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1. Auflage 2019

Lektorat: Johann Auer

ISBN e-book (gesamt): 978-3-99200-239-9

LUDWIG
CARDANO

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Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Prolog

Der Schwarzsee ist oval, gleicht einer Ellipse mit Ausbuchtungen, die lange Achse fünf Kilometer, die kurze drei. Ringsum Berge, der Wald reicht bis ans Ufer. An einem Ende eine Insel, tausend Meter vom Ufer entfernt. Zugang zum See nur von Westen über eine schmale Straße. Auf dieser Seite und im Süden ist das Ufer flach. Da gibt es Ferienhäuser. Bootshäuser. Dieses Wasser erscheint fast immer schwarz. Es ist kalt, das ganze Jahr über.

Der See ist bis zu siebzig Meter tief. Am Grund liegen Baumstämme, die die Bäche bei Hochwasser und Murbruch hineinspülen; sie halten sich dort Jahrhunderte, weil in den untersten Wasserschichten der Sauerstoff fehlt. Wer im See ertrinkt, hat gute Chancen, nie mehr aufzutauchen, in den Leichen wird die Gasbildung unterdrückt, dann fehlt der Auftrieb. Der See gibt seine Opfer nicht mehr her.

Diese bedauerlichen physikalischen Gegebenheiten waren früher nicht bekannt, das Verschwinden von Personen wurde mit dem Übernatürlichen erklärt. Die mythogene Schaffenskraft des Volkes hat eine andere Erklärung gefunden: Vor Urzeiten habe sich ein Einsiedler am flachen jenseitigen Ufer eine Klause samt Kapelle gezimmert und dort ein Leben frommer Exerzitien geführt. Den Fischern, durch den natürlichen Reichtum des Sees übermütig und gottlos geworden, habe das nicht gepasst – das Geläute habe die Fische vertrieben –, weshalb sie eines unheiligen Abends hinübergefahren seien, den Klausner aus seiner Klause gezerrt, ihm die Glocke aus der Kapelle an die Beine gebunden und ihn dann in der Mitte des Sees ins Wasser geworfen hätten. Ab und zu höre ein einsamer Fischer oder Wanderer gegen Abend die Glocke aus der schwarzen Tiefe herauftönen und erschauere, ist der hohle Ton doch untrügliches Zeichen eines kommenden Personenverlustes. Tage, maximal ein paar Wochen später verschwindet dann jemand im See.

Und taucht nie wieder auf.

Adolf Segner hat die Mitte des Schwarzsees erreicht und stoppt sein neues Aluboot. Er zieht die Ruder ein, macht allerdings keine Anstalten zu fischen. Stattdessen zieht er ein optisches Gerät aus der Tragetasche und beginnt, den See zu beobachten. Es ist inzwischen völlig dunkel geworden, Adolf schaut nicht durch ein normales Fernglas, sondern durch ein Nachtsichtgerät.

Segner schwenkt seine Sehhilfe von links nach rechts, dann wieder zurück, immer hin und her, etwa einen Viertelkreis beschreibend. Er scheint den See selber abzusuchen, nicht das gegenüberliegende Ufer – etwa, um dort kopulierende Paare zu bespannen. Es ist außerdem Anfang September und zu kühl für so etwas. Nein, Adolf beobachtet die Oberfläche des Sees. Er ist allein.

So sah auch niemand, was Adi Segner zugestoßen ist. Hinterher war die verbreitetste Theorie: Herzinfarkt. Wieso er dann drei Tage später an einem Steilufer im Wasser trieb, erklärt die Infarkttheorie nur unzureichend; bei so einem Ereignis brechen die Leute an Ort und Stelle zusammen, in Adis Fall also im Boot, wie kam er ins Wasser? Und wieso trieb das Boot, das natürlich schon am nächsten Morgen entdeckt wurde, kieloben? Weil er, um Luft ringend, auf das Dollbord gesprungen und so das Gefährt zum Kentern gebracht hat. Hieß es. Wieso hat diese einigermaßen abenteuerliche Konstruktion jemand geglaubt? Weil, das muss man zugeben, bei der Obduktion ein reinrassiger Infarkt gefunden wurde. Allerdings hatte Adolf Segner etwas Wasser in der Lunge. Er muss also noch lebend in den See gelangt sein, gewissermaßen, als das arme Herz zu schlagen aufhörte, mit dem letzten Schnaufer noch das Wasser des Schwarzsees eingesogen haben, der arme Kerl.

Man könnte hier tüpfelscheißerisch darauf hinweisen, dass Adi auch zuerst ins Wasser gefallen sein und dann einen Infarkt erlitten haben könnte. Quasi beim Ersaufen. Tatsächlich hat sich das der eine oder andere Mitbürger auch überlegt, weil der merkwürdige Ablauf mit einem über das Dollbord in den See aussteigenden und das Boot solcherart zum Umschlagen bringenden Adi eben schwer zu glauben war. Wenn Adi ins Wasser fiel, weil das Boot umgekippt ist, wird der Hergang verständlicher. Er fällt hinein, Schock durch das kalte Wasser, Ertrinken und Infarkt kommen als Paar, finito. Diese Interpretation erfordert aber eine äußere Ursache, vulgo Fremdverschulden. Das hört man bei den Seeanrainern nicht gern. Denn es hieße, ein anderes Wasserfahrzeug wäre involviert gewesen, es gibt aber sonst nur Fischerboote auf dem Schwarzsee …

Für die Klärung des Falles zuständig war Major Segner – mit Adi um drei Ecken verwandt, der Name ist häufig in der Gegend. Dieser Major Werner Segner untersuchte natürlich auch das soziale Umfeld des Verunglückten und fand dort – nichts.

Segner musste seine Ermittlungen letztlich einstellen.

Er hatte eine Ahnung, dass er von den Fischern an der Nase herumgeführt wurde; sie wussten etwas, das ihm unbekannt bleiben würde. Aber es gab kein Indiz und keine Handhabe, dieses Schweigen aufzubrechen. An organisierte Kriminalität brauchte man hier nicht zu denken, es gab ja kaum unorganisierte. Da war etwas anderes, etwas Tieferes – es war etwas, auf das er nicht von selber kommen würde, das wusste er. Nach ein paar Monaten legte er den Fall zu den Akten. Aber er behielt die Fischer im Auge.

Mit den Ferienhausbesitzern war nichts anzufangen, die waren zum Zeitpunkt des Unglücks nicht da. Es kursierten Gerüchte. Das sei, hieß es, wieder die versunkene Glocke. Wie im Fall des Hirten Alois Huber, den sie im Jahre achtzehnhundertvierundfünfzig gerufen hatte – an einem lichten Junimorgen sei er an den See gekommen und zum Entsetzen einiger zufällig anwesender Personen in den See gesprungen, wobei er gerufen habe: „Die Glocke! Die Glocke!“ Er tauchte nie mehr auf. Die Zuschauer hatten natürlich keinen Glockenton gehört. Die Verbindung der Sage mit dem Fall des Adolf Segner erschien nicht nur dem Major schwach; er machte, wie viele andere, darauf aufmerksam, dass Adi im Unterschied zum Hirten wieder aufgetaucht sei; die Erwähnung ist nötig, um dem Eindruck vorzubeugen, um den Schwarzsee wohnten nur abergläubische Hinterwäldler. Dem war nicht so, die meisten hielten nichts von unheimlichen Erzählungen, das Licht der Aufklärung war unstreitig in die entlegensten Bergregionen vorgedrungen. In Hinterach gab es zum Beispiel zwei Supermärkte und einen Handyladen, in Vorderach einen Filmkulturclub und ein Jazzseminar.

