Cover

Alfred Bekker

Der Tote im Park und 32 weitere Kurz-Krimis

Der Tote im Park und 32 weitere Kurz-Krimis

Alfred Bekker

Kurz-Krimis aus der Feder von Alfred Bekker. Mal skurril, mal konventionell, mal grausam, mal witzig - aber immer mit einer messerscharfen Pointe. Diese Krimis sind kleiner Bestseller, die zuvor in Zeitschriften, Zeitungen, Illustrierten, Kalendern und Anthologien erschienen und dort bereits in Millionenpublikum erreichten. Jetzt liegen sie gesammelt vor.


Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Alfred Bekker: Wie ein Ei dem anderen

Alfred Bekker: Gauner-Duo in der Falle

Alfred Bekker: Nur fürs Protokoll

Alfred Bekker: Die Lösung heißt Bankraub

Alfred Bekker: Der Tote aus dem Nichts

Alfred Bekker: Ausgebremst

Alfred Bekker: Der Tote im Park

Alfred Bekker: Mord nach Drehbuch

Alfred Bekker: Blütenträume

Alfred Bekker: Ein Mord wie auf der Bühne

Alfred Bekker: Der Anrufer

Alfred Bekker: Der Tod der alten Dame

Alfred Bekker: Eine Kugel für den Erpresser

Alfred Bekker: Der Tote im Fluss

Alfred Bekker: Der Tod der Witwe

Alfred Bekker: Tonys großer Coup

Alfred Bekker: Der Vogeljäger

Alfred Bekker: Eddies Flucht

Alfred Bekker: Der Safeknacker

Alfred Bekker: Der Koffer

Alfred Bekker: Eine Million für Anita

Alfred Bekker: Die Auto-Knacker

Alfred Bekker: Arsen im Ötzi

Alfred Bekker: Das Bein

Alfred Bekker: Ein Fall für Tom die Nase

Alfred Bekker: Ein aufmerksamer Zeitungsleser

Alfred Bekker: Die Nacht der Rache

Alfred Bekker: Das nächste Opfer

Alfred Bekker: Die Nacht des Schreckens

Alfred Bekker: Du Tarzan - Ich Jane!

Alfred Bekker: Tödlicher Treffpunkt

Alfred Bekker: Der Tod des Ufo-Jägers

Alfred Bekker: Reise ins Jahr 5756









Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author /COVER Steve Mayer


© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de


Wie ein Ei dem anderen

​Alfred Bekker



Kurz-Krimi


Thomas Deming hatte eine Unmenge von Skulpturen und Gemälden geschaffen, von denen er in letzter Zeit auch einiges hatte verkaufen können.

Er war ein Künstler, aber es würde keine neuen Werke von seiner Hand mehr geben, denn jetzt lag er mit einer Kugel im Kopf ausgestreckt auf dem Teppichboden seines Apartments.

Inzwischen war der Raum voll von Kriminalbeamten, die alles nach Spuren absuchten.

"Wer hat uns gerufen? Waren Sie das?" Kommissar Gores wandte sich an einen Mann, der mit dem Toten eine verblüffende Ähnlichkeit hatte.

"Ja."

"Wer sind Sie?"

"Mein Name ist Felix Deming."

"Sind Sie ein Bruder des Toten?"

"Ja, sein Zwillingsbruder."

Gores nickte. "Ja, das ist unverkennbar. Aber ich nehme nicht an, daß Sie auch Maler sind, so wie Ihr Bruder..."

"Ich habe eine kleine Werbeagentur. Wenn Sie also so wollen, dann habe ich auch etwas mit Bildern zu tun.

Allerdings auf etwas andere Weise, als das bei meinem Bruder der Fall gewesen ist."

"Hm...", machte Gores. "Ich will Sie jetzt nicht unnötig lange belästigen, schließlich ist die Sache so schon schwer genug für Sie... Nur eine Frage: Gibt es noch irgendwelche Angehörigen?"

"Nein, keine."

"Und Freunde, Bekannte?"

