Prof. Dr. Christiana Nicolai ist Professorin für Personalmanagement und Organisation an der Frankfurt University of Applied Sciences.

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ISBN 978-3-86764-870-7 (Print)

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Vorwort

Personalentwicklung wird als wichtiger Faktor für die Sicherung der Unternehmensexistenz gesehen.

Es handelt sich um ein systematisches, zukunftsorientiertes Konzept zur Qualifikation von Mitarbeitern insbesondere in Schlüsselpositionen, um gegenwärtige und künftige Anforderungen zu bewältigen. Ungeplante und zufällige Lernvorgänge gehören nicht dazu.

Gleichzeitig stellt die Personalentwicklung auch einen immateriellen Anreiz für viele Mitarbeiter dar, denn die einmal erworbene Qualifikation reicht nicht mehr für das ganze Berufsleben aus.

Im Folgenden wird zunächst das Konzept einer systematischen Personalentwicklung vorgestellt; anschließend werden ausgewählte Instrumente der Personalförderung wie Karriere- und Nachfolgeplanung und Coaching behandelt.

Es folgt ein Überblick über Maßnahmen der Qualifikationsermittlung. Hier gewinnt das Training-on-the-job gegenüber den Maßnahmen außerhalb des Arbeitsplatzes an Popularität, da es praxisnäher ist und geringere Kosten verursacht. Gleichzeitig wird aber auch Training-off-the-job wichtiger, da das benötigte Know-how oft nicht im Unternehmen vorhanden ist. Daneben steht Eigeninitiative beim Lernen, verbunden mit der Nutzung von Computern und Internet, insbesondere bei jungen Mitarbeitern hoch im Kurs.

Auch die Kontrolle der Personalentwicklung aus ökonomischer und pädagogischer Sicht ist ein Thema.

Da die Auslandsentsendung zunehmend an Bedeutung gewinnt, wird ihr ein eigenes Kapitel gewidmet.

Christiana Nicolai

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkung
  2. Grundlagen
  3. Konzept der Personalentwicklung
  4. Auslandsentsendung und Personalentwicklung
  5. Kritische Würdigung und Ausblick
  6. Wiederholungsfragen

1 Vorbemerkung

Die Personalentwicklung ist ein wesentlicher Aspekt der Zukunftssicherung jedes Unternehmens. Gleichzeitig stellt sie auch einen bedeutenden immateriellen Anreiz für viele Mitarbeiter dar.

Die einmal erworbene Qualifikation reicht heutzutage nicht mehr für das ganze Berufsleben aus. Die Halbwertzeit des Wissens verkürzt sich stetig und macht lebenslanges Lernen unverzichtbar.

Wie Abb. 1 zeigt, veralten berufliches Fachwissen, technologisches und IT-Fachwissen besonders schnell. Um den Anforderungen der jeweiligen Aufgabenstellungen und damit einer Stelle gerecht zu werden, muss die Qualifikation kontinuierlich angepasst werden.

Abb. 1: Halbwertzeit des Wissens1

Unternehmen können sich heutzutage nicht mehr darauf verlassen, dass sie ihren künftigen qualitativen Personalbedarf auf dem externen Arbeitsmarkt decken können. Deshalb müssen sie das Potenzial ihrer Mitarbeiter – entsprechend der derzeitigen und künftigen Anforderungen – bestmöglich ausschöpfen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies ist die wesentliche Aufgabe der Personalentwicklung.


1 Vgl. Hungenberg/Wulf (2006), S. 301.

2 Grundlagen

2.1 Begriffliche Abgrenzungen und Bereiche der Personalentwicklung

2.1.1 Begriffsbestimmung

Unter Personalentwicklung (PE) versteht man ein systematisches, zukunftsorientiertes Konzept zur Qualifikation von Mitarbeitern aller Hierarchieebenen, um gegenwärtige und künftige Anforderungen zu bewältigen. Ungeplante und zufällige Lernvorgänge gehören nicht dazu.

Die Personalentwicklung ist eine immaterielle Investition in Humankapital. Aufwendungen für die Personalentwicklung dienen der Erzielung künftiger Erträge und/oder der Vermeidung künftiger Aufwendungen. Der Schwerpunkt für die Unternehmen liegt dabei auf der Sicherung der Qualifikationen für die Schlüsselpositionen.

