Bestenreiner, Erika Franz Ferdinand und Sophie von Hohenberg

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Neuauflage einer früheren Ausgabe

ISBN 978-3-492-99119-3

© Piper Verlag GmbH, München 2004, 2018

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Die Diplomatentochter

Kindheit und Jugend

Es war Sophie Chotek nicht an der Wiege gesungen, daß sie eines Tages einen Skandal provozieren würde, der nicht nur in der kaiserlichen Familie und in Kreisen der Hocharistokratie Entsetzen und Ablehnung auslöste, sondern auch in der Bevölkerung zu Diskussionen Anlaß gab.

Doch an diesem 1. März 1868, als Sophie als Kind des Grafen Bohuslaw Chotek von Chotkowa und Wognin und seiner Gattin Wilhelmine, einer geborenen Gräfin Kinsky, in Stuttgart geboren wurde, war man davon noch drei Jahrzehnte entfernt. Gräfin Sophie Maria Josephine Albina Chotek, wie das Neugeborene in das Taufregister eingetragen wurde, hatte bereits einen Bruder namens Wolfgang und drei Schwestern: Sidonie, Marie und Karoline. Weitere drei sollten noch folgen.

Es war damals üblich, viele Kinder zu haben. Das galt für arm und reich, nur mit dem Unterschied, daß sich die begüterten Schichten den Kindersegen leisten konnten, während die Armen tatsächlich oft nicht wußten, wie sie das Nötigste für ihren Nachwuchs herbeischaffen sollten. Aber Verhütungsmittel gab es kaum, und die Kirche tat ein übriges, um sie zu verdammen. Viele Kinder zu haben, galt als gottgefällig. Außerdem war die Kindersterblichkeit groß, sie machte auch vor Schlössern und Palästen nicht halt. Nicht wenige Kinder vollendeten kaum das erste Lebensjahr. Infektionen oder Magen- und Darmerkrankungen ließen den Tod reiche Ernte halten. Die ärztliche Kunst ließ überdies sehr häufig zu wünschen übrig, abgesehen davon, daß viele es sich gar nicht leisten konnten, einen Arzt zu Hilfe zu rufen.

Die Familien Chotek und Kinsky stammten aus Böhmen, einem Kronland der österreichischen Monarchie, die sich zum Zeitpunkt von Sophies Geburt durch den sogenannten »Ausgleich« mit Ungarn zur österreichisch-ungarischen Monarchie wandelte. Trotzdem war ihre Sprache Deutsch. Es war die Sprache des Kaiserhofs, dem man zwar nicht angehörte, sich aber als Angehörige der führenden Schicht durchaus zugehörig fühlte. Auf tschechisch verständigte man sich nur dort, wo es nötig war, also hauptsächlich mit dem Personal, das sich ja meist aus dem Umland der Besitzungen rekrutierte.

Die Choteks gehörten dem böhmischen Uradel an. Mit Otto Chotek von Chotkow und Liblin wurden sie zum ersten Mal im 14. Jahrhundert in einer Urkunde erwähnt, die Linie Chotek von Chotkowa und Wognin, der Sophie entstammte, wurde 1732 in den Grafenstand erhoben; ihre Nachkommen waren vielfach im Staatsdienst tätig und brachten es dort zu hohen Ämtern. Auch Bohuslaw Choteks Vater Karl war Gouverneur von Tirol und Vorarlberg. Er setzte sich dafür ein, daß sein zweitgeborener Sohn nach einem Praktikum an der österreichischen Gesandtschaft in Dresden in den diplomatischen Dienst eintrat. Graf Chotek besaß die Würde eines Kämmerers und war Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrates auf Lebenszeit, seine Gattin war Palastdame und Trägerin des Sternkreuzordens, der nur an Damen mit einer lupenreinen Stammtafel, mindestens sechzehn adeligen Ahnen, verliehen wurde.

Auch die Kinskys stammten aus Böhmen, waren dort seit dem 13. Jahrhundert beurkundet, sehr begütert und zählten zu den ersten Familien, die auch am Kaiserhof in Wien entsprechend angesehen waren und in dessen Diensten bedeutende Persönlichkeiten hervorbrachten. Das von Lukas von Hildebrandt erbaute Barockpalais der fürstlichen Linie gehört zu den schönsten der Wiener Innenstadt.

Graf Bohuslaw Chotek

Wie die meisten DiPlomaten hatte auch das EhePaar Chotek ein ziemlich bewegtes Leben. In den ersten zehn Jahren seiner Ehe war Bohuslaw Chotek in Stuttgart, in Berlin und London, Sankt Petersburg und Dresden tätig und war, als SoPhie geboren wurde, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister. Er hatte also schon Karriere gemacht.

Das Karussell der Tätigkeitsorte des Grafen Chotek drehte sich auch nach Sophies Geburt weiter. Drei Jahre danach, 1871, nahm er eine Stellung als Provisorischer Statthalter in Prag an, kehrte aber kurz darauf in seinen alten Bereich zurück. Im selben Jahr starb Sophies jüngere Schwester Therese.

Sein nächster Posten war Madrid, doch die Familie wurde nicht glücklich dort. Das Leben war teuer, Graf Bohuslaw bemühte sich im Wiener Außenministerium um einen anderen Tätigkeitsbereich und wechselte nach Brüssel.

Der Tausch an sich war durchaus zu begrüßen, aber Schwierigkeiten blieben dennoch nicht aus. Zunächst bereitete die Wohnungsfrage Kopfzerbrechen. Der Vorgänger Graf Bohuslaws, der nach Madrid versetzt worden war und dessen Wohnung man sonst hätte übernehmen können, hatte keine Familie gehabt. Die Choteks dagegen waren inzwischen zu acht. Da es nicht gelang, in der Eile etwas Geeignetes zu finden, waren sie gezwungen, mit einem Hotel vorlieb zu nehmen.

Noch drückender aber waren materielle Sorgen. Das Außenministerium in Wien besoldete seine Diplomaten nicht gerade üppig. Da es sich um ein gemeinsames Ministerium der beiden Reichshälften handelte, mußte das Budget nicht nur vom österreichischen, sondern auch vom ungarischen Parlament bewilligt werden. Und die Abgeordneten waren angehalten zu sparen. Dreißigtausend Gulden für Gehalt samt Repräsentationszulage, für das Gros der Bevölkerung eine enorme Summe, reichten aber nicht aus, um die persönlichen und vor allem die hohen Repräsentationskosten zu decken, die der Beruf von

Graf Chotek forderte. Er repräsentierte in Brüssel schließlich nicht nur die österreichisch-ungarische Monarchie, sondern auch das Kaiserhaus. Empfänge und Diners für viele Gäste waren zu veranstalten, aber auch zu besuchen, was einen beträchtlichen Aufwand an Kleidung, vor allem für die Damen des Hauses, erforderte. Denn auch die Töchter wuchsen heran. Für ihre Zukunft war es wichtig, daß sie gesellschaftlichen Schliff bekamen und sich nebenbei vielleicht die Anbahnung einer guten Partie ergab. Die Abendroben, von denen Damen jener Gesellschaftsschicht für jede Saison einige brauchten, hatten natürlich aus edelstem Material zu bestehen und mußten in einem erstklassigen Salon nach Maß angefertigt werden. Das war teuer. Im Außenministerium fand man es dagegen selbstverständlich, daß der Diplomat als Diener des Staates eben zusah, wie er mit seinen Einkünften zurecht kam oder aber, daß er es als eine Ehre ansehen würde, dem Staat gefällig zu sein. Das hieß, notfalls in die eigene Tasche zu greifen. Viele entsprachen auch dieser Vorstellung und fanden sich klaglos damit ab. Das fiel den meisten gar nicht schwer. Sie entstammten reichen Familien, waren Herren über große Güter, die entsprechende Gewinne abwarfen, so daß diese Ausgaben für sie keine große Belastung bedeuteten. Aber es gab auch andere, die ihre Substanzen so sehr aufzehrten, daß sie bei ihrer Pensionierung letztlich am Ende ihrer Mittel waren.