"Das weiß ich nicht. Er hat eine Zeitlang mit einer Frau zusammengelebt, aber ich glaube, daß ist irgendwie auseinandergegangen... Ich kann Ihnen die Adresse aufschreiben, wenn Sie wollen..."

"Gut, tun Sie das, Herr Deming. Wenn Sie so gut sein würden und in den nächsten Tagen zu uns aufs Revier kommen, damit wir ihre Aussage zu Protokoll nehmen können, ja?"

"Selbstverständlich."

"Gut."

"Können Sie schon etwas sagen, was passiert ist?"

"Tja, es sieht nach Selbstmord aus, Herr Deming. Hier, wir haben einen Abschiedsbrief gefunden. Schauen Sie mal, ist das die Schrift Ihres Bruders?"

"Ich weiß nicht genau, aber... Doch, ich denke schon!"

"Naja, wir werden das noch genau überprüfen."


*


Einen Tag später kam Deming zu Gores auf das Polizeirevier und machte seine Aussage. Deming dachte, die Angelegenheit sei für ihn damit mehr oder weniger erledigt. Doch da sollte er sich getäuscht haben.

Es dauerte fast eine Wochen, bis Kommissar Gores wieder bei ihm auftauchte.

"Ah, Sie sind es, Kommissar. Haben Sie Ihre Ermittlungen abgeschlossen?"

"Ja, annähernd."

Deming führte den Kriminalbeamten in sein Wohnzimmer und fragte sich insgeheim, was dieser wohl noch von ihm wollte.

Der Fall lag doch klar auf der Hand.

Sie setzten sich.

Deming machte eine hilflose Geste.

"Ich verstehe nicht, wie mein Bruder sich umbringen konnte.

Gerade jetzt, wo er den künsterischen Durchbruch endlich geschafft hatte und er mit seinen Bildern Geld machen konnte.

Es lief in letzter Zeit doch alles so hervorragend für ihn...

In der Kunstszene war er bereits soetwas wie ein Star während ihm noch vor ein paar Jahren mniemand seine Sachen abnehmen wollte."

"Es war kein Selbstmord!" erklärte Gores sachlich.

"Aber... Sie haben mir doch den Abschiedsbrief gezeigt!"

"Richtig. Und das Merkwürdige ist, daß er auch von Ihrem Bruder geschrieben wurde!"

"Na, also!"

"Aber ebenso fest steht auch, daß er aus mehreren Metern Entfernung erschossen wurde! An der Wunde waren keinerlei Pulverspuren. Ihr Bruder müßte schon sehr lange Arme gehabt haben, wenn wir dabei bleiben wollten, daß er sich die Waffe selbst an den Kopf gesetzt hat..."

Deming zuckte mit den Schultern.

"Das hieße...Mord! Es fällt mir schwer, das zu glauben!"

"Sagen Sie, Sie sind doch der Erbe Ihres Bruders, nicht wahr? Ich meine, als einziger Angehöriger... "

"Ja, das stimmt."

"Das bedeutet, daß Sie ein reicher Mann sein werden, Herr Deming. Die Bilder Ihres Bruders werden im Wert um ein Vielfaches steigen. Das ist meistens so, wenn ein Künstler stirbt..."

Deming nickte.

"Ja, das ist wahr! Sie sind bereits gestiegen." Er zuckte mit den Schultern. "So ist das leider: Die Künstler kommen meistens erst in den vollen Genuß ihres Ruhmes, wenn Sie bereits tot sind..."

"Thomas Deming hatte hohe Schulden, nicht wahr? Trotz der Tatsache, daß er seine Bilder in letzter Zeit einigermaßen verkaufen konnte."

"Ja, das ist leider richtig. Er konnte nicht mit Geld umgehen..."

"Aber Sie können das, ja?"

Da war ein Unterton in der Stimme des Kommissars, der Deming nicht gefiel.

"Wie war übrigens Ihr Verhältnis zu Ihrem Bruder, Herr Deming?"

"Nun, wir hatten nicht viel miteinander zu tun..."

"Sie und Ihr Bruder sind eineiige Zwillinge, nicht war?"

"Ja, das ist richtig."