Die Personalentwicklung verbessert das Leistungspotenzial der Mitarbeiter im Hinblick auf die derzeitige und künftige Zielerreichung2 und berücksichtigt auch persönliche Interessen und Bedürfnisse. Dabei greift sie auf Informationen aus anderen personalwirtschaftlichen Funktionsbereichen zurück.

Personalentwicklung

2.1.2 Bereiche der Personalentwicklung

Es werden drei Bereiche unterschieden:3

2.1.2.1 Berufsvorbereitende Personalentwicklung

Die berufsvorbereitende Personalentwicklung umfasst zunächst die Berufsausbildung mit der Grund- und der Fachausbildung. Sie unterliegt den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes (BBiG).

In Deutschland erfolgt die Berufsausbildung normalerweise im dualen System, das eine Teilung zwischen staatlicher und unternehmensinterner Berufsqualifizierung vorsieht. Die staatliche Ausbildungsinstitution Berufsschule vermittelt grundlegende theoretische Inhalte. Der praktische Teil der Ausbildung erfolgt im Unternehmen. Er wird oft durch theoretische, betriebsinterne Schulungen unterstützt und ergänzt.

Art, Umfang, Dauer und Mindestanforderungen der theoretischen und praktischen Berufsausbildung sind ebenso gesetzlich geregelt wie die Durchführung der Abschlussprüfung. Sie muss vor einem Prüfungsausschuss der zuständigen Kammer erfolgen. Die bekanntesten sind die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerks- bzw. die Landwirtschaftskammern. Daneben gibt es für freie Berufe weitere Kammern, wie z.B. die Apotheker-, Anwalts-, Steuerberater- und Ärztekammern. Für die Abschlussprüfungen bei Ausbildungsberufen in der Seeschifffahrt, der Hauswirtschaft und im öffentlichen Dienst sind ebenfalls eigene Ausschüsse zuständig.

Der starke Bedarf an akademisch ausgebildeten Mitarbeitern nicht nur im Führungskräftebereich – verbunden mit der gleichzeitigen Forderung nach einer praxisorientierten Qualifikation – führte zur Konzeption dualer Studiengänge. Dabei wird die Idee der dualen Ausbildung auf das Studium übertragen, indem man den Erwerb von theoretischen Kenntnissen an der Hochschule mit Ausbildungsphasen im Betrieb verknüpft. Hochschule und beteiligte Unternehmen stimmen gemeinsam Inhalte, Abläufe und Betreuung der Studierenden ab und entwickeln speziell auf die Bedürfnisse der Branche oder sogar eines Unternehmens zugeschnittene Studiengänge.

Beispiele sind die Bachelor-Studiengänge Luftverkehrsmanagement und Public Administration an der Frankfurt University of Applied Sciences. Ersterer wird in Zusammenarbeit zwischen dem Fachbereich Wirtschaft und Recht und kooperierenden Unternehmen der Luftverkehrswirtschaft durchgeführt. Er umfasst eine an den Bedürfnissen von Flughäfen, Fluglinien und der Deutschen Flugsicherung (DFS) orientierte Qualifikation. Theoriephasen an der Hochschule wechseln sich mit betriebspraktischen Studienabschnitten ab. Beim Studiengang Public Administration handelt es sich um ein Projekt, das der Fachbereich zusammen mit mehreren hessischen Städten, insbesondere Frankfurt a.M., Hanau und Wetzlar, durchführt. Es enthält in jedem Semester theoretische Abschnitte an der Hochschule und praktische Studienabschnitte, die in den Ämtern und Betrieben der Städte durchgeführt werden. Die Studierenden werden auf berufliche Tätigkeiten in den Behörden und Eigenbetrieben der kooperierenden Kommunen vorbereitet. Sie erwerben neben den allgemeinen ökonomischen, rechtlichen und sozialpolitischen Kenntnissen gezielt zusätzliches in der Verwaltung benötigtes institutionelles und rechtswissenschaftliches Wissen.

Neben Berufsausbildung und dualem Studium zählt die Einarbeitung von Anzulernenden zur berufsvorbereitenden Personalentwicklung. Zu ihr gehören alle Maßnahmen, die dazu führen, dass ein Mitarbeiter innerhalb kurzer Zeit die für seine Stelle notwendige Qualifikation erhält. Dabei handelt es sich meist um eher anspruchslose Aufgaben.

