CHRISTIAN DÖRGE (HRSG.)

 

Venezianische Arithmetik

 

 

 

 

Erzählungen

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

J. Brian Clarke: DAS TOR ZUR ERDE (Earthgate) 

Ian Watson: TRAUMSTÖRUNG (On The Dream Channel Panel) 

Gardner Dozois, Jack Dann und Michael Swanwick: DIE GÖTTER DES MARS  

(The Gods Of Mars) 

Lucius Shepard: DER JAGUARJÄGER (The Jaguar Hunter) 

Robert Silverberg: ÜBERFAHRT NACH BYZANZ (Sailing To Byzantium) 

Heinz Zwack: FRAGMENT COSWORTH 1973 

Jayge Carr: NETZWANDERER (Webrider) 

Harlan Ellison: MIT VIRGIL ODDUM AM OSTPOL (With Virgil Oddum At The East Pole) 

Connie Willis: DER FLUCH DER KÖNIGE (The Curse Of Kings) 

Frederick Pohl: FERMI UND FROST (Fermi and Frost) 

C. J. Cherryh: SCHERBEN (Pots) 

Horst Pukallus: DAS BLEI DER ZEIT 

James White: DIE GEISSEL (The Scourge) 

Bruce Sterling: SCHWARM (Swarm) 

Christian Dörge: VENEZIANISCHE ARITHMETIK 

 

Das Buch

 

 

15 Erzählungen internationaler Spitzen-Autoren und -Autorinnen, vereint in einer Science-Fiction-Anthologie der Extra-Klasse (zusammengestellt und herausgegeben von Christian Dörge): u. a. von Ian Watson, Jack Dann, Lucius Shepard, Harlan Ellison, Horst Pukallus, C. J. Cherryh, Bruce Sterling, Heinz Zwack, James White und Christian Dörge. 

   J. Brian Clarke: DAS TOR ZUR ERDE (Earthgate)

 

 

»Wir haben ein Problem«, sagte Peter Digoness.

»Wer hat das nicht?« Gia Mayland war nicht in der Stimmung für Mitgefühl. Sie litt noch immer darunter, dass man sie ganz plötzlich von einem Strand auf den Bahamas zurückgerufen hatte.

»Es geht um unsere Suche nach dem Earthgate, dem Tor zur Erde«, fuhr der stellvertretende Direktor der Expedition fort. »Irgendjemand scheint nicht zu wünschen, dass wir es finden.«

Gia zog ihre zarten Augenbrauen hoch. »Das ist aber wirklich interessant.«

Er runzelte die Stirn. »Weit mehr, als du glaubst. Jules Evien wurde gestern ermordet.«

»Oh, mein Gott.« Gia setzte sich, aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. »Wie?«

»Sehr sauber. Auf große Entfernung mit einem Laser-Gewehr. Ein ausgesprochen professioneller Job.«

Es herrschte Schweigen. Gia gedachte an einen früheren Geliebten und guten Freund. Dann fragte sie: »Könnte es auch andere Gründe dafür geben? Andere als Earthgate?«

»Das bezweifle ich. Jules ist das dritte Mitglied des

Earthgate-Teams, das innerhalb der letzten beiden Jahre den Tod fand. Heidi Johnson stürzte in den kanadischen Selkirks von einem Berg. Lynn Quoa starb in einem Krankenhaus in Denver aus scheinbar natürlichen Ursachen. Drei von den ursprünglich sieben, die für diese Aufgabe eingesetzt wurden.« Digoness schüttelte den Kopf. »Bisschen viel Zufälle, Gia.«

»Aber damit erscheint der Mord an Jules als reichlich törichte Stümperei, oder nicht? Nun ist dein Verdacht so weit geweckt, dass du dich fragst, was mit den beiden anderen passiert ist.«

»Der Mörder stand unter Zeitdruck. In drei Tagen hätte Jules an Bord der Farway in Tiefschlaf gehen sollen. Ich sagte ihm, dass wir uns meiner Meinung nach bei unserer Suche zu sehr auf die Erde konzentriert haben, und er stimmte mir zu. Er sollte auf Shouter eine Untersuchung in Angriff nehmen.«

Gia ließ sich auf ihren Stuhl zurückfallen. Ihre braunen Augen glänzten, so angestrengt dachte sie nach. Der Shouter, der unmittelbare Übergang zu beinahe zwanzigtausend Bestimmungsorten in der gesamten Galaxis, war sechshundert Lichtjahre und sechsundzwanzig Monate Reisedauer von der Erde entfernt. Für die jämmerlich zusammengedrängten Milliarden auf der Erde bildete Shouter den Zugang zu unerfüllten Träumen, einen Weg zu leerem Land unter sauberem Himmel an nicht verschmutzten Meeren. Doch die Wartezeit war lang. Sie betrug gegenwärtig fast zwölf Jahre, bis man eine Passage auf einem der wenigen Dutzend Phasenschiffe bekam, die zur Durchführung der Reise geeignet waren. Ohne Zweifel würden sich noch Millionen bewerben, wenn sie nicht einen beträchtlichen Teil ihres Lebens mit dem Warten auf ein Schiff zubringen müssten. Solange dieser Engpass bei den Transportern bestand, würde der Traum der Erde, die Bevölkerung auf etwas mehr als die gerade noch tragbaren Grenzen zu reduzieren, eine Wunschvorstellung bleiben.

Ihre Blicke schweiften zu dem berühmten Earthgate-Memorandum, das eingerahmt an der Wand über dem Schreibtisch des stellvertretenden Direktors hing. Das Memorandum war in kunstvollen Buchstaben abgefasst und Digoness überreicht worden, ehe er von Shouter auf die Erde zurückversetzt worden war. Der Text lautete:

 

Punkt 1: Irgendwer hat irgendwann irgendwie das Terminal für ein unmittelbares galaktisches Transportsystem fast genau zwischen den Heimatwelten der beiden einzigen bekannten raumfahrenden Rassen errichtet.

Punkt 2: Unter den beinahe zwanzigtausend Übergängen auf Shouter gibt es zwei, die nirgendwohin führen.

Schlussfolgerung: FA 6093 und 11892 sind demnach die Übergänge nach Phuili und zur Erde. 

Fragen: Welcher der beiden ist das Tor zur Erde? Wo auf der Erde ist das entsprechende Tor zu Shouter? Und wie wird das System aktiviert?

 

Sauber, knapp gefasst und ausgesprochen logisch. Aber es ging Gia wie den meisten ihrer Kollegen bei den Expeditoren: Diese Folgerung zu akzeptieren war bei ihr ebenso sehr ein Akt des Glaubens wie der Vernunft - denn wenn es irgendeine Gerechtigkeit im Universum gab, dann musste das einfach wahr sein. Wäre es anders, dann wäre die Kolonisierung der Tausende von erreichbaren Welten vergleichsweise so, als wolle man die Wüsten der Erde mit jeweils einigen hundert Sandkörnern auf einmal verlagern.

Aus dem Nichts und für ihren Gedankengang völlig unerheblich, blitzte in Gias Geist plötzlich ein Name auf: »Transtar«, sagte sie.

