ROBERT QUINT

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 26:

Der Weg nach Argus

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER WEG NACH ARGUS von Robert Quint 

 

Das Buch

 

Man schreibt das Jahr 2500 irdischer Zeitrechnung.

Der Kampf um den letzten Urbaum entbrennt...

Llewellyn 709, Angila Fraim, Sardina Giccomo, Serge-Serge Suvez und Altamont O'Hale versuchen im Logenverbund mit Scanner Cloud Kontakt aufzunehmen. Sie finden heraus, dass der Psyter auf PSI-Ebene nicht nur sendet, sondern auch Antworten erhält. Nur: Alle PSI-Impulse scheinen von ein und derselben Person zu kommen...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  DER WEG NACH ARGUS von Robert Quint

 

 

 

 

  »Llewellyn!« 

Der unterdrückte Schrei riss den Riemenmann aus seinem unruhigen Schlaf. Verwirrt blinzelte er und starrte verständnislos das glühende, mathematische Rastermodell ihrer Umgebung auf dem Panoramabildschirm an: Eine Kugel, am Äquator und beiden Polen leicht deformiert. Und in der Mitte – unbeweglich, gefangen – ein roter Punkt!

Dieser Punkt war das Raumschiff Midas – umgeben von einer Zone energetischer Instabilität, die durch den Ausbruch von Weltraum-II-Energie im zerstörten Spilter-System erzeugt worden war. Die Midas – gefangen in einem bizarren Mini-Universum, dessen Grenzen von den Raum-Zeit-Verzerrungen der entfesselten Kaiserkraft gebildet wurden.

Die Erinnerung kehrte fast schmerzhaft zurück.

Plötzlich hellwach wandte Llewellyn 709 den Kopf und blickte in blasse, verblüffte Gesichter.

Angila Fraim hatte den Schrei ausgestoßen. Erstarrt deutete sie auf. Scanner Cloud.

Der Psyter lag steif und gelähmt auf dem zurückgeklappten Servositz, und noch immer war seine Haut hart wie Plastik, blickten seine Augen ausdruckslos ins Nirgendwo. Katatonie... Die Kaiserkraft-Entladung hatte den Psyter in diesen Zustand versetzt.

Llewellyn 709 empfing einen kurzen, kompakten PSI-Impuls von der jungen Treiberin. Er verstand. Irgend etwas hatte sich in Clouds beängstigendem Zustand verändert. Etwas, das die Treiber beunruhigte.

Lavski, Morgenstern und Leande lagen schlafend auf ihren Sitzen, erschöpft von den langen Stunden des Wartens. Die Unruhe der Treiber hatte sie noch nicht erreicht.

Geschmeidig erhob sich der Riemenmann, ignorierte das stimmlose Flüstern seines PSI-aktiven Körperschutzes, dessen goldenes Geflecht bei jeder Bewegung aneinander schabte und trocken raschelte.

»Psionische Impulse, Llewellyn.« Angilas Stimme klang belegt. »Sie gehen von Scanner aus, aber...«

Die Neuigkeit hatte den Riemenmann elektrisiert. Soweit sie bisher wussten, verfügte Scanner Cloud über keine aktiven Treiber-Kräfte. Seine emphatischen Fähigkeiten lagen auf einer anderen Ebene. Die plötzliche PSI-Aktivität musste demnach auf seinen rätselhaften Zustand zurückzuführen sein.

Der Riemenmann konzentrierte sich und glitt hinüber in die Trance. Seine

telepathischen Fühler griffen nach dem Psyter. Wie bei früheren Kontaktversuchen erschien ihm der katatonische Starrkrampf, in dem sich Cloud befand, auf telepathischer Wahrnehmungsebene wie ein Kokon aus gewebtem Eis.

Aber diesmal war da noch etwas anderes...

Eine Art Raunen im Hintergrund, fern, fremd, unidentifizierbar.

Dem Riemenmann wurde bewusst, dass er allein keine weiteren Informationen gewinnen konnte. Sie mussten ihre Kräfte verstärken, indem sie eine Loge bildeten.