Zu denen, die sich mit den Ausgaben schwer taten, die ihre Stellung mit sich brachte, zählte Graf Chotek. Er hatte sechs Kinder zu erhalten, für ihre standesgemäße Erziehung und Bildung zu sorgen und besaß nur das kleine Gut Ciwitz in Böhmen, dessen Verwaltung sogar zusätzliche Kosten verursachte.

Im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien befindet sich ein Schreiben, das Graf Chotek an seine vorgesetzte Dienststelle richtete. Darin bat er, ihm jene Kosten zu ersetzen, die ihm »anläßlich des Gesandtenwechsels entstanden sind und noch entstehen werden«[3]. Ob der Bitte stattgegeben wurde, ist nicht bekannt.

Ansonsten erfüllte Chotek seinen Beruf mit großer Hingabe. Zu tun gab es genug. Zwar stellte die Firma Remington seit 1873 Schreibmaschinen serienmäßig her, aber es dauerte lange, bis sie sich bei den Behörden durchsetzten. Das galt besonders für Wien. Kaiser Franz Joseph mochte keine Schreibmaschinen. Und da er sehr viele Berichte persönlich las, mußten sie schon aus diesem Grund handschriftlich erfolgen. Der Gesandte hatte also den Bericht jeweils aufzusetzen, die Angestellten schrieben ihn dann in sorgfältiger Schönschrift ab. Eine Menge von Repräsentionspflichten füllte viele Abende aus, wobei die charmante Gräfin Wilhelmine ihrem Gatten eine große Hilfe war. Bald waren die Choteks in Brüssel allgemein beliebt. Die Gräfin erfreute sich sogar der Freundschaft von Königin Marie Henriette, einer österreichischen Erzherzogin.

Die kleine Sophie blieb von den Sorgen ihrer Eltern unbehelligt und führte im Kreise ihrer Geschwister das behütete Leben eines Kindes aus gutsituierter Familie. Wenn die Mutter ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachging, kümmerten sich Kindermädchen und Erzieherinnen um sie, später sorgten Hauslehrer für die nötige Schulbildung, auf die großen Wert gelegt wurde. Kinder aus jenen Kreisen besuchten damals keine öffentlichen Schulen.

Eine heikle Mission für Graf Chotek

Im Laufe des Jahres 1879 kam eine ehrenvolle, aber sehr delikate Mission auf Graf Chotek zu. Er wurde vom Kaiser beauftragt, am belgischen Königshof zu erkunden, wie das Königspaar den Plan einer ehelichen Verbindung von Kronprinz Rudolf mit der belgischen Prinzessin Stephanie aufnehmen würde.

Katholische Prinzessinnen, besonders solche aus regierenden Häusern, waren rar in Europa, die Auswahl also nicht besonders groß. Der Kronprinz hatte sich schon ein wenig umgesehen, aber an keiner der jungen Damen Gefallen gefunden. Mathilde von Sachsen war ihm zu dick, die spanischen Infantinnen zu häßlich. Also entschied man sich für das Haus Sachsen-Coburg in Belgien, obwohl weder Kaiser Franz Joseph noch Kaiserin Elisabeth König Leopold II. besonders schätzten. Nur zu gut war noch in Erinnerung, mit welcher Tragödie die Heirat von Erzherzog Ferdinand Max, eines jüngeren Bruders des Kaisers, dem späteren Kaiser von Mexiko, mit Leopolds Schwester Prinzessin Charlotte geendet hatte. Die Schuld daran gab man in Wien nicht zuletzt der ehrgeizigen Charlotte, die unbedingt Kaiserin von Mexiko hatte werden wollen und auch später ihren Gatten dazu bewog, trotz aller Schwierigkeiten dort auszuharren.

Stephanie war zur Zeit, als Graf Chotek damit betraut wurde, eine Ehe mit ihr anzubahnen, erst 16 Jahre alt, ein noch reichlich unentwickeltes Mädchen; aber es war durchaus Brauch, eine Prinzessin so früh zu verheiraten. Um so mehr Zeit blieb ihr, möglichst viele Kinder zu bekommen. Kaiserin Elisabeth war noch nicht einmal so alt gewesen, als Kaiser Franz Joseph um ihre Hand angehalten hatte.

Graf Chotek suchte also um Audienz bei König Leopold und seiner Gattin an. Er wußte, daß er es so einrichten mußte, daß Rudolf, wenn er an der Prinzessin keinen Gefallen fand, sich zurückziehen konnte, ohne politische Schwierigkeiten hervorzurufen. Über seinen Besuch am belgischen Königshof erstattete er dem Kaiser in Wien am 19. Februar 1880 in einem geheimen Schreiben Bericht.

Es handle sich um eine »bedingungsweise Brautschau«. Rudolf solle also anläßlich eines Besuches in Brüssel die Prinzessin gewissermaßen begutachten. Da aber auch König Leopold auf seine Tochter keinen »affirmativen Zwang« ausüben wolle, stünde einer Abreise des Kronprinzen »im Falle einer negativen Appreciation« nichts im Wege.

»Seine Majestät der König«, fuhr Graf Chotek fort, »schien über meine Mitteilung ganz entzückt und bat mich in gehobenster Stimmung, vor allem Eurer Majestät seinen tiefergebenen Dank auszusprechen, … daß Allerhöchstdieselben den Blick auf seine Tochter zu werfen und dieser Verbindung, wenn sie Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen zusagen würde, die eventuelle Zustimmung allergnädigst zu gewähren geruht haben. Ihre Majestät die Königin schien tief ergriffen, gerührt und hocherfreut.« Nun mußte der Gesandte aber einen heiklen Punkt berühren. »Was hingegen den Zeitpunkt der Vermählung betrifft, da gab mir Ihre Majestät die Königin zu verstehen, daß die Prinzessin noch kaum aufgehört habe, ein Kind zu sein, und daß die physische heiratsfähige Entwicklung … kaum begonnen, geschweige denn sich entfaltet und vollendet habe.«[4]

Diese Tatsache schien jedoch weder den Kaiser noch den Kronprinzen zu stören. Mit der Zeit würde sich dieses Problem von selbst lösen.