Der emeritierte Volkskundler Prof. Hieronymus Neumann verfasste nach dem Unfall Segners eine kleine Schrift: „Die Glocke im Schwarzsee. Tiefenstruktur und Camouflage in der Sage.“ Neumann verglich die Sage mit anderen aus dem Alpenraum, verglich die verschiedenen Versionen des Narrativs und entdeckte einen Widerspruch zur üblichen Überlieferung: Die Glocke ist allgemein mit Heilserwartung konnotiert, am Gründonnerstag fliegen die Glocken nach Rom, um am Ostersonntag zurückgekehrt die Heilsbotschaft zu verkünden; sie sind ein Zeichen für die Allmacht Gottes. Aber nie locken sie Menschen ins Verderben – dazu dienen im Bereich des Akustischen andere Instrumente, besonders Pfeifen, die seit jeher mit dem Teufel zusammen gedacht wurden. Eine „böse“, verführende Glocke ist ein Unikum, weshalb Professor Neumann die Sage als Deckerzählung für ein anderes Geschehen einschätzte, das verdrängt wurde. Vielleicht ein heidnischer Hintergrund, Opfergefäße, die zu einer Glocke umgeschmolzen wurden, etwas in dieser Art, klären werde sich das nicht mehr lassen, meinte der Professor in seiner Abhandlung.

Der Professor hatte recht. Das mit der Glocke war Blödsinn. Tatsächlich hatte Adolf Segner in jener Nacht auch nicht den Ton einer Glocke gehört, sondern etwas ganz anderes. Zuerst kräuselte sich an der Oberfläche das Wasser, es bildeten sich winzige, spitze Wellen, von denen Tropfen in die Höhe spritzten, dann wurden die Wellen größer und steiler, und irgendetwas geschah mit dem Boot, eine Art Bewegung.

Und dann kam der Ton. Nicht der einer Glocke. Ein tiefes, sich verstärkendes Brummen. Technisch. Das ging auch Adi Segner durch den Kopf.

Als Letztes.

1

Das Haus lag auf einer Halbinsel, die von Westen in den See hineinragte. Er trat auf den Balkon, der vor den beiden großen Fenstern im ersten Stock verlief und die Schlafzimmer miteinander verband. Der Blick auf das verschilfte Südufer, dort gab es nur eine Anlegestelle, ein in den See gebauter Steg. Einen Kilometer entfernt, vielleicht mehr. Zur Linken die Insel, eine bewaldete Kuppe, vielleicht auch einen Kilometer weit weg; am Ufer ebenfalls ein Anlegesteg.

Auf der Insel ein Haus.

Der untere Teil durch Gebüsch verdeckt, auf die Entfernung konnte er nicht entscheiden, was das war, es sah künstlich aus, ein verwilderter Park. Der obere Teil des Hauses in hellem Beige mit hohen Fenstern. Steiles, verwinkeltes Dach, schiefergedeckt. Frau Schwarz hatte die Insel erwähnt, aber nicht die Villa, die als einziges Gebäude darauf stand. Michael Manolis ließ den viel zu schweren Koffer aufs Bett fallen. Frau Schwarz hatte angerufen und ihm das Domizil an diesem See angeboten, er müsse sich aber sofort entscheiden, ob er das Angebot annehmen wolle. Vier Wochen mietfrei! An einem Alpensee! Da konnte es kein Zögern geben, das konnte die Schwarz eh nicht leiden, mit so was durfte er ihr nicht kommen. Frau Schwarz war seine Agentin.

Michael Manolis schrieb Romane, die sich auch verkauften. Allerdings nicht so, wie Michael und Frau Schwarz das gern gehabt hätten. Sondern eher mau. Er unterrichtete Geschichte und Geografie an einem Gymnasium. Das war in Ordnung, aber nicht seine Berufung. Michael Manolis wollte Romane schreiben. Richtige Literatur eben. Seit er vor Zeiten ein Nachwuchsstipendium für Literatur gewonnen hatte, setzte er sich selbst den Floh ins Ohr, er sei zum Romancier erkoren – und sogenannte „Freunde“ und „Kulturaffine“ hatten diesen Floh durch schmeichelhafte Bemerkungen gefüttert, ja, gemästet.

Frau Schwarz tröstete ihn mit dem Hinweis auf die Romanflut, da sei es eben schwerer, sich durchzusetzen. Frau Schwarz hatte recht, trotzdem glaubte er ihr nicht. Glauben tat er verschiedene andere Erklärungen je nach aktueller seelischer Verfassung. Manchmal glaubte er, dass seine Romane sich nicht verkauften, weil sie mittelmäßig waren. Nicht schlecht – dann hätten sie sich gar nicht verkauft –, aber auch nicht gut genug für einen richtigen Erfolg. Mittelmäßig eben. Er verdrängte den Gedanken. Er wollte sein Domizil nicht schon am ersten Tag mit solchen Gedanken vergiften.

Vor allem, da es jetzt diese Idee gab, die ihn reich machen würde. Und Frau Schwarz auch. Die Idee, von der sie so überzeugt war, dass er dafür sogar eine Auszeit, ein Sabbatical, beantragt hatte. Denn: Zur Ausarbeitung brauchte er Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe. Daran hatte es in den letzten Monaten gefehlt, was auf das Konto seiner Exfrau ging. Odabella.

Wenn er an sie dachte, war die Ruhe weg. Dabei hatten sie vereinbart, sich gütlich zu trennen, kein Scheidungstheater, kein Rosenkrieg. Aber dann lief nichts so wie vereinbart. Jedenfalls behauptete sie das. Oder ihr Anwalt. Es wurde kompliziert und einigermaßen unerfreulich. Er vermied es, an sie zu denken. Wenn sie ihm in den Sinn kam, legte sich ein Schatten auf sein Gemüt, alles wurde grau. Der Ausweg bestand darin, die Gegenwart zu leben, die Vergangenheit zu meiden, und nur so weit in die Zukunft zu planen wie unbedingt nötig. Am einfachsten schien das in einer neuen Umgebung. Darum hatte er das Angebot von Frau Schwarz angenommen, ohne lang nachzudenken. Das hätte er sonst getan. Was zum Beispiel veranlasste jemanden, sein Haus vier Wochen mietfrei einem Unbekannten zu überlassen? Ein Freund von Frau Schwarz. Was bezweckte die Agentin mit dieser großzügigen Geste? Er hätte es als bloße Freundlichkeit auffassen können, oder als Interesse an seinem Fortkommen, von dem sie ja auch etwas hatte, aber das erschien ihm naiv. Seit der Scheidung traute er niemandem mehr.