"Das heißt, Sie beide gleichen sich, gewissermaßen wie ein Ei dem anderen."

"Worauf wollen Sie hinaus, Kommissar?"

Gores holte zwei Papierbögen hervor.

"Sehen Sie sich dies an, Herr Deming: Das eine ist Ihre Aussage, die Sie bei uns auf dem Präsidium gemacht haben, das andere eine Kopie des Abschiedsbriefes von Thomas Deming."

Felix Deming sah auf die Papiere und zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe nicht!"

"Sehen Sie sich die Unterschrift an! Richten Sie Ihr Augenmerk auf den Nachnamen: Deming. Die Unterschriften gleichen sich ebenfalls wie ein Ei dem anderen!

Bei Zwillingen ist vieles gleich, aber ich habe noch nicht gehört, daß das auch für die Handschrift gilt."

Deming schluckte und Gores fuhr fort: "Sie sind Thomas Deming, der Künstler, nicht wahr? Sie haben Ihren Bruder umgebracht, und versucht, seine Identität anzunehmen. Auf diese Weise wollten Sie durch die Wertsteigerung Ihrer Bilder ein Vermögen machen..."

Gauner-Duo in der Falle

Alfred Bekker


"Hör zu", sagte Brady. "So eine Safekombination herauszubekommen ist doch wirklich ein Kinderspiel." Sie saßen zusammen an der Hotelbar und genau in diesem Moment zog Gina die Augenbrauen zusammen. Dann nippte sie an ihrem Drink und meinte kühl: "Soll ich dir was sagen?

Ich glaube, du bist ein Angeber, Brady!" Brady musterte sie mit seinen ruhigen braunen Augen. Über seinen Mund huschte ein nachsichtiges Lächeln. "Scheint so, als würdest du noch ein paar Tricks von mir lernen können!" meinte er dann. "Ich bin dafür, die Finger von der Sache zu lassen, Brady!" - "Gina!" - "Es ist mein Ernst", sagte sie.

Ich habe kein gutes Gefühl dabei..."

Brady beugte sich etwas vor und sprach mit gedämpfter Stimme. "Hast du dir die Leute angeschaut, die hier herumlaufen? Brillianten und volle Brieftaschen en gros. Wenn wir uns die einfach so durch die Lappen gehen lassen, sind wir selber Schuld!" Sie leerte ihr Glas und fragte dann mit spitzem Unterton: "Und wie soll dieses Kinderspiel aussehen?" - "Ganz einfach. Du weißt, was ein Diktiergerät ist!"

"Sicher." - "Die besseren haben Sprechsteuerung, daß heißt sie schal-ten sich bei einem bestimmten Geräuschpegel automatisch ein. Man de-poniert so ein Ding einfach im Hotelsafe und wenn der dann das nächste Mal geöffnet wird, zeichnet das Diktiergerät die Kombination so-zusagen auf. Man muß hinterher nur jeweils nachzählen, wie oft es knackt." Er lächelte über das ganze, breite Gesicht. "Wir brauchen nicht einmal Werkzeug für diesen Coup!" Sie seufzte. "Also meinetwegen", gab sie nach. "Aber dann ist erst einmal Schluß! Wir haben in letzter Zeit zu viele Dinger gedreht! Ich wollte nachher noch zum Friseur fahren. Da kann ich gleich bei einem Fachgeschäft vorbeige-hen und ein Diktiergerät besorgen." In Bradys Augen blitzte es jetzt. "Das habe ich bereits!" erklärte er. "Gib mir deine Handtasche. Dort werden wir es hineinlegen und dann zur Aufbewahrung geben!"

