen.«

Oma Rosella freut sich. »Vielleicht können wir Enno Wunderfass überreden. Gemeinsam geht das

Ria Schluck treten die Tränen in die Augen, als sie hört, wie unfreundlich Jan Paulsen mit dem Papagei umgeht. »Aber ich bin ja froh, dass er Käpten regelmäßig füttert.«

Sie ist eine kleine Frau mit vielen grauen Löckchen auf dem Kopf und einer riesengroßen Brille

Oma Rosella hat zu bedenken gegeben, dass es in der Halle schließlich auch ein Aquarium mit bunten Fischen gibt. »Sind das etwa keine Tiere?«

Aber Enno Wunderfass hat gesagt, das wäre etwas anderes. »Fische machen keinen Lärm und keinen Dreck. Sie sind zufrieden, wenn sie pünktlich ihr

Oma Rosella hat ihm erklärt, dass sich alte Leute auch sehr gern einen Papagei ansehen. Erst recht, wenn er sogar sprechen und Witze erzählen kann. »Das ist doch lustig.«

Aber Enno Wunderfass wollte es nicht einsehen. »Papageien machen Dreck.« Nur darauf kam es ihm an.

Ria Schluck ist ganz unglücklich, wenn sie an ihren Papagei denkt. »Ich hätte das Haus längst verkauft, wenn ich wüsste, wohin mit Käpten. Meine Kinder haben schon alles herausgeholt, was sie gebrauchen können, aber den Papagei will niemand haben.« Ihre Augen werden feucht. »Dabei ist Käpten doch daran gewöhnt, dass man sich mit ihm

Inga wird neugierig. »Was hatte Ihr Mann denn für einen Spitznamen?«

»Von seinen Matrosen wurde er Kapitän Matjes genannt. Weil er so schrecklich gerne Matjes aß. Wenn sie in einen Hafen einliefen, wurde immer sofort ein Matrose losgeschickt, damit er für meinen Mann Matjes besorgte.« Sie tupft sich die Augen, die Erinnerungen haben sie überwältigt.

Ria Schluck tut den drei Kindern leid. »Wir könnten uns ja um Käpten kümmern«, schlägt Emil vor.

Nun wird aus dem Lächeln der alten Frau ein Strahlen. »Würdet ihr das tun?«

Hannes zieht ein Gesicht, als wäre ihm nichts zu schwer. »Wir sind drei Detektive«, teilt er der überraschten Ria Schluck mit. »Die Leuchtturm-Haie! Wir haben schon ganz andere Dinge erledigt! Haben Sie etwa noch nie von uns gehört?«

»Wir haben schon Heuler in der Seehundstation gerettet, haben einen Perlendieb gefangen und kürzlich einen Mann überführt, der Strandgut gestohlen hat.« Hannes findet es nur recht und billig, wenn ihre Erfolge mal beim Namen genannt werden, während Emil verlegen auf seine Füße guckt und Inga wieder anfängt zu hüpfen. »Da war sogar ein Klabautermann im Spiel.«

»Uns um einen Papagei zu kümmern«, fällt Inga nun ein, »das ist für uns eine Kleinigkeit.«

Ria Schluck meint, dass sie dafür sicherlich eine Bezahlung wollen, wenn sie richtige Detektive sind, aber die drei lehnen entrüstet ab. »Nein, dafür nicht.«