Aber jetzt war er hier, an möglichen Teufeleien der Frau Schwarz konnte er nichts mehr ändern. Jetzt war es ihm egal.

Er war hier und es gefiel ihm.

Er holte das Glas aus dem Koffer, 15 mal 45. Fünfzehnfache Vergrößerung – zu viel für freihändiges Beobachten, das kleinste Zittern wurde mitvergrößert; man konnte es gut verwenden, wenn man sich irgendwo abstützte. Er nahm den Stuhl aus dem Zimmer, setzte sich, stützte die Ellenbogen auf das Geländer und hob das Glas an die Augen. Das Haus auf der Insel sprang ihm entgegen.

Zu sehen war nichts. Nichts. Die Fenster im oberen Stock blieben dunkel, mattschwarz wie alle Scheiben im hellen Tageslicht. Er war enttäuscht. Was hatte er erwartet? Er dachte darüber nach. Was war so Besonderes an diesem Haus? Was ging ihn das überhaupt an? Zweimal: nichts. Er riss sich von dem Haus los und ließ das Glas über die Insel gleiten. Von hier aus konnte man nicht einmal erkennen, dass es eine Insel war. Warum hatte sie nichts von dem Haus erzählt? Er setzte das Glas ab, ging ins Zimmer zurück und widmete sich dem Koffer.

Zwei Schlafzimmer im ersten Stock, darüber im spitzen Giebel noch eine Dachkammer, die man über eine Klappleiter erreichte. Unten das große Wohnzimmer, in dem er arbeiten würde. An dem Tisch in der Mitte. Fenster nach Süden und Osten, davor die Terrasse. Auf der Westseite anschließend eine geräumige Küche, im Norden Diele, Klo und Bad. Der Herd mit Flaschengas betrieben, ebenso der Boiler. Die Propanflaschen seien voll, hatte die Agentin gesagt, sparen müsse er nicht mit dem Gas. Er sollte sich inspirieren lassen, hatte Frau Schwarz gesagt, die „Atmosphäre des Ortes in sich aufsaugen“. Manchmal fragte er sich, wie jemand mit diesem Gefühl für die deutsche Sprache Literaturagentin hatte werden können. Atmosphäre aufsaugen! Aber sie lektorierte ja nicht, das taten Angestellte, ausschließlich Frauen, Frau Schwarz kümmerte sich ums Geschäft.

Er fing jetzt an. Er setzte sich an den Tisch und schaltete das Notebook ein. Öffnete den Ordner „La Donna del Lago“. Der enthielt ein File mit dem Titel „Notizen“. Drei Seiten. Mehr hatte er noch nicht. Das meiste stammte auch nicht von ihm, sondern aus Datenbanken. La Donna del Lago. Die Dame vom See. So hieß eine Opera seria von Rossini. Nach einem Versepos von Walter Scott. Das hatte er sich ausdrucken lassen, ebenso das Libretto der Oper. Und was wollte er damit? Einen Roman schreiben. Neu interpretieren. Neu interpretieren, zeitgemäß … Er betrachtete die beiden Papierstöße, die vor ihm lagen, im Vordergrund gewissermaßen, während im Hintergrund der Cursor nach dem letzten Wort des Files „Notizen“ vor sich hin blinkte. Drei Seiten.

Was tat er hier? War das nun wirklich und wahrhaftig er selber, Michael Manolis, der einen Roman über „Die Dame vom See“ schreiben sollte? Liebe, Intrigen, große Gefühle, Schottland – da spießte es sich schon. In Schottland konnte das nicht spielen, mit Schottland hatten sie nichts zu tun, hatte Frau Schwarz gesagt. Frau Schwarz kannte viele Leute und ein paar davon hatten gemeint, es wäre eine gute Idee für einen Film. Adaptiert natürlich. Von Schottland in die Alpen versetzt und aus dem sechzehnten Jahrhundert in die Gegenwart. Warum die Alpen? Wegen der Förderungen, Land, Bund, Filminstitut und dies und das. Michael kannte keine solche Leute, wusste aber, dass man denen, die Frau Schwarz kannte, gut zuhören sollte, wenn sie etwas für eine gute Idee hielten. Und er wiederum hatte gelernt, Frau Schwarz zuzuhören, wenn sie einen „Vorschlag unterbreitete“. So nannte sie das immer. Er würde also einen Plot ausarbeiten. Für einen Film. Es gab darüber einen Vertrag. Wenn der Plot gefiel, würde ein professioneller Drehbuchautor daraus ein Drehbuch erstellen. Michael würde den Plot in einen Roman umwandeln, nicht „das Buch zum Film“, sondern was Seriöses, also keine untere Schublade, sondern ein, zwei Schubladen höher, kulturell halt. In dem Falle nämlich würde auch die Landesregierung fördern. Und eine Limonaden- und Süßwarendynastie aus der Gegend. Voraussetzung war eben diese: Die Gegend als Ort der Handlung. Berge, Seen (einer oder mehrere), Einheimische. Aber bitte kein Bauernklamauk, sondern etwas „Richtiges“. Hatte Frau Schwarz ihm bedeutet.

Michael war Feuer und Flamme gewesen. Etwas „Richtiges“ konnte er zustande bringen, das traute er sich zu. Keine Schmonzette, aber doch mit einer Liebesgeschichte, keine Nabelschau, aber doch mit Anspruch, kein Dokudrama, aber doch mit einer Portion (oder Prise) Sozialkritik. Und mit Humor natürlich. Ja, klar. All das würde er aus einer Geschichte herausdestillieren, die der herausragende Vertreter der englischen Romantik im frühen neunzehnten Jahrhundert über einen Stoff aus dem frühen sechzehnten Jahrhundert geschrieben hatte.

Das Ganze war so daneben, wie etwas nur daneben sein konnte. Er schlug die erste Seite der „Lady of the Lake“ auf. Das Englisch war grauenhaft – für ihn. Wie hatte er annehmen können, den guten Walter Scott einfach so runterzulesen. Achtzehnhundertzehn. Außerdem hatte er seine Englischkenntnisse überschätzt. Da kamen Worte vor, die er noch nie irgendwo gelesen hatte. Stag zum Beispiel. Heißt Hirsch. Nichts Ausgefallenes. Kein Begriff aus der Atomphysik oder Neurochirurgie. Hirsch … verdammt, er hatte einfach kein Vokabular!

Er schloss das Fenster und suchte eine deutsche Übersetzung. Da gab es mehrere aus dem 19. Jahrhundert, Namen, die er noch nie gehört hatte. Was sind das für Menschen gewesen, die sich an eine solche Aufgabe gewagt haben, als ob es eine Fingerübung wäre? Wer könnte das heute?