»Verzeihung, was war das?«

Ihre Augen wurden weit. »Das ist's. Das Motiv! Außer einigen Schiffen, welche die alten Welten versorgen, hat Transtar fast seine ganzen Mittel in den Shouter-Verkehr gesteckt. Wenn nun also das Tor zur Erde geöffnet würde, dann wäre das ihr Ruin. Der Geschäftsriese wäre über Nacht eine der Vergangenheit angehörende Körperschaft! Kannst du dir einen besseren Grund vorstellen, um uns am Auffinden des Tores zur Erde zu hindern? Selbst um den Preis von Mord?«

»Offengestanden nein«, gab Digoness ohne weiteres zu. »Doch wenn das Motiv so offenkundig ist, werden die von Transtar - vorausgesetzt, sie sind schuldig - ihre Verwicklung darin hinter genügend falschen Fährten und Strohmännern versteckt haben, um eine ganze Armee von Ermittlern auf Jahre hinaus zu binden. Also vergiss es, Gia. Ich habe dich nicht hierhergerufen, um Räuber und Gendarm zu spielen.«

»Du hast mich wohl auch nicht hergerufen, nur um mir schlechte Nachrichten zu erzählen!« gab sie zurück. »Oder doch?«

Er sah sie an. Nach einigen Augenblicken senkte Gia den Kopf unter seinem steten Blick. »Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen.«

»Nein«, entgegnete er kurz, »das hättest du nicht.« Er machte sich hinter seinem Schreibtisch zu schaffen, und der Raum verdunkelte sich. Ein Lichtkreis erschien und dehnte sich aus. Im Zentrum des Feldes, inmitten einer rotgefärbten Wüste unter einem unendlichen Himmel, balancierte eine riesige Untertasse waagrecht auf der Spitze eines unglaublich schlanken Pylons. Über der Untertasse war ein blasser kugelförmiger Körper aus flackerndem Licht zu sehen. »Du weißt natürlich, was das ist«, sagte Digoness.

Gia lächelte in der Dunkelheit. »Du würdest mich zum Teufel jagen, wenn ich's nicht wüsste. Jeder Kinderschüler kann einen Raumübergang erkennen.«

»Offiziell immer noch FA, ein fremdes Artefakt«, erinnerte er sie. »Das hier ist zufällig FA eins, mein ganz spezielles Lieblingsobjekt.«

Gia nickte. Sie erinnerte sich an die Geschichte. Peter Digoness war einer der ersten Neulinge bei den Expeditionen gewesen. Die Organisation war ins Leben gerufen worden, um wissenschaftliche Zusammenarbeit zu »expedieren«. So wie ein Übersetzer die verbale Kommunikation erleichtert, kann ein geschulter Expeditor einen chaotischen Haufen wissenschaftlicher Spezialisten zu einer leistungsfähigen Einheit machen, und oft genug angesichts gegenseitiger Verdächtigungen und Missverständnisse. Der junge Expeditor, der der »Permanent Earth Research Unit«, der Ständigen Forschungseinheit Erde, auf dem Shouter zugewiesen worden war, löste Ereignisse aus, die auch PERU und die nahegelegene Phuili-Basis einschlossen und noch immer über die drei Welten hin und in der Galaxis nachklangen. Innerhalb weniger Tage nach seiner Ankunft hatte Digoness nicht nur den herablassenden Phuili bewiesen, dass menschliche Wesen weit mehr sind als primitive Wilde mit einer einseitigen Befähigung zur Technologie. Er hatte darüber hinaus in Partnerschaft mit einem der Phuili überzeugend den wahren Zweck der riesigen FAs nachgewiesen - indem er in das Licht über FA eins flog und auf der Stelle in einer lieblichen Welt ankam, die nun zutreffenderweise unter dem Namen Serendipity (Gabe zufälliger glücklicher Entdeckungen) bekannt war.

Das verhalf ihm natürlich zu Ruhm, was nicht nach dem Geschmack dieses ruhigen, ausgeglichenen Mannes war, der es vorzog, auf Shouter zu bleiben, während bemannte und unbemannte Fahrzeuge die Tausende von Welten jenseits der FAs zu sondieren begannen. Doch Begabung trägt ein Individuum oft weiter, als es gehen will, und nach anhaltendem Druck von der Zentrale der Expeditoren auf der Erde kehrte Digoness schließlich, wenn auch zögernd, heim, um die Suche nach dem Tor zur Erde zu übernehmen.

Er deutete auf das Hologramm des FA. »Dies ist der Hauptgrund, warum ich überzeugt bin, dass wir hier auf der Erde nur unsere Zeit verschwenden. Drei Kilometer hoch und zwei Kilometer breit - wenn so ein Ding auf diesem Planeten existiert, dann muss jedes menschliche Wesen für ich weiß nicht wie viele Jahrtausende blind gewesen sein. Okay. Vielleicht ist es als irgendetwas anderes getarnt, weiß Gott, als was. Ein derartig großes Objekt müsste in einem Berg versteckt sein. Der springende Punkt ist, wenn wir nicht wissen, nach was wir suchen, wonach suchen wir eigentlich? Wenn es überhaupt eine Antwort gibt, dann kann sie nur auf dem Shouter zu finden sein. Und hier, meine liebe junge Dame, kommst du ins Spiel. Ich möchte dich an Jules' Platz einsetzen.«

Gia war nicht überrascht. Sie und Jules waren die beiden einzigen gewesen, die vom Sicherheitsdienst des Weltunionsrates für die Expeditoren ausgewählt worden waren. Daher war es nur natürlich, dass der stellvertretende Direktor sich ihrer Talente für Nachforschungen bedienen wollte.

»Und was soll ich tun?«

»Ich glaube, das liegt auf der Hand. Ich möchte, dass du herausfindest, wie man das Tor zur Erde öffnen kann.«

Sie runzelte die Stirn. »Das nenne ich nicht gerade einen bescheidenen Auftrag.«

Digoness faltete die Hände und beugte sich über seinen Schreibtisch vor. Seine grauen Augen blickten eingehend, prüfend. »Glaub mir, wenn ich diese Mission selbst übernehmen könnte, würde ich keinen Augenblick zögern. Ich habe Freunde auf dem Shouter, aus beiden Rassen. Doch die bestehenden Mächte haben in ihrer Weisheit beschlossen, dass die Antwort auf diesem Planeten liegt, und deshalb muss ich weiterhin die Suche leiten. Aber wenigstens konnte ich sie überreden, den Expeditoren einen der Schlaftanks der Farway zuzuweisen, so dass du nicht einmal zwei Jahre Langeweile an Bord eines interstellaren Personenfrachters ausgesetzt bist. Und weil du keine nahen Angehörigen hast...«

»...oder persönliche Bindungen«, unterbrach Gia lächelnd. »Aber das weißt du ja, oder nicht?«

Digoness sah ein wenig verwirrt aus. »Ich konnte natürlich nicht sicher sein, aber ich bin froh, dass du es bestätigt hast.«

»Wie nett von mir«, meinte das Mädchen traurig.