*

Am übernächsten Tag machte der Portier ein ziemlich hilfloses Gesicht, als er den aufgebrachten Hotelgästen zu beichten hatte, daß in der Nacht der Safe ausgeräumt worden war. "Wie ist denn so etwas möglich!" ereiferte sich ein dicklicher Herr und lief dabei puterrot an. "Ich habe Ihnen meine Wertsachen doch gegeben, damit sie bei Ihnen sicherer sind, als auf den Zimmern!" - "Es tut mir unendlich leid", stotterte der Portier und deutete dann auf den Mann neben sich. "Dies ist Inspektor Kelly vom Raubdezernat! Er wird alles wei-tere erläutern!" - "Wir sollten sehen, daß wir uns davonmachen!" murmelte indessen Gina an Brady gewandt. Die beiden hatten die Szenerie beobachtet und sich etwas genähert. Brady schüttelte den Kopf. "Wenn wir früher abreisen, machen wir uns nur verdächtig!" gab er zu be-denken. "Nein, wir können ganz ruhig bleiben, Gina!" Sie zuckte die Achseln. "Ich hoffe, daß du recht behältst!" Der Inspektor richtete noch ein paar beruhigende Worte an die Hotelgäste, aber natürlich konnte er damit deren Ärger nicht im mindesten besänftigen. Während des Nachmittags waren zwei uniformierte Beamte damit beschäftigt, die Personalien der Gäste aufzunehmen. Außerdem wurde eine Liste der gestohlenen Gegenstände angefertigt, was ziemlich viel Zeit in An-spruch nahm. Brady und Gina waren erst am frühen Abend an der Reihe.

Der Beamte gab Gina die Handtasche und sagte: "Sagen Sie uns, ob etwas fehlt." Gina warf einen kurzen Blick hinein und sagte dann: "Nur das Bargeld. Aber das ist schlimm genug!" Gina versuchte ein betrof-fenes Gesicht zu machen. "Du warst schon eine bessere Schauspiele-rin" tadelte Brady sie später. Am nächsten Tag begann der Inspektor die Gäste einzeln zu vernehmen. "Die Polizei wird unweigerlich früher oder später auf uns stoßen", meinte Gina düster. "Wenn sie genauer nachbohren und feststellen, daß wir mit falschen Papieren reisen..." - "Wir können nichts tun", sagte Brady. "Am besten wir ver-halten uns still und unauffällig!" - "Ich habe gleich gesagt: Lassen wir die Finger davon!" ereiferte sich Gina. "Wir hätten uns vorher überlegen sollen, wie wir da herauskommen." Brady wurde jetzt ärger-lich. Aber er kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern, denn einer der Pagen lief direkt auf Gina zu. "Ich suche Sie schon überall!" sagte er. "Sie möchten bitte in das Vernehmungszimmer von Inspektor Kelly kommen!" - "Jetzt wird es ernst", murmelte Gina. Die Befragung bei Inspektor Kelly ging auf Herz und Nieren und Gina war richtig erleichtert, als es vorbei war. "Ich glaube, er hat uns in Verdacht!" sagte sie hinterher zu Brady. Doch der tat das nur mit einer lässigen Handbewegung ab. "Warum immer alles so schwarz sehen?" meinte er.

"Es wird alles glatt über die Bühne gehen. Glaub mir!" Gina war da weniger optimistisch."Und wenn nicht?"fragte sie zweifelnd. "Abwarten!" empfahl Brady. "Ein Kinderspiel, so wie du versprochen hast, war die Sache jedenfalls nicht!" Sie seufzte. "Wir sollten verschwinden. Wenn die unsere Fotos in der Verbrecherkartei finden, sind wir dran, Brady!" Brady nickte leicht. "Na, gut. Morgen früh fahren wir." - "Am liebsten wäre mir noch heute nacht!" rief Gina.

"Damit es wie eine Flucht aussieht?" Brady schüttelte energisch den Kopf. "Nein, kommt nicht in Frage!" bestimmte er.

Als sie am nächsten Morgen die Hotelrechnung bezahlten, war ein Portier an der Rezeption, den sie bisher noch nicht kennengelernt hatten. "Die Polizei wird hoffentlich nichts dagegen haben, wenn wir fahren", sagte Brady. "Nein, bestimmt nicht", erwiderte der Portier.

"Wo ist denn Ihr Kollege? Ich glaube er heißt Norman. Wir würden uns nämlich gerne von ihm verabschieden." Der Portier beugte sich vor uns murmelte dann gedämpftem Tonfall: "Ich soll eigentlich nicht darüber sprechen, um den Verdächtigen nicht zu warnen,aber der Raub wurde inzwischen aufgeklärt." - "Was Sie nicht sagen", murmelte Brady.