Die Treiber folgten seiner wortlosen Bitte. Körperkontakt erleichterte die Zusammenarbeit. Llewellyn griff nach den Händen von Angila Fraim und Sardina Giacomo. Serge-Serge Suvez und Altamont O’Hale vervollständigten den Kreis.

Die Wirkung trat augenblicklich ein.

Lautlos zerriss die Dunkelheit vor Llewellyns imaginären psionischen Augen. Aus dem strahlenden Weiß, das ihn umgab, schälte sich ein Phantombild des Psyters. Wie eine Puppe rotierte Cloud um seine eigene Achse, und obwohl seine Augen weit geöffnet waren, schien er nichts wahrzunehmen.

Natürlich, dachte Llewellyn 709 in einem trägen Winkel seines Bewusstseins, waren diese Bilder nichts als Illusion. Sein Gehirn, gewohnt an ein bestimmtes, im Laufe von Jahrmillionen Entwicklungsgeschichte geformtes Wahrnehmungsmuster, wandelte unverständliche Sinneseindrücke in vertraute Bilder um.

Der Kollektiv-Geist der Loge verstärkte seine Anstrengungen.

Das Weiß der Umgebung verblasste allmählich und machte einem verwirrenden System korrespondierender Lichtimpulse Platz.

Diese Impulse entstanden in Scanner Cloud und wurden von ihm in einem schnellen Rhythmus abgestrahlt. Doch dies war es nicht, was Llewellyn so bestürzte. Clouds PSI-Sendungen – sie verblassten nicht in der Ferne wie bei jedem anderen telepathierenden Treiber, sondern sie verschwanden abrupt aus dem Wahrnehmungsbereich der Loge.

Wie abgeschnitten.

Als ob der Weltraum II sie verschluckt hätte…

Die Erregung beeinträchtigte die Konzentration des Riemenmannes, und fast hätte er über die faszinierende Erkenntnis ein zweites Phänomen übersehen.

Cloud sendete nicht nur, er erhielt auch Antworten.

Verzweifelt bemühten sich Llewellyn und die anderen Mitglieder der Loge, sich in die wortlose Kommunikation einzuschalten und die Identität des Fremden zu ermitteln, der Kontakt mit dem Psyter aufgenommen hatte. Vergeblich. Sie empfingen nur unverständliche Impulse – und ein Gefühl der Vertrautheit, des Friedens...

Enttäuscht beendete Llewellyn 709 seine Trance.

Die Loge löste sich auf, der kollektive Geist zerfiel wieder in eigenständige Individuen.

»Ich glaube«, erklärte Altamont O’Hale nachdenklich, »dass es kein Zufall war, dass ausgerechnet Scanners Geist von der Kaiserkraft-Entladung erwischt wurde.«

Der Riemenmann neigte den Kopf. »Du meinst...?«

»Hast du es nicht gemerkt?«

»Was gemerkt?« Llewellyn blickte den hageren Mann mit den schwarzen kurz geschnittenen Haaren ein wenig verärgert an. »Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst.«

O’Hale sah verblüfft drein. »Du hast es wirklich nicht bemerkt. Und ich dachte, es wäre so offensichtlich. Beide Serien PSI-Impulse – jene, die von Scanner ausgingen und die ihn von außen erreichten – sie waren identisch. Sie besaßen die gleiche Modulation. Ich befürchte, Scanner Cloud ist hier und doch nicht hier. Sein Geist hat den Körper verlassen und ist nur noch durch die Impulskette mit ihm verbunden.«

»Da liegt Logik drin«, spottete der Riemenmann. »Nur – wenn er nicht hier ist, wo ist er dann? Und wer ist dafür verantwortlich?«

Niemand wusste eine Antwort.

Ein Gähnen durchbrach die Stille, dann leichtfüßige Schritte auf dem Boden. Leande trat an ihre Seite. »Was ist geschehen?«, fragte sie verschlafen.