Er fuhr den Computer runter. Der Anfang einer Arbeit muss stimmen, sonst wird es nichts. Er hatte falsch angefangen und wusste aus Erfahrung, dass dann Murks entsteht. Besser war es, eine Nacht darüber zu schlafen und am nächsten Tag neu zu beginnen. Er nahm das Fernglas und verließ das Haus. Spazieren gehen, den Kopf durchlüften. Nicht an die Arbeit denken. Das fiel ihm leicht, sobald er im Freien war. Die Umgebung absorbierte alle Sinne. Schauen, riechen, fühlen. An etwas Abstraktes zu denken wurde unmöglich. Deshalb konnte er nie in der Natur arbeiten, jedes im Wind schaukelnde Blättchen, jedes summende Insekt lenkte ihn ab, jedes Geräusch sowieso. Stimmen, mochten sie noch so weit entfernt sein, an der Hörbarkeitsgrenze, Hämmern, Sägen, alles Gescharre und Getümmel in den Gärten der Vorstadtsiedlung, wo er wohnte – alles ließ ihn abschweifen.

Ihm fiel auf, wie ruhig es hier war. Es ging auch kein Wind, nicht der sanfteste Hauch war zu spüren, aus der Ferne kam kein Ton. Auch kein Vogellaut. War das normal? Hörbar seine Schritte auf dem schmalen Fußweg zum Ufer. Der See lag unbewegt wie eine Scheibe aus Glas. Keine Wellen, kein Kräuseln des Wassers. Es sah wie etwas Technisches aus, monströs und unlebendig. Rundum die Berge, bis oben hin bewaldet, da und dort helle Flecken, Lichtungen. Oder Alpweiden, Michael kannte sich da nicht so aus, er war eine Stadtpflanze. Natur war schön … war das schon Anzeichen beginnender Erholung? Aber zum Erholen war er ja nicht hier, sondern zum Arbeiten. Der Gedanke verdross ihn. Ich bin durch das protestantische Arbeitsethos verdorben, kann nicht einmal die Gegend anschauen, einfach nur anschauen wie jeder schlichte Tourist, ohne schlechtes Gewissen zu provozieren! Das war lächerlich und beschämend.

Der schmale Pfad führte in ein paar Windungen hinunter zum See, endete am Bootshaus. Die landseitige Tür war nicht verschlossen. Er trat ein. Links und rechts an den Längsseiten Bretterboden, dazwischen offenes Wasser und zwei Ruderboote. Er lief zur Vorderseite, machte das Tor auf. Es wurde heller in der Hütte, er stieg in das Boot ein, löste die Kette am Heck und stieß sich mit den Armen am Laufsteg ab. Das Boot glitt auf den See hinaus. Er hängte die Ruder ein.

Es ging leicht. Als Kind war er mit seinem Vater oft an einem kleinen See gewesen, dort konnte man sich ein Boot ausleihen und rudern. Eine Stunde um zehn Schilling, das wusste er noch. Relativ teuer, aber sie hatten das oft gemacht. Einen Mopedausflug zum See, Bootfahren. Man sagte Bootfahren. Erst eine Limonade an der Jausenstation, dann Bootfahren. Als sie später den R4 hatten, kam auch die Mutter mit. Alle drei in einem Boot. Er durfte so lang rudern, wie er wollte, und er ruderte, bis er die Riemen kaum noch halten konnte.

Nun war die Insel das naheliegende Ziel. Er hielt darauf zu. Ab und zu drehte er sich um, den Kurs zu korrigieren, und staunte, wie gut ihm das gelang. Er war viele Jahre nicht mehr in einem Ruderboot gesessen, Anfänger fahren Zickzackkurs, weil sie mit dem Rücken zum Ziel sitzen und mit jedem dritten Ruderschlag eine Kreisfahrt einleiten. Der Erfolg hob seine Laune, Lady of the Lake hatte er vergessen. Rudern, dachte er, ist wie Radfahren, so muss es sein; man verlernt es nicht.

Nur war es weiter zu der Insel, als er angenommen hatte. Beim Abschätzen von Entfernungen auf offenem Wasser hatte ihn das Körpergedächtnis verlassen. Er ruderte stärker. Am Ufer ein kleines Bootshaus ähnlich dem, das er verlassen hatte. Er ruderte hin, drückte das Tor ein Stück auf. Im Inneren ein Boot, soweit er sehen konnte, in gutem Zustand, der andere Liegeplatz war leer. Bis auf das Boot machte alles einen verwahrlosten Eindruck, als sei es vor langer Zeit verlassen worden. Vielleicht, weil die Menschen, die es gepflegt hatten, alt und anders geworden waren.

Er stieß sich von dem Bootshaus ab und kehrte um. Jetzt, bei der Rückfahrt, hatte er die Insel im Blick, erst einen Teil des Ufers, dann zur Gänze. Auch das Haus tauchte, je weiter er sich entfernte, immer mehr über den Baumkronen auf. Als die Fensterreihe des obersten Stockwerks herauskam, sah er im äußersten Fenster zur Linken die Frau.

Helle Gestalt hinter der Scheibe. Er riss das Glas hoch. Es gehört Übung dazu, ein Ziel, das man mit freiem Auge erspäht hat, gleich durch die Optik wiederzufinden; Michael hatte Übung und fand die Frau auf Anhieb. Keinen Moment zu früh; als er fokussierte, trat sie nach hinten in den Raum zurück und verschwand. Ein blaues Kleid. Langes Haar, helles Blond. Das Gesicht konnte er nicht erkennen, sie tauchte ins Zimmerdunkel ein. Aber ohne Drehung. Nicht, als ob sie sich vom Fenster abgewendet hätte. Sie hatte einen raschen Rückwärtsschritt gemacht; Reaktion, wenn man sich entdeckt fühlt. Als ob sie ihn in diesem Augenblick gesehen hätte, ihn und den Feldstecher. Er schwenkte vom Fenster weg und ließ das Glas über die Insel schweifen, verweilte bei diesem und jenem Detail, drehte sich halb von der Insel fort, um etwas am Ufer zu inspizieren. Dort war nichts Besonderes. Er legte das Fernglas ins Boot und fing an zu rudern. Stolz erfüllte ihn. Durch Geistesgegenwart hatte er, wie er hoffte, seine Entdeckung kaschiert; sie konnte, wie sie da im dunklen Zimmer stand, nicht sicher sein, ob er sie gesehen hatte oder nicht. Und er konnte nicht sicher sein, ob sie nicht ihn durch ein Fernglas beobachtete; so benahm er sich touristisch. Ziellose Neugier, Blicke schweifen lassen – ohne je das Wichtige zu erkennen.

Später beobachtete er das Inselhaus vom nicht erleuchteten Obergeschoss aus; unten im Arbeitszimmer hatte er das Licht brennen lassen, das Rollo am Fenster halb heruntergezogen. Am Inselhaus war nichts mehr zu sehen. Es verschwand mit dem Horizont in der Tiefe der Nacht, die Insel bildete eine kompakte, schwarze Masse. Er war enttäuscht. Er hatte gehofft, mehr zu entdecken. Dass sie an einem anderen Fenster auftauchte oder außerhalb, am Bootshaus vielleicht, eine Fahrt auf dem See unternahm. Oder irgendetwas anderes, was er hätte beobachten können. Was ihn vom Computer abgehalten hätte. Aber da war nichts. Er ergab sich ins Unabänderliche und setzte sich an den Computer.

Er hatte mit mäßigem Interesse in der Lady of the Lake Datei weitergelesen, als es an der Tür läutete. Draußen stand ein kleiner Schwarzhaariger. Jeans, Lederjacke, glattrasiert.

