ROBERT QUINT

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 11:

Planet der Logenmeister

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

PLANET DER LOGENMEISTER von Robert Quint 

 

Das Buch

 

Man schreibt das Jahr 2500 irdischer Zeitrechnung.

David terGorden wird auf seiner Flucht mit dem Beiboot der MIDAS von den Grauen entdeckt und verfolgt. Erst im letzten Moment kann er von Asen-Gers Loge gerettet werden, die sich an Bord der MILAN auf dem Weg nach Zoe, dem Planeten der Logenmeister befindet.

Die Situation der Treiber spitzt sich zu: Angestachelt von Valdec und dessen Medien werden die PSI-begabten Raumfahrer im gesamten Sternenreich von den normalen Menschen verfolgt. Diese Pogrome auszulösen viel Valdec nicht schwer, bestand doch schon seit jeher ein starkes Mißtrauen gegen die übersinnlichen Kräfte der Treiber. Valdec und seine Schergen planen, die Verfolgungen noch weiter voranzutreiben, um die Treiber zur Aufgabe zu bewegen...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  PLANET DER LOGENMEISTER von Robert Quint

 

 

 

  Das Licht in den unteren Etagen von Lunaport flackerte wie eine Kerze im Wind. Irgendwo brüllten schwere Maschinen auf, ließen den Boden vibrieren.

Morgenstern hastete weiter.

»Vorsicht!« hörte er Tout brüllen. Der kleine Mann ließ sich augenblicklich fallen, erhaschte einen Blick auf den seltsam blonden Haarschopf des Treibers, und dann huschte etwas heiß und pfeifend über seinen Schädel hinweg. Krachend schlug das Projektil in die Wand ein und splitterte ein quadratmetergroßes Stück der Verkleidung ab. Elektrische Entladungsblitze leckten aus den Kabeln, die der Schuss freigelegt und zerstört hatte.

Lautlos sprang der Treiber an Morgenstern vorbei.

Fast unsichtbar fauchten die Kristallnadeln aus Touts Betäubungswaffe und ließen den Grauen zusammenbrechen. Polternd fiel das Explosivgewehr dem Gardisten aus den Händen.

Morgenstern lief weiter.

Der Tunnel teilte sich, führte rechts in eine große, menschenleere Halle. Links befand sich der Lagerraum mit dem roten, verschnörkelten Zeichen.

Das Waffenlager.

Vor dem Schott standen zwei Graue. Verständnislos blinzelten sie zu den flackernden Leuchtplatten empor.

Ein Häftling stieß Morgenstern zur Seite. Er zielte mit dem erbeuteten Explosivgewehr und feuerte. Das Projektil wühlte den Boden vor den Grauen auf und überschüttete sie mit einem Regen heißer Metallsplitter.

Dann waren auch schon Morgenstern und terGorden heran. Die überraschten Gardisten hatten keine Chance.

Der Laserbohrer schnitt das Schott entzwei.

Morgenstern überflog den großen Lagerraum mit seinen Blicken und fand schnell das Gesuchte.

Fluggürtel! Und Raumanzüge...  

Hunderte lagerten in dem gewaltigen Arsenal.

Bald waren alle Häftlinge ausgerüstet, waren die unförmigen Laserbohrer und Nietpistolen gegen Schocker und Lähmgasgranaten ausgetauscht.

Das Vibrieren des Bodens hatte sich verstärkt.

Beunruhigt gab Morgenstern das Zeichen zum Aufbruch.

Für seinen Geschmack lief bisher alles viel zu glatt. Auf ihrem Weg war ihnen kaum Widerstand entgegengeschlagen. Die wenigen Grauen, auf die sie trafen, wirkten überrascht und ließen sich leicht überwältigen.

Doch bald würden die Grauen zu ihrer legendären Kompromisslosigkeit zurückfinden und dann konnten sie nur hoffen, dass Leande den Zentralcomputer von Lunaport tatsächlich fest in der Hand hatte.