»Verdammt, Gia, ich biete dir die Chance deines Lebens! Wer oder was immer die FAs auf den Shouter brachte, hatte doch offensichtlich die Absicht, dass sie benutzt würden. Das bedeutet, dass in irgendeiner logischen Weise ein Schalter existieren muss, mit dem eines der beiden leeren FAs zur Erde in Betrieb gesetzt werden kann. Ich bin sogar bereit, um hartes Geld zu wetten, dass dieser Schalter vor aller Augen ist, in voller Blickweite. Also, Mädchen, gebrauche bitte deine besonderen Gaben, ihn zu finden, ja? Schalte das Tor zur Erde ein!«

 

Schlaftanks waren so ungeheuer kostspielige und komplizierte Ausrüstungsteile, dass die meisten Emigranten in die neuen Welten noch immer das mehr als zweijährige Eingesperrtsein an Bord eines Schiffes der Raumflotte erdulden mussten, die speziell für den Shouterverkehr gebaut worden war. Als nun Gia Mayland eine Woche vor Ankunft der Farway auf dem Shouter wiederbelebt wurde, da war sie keineswegs überrascht von der Feindseligkeit der anderen Passagiere. Die Tatsache, dass sie eine Expeditorin war, spielte da nur eine geringe Rolle. Der einstmals ruhmreiche Beruf war nun bestenfalls noch achtbar, ein anderer Weg für einen guten Lebensunterhalt. Doch die Feindseligkeit belastete sie nicht. Die Besatzung war kooperativ, und auf jeden Fall hatte das Kommunikationssystem einen Rückstand an Tachyonenwellen-Botschaften für sie, meistens Routine, doch die letzte vom stellvertretenden Direktor klang ominös.

BIS VOR KURZEM HATTEN WIR KEINE ANHALTSPUNKTE IN DER SACHE VON EVIENS TOD. DOCH DIE VERHAFTUNG EINES BEKANNTEN MÖRDERS IM VERGANGENEN MONAT UNTER NICHT ZU DIESER SACHE GEHÖRENDER BESCHULDIGUNG HAT ZUR DEFINITIVEN WIEDERAUFNAHME DES FALLES GEFÜHRT. DER MANN HAT NICHT NUR DIE TÖTUNG VON JULES GESTANDEN, SONDERN GENUG ÜBER DIE ART ENTHÜLLT, WIE ER SEINE BEZAHLUNG ERHIELT, SO DASS WIR ZU EINER PERSON MIT NAMEN JOPHREM GENESE GELANGT SIND. ER IST ANGESTELLTER BEI EINER VERTRIEBSORGANISATION, DIE ZUFÄLLIGERWEISE EINE NIEDERLASSUNG VON - DU HAST ES ERRATEN - TRANSTAR INTERSTELLAR IST. DIE EINZIGE INFORMATION, DIE ICH DARÜBER HINAUS HABE, BESAGT, DASS MAN VON GENESE SEIT DIESER ZEIT, NOCH BEVOR DER MÖRDER SEIN HONORAR KASSIERTE, NICHTS GEHÖRT UND GESEHEN HAT. ER KANN ÜBERALL AUF DER ERDE ODER AUCH AUSSERHALB SEIN.

GIA, ICH HABE DICH SCHON VOR DEINEM ABFLUG DARAN ERINNERT, DASS DEINE HAUPTMISSION DAS TOR ZUR ERDE BETRIFFT. ABER VIELLEICHT WÄRE ES KLUG, GELEGENTLICH MAL ÜBER DIE SCHULTER ZU SCHAUEN, AUCH DIE LISTEN DER MITREISENDEN ZU STUDIEREN. ICH ZÖGERE MIT WEITEREN RATSCHLÄGEN, DENN IN DIESEM SPIEL BIST DU QUALIFIZIERTER ALS ICH.

P. D.

 

 

Das war eine Komplikation, mit der sich die junge Expeditorin lieber nicht hätte herumschlagen wollen. Doch sie war dankbar für Digoness' Warnung, gelegentlich »über die Schulter zu schauen«, vor allem in den Wochen, bis die vollständige Zahl der Siedler von der Farway zu ihren verschiedenen Bestimmungsorten in der Galaxis weiterbefördert waren. Wenn sich in der Zeit, während die Hunderte von Familien durchgeschleust und auf ihr großes Abenteuer vorbereitet wurden, nichts Ungewöhnliches tat, dann würde sich wahrscheinlich überhaupt nichts ereignen. Wenn es keine Menschenmenge gibt, in der man nach vollbrachter Tat untertauchen konnte, würde ein vorsichtiger Mörder es wohl vorziehen, auf einen einfacheren Auftrag zu warten.

Am Tag vor der Ausschiffung schob Gia ihre Sorgen entschlossen für eine Weile beiseite und begab sich in eine der Beobachtungskuppeln, die seitlich an dem Schiff in seiner Umlaufposition angebracht waren. In einigen hundert Kilometern Entfernung entfalteten sich die marsartigen Landschaften von Shouter großartig vor ihren Blicken; die Funken der Raumübergänge glichen willkürlich verstreuten Goldflittern. Selbst beim Beobachten erkannte sie, dass Raumfahrzeuge in diese Lichtfunken eintauchten und Hunderte, Tausende, ja vielleicht hunderttausend Lichtjahre entfernt am Rande der Galaxis wieder auf tauchten. Vielleicht kehrten sie auch zurück und brachten Besatzungen mit, die sich erst vor wenigen Minuten von denen verabschiedet hatten, die nun ein neues Leben unter einer fremden Sonne aufbauen wollten.

Sie war so in ihre Träumereien versunken, dass sie den Mann nicht bemerkte, der leise die Kuppel betreten hatte und sich ihrer Betrachtung dieser seltsamsten aller Welten anschloss. »Faszinierend«, sagte er, »wirklich faszinierend.«

Erschreckt drehte sie sich um. Es war nicht, wie sie erwartet hätte, einer von der Besatzung, sondern ein unscheinbar gekleideter Zivilist, plump, vollständig kahl und mit einem breiten Lächeln auf seinen rosigen Wagen. Kaum zu glauben, aber das Lächeln verstärkte sich noch. »Mich mögen sie auch nicht. Ich bin der andere Tanknaut.«

Gia blinzelte. Tanknaut? Plötzlich ging ihr die Bedeutung des Wortes auf, und sie musste auch lachen. »Also der andere Schlaftankfahrgast sind Sie? Ich habe mich schon gewundert, mit wem zusammen ich geschlafen habe.«

Er errötete wie ein kleiner Junge, dem man vorwirft, Mädchen zu mögen. »Tut mir leid, dass wir uns nicht vorgestellt wurden. Endart Grimes von P.L.S. - Penders Life Support Systems.« Wie entschuldigend fügte er hinzu: »Gelegentlich benutzen wir mal unsere eigenen Erzeugnisse.«

Sie nahm seine ausgestreckte Hand. Er hatte einen festen Griff. »Gia Mayland. Ich gehöre zu den Expeditoren.«

»Oh.« Er blickte sie voller Interesse an. »Expeditoren. Gehörte nicht Peter Digoness zu ihnen, als er...?« Er wies auf den Planeten.

»Stimmt. Jetzt ist er mein Chef.« Neugierig fragte Gia: »Sind Sie unterwegs zu einer der neuen Welten?«

Er schüttelte den Kopf. »Bedauerlicherweise nicht. Ich bin nur eine ungebundene Person, die es sich leisten kann, ein paar Jahre von der Erde weg zu sein; nebenbei überprüfe ich einige Verfeinerungen in unserem - hm - Verfahren.« Er runzelte die Stirn. »Wirklich schlimm, dass das so verdammt kompliziert und mühselig und gleichzeitig so kostspielig ist.«

»Kann man daran nichts ändern?«

Der Dicke zuckte mit den Achseln. »Natürlich versuchen wir es. Die Schwierigkeit ist, dass das System nicht nur von Natur aus unzuverlässig ist, man kann auch keine Wartungsarbeiten vor Ort durchführen. So haben wir es in acht austauschbare Module aufgeteilt. Bei einer Lebensdauer von nur wenigen Monaten für ein Modul bedeutet das natürlich eine Menge Ersatzteile. Bei dieser Reise zum Beispiel sind dreißig solcher Austauscheinheiten im System.