„Guten Abend wünsch ich“, begann der, ehe Michael etwas äußern konnte. „Markus Hausmann. Wollte nur mal vorbeischauen, ob alles passt.“ Er bat den Ankömmling herein, der zierte sich erst von wegen „keine Umstände machen“, kam dann aber doch ins Wohnzimmer. Michael offerierte Bier, was ohne Zaudern angenommen wurde.

„Ich kümmere mich um die Häuser am See, wissen Sie“, erklärte Markus. „Ob alles gut in Schuss ist, wenn die Besitzer nicht da sind, keine Einbrüche oder so, Sturmschäden …“

„Wird denn viel eingebrochen?“

„Bis jetzt überhaupt noch nie. Zu abgelegen.“

„Ich hab kaum hergefunden!“

„Sehen Sie!“

„Da müssen Sie ja ganz schön ausgelastet sein …“

„Nein, so viel Arbeit ist das nicht. Sind ja nur vier Grundstücke. Mit der Insel.“

„Moment: Es gibt nur vier Anwesen?“

„Alles Privatbesitz. War immer schon so. Die meisten kommen nur ein, zwei Wochen her – im Jahr, verstehen Sie? Angeln, Bootfahren und so.“ Michael bat den Besucher, am großen Tisch Platz zu nehmen, schenkte Bier ein und nahm selber auch eins. Diesen Hausmann wollte er nicht so schnell wieder gehen lassen. Wenn er weg war, drohte die Lady of the Lake mit englischen Vokabeln. Also musste der Seewächter bleiben. Eilig schien er es zum Glück nicht zu haben.

„Woher wissen Sie eigentlich, dass ich kein Einbrecher bin?“

„Weil Frau Schwarz mir gesagt hat, dass Sie kommen, Herr Manolis. Foto über Mail, Kennzeichen und alles. Das Haus hier gehört einem Freund von ihr, da sind manchmal Gäste, alles Schriftsteller oder Maler. Solche wie Sie.“ Michaels Stimmung sank um einige Grade. Er hatte sich in der exklusiven Gunst seiner Agentin gesonnt. Konnte er auch weiterhin tun; nur exklusiv war sie nicht mehr, die Gunst. Hausmann schien die Verstimmung zu spüren, denn er sagte: „Kommt aber nicht oft vor, das mit den Künstlern. Alle paar Jahre einmal.“

„Das schönste Haus ist wohl das auf der Insel …“

„Haus Aurora. Ziemlich runtergekommen, wenn Sie mich fragen.“

„Da wohnt niemand?“

„Äh … momentan nicht. Ist auch nur mit dem Boot hinzukommen. Umständlich.“ Michael nahm einen Schluck Bier. Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder wurde er gerade angelogen. Das war er von Odabella gewohnt, hatte aber kein Gespür dafür entwickelt, was er immer noch bedauerte. Sogenannte „schlechte Lügner“ verraten sich, weil sie keine Übung haben. Gute Lügner sind selten, dafür kommt man ihnen nur durch Zufall auf die Schliche. Wie eben jetzt. Denn im Inselhaus wohnte eine Frau, er hatte sie ja gesehen. Also log Hausmann. Oder aber der Wachmann wusste nichts von der Dame. Die hatte sich vielleicht eingeschlichen. Über den See kam sie nur mit einem Boot. Woher hatte sie das? Aus einem der Bootshäuser gestohlen. Das aber wäre dem guten Hausmann aufgefallen, der doch überall nach dem Rechten sah … Er rief sich zur Ordnung. Wenn er seinen Gedanken erst erlaubte, sich hierhin und dorthin zu bewegen, war dies das Ende nützlicher Arbeit. Wenn ihm die reale „Dame vom See“ dazwischenfunkte, konnte er die literarische vergessen. Er hatte nur eine Chance, er musste einen Riegel vorschieben, jetzt gleich, am Anfang; dann bestand eine gewisse Chance, dass er sich nicht in die Sache einweben ließ. Einen Tag später, das wusste er, würde diese Dame seine geistigen Kräfte absorbieren.

Er musste mit der Arbeit anfangen. Jetzt. Dazu musste Hausmann raus. Also begann er von ihr zu erzählen, von der Arbeit. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass nichts anderes das Interesse an ihm so rasch sinken ließ. Wenn er nämlich diese Arbeit ungeschönt darstellte, ohne romantische Verbrämung. Das Schreiben besteht aus der Überwindung einer Reihe von Schwierigkeiten. Figuren, Entwicklung der Handlung, Verhältnis von Erzählung und Dialog. So langweilig wie die Beschaffenheit eines Automotors. An Hausmann konnte er beobachten, wie ihm das Gesicht einschlief. Der Gast trank sein Bier aus, murmelte etwas von unaufschiebbarer Arbeit und verabschiedete sich. Michael Manolis war zufrieden. Er hatte den richtigen Eindruck hinterlassen. Den eines eitlen Schreiberlings, fixiert auf seine Arbeit, von der Gott allein weiß, wozu sie jemals gut sein soll … so etwa würde Hausmanns Beitrag zur örtlichen Fama lauten. Beziehungsweise der Bericht an die übergeordnete Instanz, die ihn beauftragt hatte, dem Neuankömmling auf den Zahn zu fühlen. Dass es eine solche Instanz gab, war einfach eine Grundannahme, weil Michael Manolis so dachte, wie er eben dachte. Ein Stück Minimalparanoia, um überhaupt etwas in der Hand zu haben, mit dem er arbeiten konnte. Ohne die Frau Paranoia, die in seinem Kopf wohnte, konnte er nichts schreiben. Sie beriet ihn, wenn er nicht weiterwusste; sie machte ihn auf Zusammenhänge aufmerksam, die seinem schlichten Gemüt entgangen wären; also die Geschichte hinter den Erscheinungen. Um diese Geschichte geht es immer. Wenn keine Geschichte dahinter ist, dann vielleicht Zufall, Vorsehung oder sonst was aus Theologie, Politik oder Physik.

Als Hausmann fort war, ging er wieder an den Computer und suchte im Netz nach La Donna del Lago. Es gab eine jahrzehntealte Gesamtaufnahme der Oper, schlechte Bildqualität, den Ton musste er hinnehmen, wie er sich aus dem Zwergenlautsprecher des Laptops quälte. Dann ein paar Highlights mit berühmten Interpreten. Er hörte sie sich nacheinander an. Nun ja, Rossini halt: Mit den melodischen Einfällen dieser einen Oper hätte der Meister einen halben Eurovision Song Contest füllen können. Die Musik beruhigte ihn, wie sie das immer tat. Er fühlte sich befreit, erhaben. Am „Ma dov’è colei, che accende dolce fiamma nel mio seno?“ blieb er hängen, hörte sich die Stelle ein Dutzend Mal an. „Wo ist sie, die in meiner Brust eine leuchtende Flamme entzündet?“ Und so weiter. Singt ein schottischer Clanführer, ein Hochlandhaudegen, der einem erlegten Hirsch allein die Decke abziehen kann. Dass in der Geschichte Schottlands je ein Mann dieses Schlages so einen Satz geäußert hätte, ist hochgradig unwahrscheinlich.