Am 5. März 1880 traf Kronprinz Rudolf mit dem Hofzug in Brüssel ein. Graf Chotek war ihm bis Köln entgegengereist. Anschließend berichtete er dem Kaiser: »Seine Kaiserliche Hoheit erregte, wie natürlich, ungeteilt die größte Bewunderung und Sympathie, der Empfang war tief geschmeichelt, gerührt und herzlicher als jeder andere.« Der König, meldete das Neue Wiener Tagblatt, »umarmte und küßte den Erzherzog zu wiederholtenmalen (!) in der herzlichsten Weise.«

Die Eltern ließen keinen Zweifel daran, daß sie die Heirat wünschten. Für sie war die Aussicht, daß ihre Tochter einmal Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn werden, also auf dem Thron einer der ältesten Monarchien der Welt sitzen würde, nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine Genugtuung, bestand das Königreich Belgien doch erst seit dem Jahre 1830 / 31! Stephanie hätte also nie gewagt, die Hand des österreichischen Kronprinzen auszuschlagen.

Am selben Abend noch hatte das junge Paar Gelegenheit, einander kennenzulernen. »Der Kronprinz küßte mir die Hand, sprach mich deutsch an und … sagte mir einige schmeichelhafte, aber sehr förmliche Worte, und schon nach einigen Minuten stellte er die große Frage, die über unsere Zukunft entscheiden sollte. Hierauf reichte er mir den Arm, und so näherten wir uns meinen Eltern und baten sie unsere Verlobung zu segnen. Hocherfreut küßten sie ihren zukünftigen Schwiegersohn und erlaubten uns, künftig Du zu sagen«[5], schrieb Stephanie fünfzig Jahre später in ihren Memoiren.

Graf Chotek, der seinem Kaiser genauestens und unmittelbar danach über den Ablauf der Ereignisse berichtete, stellt ihn ein wenig anders und sicher so dar, wie es sich tatsächlich abgespielt hat, denn er war natürlich immer zugegen.

Nach ihm war am 7. März Brautschau. Nach Besuch der heiligen Messe fand in Schloß Laeken ein Dejeuner statt, zu dem nur das engste Gefolge, Graf Chotek, seine Frau und seine beiden ältesten Töchter Sidonie und Marie geladen waren. Der Graf hatte die Ehre, neben Prinzessin Stephanie zu sitzen. Darüber schrieb er an den Kaiser: »Die Prinzessin ist sehr jung und eben in der Entwicklung begriffen, hat aber eine reizende Haltung, huldvolle Würde und geistreichen Ausdruck …« Das sollte heißen: Die noch sehr kindliche Prinzessin war nicht eben schön, aber lebhaft und gesprächig. Danach verfügten sich die höchsten Herrschaften in das blaue Audienzzimmer. »Bei offenen Flügeltüren, blieben die jungen Herrschaften allein«, wie Graf Chotek ausdrücklich hervorhob. Der Schicklichkeit war also Genüge geleistet. »Auf einmal erschien 5 bis 7 Minuten später, Kronprinz Rudolf mit hochgeröteten Wangen und freudigem Gesichtsausdruck unter der Tür … Wenige Augenblicke später geruhte König Leopold mich freundlich unter den Arm zu nehmen und mir zu sagen: >Kommen Sie, lieber Chotek, ich glaube, die jungen höchsten Herrschaften haben Ihnen eine freudige Mitteilung zu machen< …«[6] Graf Chotek gratulierte als erster.

Er war glücklich. Er hatte sein Bestes getan und hatte die heikle Mission zur Zufriedenheit des Kaisers erfüllt.

Die damals zwölfjährige Sophie, die lebhafteste und aufgeweckteste der Töchter, hatte mit den jüngeren Geschwistern zu Hause bleiben müssen. Angeblich soll sie ihren Schwestern, die beim Verlobungsbankett dabei waren, bei deren Rückkehr voll Neugierde aufgelauert haben, um sie über ihre Eindrücke auszufragen. Ihr besonderes Interesse erregte neben dem Aussehen und dem Kleid der Braut Kronprinz Rudolf, und sie beneidete Prinzessin Stephanie, die das Glück hatte, die Gattin des künftigen Kaisers zu werden. Selbst für Angehörige einer bevorzugten Klasse war der Kaiser ein Idol, das turmhoch und unerreichbar über den anderen stand. An diesem Abend dachte bestimmt niemand daran, daß Sophie selbst einmal die Frau eines Thronfolgers werden würde.

Am 8. März erschien die Nachricht von der Verlobung in allen österreichischen und belgischen Zeitungen.

Als der König sie verkündigte, berichtete Chotek nach Wien, daß alle Diplomaten »über das freudige und hochbeglückte Aussehen des höchsten Brautpaares allgemein entzückt waren.«[7]

Rudolf und Stephanie hatten sich verlobt, weil ihre Väter es so wünschten. Die Zeit, einander kennenzulernen, hatten sie ihnen nicht gegeben. Das war nicht üblich. Vielleicht hätten sie sonst von diesem entscheidenden Schritt Abstand genommen. Graf Chotek sollte noch erleben, wie tragisch die Ehe später enden würde. Doch daran hatte er keinen Anteil.

Am 5. Mai 1881 empfing der Kronprinz seine Braut und deren Eltern in Salzburg, wo die Hochzeitsgesellschaft nach einer Rast in Augsburg erste Station auf österreichischem Boden machte. Auch Graf und Gräfin Chotek waren dabei. Der Graf in seiner Funktion als österreichisch-ungarischer Gesandter, die Gräfin als Begleiterin der belgischen Königin. Sie nahmen auch am festlichen Diner in der Salzburger Residenz teil.

Einige Monate vorher, im Juli 1880, hatte Gräfin Wilhelmine in Adlerkosteletz, dem Schloß der Familie Kinsky, noch ihr achtes und zugleich letztes Kind zur Welt gebracht. Es war wieder eine Tochter, die den Namen Maria Henriette erhielt. Sie sollte viel später im Leben der Kinder von Sophie und Franz Ferdinand eine große Rolle spielen und ihnen in ihrer schwersten Stunde zur Seite stehen.

Von Salzburg aus reisten die Belgier am nächsten Tag mit ihrer Begleitung nach Wien. Dort empfingen Kaiser und Kaiserin am Bahnhof ihre künftige Schwiegertochter. In der großen Galerie in Schönbrunn lernte Stephanie schließlich ihre neue Familie und den Hofstaat kennen. Nach Hofball und feierlichem Galadiner im Zeremoniensaal der Hofburg, bei dem die Tafel hundert Gedecke in Gold aufwies und Hofmusikballdirektor Eduard Strauß mit seiner Kapelle seinen neuen Walzer »Schleier und Krone« zum besten gab, brach der 10. Mai, der Tag der Hochzeit, an. Sie wurde um elf Uhr in der festlich dekorierten Augustinerkirche gefeiert. Es kann als sicher gelten, daß Graf und Gräfin Chotek ebenfalls zu allen Festlichkeiten eingeladen waren, und wir können uns vorstellen, daß letztere nach ihrer Rückkehr nach Brüssel ihrer Tochter Sophie alles genau hatte erzählen müssen.