Die beiden Schlaftanks von Farway sind tatsächlich auf einhundertachtzigtausend Kilo Ausrüstung ausgelegt. Wussten Sie das?«

»Mein Gott.« Gia war perplex. »Kein Wunder, dass die Kolonisten unfreundlich sind!«

Grimes sah sie nachdenklich an. »Ich glaube, ein paar Tage gesellschaftlicher Ächtung sind ein geringer Preis.«

Er hatte natürlich Recht. Sechsundzwanzig Monate gemeinschaftlichen Lebens in einer vollen Stahlhülse war selbst für den begeistertsten Herdenmenschen eine harte Probe. So verwarf Gia jedes Gefühl von Schuld und empfand Dankbarkeit für ihre glückliche Lage. Dann setzte sie sich wieder zurecht, um die Szene zu beobachten, die sich vor ihr auf tat.

Grimes meinte: »Soweit ich verstanden habe, hat Shouter, der Marktschreier, seinen Namen daher, dass er durch die Emissionen der Raumübergänge eines der am leichtesten wahrzunehmenden Objekte der Galaxis ist. Stimmt's?«

»Stimmt«, erwiderte Gia.

»Warum kann dann Shouter von der Erde aus nicht wahrgenommen werden?«

Gia seufzte. Die Unkenntnis mancher Leute. Sie deutete auf einen von einem Nebel verhangenen Sternhaufen, der sich über dem Rande des Planeten erhob. »Die Plejaden. Ziehen Sie eine Gerade von hier nach Sol, so geht sie' direkt durch die Mitte dieser Sterne. Aus irgendeinem speziellen Grund ist ihre Nebelhülle undurchlässig für die von den Raumübergängen ausgestrahlten Frequenzen. So wurde der Shouter erst entdeckt, als anno vierundzwanzig null sechs, vor genau dreißig Jahren, die Far Seeker jenseits des Schattens der Plejaden kreuzte.«

Grimes blickte auf den legendären Sternhaufen, der trotz der umgekehrten Stellung seiner Sonnen so vertraut war.

Dann sagte er ruhig: »Vielleicht sind also die Plejaden der Grund dafür, dass es keine unmittelbare Transportverbindung zur Erde gibt. Ein Tor zur Erde. Was meinen Sie, Miss Mayland?«

Acht Fahrten mit dem Raumgleiter waren notwendig, um die Hunderte von Passagieren der Farway auf die Oberfläche des Planeten hinunterzubefördern. Es steigerte Gias Beliebtheit bei jenen, die wussten, dass sie in einem der P.L.S.-Schlaftanks gereist war, keineswegs, dass sie nun für die erste Fahrt eingeteilt wurde. Aber sie hatte sich an diese Ressentiments gewöhnt, doch hätte sie sich gewünscht, die Freiheit zu haben, offen über ihre Mission zu sprechen, um einen Teil dieser Feindseligkeit in Freundschaft zu wandeln.

Selbst Endart Grimes wirkte trotz seiner Liebenswürdigkeit sehr distanziert - seine glatte Oberfläche passte nicht so recht zu dem, was sie hinter den blassblauen Augen des Mannes spürte. Jedenfalls war er nicht in ihrer Raumfähre, und sie nahm an, er habe seinen Vortritt jemand anderem überlassen, um in dem Labyrinth von Rohrleitungen und elektronischen Systemen herumzubasteln, das die beiden Lebenserhaltungskammern versorgte.

Wenige Minuten, nachdem die Antriebsdüsen gedrosselt worden waren und die Raumfähre sanft aufgesetzt hatte, wurden zwei Busse mit Druckausgleich an die Ausstiege gekoppelt, und einer um den anderen stieg vorsichtig in die Fahrzeuge mit ihren durchsichtigen Kuppeln um. Als der Bus sich auf der kiesbestreuten Fahrbahn holpernd in Richtung auf den teilweise unterirdisch angelegten Komplex des Empfangszentrums der Kolonisierungsbehörde in Bewegung gesetzt hatte, blickte Gia über eine felsige Ebene auf die Kuppeln und Pyramiden der Phuili-Basis. Manche der anmutigen Bauten waren Jahrhunderte alt, doch alle glänzten in einem harten Weiß unter der fernen Sonne von Shouter. Ungefähr auf halbem Wege zwischen der Basis und dem Zentrum erhob sich, unpassend in der puritanischen Sparsamkeit seiner Konstruktion, das vierstöckige Gebäude von PERU schmal gegen den Himmel.

Aus dieser Richtung war ein tiefes, donnerndes Geräusch zu hören, und plötzlich erhob sich eine Erscheinung mit breiten Flügeln hinter dem Zentrum. Sie beschleunigte schnell, stieg höher und schwenkte dann auf die Sonne zu. Gia hielt die Hand über die Augen und sah die unglaubliche Konstruktion, auf die das Flugzeug zuhielt: die breitgestreckte Untertasse und den fast strichdünnen Pylon, auf dem sie ruhte. Das Sonnenlicht war zu hell, um die Lichtkugel zu erkennen, die den eigentlichen Raumübergang bildete. Aus dem gleichen Grund sah sie auch nicht, wie das Flugzeug hineinflog. Doch das Dröhnen der Düsenantriebe hörte schlagartig auf, wie von einem Schalter abgedreht, und Gia wusste, dass eine weitere Ladung Passagiere in einer fernen Welt angekommen war.

»Wo ist das hingeflogen?«, fragte die laute Stimme eines Kindes. »Mama, wo ist das hingeflogen?«

»Zu einem Ort, der Serendipity heißt, mein Liebes.«

»Gehen wir da auch hin?«

»Nein, mein Kind, wir gehen nach New Kent.«

»Und warum gehen wir nicht nach Serendipity?«

»Weil das nicht New Kent ist«, antwortete die Mutter gereizt, und dabei blieb es. Doch Gia spann in ihrem Geist die Erklärung weiter.

Weil Serendipity die erste Welt war, die durch einen Raumübergang erreicht wurde, beschlossen die Menschen und Phuili gemeinsam, diese Welt so zu lassen, wie man sie vorgefunden hatte, unbesiedelt und unverdorben. Wissenschaftler waren in diesem Flugzeug, vielleicht einige Medienvertreter und sogar Touristen. Doch sie würden keine Erlaubnis für einen dauernden Aufenthalt bekommen. In einigen Wochen oder äußerstenfalls einigen Monaten mussten sie wieder aus FA eins auftauchen, so wie Peter Digoness und sein Phuili-Gefährte vor achtzehn Jahren. Es ist gar kein so schlechter Handel. Eine Welt für Tausende...

 

Geneviève Hagan, die Stellvertretende Forschungsadministratorin von PERU, war eine kleine Frau mit eindringlichen grünen Augen. Es gab Gerüchte, dass sie und Peter Digoness während seiner Zeit auf Shouter eine Affäre hatten, und Gia fand das irgendwie ganz passend. Von ihrem unbestreitbaren Charme und ihrer scharfen Intelligenz abgesehen, besaß die S.F.A. eine weibliche Ausstrahlung, die eine vollkommene Ergänzung für die bekannte Zurückhaltung von Digoness wäre.