Mit der Handlung kam Michael nicht klar; auch nach mehrmaligem Lesen der Zusammenfassung auf einem Opernportal verstand er nicht ganz, worum es ging. Die titelgebende Dame vom See schien epochentypisch keine aktive Rolle zu spielen; sie wurde von einer Männerrunde rumgeschubst und beklagte ihr trauriges Schicksal, das sich am Schluss wunderbarerweise zum Guten wendete – wegen der edlen Gesinnung des Schottenkönigs Jakob V., die ihm kaum jemand zubilligt – außer Sir Walter Scott und schottische Nationalisten. Michael beschloss, nicht in die Verwicklungen der Handlung einzusteigen, das hatte er sich lange abgewöhnt. Es verdirbt die Freude am Kunstwerk Oper. Wer sich beim Puppentheater an den Fäden stört, darf sich keine Marionetten anschauen, so einfach ist das!

Für seine Arbeit war das alles sinnlos, dieses Opernhören, eine Ausrede, um nicht dem bleichen Bildschirm gegenüber zu sitzen, auf dem der Cursor vor sich hin blinkte. Dennoch fühlte er sich besser als vor dem Besuch Hausmanns. Er trat ans Fenster, blickte zum Inselhaus hinüber.

Da brannte Licht. Nicht in einem der sichtbaren Fenster, sondern im unteren Teil des Hauses, der von den Bäumen verdeckt war. Es schimmerte zwischen den Zweigen durch, im Fernglas war der helle Schein deutlicher sichtbar; es musste ein Fenster im Erdgeschoss sein. Also hatte Hausmann gelogen. Da war jemand auf der Insel und verfügte auch über die Berechtigung, sich dort aufzuhalten. Einbrecher würden im Zielobjekt kaum Licht machen. Nach einer Weile ging es aus. Michael Manolis erfüllte ein Hochgefühl, fast eine Woge des Glücks.

Jetzt hatte sich der Keim einer Geschichte gezeigt. Ob eine daraus werden würde, die auch andere als solche erkennen, hing von ihm ab. Er ging zu Bett und schlief sofort ein.

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Der See lag im Sonnenglast, heiß war es an diesem frühherbstlichen Spätnachmittag aber dennoch nicht. Er ruderte mit aller Kraft auf die linke Landspitze der Insel zu. Die Bäume standen bis ans Ufer, da und dort ragten umgestürzte Stämme aus dem Wasser, an manchen Stellen gab es ein wenig Schilf. Man konnte fast überall anlegen. Eschen, Schwarzerlen, Tannen, Buchen, dichtes Unterholz. Ligusterbüsche, die rötlichen Zweige des Hartriegel, Kreuzdorn. Nirgends führte ein Pfad ans Seeufer. Er ruderte weiter um die Insel herum. Auf der anderen Seite dehnte sich der See in die Weite, dort zog sich ein Schilfgürtel am Inselufer entlang, dahinter Wald, der das Inselhaus verdeckte. Nichts deutete auf die Anwesenheit eines Menschen hin. Die Arme taten ihm weh. Er konnte zwar rudern, war es aber nicht mehr gewohnt. Er hatte vorgehabt, die Insel zu umrunden, das würde sich aber hinziehen, die Insel war größer, als er angenommen hatte. Er war schon bereit umzukehren, als er den Einschnitt im Schilfgürtel entdeckte. Eine V-förmige Fläche frei von Schilf, die Spitze des „V“ am Ufer, dort ein niedriges Gebäude. Betonmauern mit schwarzen Flechtenflecken, auch das Dach aus Beton, auf der Vorderseite zwei metallene Torflügel. Eine Art Bunker. Er steuerte das Boot darauf zu. Er klopfte an das Tor. Der Ton hell, nicht hohl, wie er von dickem Blech erzeugt wird. Vier, fünf Millimeter. Roter Schutzanstrich. Mennige wahrscheinlich. Giftig und heute verboten. Die Farbe war neu. Von der linken Seite lief ein Holzsteg ins Wasser. Er machte das Boot fest und stieg aus.

Der Steg führte auf der linken Seite an der Mauer entlang einen Hügel hinauf an die Rückseite. Dort gab es eine Metalltür. Die Tür stand einen Spalt offen. Widersinnig. Ein Bunker muss zu sein – und ein Bunker war es doch! Das zeigte sich schon an der Tür. Sie war gut zehn Zentimeter dick. Er versuchte, sie weiter aufzumachen, das ging aber nur schwer, er ließ es bleiben, weil ihm etwas Beunruhigendes einfiel: So eine Tür ist Zugang zu etwas Wichtigem oder Gefährlichem. Wenn sie offensteht, hat sie jemand offenstehen lassen, der jetzt drin ist. Weil das Zuziehen nach innen einen komplizierten Schließmechanismus in Gang setzt; wahrscheinlich muss man dann irgendwo einen Code eingeben, sonst kriegt man die Tür nicht mehr auf. Also zieht man sie nur ein Stück zu und legt unten zur Sicherheit ein Stück Holz hin … da lag auch ein Stück Kantholz, ein kurzer Balken.

Das Vernünftigste in solchen Fällen: sich zurückziehen, ins Boot steigen und fortrudern ohne einen Blick zurück zu riskieren. Das Unvernünftigste: den kurzen Balken heraus und die Tür zuziehen. Und abwarten, was passiert. Michael Manolis entschied sich für den Mittelweg unbezwingbarer Neugier: Er zwängte sich durch den Spalt und lauschte. Er hörte tatsächlich Stimmen von weiter vorn, von dort kam auch ein Lichtschimmer. Michael prüfte den Boden mit den Fingerspitzen. Beton. Er wartete, bis sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Der Betonboden, auf dem er stand, reichte meterweit in den Raum und endete an einer Kante; von dort drang der Lichtschein herauf. Michael stand im ersten Stock, das Erdgeschoss lag auf der Wasserlinie. Rings um ihn große Maschinen, die er nicht identifizieren konnte, das gelang ihm nur bei dem massiven Laufkran an der Decke des Raumes. Geduckt lief er nach vorn und schaute über die Kante. Drei Meter darunter die Wasserfläche im Schein einer Wandlampe. An den Seiten verliefen breite Betonstege zur vorderen Wand mit dem Tor. Für ein Ruderboot war es zu groß. Das Fahrzeug, das an der linken Seite vertäut lag, war viel größer als ein hölzerner Kahn. Und bestimmt nicht aus Holz. Im Licht der Lampe schimmerte es schwarz, metallisch.

Ein U-Boot.