Der Tod der Mutter

Im Jahre 1886 traf die Familie ein harter Schlag. Gräfin Wilhelmine starb am 5. März. Es war ihr also nicht mehr vergönnt, die Hochzeit ihrer damals einundzwanzigjährigen Tochter Karoline mit Graf Leopold Nostitz zu erleben. Und bereits im Jahr darauf heiratete die »Rischel« genannte ältere Schwester Marie den Juristen Dr. Jaroslaw Graf von Thun und Hohenstein, einen Sohn aus dem böhmischen Majorat Teschen. Die Grafen Thun und Hohenstein, eine alte, ursprünglich Tiroler Familie, waren reich begütert und zählten zu den angesehensten Familien der Monarchie. Graf Jaroslaws Vater, ebenfalls Diplomat, war gemeinsam mit Graf Bohuslaw in Berlin tätig gewesen. Gräfin Marie machte also mit ihrer Heirat eine gute »Partie«. Auch der einzige Sohn Wolfgang lebte nicht mehr zu Hause. Er arbeitete als Staatsbeamter in der Verwaltung. Die Zweitälteste Tochter Sidonie, genannt >Zdenka<, war zweite Hofdame bei Kronprinzessin Stephanie.

So gab es also nur mehr vier Mädchen, die noch mit ihrem Vater im gemeinsamen Haushalt lebten. Dieser befand sich nicht mehr in Brüssel, sondern in Dresden, wohin Graf Chotek nun als Gesandter berufen worden war. Es war, wenn man so will, ein Abstieg auf der Karriereleiter, denn der Posten in Dresden hatte politisch kaum eine Bedeutung. Seit der Gründung des deutschen Kaiserreiches im Jahre 1871 befand sich der Brennpunkt des Geschehens in Berlin. Graf Chotek hatte sich nach seiner erfolgreichen Mission in Brüssel einiges für seinen beruflichen Werdegang erwartet. Nun war aber die Ehe des Kronprinzen, wie jedermann wußte, sehr unglücklich verlaufen. Nicht einmal einen Sohn und künftigen Thronerben gab es, das Wichtigste, was man von einer Kronprinzessin erwartete. So mancher mochte daher wünschen, die Verbindung wäre gar nicht erst zustande gekommen. Der neu ernannte Gesandte besaß zwar immer noch das Vertrauen Kaiser Franz Josephs, der mit dem König von Sachsen vielfach verwandt und zudem befreundet war, dennoch war Graf Chotek sich nur zu gut bewußt, daß der sächsische Königshof für ihn gewissermaßen ein Abstellgleis war. Vielleicht hätte Graf Chotek, der der Jüngste nicht mehr war, schon gerne um seine Pensionierung angesucht. Aber das war unmöglich. Mit den Bezügen, die ihm nach Stellung und Dienstjahren im Alter zustanden, hätte er das Leben für seine immerhin noch fünfköpfige Familie nicht standesgemäß finanzieren können. Auch mochte die Verpflichtung, seine noch ledigen Töchter mit der üblichen Aussteuer und einer wenigstens bescheidenen Mitgift zu versorgen, zu seinem Entschluß beigetragen haben. Es blieb ihm nichts übrig, als weiterzumachen wie bisher.

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Der Thronfolger

Ein Erzherzog wie viele andere auch

Als Erzherzog Franz Ferdinand am 18. Dezember 1863 in Graz geboren wurde, war er vom Thron der österreichischen Monarchie einige Stufen weit entfernt. Ja, es erschien völlig unwahrscheinlich, daß er jemals als Thronfolger in Frage kommen würde. Gab es doch bereits einen: den am 21. August 1858 geborenen Kronprinzen Rudolf, bisher einziger Sohn Kaiser Franz Josephs und Kaiserin Elisabeths, die mit ihren knapp 26 Jahren damals noch jung genug war, um weiteren Kindern das Leben zu schenken. Es war durchaus zu hoffen, daß darunter auch Prinzen sein würden. Außerdem durften Erzherzog Ferdinand Max, der jüngere Bruder Kaiser Franz Josephs, damals erst 31 Jahre alt, und seine Gattin Charlotte ebenfalls auf Kindersegen hoffen.

Das Baby in der Grazer Wiege war der älteste Sohn von Erzherzog Karl Ludwig, des Drittgeborenen von Erzherzog Franz Karl und der legendären Erzherzogin Sophie, die als die böse Schwiegermutter von Kaiserin Elisabeth in die Geschichte eingegangen ist. Franz Ferdinand war also ein Neffe des Kaisers. Die Mutter, Erzherzogin Maria Annunciata aus dem Hause Bourbon, war eine geborene Prinzessin von Neapel und beider Sizilien. Sie hatte ihren Vater, den berüchtigten »Re Bomba« abgöttisch geliebt und seine absolutistische Regierung, die vor Gewalt und drastischen Strafen gegen jede Art von Widerstand nicht zurückschreckte, rückhaltslos bewundert. Den Verlust ihres Vaterlandes, das kurz nach dem Tod ihres Vaters der Einigung Italiens zum Opfer gefallen war, konnte sie nie verwinden, bedeutete er doch zugleich das Ende der Größe und Macht ihrer Familie. Das römische Exil war ihr zutiefst verhaßt und sie ergriff die erste Gelegenheit, ihm für immer den Rükken zu kehren, indem sie den Heiratsantrag des österreichischen Erzherzogs annahm.

Die Hochzeit fand in Venedig statt. Es war nicht die erste Ehe Karl Ludwigs. Er war im Alter von 23 Jahren mit der blutjungen sächsischen Prinzessin Margarete verheiratet worden, die aber schon nach kurzer Ehe kinderlos starb. Auch die zweite Ehe wurde ihm von seiner energischen Mutter Sophie gewissermaßen verordnet, und Erzherzog Karl Ludwig hatte sich gehorsam gefügt. Dazu war er von Jugend an erzogen worden. Und zur Frömmigkeit. Letztere hielt Sophie ebenfalls für äußerst wichtig. Das galt auch für die Schwiegertöchter. Denn aus gehorsamen, frommen Mädchen wurden auch fromme, gehorsame Ehefrauen. Verbindungen zwischen den gut katholischen Bourbonen und den Habsburgern waren schon bisher keine Seltenheit. Erzherzogin Sophie hatte nur eines an ihrer neuen Schwiegertochter auszusetzen. Fand sie doch, daß Maria Annunciata zwar sehr hübsch war, aber einen etwas kränklichen Eindruck machte. Deshalb verordnete sie dem jungen Paar, seinen Aufenthaltsort zunächst in Görz zu nehmen, wo das milde Klima der an südliche Wärme gewöhnten Prinzessin guttun würde.