Die S.F.A. wies den Neuankömmling an, sie »Jenny« zu nennen, dann begab sie sich hinter ihren Schreibtisch zurück, wühlte in einigen Papieren herum und fragte mit einer gewissen Scheu: »Wie geht es Peter? Hält er es immer noch hinter seinem erdgebundenen Schreibtisch aus?«

»Er versucht es. Aber er hat mir gesagt, er wäre lieber auf dem Shouter.«

Jenny nickte. »Wir wünschen uns( er könnte hier sein.« Gia bemerkte die unbewusste Betonung von »wir«. Ich glaube, sie vermisst den Mann immer noch. Selbst nach mehr als drei Jahren! Rasch verschwand die Weichheit wieder, und die grünäugige Frau wurde zur kühlen Akademikerin. »Nun gut. Haben Sie Peters Bericht über Jophrem Genese erhalten?«

»Er wurde mir nach der Wiederbelebung übergeben.«

»Dann werden Sie verstehen, warum ich diese Frage an Sie gerichtet habe. Hat irgendjemand an Bord der Farway ein besonderes Interesse an Ihnen gezeigt?«

Gia lächelte. »Der andere Tanknaut.«

»Tanknaut?«

»Der Mann im anderen Tank. Endart Grimes von P.L.S.«

»Oh, ich verstehe. Ja, ich weiß Bescheid über Grimes. Aber ich dachte eigentlich mehr an jemanden, der mit Transtar in Verbindung steht.«

Gia runzelte die Stirn. »Das scheint doch reichlich unwahrscheinlich, oder nicht? Wenn Transtar uns daran hindern will, den Übergang zur Erde zu finden, dann wird ihr Agent kaum seine Verbindung zu ihnen dadurch an die große Glocke hängen, dass er sich als einer ihrer Leute einträgt.«

»Abgesehen von Ihnen und Grimes sind die einzigen Leute von Farway, die nicht für Transtar arbeiten, die Kolonisten. Und sie sind auf das Zentrum begrenzt, bis sie weiterverschifft werden.«

»Wenn also Genese - oder wer auch immer - an Bord war, dann musste er ein Mitglied der Besatzung sein. So ist es doch?«

Die andere schob eine Akte über den Schreibtisch. »Hier sind die Identifikationsmerkmale aller zweiundfünfzig Mitglieder der Mannschaft, ferner ein Bild von Jophrem Genese, das vor einigen Monaten von der Zentrale übertragen wurde.«

Gia ließ den Ordner auf schnappen. Obenauf befand sich ein Bild mit Kopf und Schultern eines schmalgesichtigen Mannes mit dunkler Haut und leicht vorstehenden Augen. Sie blätterte den Rest der Akte durch. Auf jeder Seite befand sich eine zusammenfassende Beschreibung mit einem kleinen Bild der betreffenden Person. Die einzige, die auch nur eine geringe Ähnlichkeit mit dem schmalgesichtigen Mann aufwies, war eine weibliche Besatzungsangehörige.

»Nicht sehr hilfreich, nicht wahr?«, meinte Jenny.

Gia schloss die Akte und reichte sie der S.F.A. zurück- »Ich bin hier, um das Tor zur Erde zu finden«, erklärte sie eindeutig. »Ich habe nicht die Absicht, mich von einem hypothetischen geheimnisvollen Fremden ablenken zu lassen.«

Nachdenklich sah die S.F.A. die junge Expeditorin an. »Ich würde Peters Warnung durchaus ernst nehmen. Was immer er sonst sein mag, er leidet auf jeden Fall nicht an Verfolgungswahn.«

»Ich weiß, und Sie dürfen mir glauben, dass ich alle grundsätzlichen Vorsichtsmaßregeln ergreifen werde. Aber darüber hinaus werde ich ausschließlich an meiner primären Aufgabe arbeiten.«

»Nun, das liegt natürlich bei Ihnen.« Jenny wog den Ordner einen Augenblick in einer Hand, dann warf sie ihn in eine Schublade, die sie mit einem kräftigen Schubs zustieß, den etwas Endgültiges anhaftete. »Nun, nachdem dies hoffentlich erledigt ist, wollen wir beide uns den speziellen Fragen widmen. Wie kann PERU Gia Mayland bei der Suche nach dem Tor zur Erde helfen?«

»Als Ausgangsbasis muss Gia Mayland erst mal auf den neuesten Stand gebracht werden«, erwiderte Gia prompt. »In den letzten Jahren habe ich die Beziehung hierzu etwas verloren.«

Jenny grinste. »So, so. Nun, das lässt sich in zwei Worten ausdrücken: nichts Neues.«

Gia war verblüfft. »Was? Hat sich überhaupt nichts getan?«

»Was hatten Sie erwartet? Digger gibt weiterhin Regierungsmittel aus für die Suche nach etwas, von dem er weiß, dass es nicht zu finden ist, während wir auf Shouter nicht die Mittel haben, uns auch nur für den Anfang mal umzusehen. Doch ich freue mich, dass Sie hier sind, denn ich bin zufälligerweise der gleichen Meinung wie Digger, dass die Antwort - wenn es überhaupt eine gibt - auf dem Shouter sein muss. Ich fürchte, das ist meine umständliche Art, Ihnen zu sagen, dass Sie nicht allzu viel von uns erwarten dürfen. Bei all den Teams, die von hier aus starten, ist PERU ohnehin viel zu dünn besetzt.« -

Gia zuckte die Achseln. »Das heißt im Klartext, wir werden tun, was wir können, mit dem, was wir haben. Das wäre...?«

»Sie können selbstverständlich unsere Kommunikationseinrichtung benutzen. Ich habe bereits veranlasst, dass für Sie jeden Tag um sechszehn Uhr für fünfzehn Minuten ein Kanal offengehalten wird. Das kostet zwar einiges, aber wenigstens sind Sie dann in der Lage, mit Peter und den übrigen hochbezahlten Talenten der E-Zentrale in Verbindung zu bleiben. Außerdem habe ich Ihnen jemand als Führer und Helfer beigeordnet. Darf ich Ihnen Galvic Hagan vorstellen?«

Er musste draußen gewartet haben, denn er kam herein, schon fast ehe die S.F.A. die Taste der Gegensprechanlage losgelassen hatte. Er war jung, stämmig, rothaarig und hatte ein ansteckendes Grinsen. »Ist das die Dame, Ma?«

Die S.F.A. seufzte. »Meinst du nicht, dass der Spaß langsam fade wird?« Entschuldigend blickte sie Gia an. »Er ist nicht mal mit mir verwandt. Aber irgendwie hat er's geschafft, dass die halbe Einwohnerschaft glaubt, ich sei seine Mutter.« Sie schauderte. »Gott bewahre.«

»Die Ärmste weiß nicht, was ihr da entgangen ist«, sagte der junge Mann und schüttelte Gia die Hand. Er trat zurück und musterte sie kritisch. »Haben Sie in letzter Zeit etwas gegessen?«

Gia wusste, worauf er anspielte. »Die Schlaftanks sind nicht hundert Prozent leistungsfähig«, erläuterte sie. »Ich nehme an, ich habe ein wenig Gewicht verloren.«

Er nickte. »Dann schlage ich vor, dass wir zur Verpflegungsstelle runtergehen und wieder ein bisschen Substanz auf Ihren hübschen Körper bringen. Zwischen den Bissen können Sie jede Frage anbringen, die Sie wollen, und wenn wir beide Glück haben, dann kann ich vielleicht ein paar richtige Antworten beisteuern.«