»Nichts«, brummte der Riemenmann und wollte das magere Zentristenmädchen nicht noch mehr beunruhigen. Bisher hatte die vom Lerroon-Sekret geschädigte Psyche der Computertechnikerin den Schock der Gefangenschaft in dem Kaiserkraft-Gefängnis bewundernswürdig gut überstanden. Aber zu Cloud besaß sie eine besondere, unenträtselte Beziehung, und niemand wusste, wann der katatonische Zustand des Psyters Auswirkungen auf den seelischen Zustand der Zentristin haben würde.

»Warum lügen Sie mich an, Llewellyn?«, fragte Leande.

Verblüfft folgte der Riemenmann dem Blick des Mädchens und erschrak beinahe.

Der Psyter hatte die Augen geschlossen. Zum ersten Mal seit Einsetzen der katatonischen Starre hatte sich sein körperlicher Zustand verändert!

 

*

 

Die Sturmbö packte Helena Koraischowa wie eine eiserne Faust und schleuderte sie meterweit über den Boden. Ihr Schmerzensschrei ging im Heulen des Windes unter. Erst nach einigen Metern gelang es ihr, sich am Boden festzukrallen und ein weiteres Abtreiben in Richtung Energiedom zu verhindern.

David terGorden alias Hinnersen Bolter fluchte.

Wie eine Wand ragte das weißglühende Kraftfeld vor ihnen auf, das in Gestalt einer zwei Kilometer durchmessenden Halbkugel Kaiser-Haus und Zentrum der Berliner Innenstadt umhüllte. Und über der strahlenden Kuppel wölbte sich ein furchtbarer Himmel. Auch er eine einzige rötlich glühende Fläche, die jeden Augenblick zu explodieren drohte.

Ein Ausbruch drohte, erinnerte sich David benommen an die Worte des Mannes ohne Gesicht. Ein Ausbruch von Weltraum-II-Energie.

Sein Instinkt warnte David.

Er blinzelte und versuchte, etwas durch die Staubfahnen zu erkennen, die der Sturmwind vor sich hertrieb. Im Hintergrund erhoben sich die Ruinen der Berliner Neustadt wie bucklige Steinklumpen.

Die Erde dieser Semi-Realität dämmerte in Agonie dahin. Genau wie das Sternenreich, wie ein Teil der Milchstraße. Kaiserkraft hatte die Stabilität des Raum-Zeit-Kontinuums gestört. Energie aus Weltraum II sickerte in das Normaluniversum und schuf überall Zerstörung.

Die winzigen Sandkörner, die der Sturm mit sich führte, bissen in Davids Gesicht. Sie waren wie kleine feurige Zähne. Helena presste sich noch immer eng gegen die Erde und begann, auf ihn zuzukriechen. Das war es nicht, was ihn beunruhigte.

Seine Augen huschten weiter, verharrten kurz und prüfend auf dem beinlosen Zinnsoldaten, dem Entroper, der in jeder Sekunde um ein gutes Stück zu wachsen schien. Zum Glück war der Entroper so weit von ihnen entfernt, dass die Verzerrungen im naturgesetzlichen Gefüge der Welt und die millionenfache Beschleunigung der Entropie auf sie keinen Einfluss hatten.

Die Entroper waren die bizarrsten Gestalten dieser Realitätsebene, in die eine fremde Macht David und Helena verschlagen hatte. Die zinnfarbenen nackten, glatten Körper der Entroper waren die Grabkreuze auf dem Friedhof Erde.

David schüttelte unwillig den Kopf und verdrängte die unwillkommenen Symbolismen. Was hatten seine übersensiblen Sinne bemerkt? Was für eine Gefahr drohte ihnen?

Und dann sah er sie.

Der Sturm hatte in seinem Wüten ganze Gebäude umstürzen lassen und führte ihre Trümmer mit sich. Gespenstisch lautlos in dem Brüllen der aufgewühlten Luftmassen, die jedes andere Geräusch erstickten, fegte eine schwere, rostige Metallplatte über die abfall- und schlammbedeckte Fahrbahn und näherte sich mit rasender Geschwindigkeit Helena.

Die Platte würde sie zermalmen.

David terGorden hob die Trompetenwaffe, die er von den Terranauten dieser furchtbaren Realitätsebene erhalten hatte, und feuerte.