Das erste Kind, eben Franz Ferdinand, wurde in einem Palais unter dem Grazer Schloßberg geboren. Die junge Frau hatte sich in Görz nicht wohl gefühlt. Der Vater war selig. »Heute 1/4 8 morgens größte Freude meines Lebens, indem mir ein Sohn geboren wurde. Der Augenblick, als die kräftige Stimme unseres lieben Kindes sich vernehmen ließ, ist unbeschreiblich. Ich konnte nur unter Tränen der Rührung … Annunciata umarmen und ihr für die Geburt danken«, schrieb er in sein Tagebuch.[8]

Zwei Jahre später wurde ein zweiter Sohn, Erzherzog Otto, geboren. Sorge bereitete jedoch die schwache Gesundheit von

Erzherzogin Annunciata. Allmählich wurde klar, daß es sich um Tuberkulose handelte, eine damals weit verbreitete Krankheit, die auch vor höchsten Kreisen nicht haltmachte. Zu einem innigen Verhältnis zwischen der Mutter und den Kindern kam es daher gar nicht. Um die Kinder keiner Ansteckungsgefahr auszusetzen, wurden sie möglichst von ihr ferngehalten. Im Jahre 1868 kam noch einmal ein Kind zur Welt, Ferdinand Karl, 1871 eine Tochter, Margarethe. Doch die Schwangerschaften hatten Maria Annunciatas schwache Gesundheit endgültig aufgezehrt. Sie starb wenige Monate später an ihrer fortgeschrittenen Tuberkulose. Der Tod beendete eine Ehe, der das Glück versagt geblieben war. Erzherzog Karl Ludwig war wieder Witwer, diesmal mit vier kleinen Kindern.

Der gute Geist der Familie

Eine dritte Ehefrau, die zugleich den Kindern eine gute Mutter sein würde, war der Wunsch nicht nur von Erzherzogin Sophie, sondern auch des Familienmenschen Karl Ludwig. Die Wahl fiel auf Prinzessin Maria Theresia, eine Tochter von Dom Miguel von Braganga, der für einige Jahre den Thron von Portugal usurpiert hatte, aber in der Verbannung gestorben war. Er hatte seine Familie ziemlich verarmt zurückgelassen. Maria Theresia, die einen Bruder und fünf Schwestern hatte, war zwar erst sechzehn Jahre alt, fand es aber selbstverständlich, trotz ihrer eigenen Jugend ihre jüngeren Geschwister zu bemuttern, worin sie großes Geschick bewies. Personal war knapp im Hause Braganga in Kleinheubach. Für das unbemittelte junge Mädchen war daher ein Erzherzog aus dem Hause Habsburg eine gute Partie, auch wenn er über 20 Jahre älter und ein Witwer mit vier Kindern war.

Der Ehetermin, der gleich nach Ablauf des Trauerjahres für Maria Annunciata festgesetzt wurde, mußte verschoben werden. Erzherzogin Sophie war überraschend gestorben, Hoftrauer angesagt. Die erst ein Jahr später geschlossene Ehe bedeutete für die erzherzogliche Familie aber einen Glücksfall. Diesmal hatte Erzherzogin Sophie gut gewählt. Denn Maria Theresia ging voll und ganz in ihrer neuen Rolle auf und nahm sich der Halbwaisen wie eine wahre Mutter an. Das änderte sich auch nicht, als sie selbst zwei Töchter zur Welt brachte. Erzherzog Karl Ludwig hatte im Alter von vierzig Jahren endlich das gefunden, wonach er in zwei Ehen vergeblich gesucht hatte: eine liebevolle Frau und eine zärtliche Mutter aller seiner Kinder.

Der Liebling des Vaters war der kleine Otto, ein fröhlicher Junge, der stets voll lustiger Streiche steckte, für die ihm aber niemand böse sein konnte. Neben diesem Bruder, dem alle Herzen zuflogen, hatte es der ernste, manchmal mürrische und schwierige »Franzi« besonders schwer. Erzherzogin Maria Theresia erkannte, daß der Ältere eifersüchtig war und sich zugunsten Ottos zurückgesetzt fühlte. Sie schloß ihn deshalb besonders innig in ihr Herz und gewann dadurch seine Liebe.

Noch zu Maria Annunciatas Lebzeiten waren zwei Ereignisse eingetreten, die ihren Ältesten eine Stufe näher an den Thron heranrücken ließen. Im Jahre 1867 war der ehemalige Erzherzog Ferdinand Max, seit drei Jahren Kaiser Maximilian von Mexiko, von den republikanischen Gegnern seines Kaisertums besiegt und kurz darauf als Usurpator standrechtlich erschossen worden. Seine Ehe war kinderlos geblieben. Das Kind, das Kaiserin Elisabeth bald darauf erwartete, war nur ein Mädchen und kam daher für die Thronfolge nicht in Frage. Erzherzogin Maria Annunciata hatte das noch mit Befriedigung festgestellt.

Die Este-Erbschaft

Im Jahre 1875 starb Franz V., Herzog von Modena, ebenfalls ein Habsburger. Modena war wie die Toskana zwar 1859 an das neue Königreich Italien verlorengegangen, aber der Herzog hatte die Hoffnung nie aufgegeben, eines Tages wieder sein Reich in Besitz zu nehmen. Bevor er kinderlos starb, vermachte er seinen gesamten Privatbesitz dem ältesten Sohn Erzherzog Karl Ludwigs, legte dem Erben aber die Bedingung auf, seinem Namen den Namen Este hinzuzufügen und sich innerhalb eines Jahres ausreichende Kenntnisse der italienischen Sprache anzueignen. Der dritte Sohn von Maria Theresia und dem deutschen Kaiser Franz I. hatte seinerzeit mit der Erbtochter von Modena aus der Familie Este die Tertiogenitur der Habsburger begründet.

Die Erbschaft bestand außer aus einigen Millionen Gulden Bargeld aus Grundbesitz in Italien sowie Palästen in Modena, Rom, Venedig und Wien, der Villa Este in Tivoli und der wertvollen Estensischen Kunstsammlung, die die Familie Este in Jahrhunderten zusammengetragen hatte. Das Testament, ein 500 Seiten starkes Konvolut, wurde von verschiedenen Seiten angefochten, doch Karl Ludwig, der sich selbst als einen vergleichsweise »armen« Erzherzog bezeichnete, verstand es meisterhaft, die Ansprüche abzuwehren und einige Klauseln des Testaments, die Kosten verursacht hätten, unwirksam zu machen. Die Auflage, das Vermögen dazu zu benützen, um das Herzogtum Modena wiederherzustellen, war ohnedies illusorisch. Die Einigung Italiens unter dem König von PiemontSardinien, Viktor Emanuel, ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Daß Erzherzog Franz Ferdinand die andere Bedingung des Testaments, nämlich die italienische Sprache ausreichend zu erlernen, je erfüllt hat, zieht sein Enkel, Herzog Georg von Hohenberg, in Zweifel. Sein Großvater sei überhaupt nicht sprachbegabt gewesen und über primitive Kenntnisse des Italienischen sicherlich nicht hinausgekommen. Aber der Erbonkel war ja nicht mehr am Leben, um das zu kontrollieren.

Der Einfluß der Lehrer

Die Lehrer, die Erzherzog Karl Ludwig für seine Söhne ausgewählt hatte, fast ausnahmslos Offiziere, hatten es nicht leicht mit Franz Ferdinand. Entsprechend bescheiden waren ihre Erfolge. Wie die meisten anderen Menschen bevorzugten sie Otto, dessen Leistungen zwar keineswegs besser waren, aber dessen verbindliche Art seinen Erziehern mehr entgegenkam. Franz Ferdinand reagierte mit Trotz und passivem Widerstand.