»Gute Idee«, meinte Jenny zustimmend. »Gia, machen Sie sich's für den Rest des Tages gemütlich. Vic soll Ihnen die Anlage zeigen und Sie den Leuten vorstellen. Und dann schlafen Sie sich gründlich aus. Morgen werden Sie dann David kennenlernen.«

»David?«

»Oh, habe ich ihn nicht erwähnt? Er ist hier Ihr Gegenpart von den Phuili. Seine Aufgabe ist es, das Tor nach Phuili zu finden.«

 

David war kleingewachsen und menschenähnlich mit einem rosafarbenen, hundeartigen Kopf. Gias erste Reaktion mit den kleinen Fremden war Nervosität und gleichzeitig Neugierde, doch unter dem forschenden Blick der großen violetten Augen, in deren Tiefen eine Spur von Humor lag, schwanden negative Gefühle sofort dahin. Der Griff seiner grobhäutigen Hand mit den beiden Fingern und den gegenständigen zwei Daumen war freundlich. »Ich bin Davakinapwottapellazansis«, kündigte er in einem rasanten Silbenfluss an. »Abew füw menschliche Fweunde bin ich David.«

Gia fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Wie kann man sich mit einem Wesen unterhalten, das wie ein aufrecht gehender Bullterrier aussieht? »Hm, sind Sie schon lange mit dieser Aufgabe betraut?«

»Seit fünf von Ihwen Monaten. Ich komme nach Shoutew, weil wiw Tow auf Phuili nicht finden.«

»Glauben Sie, dass es auf Phuili ein Tor gibt?«

»Wenn Tow auf Shoutew ist, dann ist auch Tow auf Phuili. Abew nicht viel Hilfe auf Phuili.«

Einen Augenblick verstand Gia ihn nicht. Vic blickte ebenfalls verständnislos drein, während Jenny nur die Achseln zuckte und sich ein leichtes Lächeln gestattete. Sie befanden sich im Büro der S.F. A. Der Fremde hockte scheu auf einem niederen Schemel, den man hereingebracht hatte, weil er für seine kleinwüchsige, kurzbeinige Gestalt passte. Die Expeditorin versuchte, die beiden interessierten Zuschauer nicht zur Kenntnis zu nehmen, sondern blickte direkt in die violetten Augen. Sie starrten ohne Blinzeln zurück. »Wollen Sie damit sagen, dass die anderen Phuili nicht genügend Interesse aufbringen, um zu helfen? Oder gab es direkte Opposition?«

David sah verwirrt aus. Zumindest war das der Eindruck, den eine Erschlaffung seiner flexiblen Schnauze hervorrief. »Nicht vewstanden. Was heißt Opposition?«

Gia erläuterte eingehend: »Wenn das Tor nach Phuili gefunden wird, dann gäbe es keinen weiteren Bedarf mehr für die Schiffe und Besatzungen, die nun zwischen Ihrer Welt und dem Shouter verkehren. Würden nicht diejenigen, welche die Schiffe betreiben, Sie hindern wollen?«

Die Verwirrung, wenn es eine war, vertiefte sich. »Wenn Tow gefunden, fahwen Schiffe zu andewen Plätzen. Mannschaften gehen, wo Schiffe hingehen.«

Ist Habgier etwas spezifisch Menschliches?, überlegte Gia, die sich der räuberischen Instinkte ihrer Rasse schämte und die Phuili um ihre Unschuld beneidete. Doch Romantik passte nicht zu einem guten Expeditor, und sie erkannte rasch, dass vereinfachende Urteile nicht nur in die Niederlage führen, sondern schlichtweg töricht sind. Da die Phuili den gleichen Naturgesetzen unterlagen wie die Menschheit, hatten sie zweifellos in ihrer Entwicklung die gleiche Lektion gelernt: dass Engel für das nächste Universum da sind und nicht für die harte Realität des jetzigen.

Es war, als lese David ihre Gedanken. »Phuili entwickeln sich übew lange Zeit. Nur wenig junge Phuili, deshalb viel Platz auf dem Planeten. Alte Weisen müssen sich nicht ändewn. Doch Tow wird alte Weisen ändern, weil viel von außen kommt. Menschen zusammengedwängt, sie müssen neue Welten haben. Phuili nicht. Wir gehen nuw, um zu schauen, nicht um zu bleiben.«

Selbst Geneviève Hagan war überrascht. In all den Jahren, in denen sie mit den Phuili zu tun gehabt hatte, konnte sie sich an kein solches Eingeständnis des Unbehagens erinnern; es war wie bei einem Eremit, der fürchtet, dass seine Klause der Einsamkeit von Touristenhorden überlaufen wird. Davids Satz »Viel kommt von außen« war auf die Menschen bezogen, jenen - nach Phuili-Standard - unberechenbaren Wesen mit ihrem unheiligen Hang zur Veränderung. Gleichzeitig war die unzusammenhängende Feststellung des kleinen Fremden aber auch ein Widerspruch.

Die S.F.A. war nicht die einzige, der dieser Widerspruch auffiel. »Wenn die Phuili das Tor nicht wollen«, meinte Gia verwirrt, »warum versuchen Sie es dann zu öffnen, David?« Schon als sie die Frage formulierte, nahm sie Schmerz wahr, wo vorher Humor gewesen war. Es war ein seltsames Gefühl. Selbst bei Menschen war sie nie in der Lage gewesen, Stimmungen so wahrzunehmen, wie dies anscheinend dem kleinen Fremdling gegenüber der Fall war.

Davids Antwort war ein Widerhall dieser Stimmung. »Menschen benutzen das Tow, selbst wenn Phuili nicht benutzen«, sagte er traurig. »Bald wird das dann menschliche Galaxie. Vielleicht werden Weisen und Gebwäuche der Phuili bewahrt, abew das Phuili-Volk verlowen.«

Phuili-Volk verloren. Vielleicht war es sein eigenartiger Gebrauch der menschlichen Sprache, doch ungeachtet dessen beschwor er das ergreifende Bild einer alten Rasse, die in ein totes Wasser der Galaxis verbannt war. Gia begann, das Dilemma zu erfassen, in dem sich die Phuili befanden, das »Gehen« oder »Nicht Gehen«, eine Situation, die in ihrer schrecklichen Einfachheit beinahe aristotelisch war. Sie konnten entweder die von den Toren vermittelte Herausforderung annehmen und als Folge die Erschütterungseffekte der Veränderungen im zerbrechlichen Unterbau ihrer monolithischen Gesellschaft ertragen, oder aber sich nach innen wenden und allmählich zur Obskurität gedemütigt werden von einer Rasse, die noch in Höhlen lebte, als die Phuili-Kultur bereits zu einer Form herangereift war, die ihrer heutigen nahekam.

Die Expeditorin bewegte sich näher an den Phuili heran, und die Stimmung der Pein verstärkte sich, sie umgab ihn wie eine unsichtbare Aura, eine Form der Kommunikation, die so fremd war wie er selbst. Telepathie, fragte sie sich. David, verstehen Sie mich? Können Sie hören, was ich denke?

Eine Antwort blieb aus, nur der Kummer war zu spüren.