Für ein U-Boot eher klein, Michael schätzte es auf zehn Meter Länge, vielleicht etwas mehr, keine zwei Meter breit. Der Turm viel flacher als üblich. Ein Mini-U-Boot. Aber keins aus den Unterwasser-Dokumentationen im TV, keine knallbunten Bauteile mit Aufschriften oder dem Logo einer Uni. Das hier war aus Metall, bis auf eine kleine, durchsichtige Kuppel. Und dunkelgrau. Auf dem Betonsteg zwei Männer, die sich unterhielten. Der eine stand, der andere, größere, saß in einem Rollstuhl. Sein Kopf reichte dem ersten Mann bis zur Schulter. Ein Sitzriese. Michael konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde; die beiden redeten leise. Wie ist der mit dem Rollstuhl von hier oben da runter gekommen? Gar nicht. Es gab ein zweites Boot, ein Schiffchen mit sechs Sitzen unter einem Sonnendach aus Stoff. Es lag am rechten Steg, ganz vorn neben dem Tor, das man erahnen konnte. Eine Art Landungsbrücke führte vom Steg niveaugleich aufs Heck des Fahrzeugs. Aber aufs U-Boot würde er nicht gelangen, dazu gab es keine entsprechende Konstruktion. Der Rollstuhlfahrer war mit diesem zweiten Boot gekommen. Er würde Michaels Ruderboot entdecken, wenn er den Bunker auf dem Wasserweg verließ. Der andere Mann war durch die hintere Tür gekommen, die mit dem Balken. Der im Rollstuhl war der Chef. Jetzt gab es eine Auseinandersetzung, die Stimmen wurden lauter, Michael verstand ein paar Wortfetzen von dem Unterläufel: „Ja, hab ich natürlich … (unverständlich) … hol ich gleich!“ Schon war er auf dem Weg zur Treppe. Michael verkroch sich hinter einer unförmigen Maschine, bis zur Tür hätte er es nicht geschafft. Der Mann verschwand ein paar Sekunden später durch diese Tür. Etwas holen, hatte er gesagt – von wo? Vom Inselhaus? Das lag auf der anderen Seite der Insel, er würde ein paar Minuten brauchen, bis er dort und wieder zurück war. Zeit genug, zu verschwinden. Aber wer weiß, er könnte auch gleich wieder da sein. Michael könnte aufstehen, „Hallo, ist hier jemand?“ rufen und sich als neugieriger, aber kreuzbraver Tourist gebärden, der ein Gebäude betreten hatte. Durch eine offenstehende Tür. Hatte da irgendwo gestanden: Betreten verboten! Eltern haften für ihre Kinder. Nein, so etwas hatte er nicht gelesen. Was konnten sie also tun – außer saugrob zu werden, etwas von „Privatbesitz!“ und von „Polizei!“ zu brüllen? Na ja, eine ganze Menge. Von „Polizei“ würde er kein Sterbenswörtchen hören, das wusste er. Denn das Ganze hier, dieser Bootsbunker, das U-Boot, die beiden Typen – das war doch alles hochgradig illegal.

Illegal.

Das war kein Forschungs-U-Boot der Uni Wien, die sehen nicht so aus. Das hier war älter. Grauer Anstrich, schnittige Form. Das weckte einschlägige Emotionen, fühlte sich so an, roch gleichsam danach. Nazischeiß.

Im harmlosesten Fall waren das Sammler von Weltkriegsdevotionalien, das gibt es ja, das steht jede Woche in der Zeitung. Auf einem Einödhof bei Hinterkrambachgstätten wird ein Waffenlager ausgehoben – wegen der zweiundzwanzig Karabiner regt sich schon keiner mehr auf, das sind Museumsstücke, allerdings voll funktionsfähig. Schon eher Argwohn erregten die gut eingefettete Panzerabwehrkanone, diverse Maschinenpistolen, ein Dutzend Luger 08 und P 38. Abgesehen von der Reichskriegsflagge, den SS-Uniformen, Ehrendolchen, zweiundzwanzig Exemplaren von „Mein Kampf“ und ähnlichen Artefakten. Solche Sammlungen betrat besser nur die „Cobra“, die auf alles vorbereitet war.

Das Boot trug keine einschlägigen Embleme oder Aufschriften, es hätte aus Japan oder England stammen können. Den Gedanken verwarf er. Wie hätte so ein Boot in den Schwarzsee kommen sollen? Das Boot stammte aus Deutschland. Aus einer Zeit, als die Deutschen noch so winzige U-Boote bauten. Weil die großen reihenweise versenkt wurden. Michael wusste das aus Weltkrieg-II-Dokus im Fernsehen, die er in tiefer Nacht anschaute, wenn er nicht schlafen konnte. War das überhaupt erlaubt, ein U-Boot in einem See zu betreiben? Eher nicht … natürlich gab es verrückte Militariasammler, die mit ihren Panzern auf Privatgelände herumkurven, aber ein U-Boot war dann doch eine andere Nummer. Hochgradig illegal, was denn sonst? Was würden die tun, wenn sie ihn entdeckten? Der Schweiß brach ihm aus. Frau Paranoia in seinem Kopf begann zu keifen, sie meinte es gut, aber ihre Vorwürfe waren jetzt nicht hilfreich. Ja, einen Nazibunker zu betreten war eine hochgradig blöde Aktion. Auf Privatgelände! Wie leicht kam es da zu Unfällen …

Michaels Herz klopfte ihm in den Hals, dröhnte in den Ohren. Kurz darauf kam der Kleine mit einer Mappe zurück. Also doch aus dem Inselhaus, die Zeit hätte gereicht. Der Unterläufel entnahm einen großen Plan, eine technische Zeichnung, und legte sie dem Chef auf den Schoß. Dann begannen sie, Details zu besprechen, lauter als vorhin. Michael verstand nichts von dem technischen Kauderwelsch, nur den Satz des Alten: „Also schön, aber schnell, ich muss in zehn Minuten weg!“ Michael kroch auf allen vieren zurück zur Tür, rannte so schnell er konnte zum Anlegesteg. Sein Boot war noch da. Er sprang rein, löste das Tau und begann zu rudern, wie er noch nie gerudert hatte. Es ging langsamer voran, als ihm lieb war. Jeden Augenblick konnte der Mensch auf dem Steg erscheinen, „Halt!“ schreien – und dann nicht etwa „Oder ich schieße!“, sondern gleich schießen, mit einer fies aussehenden deutschen Maschinenpistole, angetan mit einer Wehrmachtsuniform, einen Stahlhelm über der niedrigen Stirn … Michael wurde schlecht, er würgte, kotzte einen breiten Schwall ins Wasser. Er kniete im Boot, kühlte den Kopf im See und beruhigte sich allmählich. Er war schon um den Schilfgürtel herum, das Bunkerbootshaus nicht mehr sichtbar. Michael hatte überreagiert, das sah er nun ein. Er dachte nach: Er hatte weder eine Waffe in dem Bootshaus gesehen, noch irgendein Weltkriegsutensil. Bis auf das U-Boot. Vielleicht war es ja doch nicht in Deutschland gebaut worden. Sondern in England, Italien, Frankreich. Und von einem vermögenden Exzentriker gekauft, an den See transportiert und renoviert worden. Oder es wurde immer noch überholt, umgebaut, der Plan, den der Handlanger geholt hatte, deutete darauf hin. Es wurde eine Bar eingebaut und ein Schlafzimmer. Mit Hi-Fi-Anlage … alles harmlos.