Auch die Einführung von Praktikanten und Volontären ist Teil der berufsvorbereitenden Personalentwicklung. Sie dient der Vermittlung erster Praxiskenntnisse und der Vorbereitung auf einen späteren beruflichen Einstieg.

Eine weitere Form der berufsvorbereitenden Personalentwicklung ist die Einführung von Hochschulabsolventen. Ihr wird in vielen Unternehmen große Bedeutung beigemessen. Spezielle Programme wie Job Rotation oder Trainee-Programme erstrecken sich zum Teil über mehrere Jahre. Sie werden sorgfältig geplant und intensiv begleitet, da die Teilnehmer später häufig Führungsaufgaben übernehmen. Trainee-Programme sollen den Studienabsolventen den Übergang ins Berufsleben erleichtern, indem sie die Struktur und Kultur des Unternehmens ausführlich kennenlernen und zudem ihre theoretischen Kenntnisse aus dem Studium um unternehmensspezifisches Wissen erweitern. Die Dauer liegt meist zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.

Je nach inhaltlicher Breite und dem Grad der Standardisierung der Maßnahmen unterscheidet man diese Arten von Trainee-Programmen:4

2.1.2.2 Berufsbegleitende Personalentwicklung

Die berufsbegleitende Personalentwicklung wird in die Bereiche Anpassungs- und Aufstiegsqualifizierung unterteilt. Die Begriffe Anpassungs- und Aufstiegsfortbildung oder -weiterbildung sind ebenfalls gebräuchlich.

Statt Fortbildung verwendet man zunehmend Weiterbildung als umfassenderen Begriff. Sie beinhaltet neben den unternehmensinternen und -externen Fortbildungsmaßnahmen auch die Qualifizierungsangebote der Träger der Erwachsenenbildung. Dazu gehören z.B. Veranstaltungen der IHK, der Handwerkskammern, der Bildungsträger der Wirtschaft und der Gewerkschaften sowie von Akademien, Schulen und Hochschulen. Eine scharfe Trennung ist nicht möglich, weshalb die beiden Begriffe i.d.R. synonym verwendet werden.

Eine Anpassungsqualifizierung liegt vor, wenn die Bildungsmaßnahmen auf das derzeitige Berufs- bzw. Aufgabenfeld des Mitarbeiters ausgerichtet sind. Dazu zählen auch die Einführung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter und die Reaktivierung von Mitarbeitern, die zeitweise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden waren und nun wieder zurückkehren. Im Mittelpunkt steht jeweils die Aktualisierung, Angleichung und Erweiterung bereits früher erworbener Qualifikationen für derzeitige und/oder zukünftige Aufgaben.

Bei der Aufstiegsqualifizierung geht es um die Befähigung zur Übernahme anspruchsvollerer Aufgaben. Sie muss nicht zwangsläufig mit einer hierarchisch höheren Stellung verbunden sein, sondern kann z.B. mit einem Wechsel zwischen Fach- und Führungslaufbahn kombiniert werden. Das Potenzial der Mitarbeiter soll entsprechend entwickelt werden. Zu diesem Bereich gehören die Maßnahmen der Nachwuchsförderung und Führungskräfteentwicklung sowie die entsprechende Arbeitsstrukturierung.

2.1.2.3 Berufsverändernde Personalentwicklung

Die berufsverändernde Personalentwicklung (Umschulung) soll Mitarbeiter befähigen, Aufgaben in einem neuen Beruf zu übernehmen bzw. eine anders qualifizierte Tätigkeit auszuüben.

Der Mitarbeiter erwirbt eine berufliche Qualifikation, die sich im Gegensatz zur berufsbegleitenden Personalentwicklung auf ein neues Tätigkeitsfeld bezieht und allenfalls am Rande mit seiner jetzigen bzw. früheren Aufgabenstellung zu tun hat.

Solche Umschulungen können aus persönlichen oder technischwirtschaftlichen Gründen notwendig werden. Berufsstrukturelle Änderungen, altersbedingte Umorientierungen, krankheits- oder unfallbedingte Veränderungen oder fehlender Bedarf im bisher ausgeübten Beruf sind häufige Ursachen. Oft wechseln diese Mitarbeiter in verwandte Berufe, womit einige Kenntnisse und Fertigkeiten übernommen werden können.