Gina wurde schon unruhig, während der Portier fortfuhr. "Ich habe gehört, wie der Inspektor mit einem seiner Leute sprach", berichtete er. "Ich weiß nicht, wie er es herausgekriegt hat, aber heute morgen in aller Frühe hat er meinen Kollege Norman verhaftet!" - "Nein!" machte Brady erstaunt. "Und der zweite Mann in diesem Gauner-Duo ist momentan auf einem Stadtbummel. Aber sobald er zurückkommt, ist er geliefert. Zwei Beamte warten auf ihn. Es ist übrigens der Herr von Nr.23..." Wenig später saßen Gina und Brady im Taxi und fuhren in Richtung Flughafen. "Ich bin froh, daß wir das hinter uns haben", sagte Brady erleichtert. Sie waren mit einem blauen Auge davongekommen. "Es war wirklich eine gute Idee, dem Inspektor das Band von unserem Diktiergerät zukommen zu lassen", meinte Gina und lächelte.

Auf dem Band war nämlich neben einer Reihe von Knackgeräuschen auch noch ein kurzes Gespräch zwischen den beiden Männern zu hören, die Gina und Brady mit ihrem Coup zuvorgekommen waren.

Nur fürs Protokoll

Alfred Bekker

"Der wegen Raubmordes verurteilte John Craig, der vor drei Tagen aus dem Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses ausgebrochen ist, befindet sich noch immer auf freiem Fuß. Craig gilt als sehr gefährlich. Bei seiner Flucht, brachte er eine Schußwaffe an sich und verletzte einen Vollzugsbeamten schwer..." Craig schaltete das Autorradio aus. Er hatte keine Lust, zum fünften Mal seine Personenbeschreibung zu hören. Außerdem stimmte diese Beschreibung auch nicht mehr... Dafür hatte Craig nämlich gesorgt. Er war in ein Geschäft für Scherzartikel gegangen und hatte sich dort einige Utensilien besorgt, die aus einem Mann von Mitte dreißig einen Sechzigjährigen machten. Das Haar hatte er sich grau gefärbt und sich dazu einen passenden Bart angeklebt.

Entsprechende Runzeln und Falten waren ebenfalls kein sonderlich großes kosmetisches Problem gewesen. Nein, mit seinem Äußeren war John Craig recht zufrieden. Er hatte optisch kaum noch etwas mit dem Mann gemein, dessen Bild in den letzten Tagen die Zeitungen auf der ersten Seite geziert hatte. Sein Problem war, daß er keine Papiere besaß. Die erste Polizeikontrolle konnte für ihn schon Endstation sein, denn er hatte nichts vorzuweisen. Keinen Ausweis, keinen Führerschein und für den gestohlenen Wagen, den er fuhr natürlich auch keine Wagenpapiere. Aber auch das hatte Craig schon in die Wege geleitet...

Morgen! dachte Craig. Morgen geht meine Maschine nach Rio! Und dann können sie nach mir suchen, bis sie schwarz werden!

*

Craig parkte den Wagen in der Nähe eines etwas heruntergekommenen Second Hand-Ladens in der 42. Straße. Der Laden gehörte Tony Logan, einem alten bekannten von Craig. Als Craig den Laden betrat, blickte Logan auf. Er stand hinter dem Tresen, runzelte die Stirn und lächelte dünn. Es war kein Kunde im Laden, deshalb konnten sie offen sprechen. "Deine Maske ist wirklich nicht schlecht!" meinte Logan. "Hättest du mir nicht die entsprechenden Fotos für deine Papiere gegeben, ich hätte dich wohl kam erkannt!" Craig lächelte. "Dann wird es auch sonst niemand", war er überzeugt. "Nur mit deinem Gang mußt du noch etwas ma-chen!" meinte Logan. "Wenn du als Großvater durchgehen willst, kannst du nicht so durch die Gegend hüpfen!" Craig zuckte die Achseln. "Ich versuche immer dran zu denken!" Dann beugte er sich etwas vor. Sein Tonfall wurde ernster.