An dieser Stelle wurden seine Gedanken durch unangenehme Kälte an den Füßen unterbrochen. Das kam von dem Wasser, das ihm in die Schuhe lief. Wie es ins Boot kam, blieb unklar, er konnte kein Leck entdecken. Es war aber eins da, eins oder mehrere, der ganze Boden war mit Wasser bedeckt. Jetzt wäre ein Eimer nützlich gewesen. Er versuchte es ein paar Mal mit hohlen Händen und gab es wieder auf; er konnte nicht gleichzeitig rudern und schöpfen. Er entschloss sich fürs Rudern, denn da konnte er sehen, was er mit seinen Anstrengungen erreichte, das Boot kam voran. Schnell nach Hause. Schon ein paar Minuten später erkannte er, dass es eine blöde Idee gewesen war. Nicht das Rudern, sondern das Ziel. Er war zwei oder dreihundert Meter von der Insel entfernt. Wie weit es ans andere Ufer war, konnte er nicht abschätzen, jedenfalls weiter. Viel weiter. Er wendete, ruderte zur Insel zurück. Das Wasser im Boot stieg, stand ihm bis zu den Knöcheln und stieg weiter. Das Rudern wurde schwerer. Als ob mehrere Personen im Boot säßen. Er gab es auf, ließ die Arme sinken. Es hatte keinen Zweck, alle Kräfte beim Rudern zu verschwenden, die er in absehbarer Zukunft zum Schwimmen brauchen würde. Er zog die Schuhe aus, knüpfte die Schnürsenkel zusammen und hängte sie sich um den Hals. Mit Schuhen kann man nicht schwimmen, das hatte er vor langer Zeit gelesen, aber keine Ahnung, ob es stimmte. Es klang logisch. Jetzt war es ein Glück, dass er das Sakko daheim gelassen hatte; das Wasser stand eine Handbreit unter dem Rand, überflutete das Sitzbrett. Er lehnte sich zurück und ließ sich nach vorn gleiten. Nicht hineinspringen, das hatte er auch gelesen, manche Leute sterben gleich durch Herzinfarkt wegen des Kälteschocks. Oder war das ein moderner Mythos? Nach einer Minute kam ihm das Wasser wärmer vor als in der ersten Sekunde. Er rollte aus dem Boot, das unter ihm versank, und begann zu schwimmen.

Es war zu weit.

Er merkte es nach wenigen Zügen. Es war zu weit bis zu der Insel, er würde es nicht schaffen. Er würde ertrinken. Merkwürdig, dass keine Panik ausbrach. Statt zu verzweifeln, zu hyperventilieren, schwamm er. Lange, kräftige Züge, aber langsam. Die Insel war ein Stück näher gerückt. Obwohl alle Beschreibungen von Schiffbrüchigen in relativer Ufernähe ihre ernste Lage mit sinistren Sätzen untermalen: Das Ufer blieb gleich weit entfernt, so sehr er sich auch bemühte, ihm näher zu kommen … Vielleicht eine kanonische Phrase des Schiffbruchs in der Literatur, ein Kunstgriff, um den Grad der Verzweiflung zu erhöhen. Oder einer schreibt es einfach vom anderen ab.

Ja, er spürte die Arme, war aber weit entfernt von totaler Erschöpfung – und nicht mehr so weit entfernt von der Insel wie zu dem Zeitpunkt, als er das Boot verlassen hatte. Das Wasser, es lag am Wasser. Nicht so kalt wie die Weltmeere, wo die großen Schiffsunglücke stattfinden, und vollkommen ruhig. Keine Strömungen, nicht der leiseste Windhauch, daher nicht die winzigste Welle. In jedem mäßig besetzten Schwimmbecken hätte ihn die bewegte Wasseroberfläche mehr behindert als im stillen Schwarzsee.

Er erreichte die Insel, blieb im Wasser einen Augenblick stehen. Fester Boden, Kies. Die Bäume reichten hier bis ans Wasser, er packte eine Wurzel, wollte sich herausziehen. Er war vollkommen erschöpft. Es brauchte Zeit, bis er aufs Ufer gekrochen war, wo er liegenblieb. Es wurde bereits dunkel, und er begann zu frieren. Die Euphorie verflog. Er rappelte sich auf. Er konnte immer noch umkommen. Unterkühlung. Der weiche Boden wurde härter, ein schmaler Pfad, festgetreten, den ging er nun entlang, dem Gefühl nach auf das Inselhaus zu.

Der Wald reichte bis ans Haus heran, nur auf einer Seite gab es einen kleinen, bekiesten Vorplatz. Was mach ich jetzt?, dachte er. Er drückte die Klinke, die Tür blieb zu. Die Panik, die ihn auf dem See verschont hatte, begann sich nun in seinem Kopf auszubreiten. Ihm war so kalt wie noch nie im Leben. Keine tiefe Außentemperatur, aber durchnässt. Wie lang hält der Organismus das aus? Er brauchte warme Sachen oder einen Unterschlupf, wo es wärmer war als draußen. Er suchte nach einer Klingel, aber da war nichts. Er begann, mit der Faust an die Tür zu schlagen. Nach dem dritten Schlag wurde sie aufgerissen.

„Ach, Sie sind das!“ Hausmann staunte. „Wieso sind Sie so nass?“ Michael sagte nichts, er zitterte nur. „Kommen Sie erstmal rein“, sagte Hausmann.

Die Vorhalle war kleiner, als man von außen angenommen hätte, Michael erkannte in dem trüben Licht einer schwachen Glühbirne eine Treppe zum ersten Stock, im Erdgeschoss ein paar Türen. Hausmann öffnete eine auf der linken Seite und machte Licht. Etwas zwischen Besenkammer und Hauswirtschaftsraum, Schränke an den Wänden, ein schmaler Tisch und zwei Stühle.

„Setzen Sie sich und ziehen Sie das nasse Zeug aus!“ Er öffnete einen Schrank, entnahm eine große, braune Decke. „Mit Unterkühlung ist nicht zu spaßen …“ Michael zog sich aus, wickelte sich in die Decke. Das Zittern hörte auf, der Verstand kam wieder auf Touren. Nicht fragen lassen, dachte er, selber reden, besser: losplappern, die Anspannung abbauen. Wie das frisch Gerettete so an sich haben. Also begann er eine umständliche Schilderung eines deppenhaft-touristischen Bootsausflugs mit Schilderungen der Landschaft, die Hausmann wohl besser kannte als irgendjemand sonst. Das Betonbootshaus wurde auch erwähnt, ebenso das Anlegen am Steg. Nachher sei er ein Stück in den Wald gegangen, behauptete er, aber bald wieder umgekehrt, weil es nichts Besonderes zu sehen gegeben habe. Auf der Rückfahrt sei dann das Missgeschick passiert, das Boot vollgelaufen.

„Wahrscheinlich war das Leck schon vorher da“, sagte er, „durch das Rudern ist irgend so ein Holzteil abgebrochen, glaub ich. Im Boden. Dann kam natürlich ein Haufen Wasser rein. Ich war zum Glück noch in der Nähe der Insel …“ Er schwieg. Das war die unmögliche und deshalb beste Erklärung des Vorfalls. Nur ein Mensch, der keine Ahnung vom Aufbau eines Ruderbootes hat, glaubt, dass ein Holzteil