Das konnte Erzherzogin Maria Theresia nicht länger mitansehen. Sie hielt Ausschau nach neuen Lehrern und hoffte, daß diese es besser verstehen würden, das schwierige Kind zu behandeln. Vor allem zwei wußten mit ihrem Unterricht tatsächlich den Jungen zu fesseln und gewannen großen Einfluß auf ihn und seine gesamte Denkweise.

Der eine war der Historiker Dr. Onno Klopp, ein Kleriker, der vom Protestantismus zum katholischen Glauben konvertiert war. Er breitete vor den jungen Erzherzögen die Geschichte Habsburgs und ihre Bedeutung für das deutsche Kaisertum aus, ließ nicht unerwähnt, daß seit der Wahl Rudolfs von Habsburg durch die Kurfürsten im Jahre 1273 nicht weniger als zwanzig Herrscher des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation habsburgischer Herkunft waren und nur sieben anderen Familien entstammten. Während Otto solche Vorträge unbeeindruckt über sich ergehen ließ, hatte Klopp nicht nur das Interesse des Älteren erweckt, sondern auch dessen Stolz, dieser erlauchten Familie anzugehören. Und da, wie der Lehrer betonte, Gott selbst dem Hause Habsburg solche Macht und Größe verliehen hatte, gelte es, sich durch Frömmigkeit und ein tugendhaftes Leben dieser Ehre würdig zu erweisen. Franz Ferdinand hat die Vorträge seines Lehrers nie mehr vergessen. Die Weltanschauung, zum Herrscher berufen zu sein, wird ihn viele Jahre später darin bestärken, lieber eine morganatische Ehe in Kauf zu nehmen als auf seine Stellung als Thronfolger zu verzichten.

Dr. Godfried Marschall, Propst der Wiener Votivkirche, war völlig anders geartet. Lebensfroh und eher liberal gesinnt, gesellschaftlich gewandt und deshalb allgemein beliebt, wurde er bald über den Religionslehrer hinaus zum Freund Franz Ferdinands. Wie Weissensteiner in seiner Franz-Ferdinand Biographie darlegt, »verstand er es, die Wünsche seines Schützlings zu erahnen und in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken, seine Begierden zu steuern, seine Hoffnungen zu beflügeln.«[9] Gewiß hatte er großen Einfluß auf die Haltung des Erzherzogs in seiner Liebe zu Sophie Chotek. Gerade diese Liebe sollte aber das vertraute Verhältnis zu Dr. Marschall zerstören.

Das Lehrprogramm wurde mit der Zeit immer umfangreicher, auch Rechts- und Staatswissenschaft zählte dazu, natürlich auch Unterricht in den Sprachen der Monarchie, für die der Heranwachsende allerdings, wie schon erwähnt, nicht viel Geschick mitbrachte. Viel Zeit für Vergnügungen, etwa Ausritte in den Prater oder die Entenjagd in den Donauauen, blieb nicht.

Die militärische Karriere des Erzherzogs

Wie alle Erzherzöge durchlief Franz Ferdinand eine rasche militärische Karriere.

Schon mit 14 Jahren wurde er Leutnant, mit neunzehn Oberleutnant, mit zwanzig Jahren begann sein Dienst bei den Dragonern in Enns. Doch seine Schüchternheit, gepaart mit einer eher schmächtigen Gestalt und einer nicht gerade eindrucksvollen Haltung, erschwerten das Verhältnis zu seinen Kameraden. So oft wie möglich fuhr er nach Wien, wo er im Palais Modena eine Wohnung besaß. In dieser Zeit scheint Franz Ferdinand auch das Liebesleben entdeckt zu haben. Seine vielen Abwesenheiten von Enns erregten jedoch Aufsehen. Einem Erzherzog und Neffen des Kaisers sahen zwar seine Vorgesetzten einiges nach, nicht aber der Kaiser. Kronprinz Rudolf sah sich sogar veranlaßt, den Cousin zu warnen: »Der Kaiser ist ziemlich ungehalten«, schrieb er ihm am 22. November 1884, »da er es Deiner Jugend zuschreibt, als auch Deinem Regimentskommandanten, der Dich während Deiner Rekrutenzeit so oft fort läßt. Auch ich wurde zur Rede gestellt, warum ich quasi durch zu häufige Einladung Dich vom Regiment weglocke, statt durch weises Zureden auf Dich einzuwirken … Jetzt ist Onkel Albrecht noch nicht hier, wenn dieser kommt, kannst Du Dich auf Unannehmlichkeiten vorbereiten.« Und vier Tage später: »Denn er hat Freude am Schimpfen; denn er ist böse. Wenn er einen Fehler oder eine Blöße an einem anderen entdeckt, ist das für ihn eine Wonne …«[10]

Der Generalinspekteur des Heeres, Feldmarschall Erzherzog Albrecht, war ein entfernter Onkel des Kaisers, Sohn des legendären Erzherzogs Karl, der Napoleon im Jahre 1809 bei Aspern die erste Niederlage seines Lebens beigebracht hatte. Albrecht war ein Schwiegersohn von König Ludwig I. von Bayern und Sieger im Krieg von 1866 gegen Italien. Streng konservativ in seiner Anschauung, stand er bei Kaiser Franz Joseph in hohen Ehren und war bei Hof von großem Einfluß. Er galt als die »graue Eminenz« der Familie Habsburg, die unerbittlich über Moral und Auftreten der Jugend wachte. Die jungen Erzherzöge fürchteten ihn, denn er hatte seine Augen und Ohren überall und ließ es an Vorhaltungen und Ermahnungen nicht fehlen, wenn sie seiner Meinung nach am Platze waren. Und das war häufig der Fall. Franz Ferdinand machte da keine Ausnahme.

Noch ein Stück näher zum Thron

Ein entsetzliches, tragisches Ereignis von historischer Bedeutung brachte Franz Ferdinand dem Thron noch um eine Stufe näher.

Ende Januar 1889 beging Kronprinz Rudolf im Jagdschloß Mayerling gemeinsam mit seiner Geliebten Selbstmord.

Franz Ferdinand erhielt die Nachricht in Prag, wo er als Major im 102. Infanterieregiment stationiert war. Ihr Überbringer war sein Kammervorsteher Graf Wurmbrand. Sie sollte für Franz Ferdinand weitreichende Folgen haben. Denn Rudolf war der einzige Sohn des Kaisers geblieben. Es gab keinen zweiten, der seine Stelle als Thronfolger hätte einnehmen können. Zwar hätte die Pragmatische Sanktion, die Kaiser Karl VI. einst erlassen hatte, um seiner Tochter Maria Theresia die Erbfolge zu sichern, es theoretisch ermöglicht, auch die ältere Tochter Gisela aus der Ehe Franz Josephs und Elisabeths als Thronerbin einzusetzen – doch das lag, bei all seinem Respekt vor der Geschichte des Hauses Habsburg, jenseits der Vorstellungskraft des Kaisers. Wie alle übrigen weiblichen Mitglieder der weitverzweigten Familie Habsburg hatte auch Erzherzogin Gisela vor ihrer Eheschließung mit einem feierlichen Eid auf eine mögliche Thronfolge verzichten müssen.