"Sind die Papierefertig?" Logan nickte. "Ja." Er seufzte, griff in eine Schublade hinter dem Tresen und legte alles auf den Tisch. "Fast hätte ich es schon bereut", meinte er."Du weißt, daß ich eigentlich schon lange aus dem Fälscher-Geschäft heraus bin..."-"Sicher", murmelte Craig, der die Papiere kurz begutachtete und sie dann einsteckte. Richard Evans, so lautete jetzt sein Name. "Ich tue es nur für dich, John! Weil du mir früher auch mal aus der Patsche geholfen hast!" Craig nickte. "Ich weiß das zu schätzen", sagte er.

Dann reichte er Logan die Hand. "Ich glaube nicht, daß wir uns noch mal wiedersehen, Tony!"

Die Nacht verbrachte Craig in einer billigen Absteige, in der niemand die Gäste besonders genau ansah. Telefonisch bestellte er sich ein Flugticket nach Rio. Aber er hatte Pech. Erst in zwei Tagen war ein Platz frei. Naja, dachte Craig. Diese Zeit werde ich auch noch herumbringen! In dem Wagen, den er gestohlen hatte, war eine Handtasche gewesen. Sie hatte in im Handschuhfach ge-legen. Das Portemonaie war gut gefüllt gewesen. Wenn er den Wagen jetzt noch-verkaufte, reichte es für den Flug nach Rio... Craig machte sich auf den Weg, um die Gebrauchtwagenhändler der Stadt abzuklappern. Irgendeiner würde ihm die Karre schon abnehmen. Schließlich waren die Papiere ja in Ordnung. Da-für hatte schließlich Tony Logan gesorgt. Craig war guter Laune. Aber das än-derte sich jäh, als er an einer Abzweigung plötzlich den Wagen vor sich sah.

Er stieg ins Bremspedal, aber es war zu spät.

*

"Sie geben also zu, daß Sie an dem Unfall Schuld sind, Mister..." - "Evans. Richard Evans", sagte Craig. "Ja, ich gebe es zu. Ich habe die Vorfahrt nicht beachtet. Es war mein Fehler." Der Polizist, der Craig gegebübersaß nickte und hackte mühsam auf seiner Schreibmaschine herum. "Sie haben getrunken, nicht wahr?" - "Ein paar Gläschen..." - "Der Alkohol-Test hat ergeben, daß es etwas mehr gewesen sein muß!" Craig zuckte die Achseln. "Ich bin einiges gewöhnt", meinte er. "Sie haben fahrlässig Ihre Umgebung gefährdet!" tadelte der Beamte. "Aber wenigstens scheinen Sie einsichtig zu sein." Craig machte ein möglichst reumütig wirkendes Gesicht. Dann fragte er: "Sie werden mich doch sicher nicht in Ihre Zelle stecken, oder?"

"Nein. Nur Ihren Führerschein werden wir einstweilen hierbehalten. Wann Sie ihn wiederbekommen, wird der Richter entscheiden. Hatten Sie schon mal ein Verfahren wegen Alkohol am Steuer?" - "Nein." Craig schüttelte den Kopf. Es war eine dumme Geschichte. Andererseits: Seine Maske schien perfekt. Der Beamte hatte nicht den geringsten Verdacht geschöpft - und bei ihm konnte man davon ausgehen, daß er sich Fahndungsfotos sehr genau ansah. "Hier. Eine Unterschrift fürs Protokoll. Dann sind Sie für heute fertig!"

Craig nickte, nahm das Papier, las sich es nichteinmal durch und machte seine krakeligen, flüchtigen Buchstaben. Dann reichte er es zurück. Doch als Craig sich dann erheben wollte, sah er plötzlich einen Polizeirevolver auf sich gerichtet. "Was soll das?" rief er. Der Beamte legte das Protokoll vor Craig auf den Tisch. Dieser blickte stirnrunzelnd auf das Papier, und dann sah es: Er hatte in der Eile mit John Craig unterschrieben.