2.2 Inhaltliche Komponenten

Generell geht es bei der Personalentwicklung um die Vermittlung und den Erwerb von Qualifikation. Dieser Begriff ist nicht einheitlich definiert. Er wird hier sehr weit gefasst und enthält alle Komponenten, die einen Mitarbeiter befähigen, bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehören Wissen, Können und Verhalten. In der betrieblichen Praxis wird in der Regel nicht zwischen Kompetenz und Qualifikation differenziert. Das gilt auch für Eignung und Fähigkeit. In der personalwirtschaftlichen Literatur werden die Begriffe meist ebenfalls synonym verwendet. So wird auch im Folgenden verfahren.

Einen Überblick gibt Abb. 2.

Abb. 2: Ansatzpunkte für Personalentwicklung

Unter Wissen versteht man alle theoretischen und praktischen Kenntnisse, die notwendig sind, um eine derzeitige oder künftige Tätigkeit ausüben zu können.5 Es umfasst tätigkeitsspezifisches und tätigkeitsungebundenes Wissen. Ersteres befähigt den Mitarbeiter, die spezifischen Anforderungen seiner Stelle zu meistern, so muss etwa ein Controller mit dem Begriff ROI (Return on Investment) vertraut sein. Es wird durch das tätigkeitsungebundene Wissen ergänzt, das zusätzlich zur Aufgabenerfüllung benötigt wird. Beim Controller sind das z.B. Grundkenntnisse der doppelten Buchführung. Auch Kenntnisse zum Unternehmen, seinem Aufbau und seinem Umfeld gehören dazu, z.B. die Einordnung der eigenen Abteilung in die hierarchischen Strukturen, Sicherheitsvorschriften und Kenntnisse über Großkunden.

Zur erfolgreichen Aufgabenerfüllung reicht Wissen allein nicht aus. Es muss zu anwendbarem Können weiterentwickelt werden. Unter Können versteht man die Fähigkeit, das erworbene Wissen in die Praxis umzusetzen und anzuwenden. Es entsteht durch Übung und Erfahrung. Manuelles Können bedeutet, mit allen notwendigen technischen Hilfsmitteln sachgerecht umgehen zu können. Geistiges Können heißt, dass der Mitarbeiter sein Wissen bei geistigen Tätigkeiten sinnvoll einzusetzen weiß.

Das Verhalten eines Mitarbeiters gegenüber Personen und Sachen wird durch seine Motive und die Umweltsituation geprägt. Personalentwicklung kann Fehlverhalten ausgleichen bzw. verhindern sowie korrekte Verhaltensweisen vermitteln. Neben dem Arbeitsverhalten ist das Verhalten gegenüber Personen, das Sozialverhalten, von großer Bedeutung. Dieses gliedert sich in das allgemeine Sozialverhalten und das Führungsverhalten, also das Verhalten gegenüber unterstellten Mitarbeitern. Personalentwicklungsmaßnahmen können z.B. die Kooperationsbereitschaft, das Verantwortungsbewusstsein, die Informationsbereitschaft und zeitgemäße Führungsstile fördern. In diesem Zusammenhang gewinnen interkulturelle Verhaltensaspekte zunehmend an Bedeutung. Eine Veränderung des Arbeitsverhaltens könnte z.B. auf die schonendere Behandlung der technischen Hilfsmittel, die Steigerung der Innovationsbereitschaft oder die Verbesserung des Zeitmanagements abzielen.6

In der Praxis sind die Komponenten der Qualifikation eng verknüpft. Viele Personalentwicklungsmaßnahmen wirken sich gleichzeitig auf Wissen, Können und Verhalten aus. Ein Beispiel sind Maßnahmen zur Förderung der Schlüsselqualifikationen. Dabei handelt es sich um berufs-, fach- und funktionsübergreifende Qualifikationen, die langfristig gültig sind und kaum durch veränderte Arbeitsbedingungen entwertet werden.7 Angesichts des raschen technologischen und wirtschaftlichen Wandels sind sie unverzichtbar. Beispiele sind:

Vor allem der Umsetzungsfähigkeit kommt in der heutigen schnelllebigen Zeit immer größere Bedeutung zu.

Eine weitere Gliederungsmöglichkeit der Inhalte der Personalentwicklung ist die Unterscheidung in

Unter fachlicher Kompetenz