 

Trotz Vic Hagans Protest borgte sich Gia einen offenen Wagen und machte sich am nächsten Morgen auf eigene Faust auf den Weg. Die kiesbestreute Straße endete, nachdem sie am Landekomplex der Raumfähre entlangführte, nach einigen Kilometern unterhalb der riesigen Schale von FA eins. Die Schale wurde von einem drei Kilometer hohen Pylon getragen, der kaum imstande schien, sich selbst zu stützen, geschweige denn die Masse, die unvorstellbarerweise oben drauf schwebte. Eine Weile saß Gia im Schatten des Artefakts, ohne irgendwelchen besonderen Gedanken nachzuhängen; sie ließ nur die Eindrücke nach und nach in ihr Gehirn eindringen. In diesem Stadium erwartete sie nicht, Dinge zu lernen, die Wissenschaftler auf mindestens drei Welten nicht längst wussten, doch war ihr klar, dass diese kleine Pilgerfahrt den wirklichen Beginn ihrer Mission bezeichnete. Schließlich kletterte sie aus dem Fahrzeug und ging eine Weile umher. Sie fühlte sich reichlich unbequem in ihrem Druckanzug, doch sie empfand beglückt das gleiche Gefühl der Scheu, von dem Peter Digoness erfüllt gewesen sein mochte, als er zuerst hierher kam.

Man konnte sich nur schwer passende Superlative ausdenken. Der reine Maßstab des riesigen Artefakts war so beschaffen, dass der Pylon zwar aus der Ferne unglaublich zerbrechlich wirkte, doch die achtundsechzig Meter, die seine nahe Basis aufwies, erweckten eine Vorstellung von der beruhigenden Festigkeit eines Betonmonuments. Man hatte Gia bereits erklärt, dass die schwachen Zeichen auf der glatten grauen Oberfläche bis hinauf zur Dreimetermarke in Wirklichkeit einen Versuch der Phuili-Wissenschaftler darstellte, eine Materialprobe zur Analyse zu entnehmen. Während sie noch über diese unvorstellbare Widerstandsfähigkeit gegenüber der Sonnenhitze eines Laserschweißbrenners nachdachte, nahm Gia ein zweites Fahrzeug wahr, das neben dem ihren geparkt war, und eine stämmige menschliche Gestalt trottete auf sie zu. Sie wartete, ärgerlich über dieses Eindringen, doch neugierig auf die Identität des Fremden.

»Hallo, wie geht's?«, erkundigte sich eine bekannte Stimme durch die Hörer ihres Helms. »Ich glaube, wir unternehmen das gleiche wie alle Neuankömmlinge, wenn sie zum ersten Mal auf Shouter sind. Stimmt's, Miss Mayland?«

Sie lächelte. »Stimmt, Mr. Grimes. Wann kamen Sie herunter?«

»Mit der Fähre am frühen Morgen. Und nennen Sie mich bitte Endart. Meinetwegen auch En, wenn Sie so informell sein wollen. Mir macht das nichts aus.«

Macht er sich über mich lustig? »Ich heiße Gia«, sagte sie höflich. Sie wartete, als Grimes das FA anstarrte, und bekundete dann Zustimmung, als er eine passende Äußerung der Ehrfurcht von sich gab. Plötzlich erinnerte sie etwas an eine Bemerkung, die er gestern in der Beobachtungskuppel der Farway gemacht hatte. Seltsam, dass ihr das nicht vorher aufgegangen war, aber woher in aller Welt wusste er etwas von Earthgate, dem Tor zur Erde? Sie fragte ihn.

Die Frage verwirrte ihn. »Warum heißt der Teufel Teufel? Vielleicht glauben Sie nicht daran, doch er muss einen Namen haben, damit man identifizieren kann, was man nicht glaubt. Richtig? Nun, wie dem auch sei, ich weiß, dass ich irgendwo Earthgate erwähnt sah. Ich hab halt ein bisschen was übrig für solche Dinge, wissen Sie. Geister, Atlantis, UFOs, sogar das Bermuda-Dreieck. Natürlich alles Unsinn, aber man hat Spaß dran. Ich glaube, ich bin ein bisschen romantisch veranlagt.«

Die Erklärung klang recht menschlich. Nicht so glatt und deshalb mit einem Hauch von Wahrheit. Gia beschloss daher, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Auf jeden Fall besaßen die Expeditoren nicht das alleinige Eigentumsrecht an dem etwas einfallslosen Ausdruck Earthgate, der für den Nichteingeweihten vieles bedeuten konnte, wirkliche oder andere Dinge. Anscheinend hatte die Warnung von Digoness vor dem mysteriösen Jophrem Genese sie doch stärker beeindruckt, als sie gedacht hatte, und sie fragte sich, ob sie vielleicht anfing, an Verfolgungswahn zu leiden.

Nicht, wenn ich's verhindern kann, erklärte sie sich selbst grimmig.

Doch so leicht wurde sie das Thema nicht los. Grimes' Neugierde war geweckt. »Warum fragen Sie mich danach? Ist es möglich, dass es etwas wie Earthgate, das Tor zur Erde, gibt? Haben Sie vielleicht damit zu tun?«

Gia versuchte, ihre Reaktionen im Zaum zu halten. »Natürlich nicht. Wie Sie selbst sagten, ist das Unsinn. Meine Arbeit sind Nachforschungen, nicht das Verplempern öffentlicher Gelder für die Jagd nach Phantasien.«

Er schien erleichtert. »Ich bin wirklich froh, das zu hören. Nach was - hm - forschen Sie zur Zeit?«

Der Mann wurde ihr langsam lästig. »Augenblicklich nach nicht sehr viel. Wir warten auf die Ankunft eines der Teams, von Gaylord. Das scheint eine der besseren Welten zu sein, aber es wird wohl keine Entscheidung getroffen, ehe wir den Bericht des Teams ausgewertet haben. Glauben Sie mir, Endart, eine Art wissenschaftlicher Mittler zu sein, ist nur ein Teil meiner Arbeit. Der Rest ist zumeist langweilige Routine, wie in jedem Beruf.« Gia ging langsam zu ihrem Wagen zurück, und nach einem momentanen Zögern eilte ihr Grimes nach.

Bei den Fahrzeugen wandte er sich wieder dem aufragenden FA zu. »Wirklich eine Schande«, murmelte er. »All die Tausende von Welten, die vom Shouter aus erreichbar sind, als trete man über eine Türschwelle. Während auf unserer armen, überfüllten Erde...« Er schüttelte den Kopf, kletterte in seinen offenen Wagen, winkte und fuhr ab. Wie ein unachtsamer Tourist hatte er vergessen, sein Mikrofon abzuschalten, und sein Gemurmel war noch zu hören, als er nur noch eine Staubwolke war.

»...solch eine Schande. Eine furchtbare, schreckliche Schande...«

 

Gia fragte nach Fotos von FA eins und von 6093 und 11852. Galvic Hagan übergab sie ihr und beobachtete neugierig, wie sie die Abzüge in drei Gruppen auf dem Bibliothekstisch ausbreitete. »Wollen Sie sie vergleichen?«, fragte er.

»Nein, ich schaue mir nur hübsche Bildchen an«, entgegnete sie gereizt, nachdem sie die Kollektion zu ihrer Zufriedenheit angeordnet hatte.