Die schwere Metallplatte zerbarst und wurde im Bruchteil einer Sekunde pulverisiert. Übrig blieb molekularer Nebel, der vom Sturm zerfetzt wurde.

David duckte sich und kämpfte gegen die Böen an, entging mehrmals nur knapp dem Sturz, der ihn hilflos den heulenden Winden ausgesetzt hätte, und erreichte nach langen Sekunden völlig erschöpft die Manag.

Ihr staubbedecktes Gesicht lächelte, und sie sagte etwas, das David nicht verstehen konnte.

Wieder blickte er hinauf zum Himmel. In dem irrealen blutigen Rot, das nun von Horizont zu Horizont reichte, erschienen gezackte Risse.

Violetter Dunst qualmte hervor und formte sich zu langen, gezackten Blitzen, die von der schimmernden Kuppel aus geformter Energie magisch angezogen wurden.

Wenn sie einschlugen, bellten Donnerschläge auf, und die weißglühende Halbkugel über dem Kaiser-Haus flackerte.

Kaiserkraft, dachte der falsche Bolter betäubt. Der Ausbruch beginnt – wie es der Mann ohne Gesicht prophezeit hatte. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis eine der energiereichen Entladungen aus dem Weltraum II in ihrer Nähe einschlug.

In der zerstörten Stadt lohte Feuer auf und wurde rasend schnell von dem entfesselten Orkan verbreitet.

Der Erbe der Macht keuchte und ballte hilflos die Fäuste. Knappe zehn Meter nur war das Kraftfeld von ihnen entfernt. Undurchdringlich und abweisend. Hinter der Weißglut schimmerten Schatten hervor.

Dunkel erinnerten sie an den Doppelturm der Kaiser-Zentrale, der auch in dieser Semi-Realität existierte und Valdecs letztes Bollwerk darstellte. Aber die Zitadelle war für sie unerreichbar.

Zum Tode verurteilt, durchfuhr es den Treiber, und Zorn wallte in ihm auf. Zorn auf den Mann ohne Gesicht, auf die fremde Macht, die ihn in diese aussichtslose Lage manövriert hatte.

Helena neben ihm wirkte gelassen. Wieder bewunderte er die Ruhe der Manag. Sie war eine bemerkenswerte Frau, und es war tragisch, dass sie vielleicht jetzt an dieser Stelle sterben würden, ohne all die Dinge gesagt zu haben, die noch nicht ausgesprochen waren.

In diesem Augenblick öffnete sich genau über ihnen der Himmel. Violettes Gleißen überschüttete die Ruinen Berlins.

Fast gleichzeitig wurde aus dem Brüllen des Sturmes ein träges, fernes Rumoren. Der Staub, der Schmutz, die Trümmer, die der Orkan mit sich führte, hingen bewegungslos in der mit einemmal wie gelähmt wirkenden Luft.

Selbst das Atmen, stellte David verwundert fest, fiel ihm schwer, als ob sich die Luft dagegen sträubte, von seiner Lunge angesaugt zu werden.

Und der Blitz der Kaiserkraft, die violette Guillotine über ihnen, klebte erstarrt am blutroten Himmel.

Zeitstopp, dachte terGorden.

Entweder hatte sich in ihrer Umgebung der Fluss der Zeit verlangsamt oder ihre persönliche Eigenzeit verlief nun um ein Vielfaches schneller.

Entsetzen ließ ihn frösteln.

Der Entroper... Vielleicht hatten die Einflüsse dieses semi-organischen Phänomens, von dem niemand wusste, ob es ein Ding oder ein Lebewesen war, ihren Standort erreicht. Vielleicht hatte der bizarre Zinnsoldat ihre Entropie beschleunigt, so dass sie in wenigen Momenten tot zu Boden sinken und zu Staub zerfallen würden...

Dann erschien aus dem Nichts vor ihnen wieder der Mann ohne Gesicht.

Niemals zuvor hatte der Anblick des Fremden den falschen Bolter so erleichtert.

Eine furchtsame Hektik ging von dem Namenlosen aus.