Thronfolger war somit der jüngere noch lebende Bruder Franz Josephs, Erzherzog Karl Ludwig, der Vater Franz Ferdinands. Er war 56 Jahre alt und damit nur drei Jahre jünger als der Kaiser. Aber nicht allein aus diesem Grund hielt man es kaum für möglich, daß Karl Ludwig dieses Amt einmal ausüben würde: Er hatte sich nie für Politik interessiert und war auch gar nicht dafür ausgebildet worden. Seine offizielle Tätigkeit beschränkte sich auf die Eröffnung von Ausstellungen und Wohltätigkeitsveranstaltungen. Und, last not least, es mangelte ihm auch etwas an den nötigen geistigen Fähigkeiten.

Daran mußte Franz Ferdinand denken, als er im Schnellzug nach Wien saß und ihm das ungeheuerliche Ereignis, das so sehr in sein eigenes Leben eingriff, richtig zu Bewußtsein kam. Wie sein Vater sich zu der neuen Situation stellen und sich jetzt verhalten würde, wußte er jedoch nicht. Er hatte nie mit ihm darüber gesprochen. Auch wie der Kaiser darüber denken mochte, war ihm keineswegs klar. Die Zeit würde es erweisen. Es stand nur fest, daß er dem Thron um ein entscheidendes Stück näher gerückt war.

Rudolfs Tod warf viele Rätsel auf und stellte das Kaiserhaus vor große Probleme. Auf keinen Fall durfte zugegeben werden, daß der Kronprinz der katholischen österreichisch-ungarischen Monarchie einen Mord begangen und sein Leben durch Selbstmord beendet hatte! Also versuchten die Verantwortlichen zunächst, den plötzlichen Tod als Herzschlag zu deklarieren. Allerdings sah man nur zu bald ein, daß das nicht mehr möglich war. Zu weit war die Wahrheit bereits durchgesickert. Da aber dem Kaiser daran gelegen war, eine kirchliche Bestattung zu gewährleisten, blieb also nichts übrig, als Zuflucht zu einer medizinischen Diagnose zu nehmen. Diese besagte, daß sich bei der Obduktion des Gehirns ein abnormaler Befund ergeben habe, der es erklärte, daß die Tat im Zustand einer geistigen Verwirrung begangen worden sei. Der Kronprinz, ein hoch intelligenter Mann, wurde also gewissermaßen postum zum Irren erklärt.

Das Vorhandensein einer zweiten Toten, nämlich der Baronesse Mary Vetsera, die – so die heutige Standardversion der Geschichte – von Rudolf erschossen wurde, bevor er Hand an sich legte, wurde überhaupt totgeschwiegen und ihre Leiche bei Nacht und Nebel heimlich auf dem Friedhof von Heiligenkreuz begraben. Unbekannt blieb ihr Tod dennoch nicht. Ganz im Gegenteil, die Affäre wurde von der Bevölkerung zu einer rührenden Liebestragödie hochstilisiert: zwei Liebende, die lieber den Freitod wählten, als auf die Erfüllung ihrer Liebe zu verzichten. Mary Vetsera wurde zur romantischen Geliebten a la Julia, Rudolf zu einem neuen Romeo erhoben. Die Literatur darüber füllt Bände.

Die wahren Hintergründe des Geschehens liegen bis heute im dunkeln. Es müssen schwerwiegende Gründe gewesen sein, denn das Kaiserhaus hat es meisterhaft verstanden, alle Beweise zu vernichten, die Eingeweihten zum Schweigen zu verpflichten. So wurde den vielen Gerüchten, die bald zu kursieren begannen, der Boden bereitet. Auch über hundert Jahre und das Ende der Monarchie haben daran nichts geändert. Die Gerüchte bestehen bis heute.

Es ist anzunehmen, daß Erzherzog Franz Ferdinand zum Kreis derer zählte, die die Wahrheit kannten, aber auch er hat das Geheimnis bewahrt. Dasselbe gilt für seine Gattin, wenn sie davon überhaupt etwas erfahren haben sollte.

Über die Nachfolge wurde nicht gesprochen. Zwar sah man Franz Ferdinand allgemein als Thronerben an, der Kaiser betraute ihn auch zunehmend mit wichtigen Aufgaben, aber eine offizielle Bestätigung gab es nicht. Weder erklärte Erzherzog Karl Ludwig seinen Verzicht, noch ließ der Kaiser etwas darüber verlauten.

Nur Erzherzog Albrecht schrieb am 8. Mai 1889 neben vielen Ermahnungen: »… Außerdem sind Dir aber noch andere, viel wichtigere und schwierigere Pflichten für die Zukunft zugewachsen, welche Dir einst die schwerste Verantwortlichkeit, jene ausschließliche vor Gott und Deinem Gewissen aufbürden werden … als höherer Offizier wie als zukünftiger Regent wirst Du viel Zeit bedürfen, um Dich gewissenhaft vorzubereiten.«[11]

Thronfolger? Oder doch nicht? Mit dieser Ungewißheit sollte Franz Ferdinand einige Jahre lang leben müssen. Dann trat ein Ereignis ein, das seine Thronfolge tatsächlich ernsthaft in Frage stellte. Er erkrankte schwer.

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Eine Liebesgeschichte bahnt sich an

Gräfin Sophie Chotek

Es gibt kein schriftliches Zeugnis dafür, wann Erzherzog Ferdinand und Gräfin Sophie Chotek einander zum ersten Mal begegnet sind. Ludwig Winder schildert in seinem Buch Der Thronfolger, das er allerdings selbst als Roman bezeichnet, auf sehr anschauliche und gefühlvolle Weise jene erste Begegnung auf einer »Soiree dansante«, die der Statthalter von Böhmen, Graf Franz Thun-Hohenstein, im Herbst 1894 in seinem Palais in Prag gab. Ehrengast des Abends war Erzherzog Franz Ferdinand, der damals die 38. Infanteriebrigade in Budweis kommandierte. Der gesamte Hochadel Böhmens war in den Empfangsräumen der Statthalterei versammelt, und die anwesenden Damen, sämtlich in Pariser Abendtoiletten, wetteiferten im Schmuck kostbarer Juwelen und umringten den prominenten Gast. Eine Dame stand allein und unbeachtet. Aber »ihre ungewöhnlich schönen braunen Augen, die ihm (dem Erzherzog) unaufhörlich zugewendet blieben, hätten ihn verfolgt«[12]. Sie hatte hellbraunes, ein wenig gewelltes Haar, das sie aufgesteckt trug, und war sehr schlank und ziemlich groß. Im Gegensatz zu den anderen war sie schlicht gekleidet und um ihren Hals lag nur eine einfache Goldkette mit einem kleinen Kreuz. Franz Ferdinands Kammervorsteher, Graf Wurmbrand, habe ihn dann über ihre Identität aufgeklärt. Es war Gräfin Sophie Chotek von Chotkowa und Wognin, damals gerade auf Besuch in Prag. Sie war sehr hübsch, ohne jedoch eine klassische Schönheit zu sein, ihre Gestalt für den damaligen Geschmack zu schlank. Manche nannten sie sogar verächtlich eine »Hopfenstange«.