»Wissen Sie, das hat man alles schon versucht.«

Gia griff nach einem der Abzüge und hielt ihn näher ans Licht. »So?«

Er breitete die Hände aus. »So wurde nichts gefunden. Jedes FA auf diesem Planeten ist genau gleich wie jedes andere FA. Gleiche Abmessungen, gleiche Kennzeichnungen, sogar die gleichen spektralen Merkmale.«

»Hm.« Sie wollte es zwar nicht zugeben, aber Gia wusste, dass der junge Mann Recht hatte. Sie hatte in der vergangenen Nacht schlecht geschlafen und fühlte sich müde und abgeschlafft. In diesem Augenblick schienen frische Ideen so rar wie ein Eisberg in der Sahara. Wieder blickte sie auf den Abzug in ihrer Hand. Er zeigte 6093, eines der beiden nicht in Betrieb befindlichen FAs. »Vic.«

»Ja, Mam?«

Sie deutete auf das Licht oberhalb von 6093. »Sind Sie da schon durchgeflogen? Oder durch das Licht über elf-acht- fünf-zwei?«

Er nickte. »Mehrmals. Durch beide.«

»Welches Gefühl hat man da?«

Er zuckte die Achseln. »Das gleiche wie bei jedem anderen FA. Wir gelangten einfach nirgendwo hin, das ist alles.«

»Vic, ich habe bisher nur Diggers Beschreibung von diesem Gefühl gehört. Ich möchte wissen, ob es für jeden gleich ist. Lassen Sie mich also die Frage wiederholen. Wenn Sie durch einen Raumübergang befördert werden, welche Empfindung hat man da?«

»Okay, jetzt verstehe ich Sie.« Vic dachte einen Augenblick nach. »Es ist, als werde man auseinandergerissen und wieder zusammengepresst, so etwa fühlt man sich. Aber wie bei allem anderen gewöhnt man sich auch daran.«

»Sind Sie Pilot? Ich meine, können Sie ein Flugzeug führen.«

Er blinzelte bei diesem plötzlichen Themawechsel. »Sicher. Wohin wollen Sie?«

Sie blickte auf die Karte. »Nach sechs-null-neun-drei, glaube ich. Es ist am nächsten, oder nicht?«

»Das ist ein Kinderspiel. Ungefähr siebzig Minuten Flugzeit.«

»Arrangieren Sie das so rasch wie möglich. Für morgen, wenn es geht. Ich möchte auch gern David mitnehmen.«

Vic schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Beide Raumschiffe sind für morgen ausgebucht.« Er schaute auf seine Uhr. »Aber warum nicht jetzt gleich? Es bleibt noch genügend Zeit, damit Sie an Ort und Stelle zwei bis drei Stunden Tageslicht haben.« Beim Sprechen wandte er sich zur Sprechanlage und drückte eine dreistellige Zahl.

»Phuili«, sagte eine fremde Stimme.

»Ist David am Apparat?«

»Nicht David.«

»Hier spricht Hagan. Ich bin dabei, Gia Mayland nach sechs-null-neun-drei zu fliegen. Sie möchte, dass David mitkommt.«

»David kommt.« Es knackte, als der Phuili den Kontakt abbrach.

»So einfach geht das?«, meinte Gia überrascht. »Denken die nicht mal dran, ihn zu fragen, ob er frei ist?«

Hagan kicherte, während er die Tür aufhielt. »Das ist auch etwas, an das Sie sich gewöhnen müssen. Für uns mag es scheinen, dass die Phuili wie Individuen handeln, aber manchmal erscheinen sie wie Teile eines einzigen Organismus.«

Sie hielt dicht neben ihm an. Obwohl er wusste, dass sie wenigstens zehn Jahre älter war, empfand er plötzlich Fürsorge. Er schluckte. »Sie sind Fremde«, sagte er.

Gia nickte nachdenklich. »So wie wir für sie.«

 

David traf mit ihnen zusammen, als sie das Flugzeug aus dem Hangar schoben. In seinem silbrigen Druckanzug mit einem langgestreckten Helm sah er mehr wie ein kuscheliges Raumspielzeug aus als ein Angehöriger einer Spezies, die älter war als der Mensch. Doch als er und der junge menschliche Mann die Flügel entfalteten und sicherten, war seine Mithilfe die eines erfahrenen Fachmannes, was nicht weiter verwunderte, denn die Maschine war die menschliche Adaptation einer ursprünglichen Konstruktion der Phuili. Endlich schnallte sich die zusammengewürfelte Dreiergruppe in dem engen Cockpit fest, und mit einem kräftigen Auftrieb ihrer Düsenaggregate glitt die Eloise Three sanft in die dünne Luft hinein.

Bei dem Flugzeug handelte es sich scheinbar um eine zerbrechliche Anordnung von Rohren und gespanntem Plastfilm, tatsächlich war es jedoch äußerst robust und dauerhaft und hatte seinen Wert schon in Hunderten von Flügen unter Beweis gestellt. Trotzdem atmete Gia ein wenig leichter, als sie sich der schlanken Säule unter FA 6093 näherten. »Können wir in einer Spirale von der Schale abwärts fliegen?«, fragte sie den Piloten und machte ihre Kamera schussbereit.

»Kein Problem«, entgegnete Vic und stellte die Bedienungselemente neu ein. Als sie in den Schatten der riesigen Schale hineinflogen, kippte er die Maschine in eine sanft nach unten führende Kreisbahn. Gia begann ihre Bilder zu knipsen, wobei sie sorgfältig auf die Abstände zwischen den Aufnahmen achtete, um alle vier Seiten des Pylons von der Schale bis zur Basis zu erfassen.

»Sie meinen, Sie finden, was andewe nicht finden, die das gleiche getan haben?«, fragte David interessiert vom Rücksitz aus.

»Die Bilder, die ich gesehen habe, waren alle vom Boden aus aufgenommen«, sagte Gia und knipste weiter, »weder aus dieser Nähe noch aus diesem Winkel.«

»Twotzdem gleich«, bemerkte der Phuili.

Wahrscheinlich hatte er Recht. Obwohl ihre Kamera dem neuesten Stand elektronischer Bildtechnik entsprach, vermutete Gia, dass die vom Boden aus aufgenommenen Hologramme in vier Aufnahmen ebenso viel Information enthielten, wie sie mit Dutzenden erreichen konnte. Doch diese Welt war so fremd, dass sie entschieden hatten, die Wahrheit von gestern müsse nicht unbedingt die Wahrheit von heute sein. Digoness' eigene frühe Erfahrungen auf Shouter hatten die Unhaltbarkeit verschiedener starr aufrechterhaltener absoluter Annahmen bewiesen, und Gia war unbescheiden genug, um mit der Möglichkeit zu spielen, dass auch sie einige ins Wanken bringen könnte, vor allem, wenn sie das Tor zur Erde fand.

Als sie schließlich einige Meter über dem dürren Boden von dem Pylon wegflogen, steuerte Vic die Eloise Three in einen weiten, ansteigenden Bogen. »Wollen Sie durch das Licht durchfliegen?«

»Natürlich. Das ist doch einer der Gründe, warum wir hier sind, oder nicht?«

»Okay, aber ich warne Sie. Beim ersten Mal ist es alles andere als angenehm.«

»Darüber bin ich mir im Klaren.« Gia erinnerte sich an die Beschreibung von Digoness. Es ist, als werde man auseinandergerissen, über das ganze Universum verteilt und dann wieder zusammengeschleudert. Sie drehte sich zum anderen Passagier um. »Haben Sie dies schon vorher einmal unternommen?«

»Nicht bei diesem. Nur bei FA eins. Weil dieses FA nicht awbeitet, frage mich, ob gleiche Schmerzen. Ich komme, zu vewgleichen.«

Gia fühlte sich versucht, spaßeshalber trotzdem gleich zu sagen, denn überall in PERU hatte man ihr bereits versichert, dass der Schmerz