»Schnell, zur Kuppel«, herrschte er sie an und gestikulierte aufgeregt zu dem strahlenden Dom. »Ihre Zeitkoordinaten wurden geringfügig verändert, aber dieser Zustand ist nicht dauerhaft. Der Weltraum II verzerrt alles.«

Hinnersen Bolter alias David terGorden ergriff wortlos Helenas Hand und rannte mit verzerrtem Gesicht auf die tödliche glühende Energiemauer zu. Kurz schielte er nach oben und stellte mit klammem Herzen fest, dass der violette Entladungsblitz größer geworden war. Nur langsam bewegte er sich auf die Kuppel zu, aber er bewegte sich. Und auch das Rumoren des Sturmes gewann wieder an Lautstärke.

Durch ihren extrem beschleunigten Zeitablauf wurde selbst die Luft zu einem Hindernis. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es den beiden, die Geschwindigkeit eines normalen Spaziergängers zu erreichen. Die Atmosphäre war wie ein durchsichtiges Polster, wie transparenter zäher Schlamm.

»Beeilen Sie sich«, drängte der Mann ohne Gesicht.

Warum, dachte David, während er sich auf das Kraftfeld zuschob, warum ist er nicht in der Lage, diese Realität direkt zu beeinflussen? Wenn sie ein künstliches Produkt ist, muss es möglich sein, sie zu manipulieren, die Kaiserkraft-Entladung abzulenken oder zu verhindern...

Nur noch Zentimeter trennten sie von der weißglühenden, aber trotzdem kühlen Energiewand.

Der Blitz aus dem Weltraum II hatte sie fast erreicht. Das violette Gleißen war nahezu unerträglich. Die bizarre optische Veränderung, die die negativen Emissionen des anderen Weltraums auslösten, rückten den Entroper scheinbar ganz nah an sie heran.

Das zinnfarbene Gebilde schwankte auf dem pflanzenähnlichen Stiel sanft hin und her, und sein Körper schien in Hunderte von Segmenten aufgeteilt zu sein, die durch absolute Finsternis voneinander getrennt wurden. Dann verschwand das Phänomen, und der Entroper fügte sich wieder zusammen.

Und ein Gesicht flammte auf, verlieh dem runden Zinnkopf des Entropers menschliche Züge.

Der Treiber wurde von dem Schock fast gelähmt, als er das Gesicht erkannte.

Mutter!, dachte er voll kalter Furcht.

Dieses Gesicht war das seiner Mutter – Myriam terGorden, die bei ihren Experimenten mit Yggdrasil den Tod gefunden hatte.

Sie lächelte ihm aufmunternd zu.

Und vor ihm riss der strahlende Dom auseinander. Eine mannsgroße Öffnung tat sich auf.

»Hindurch!«, brüllte der Mann ohne Gesicht durch das Gleißen des violetten, unerträglich werdenden Lichtes.

Atemlos stolperte David durch die rettende Öffnung und zerrte Helena Koraischowa hinter sich her. So schnell wie er entstanden war, schloss sich der Riss im Kraftfeld auch wieder.

Der Sturm, die Kaiserkraft-Entladung, der Mann ohne Gesicht und die Ruinen Berlins waren verschwunden. Sie hatten das Chaos hinter sich gelassen. Und vor ihnen lag Frieden.

Blauschimmernd, unzerstörbar, gewaltig, ein Ausdruck menschlicher Hybris, reckte sich der Doppelturm der Kaiser-Zentrale in die Höhe.

Die Zitadelle.

Und irgendwo in ihr – Lordoberst Max von Valdec.

*

 

Und weit entfernt…

In diesem Augenblick – obwohl es nicht der gleiche Augenblick war...

Auf dieser Erde, obwohl es nicht die gleiche Erde war...

Getrennt durch einen Abgrund, der unüberwindbarer war als die Schlucht

von Milliarden Lichtjahren oder die Barriere der Zeit... 

Weder in einem anderen Universum, noch in einer anderen Epoche... 

In einer Realität, die ebenso wirklich oder unwirklich war wie jene, in der sich David terGorden alias Hinnersen Bolter und die Manag, die sich Helena Koraischowa nannte, befanden...