Im Alter von sechsundzwanzig Jahren war sie im Hinblick auf die frühe Heirat vieler Mädchen keineswegs mehr als jung zu bezeichnen. Sie näherte sich sogar bereits bedenklich der Grenze, wo ein unverheiratetes Mädchen als »alte Jungfer« bezeichnet wurde. Doch ihr ganzes Wesen strahlte eine eindrucksvolle, ruhige Würde aus, und ihre dunklen Augen sprachen für Verstand und Reife, deuteten aber auch auf eine zweifellos vorhandene Leidenschaft des Gefühls. Eine interessante junge Dame, die bestimmt längst Anklang in der Männerwelt gefunden hätte, wären in einschlägigen Kreisen die prekären finanziellen Verhältnisse des Grafen Chotek nicht bekannt gewesen. Man wußte dort nämlich ganz genau, daß die bisher ledig gebliebene Sophie keine nennenswerte Mitgift zu erwarten hatte.

Franz Ferdinand ließ sich ihr vorstellen und zog sich nach einem Tanz mit ihr in einen kleinen Salon zurück. An diesem Abend sei der Funke zwischen den beiden übergesprungen. Von da an habe es heimliche Treffen gegeben und eine ebenfalls geheime Korrspondenz habe begonnen. So die Schilderung Winders.

Hingegen gilt es als ziemlich sicher, daß Erzherzog Franz Ferdinand und Gräfin Chotek einander schon seit langem, wenn wohl auch nur flüchtig, kannten. Der Erzherzog war bekannt als großer Jäger, der eine Jagdeinladung, die ein gutes Revier und eine entsprechende »Strecke« versprach, immer gerne annahm. Wie Beate Hammond in ihrem Buch Habsburgs größte Liebesgeschichte erwähnt, jagte Franz Ferdinand bereits seit Anfang der achtziger Jahre in Böhmen, meist in einer Gruppe Gleichgesinnter, zu der damals noch Kronprinz Rudolf, Prinz Philipp von Coburg und Fürst Schwarzenberg, Graf Rudolf Chotek und die Grafen Franz und Jaroslaw Thun zählten. Immer wieder traf man sich auf Schloß Neuhof in Kuttenberg, das Sophies Onkel Rudolf gehörte sowie in der Residenz der Thuns in Teschen. Ein Sohn des Grafen Thun, Jaroslaw, war, wie schon erwähnt, mit Sophies Schwester Marie verheiratet. Es ist also wahrscheinlich, daß bei diesen Zusammenkünften irgendwann einmal auch Sophie dabeigewesen war und den Erzherzog kennengelernt hatte.

Andere Gelegenheiten konnten sich leicht bei Festlichkeiten im Familienkreis der Habsburger ergeben haben. Denn am 10. August 1888 hatte Kaiser Franz Joseph die damals zwanzigjährige Sophie Chotek zur Hofdame bei Erzherzogin Isabella ernannt. Diese, eine Tochter des Herzogs von Croy-Dülmen, war die Gattin Erzherzog Friedrichs, eines Neffen und späteren Adoptivsohns Erzherzog Albrechts. Das Paar hatte acht Töchter, ehe endlich als letztes und neuntes Kind ein Sohn zur Welt kam. Erzherzog Friedrich war als Erbe Erzherzog Albrechts einer der reichsten Habsburger. Er erhielt zwar eine militärische Erziehung, war aber auch zur Verwaltung der riesigen Güter seines Onkels ausgebildet worden. Als Hofdame war Sophie oft in Begleitung der Erzherzogin unterwegs und selbstverständlich auch bei Einladungen zugegen.

Ein Photo, das in Halbthurn, einer Besitzung Erzherzog Friedrichs, anläßlich einer Jagd im Winter 1893 aufgenommen wurde, zeigt sowohl Erzherzog Franz Ferdinand als auch Sophie. Sie befindet sich darauf zwar im Hintergrund, macht aber einen ziemlich selbstbewußten Eindruck.

Wann es zwischen Franz Ferdinand und ihr tatsächlich »gefunkt« hat und wie und wann sich ihre Liebe zu einer ernstzunehmenden Beziehung entwickelte, ist unbekannt. Die beiden hatten allen Grund, sie geheim zu halten. Denn die trotz Uradels tief unter einem Erzherzog stehende böhmische Gräfin war alles andere als standesgemäß für einen Habsburger, erst recht für einen, der nach dem Tod von Kronprinz Rudolf als dessen Nachfolger und Thronerbe galt. Nicht einmal die erst 1990 verstorbene Tochter des Paares wußte, wann sich die beiden wirklich kennengelernt hatten. Und ein Vertrauter des Erzherzogs, der vom Forstadjunkt bei Graf Traun zum Haushofmeister Franz Ferdinands aufgestiegene Franz Janaczek, hat zeitlebens die Geheimnisse seines Herrn bewahrt. Jedes Angebot, seine Memoiren zu schreiben und damit so manches zu erhellen, was nun für immer im dunklen bleibt, wurde von ihm standhaft abgelehnt.

Doch wir dürfen den Beginn eines näheren Interesses Erzherzog Franz Ferdinands für Gräfin Chotek etwa für das Frühjahr 1894 ansetzen, denn ein an sie gerichteter Brief vom April 1894 ist erhalten geblieben. Die Beziehung kann damals noch nicht weit fortgeschritten gewesen sein, denn das Schreiben trägt noch die förmliche Anrede »Verehrteste Gräfin«. Der Erzherzog erinnert darin an ein Fest im Palais des Grafen Larisch in Wien und weist auch auf eine Begegnung an der italienischen Riviera hin.[13] Aus Budweis stammt ein Brief vom 18. August desselben Jahres, in dem von einem Aufenthalt in Wien und einem »Derwischball« sowie von »unserem letzten Tanzerl bei Sacher« die Rede ist. In einem anderen findet sich ein Hinweis auf ein gemeinsames Tennismatch in Preßburg, wohin Franz Ferdinand bald wieder zu kommen verspricht.[14]

Erzherzog Franz Ferdinand

Jeder junge Erzherzog, besonders wenn er einigermaßen gut aussah, war von Frauen umschwärmt. Auch so manche Mutter aus höchsten Kreisen erhoffte sich einen erzherzoglichen Schwiegersohn für eine ihrer Töchter. Aber sie war auch besonders darauf bedacht, daß der gute Ruf des jungen Mädchens keinen Schaden litt. Denn dessen Leumund war mindestens so viel wert wie Mitgift und Aussteuer. Für die jungen Herren aus dem Kaiserhaus, die schließlich auch mit der körperlichen Liebe Bekanntschaft machen mußten, blieben also nur die käuflichen »Damen« oder die ebenfalls nicht kostenlosen Mädchen vom Theater, die Schauspielerinnen und Tänzerinnen vom Ballett. Auch Franz Ferdinand hatte eine solche

Maitresse. Sie hieß Mila Kugler, war Schauspielerin und lebte mietfrei in einem Haus, das zum Grundstück des Palais Modena gehörte, in dem der Erzherzog eine Junggesellenwohnung besaß. Außerdem diente das Palais Modena auch seinem Bruder Otto als Quartier, wo dieser des öfteren Feste feierte, die nicht selten in wahre Orgien ausarteten.