Die Häftlinge stürmten weiter, durch leere Tunnel, vorbei an verschlossenen Türen und stillen Hallen.

Offenbar waren die untersten Etagen von Menschen entblößt.

Die wenigen Wachen, die sich in diesem Teil Lunaports aufhielten, waren vermutlich vor den Ausgängen C und F postiert; dort, wo sich zum Schein viele der Häftlinge versammelt hatten.

Morgenstern vertrieb die Überlegungen.

Sie mussten sich beeilen und die Gunst der Stunde nutzen.

Vielleicht hatten Cloud und die beiden Treiber die Kommandantin bereits gefangengenommen. Das würde die Verwirrung unter der Garde noch erhöhen und Teschnapur mit seinen Leuten Gelegenheit geben, das Fluchtschiff zu erreichen.

Eine gewaltige Faust erfasste ihn und schmetterte den kleinen Mann gegen die Wand. Zögernd rollte der Donner der Explosion davon; schwere Rauchschwaden zogen durch den Tunnel.

Morgenstern gratulierte sich, bereits den Raumhelm geschlossen zu haben; andernfalls hätte ihm die Explosion mit Sicherheit die Trommelfelle zerrissen.

Aus den schwarzen Qualmwolken schälte sich ein halbes Dutzend vermummte Gestalten heraus, und selbst in dem Flackerlicht und durch den Staubnebel konnte Morgenstern erkennen, dass es Graue waren.

Knisternd entlud sich sein Schocker. Zwei der Gardisten brachen zusammen, ihre Begleiter wirbelten augenblicklich davon und verschwanden im schwarzen Nebel.

Die Bombe hatte ein flaches, breites Loch in den Boden gerissen, durch das man in die darunter liegende Etage blicken konnte.

Von den Gardisten war nichts mehr zu sehen.

Jemand stieß ihn an. Das verhärmte Gesicht einer früh gealterten Frau tauchte vor ihm auf.

»Wir werden angegriffen«, rief ihm die Frau zu. Dunkel erinnerte sich Morgenstern an ihren Namen; Seylla, Eiren Seylla, eine ehemalige Technikerin der Armstrong-Braun-Stiftung. »Etwa zwanzig Graue. Sie nähern sich von hinten.«

»Sag den Leuten, sie sollen so schnell wie möglich weiter. Wir dürfen uns auf keinen Kampf mit ihnen einlassen.«

Die Frau nickte und eilte davon.

Morgenstern fluchte, aber er wagte nicht, das Funkgerät zu benutzen. Es hätte zwar vieles erleichtert, aber zu groß war die Gefahr, dass die Grauen die Sendungen abhörten.

Der Kampflärm in seinem Rücken flaute ab.

Morgenstern überwand die klaffende Öffnung im Boden mit einem leichten Schubstoß aus seinem Fluggürtel und entging nur um Haaresbreite dem tastenden, tödlichen Finger aus Laserenergie.

Der Häftling feuerte und erwischte den Grauen, ehe er sich hinter der Biegung des Tunnels in Sicherheit bringen konnte.

Morgenstern lief weiter. Und schleuderte eine der Lähmgasgranaten. Die Grauen hatten, soweit er gesehen hatte, keine Atemmasken getragen. Die Granate prallte an der Biegung auf und gab eine rasch expandierende Wolke aus gelblichem Gas frei.

Etwas polterte dumpf. Zwei-, dreimal ertönte das Geräusch. Stille folgte.

Mit schussbereitem Schocker schlich Morgenstern vorsichtig weiter. Erleichtert blieb er stehen, als er die reglosen Körper der drei Gardisten auf dem Boden liegen sah.

Das Gas würde sie für geraume Zeit ausschalten.

»Gute Arbeit!« schrie terGorden. Durch den Helm klang seine Stimme verzerrt.

Morgenstern grinste und deutete nach vorn. »Was halten Sie davon, Ishmail?« fragte er zufrieden.

Der Tunnel verbreiterte sich rasch und wurde zu einer schlauchförmigen, weiten Halle, in die Dutzende weiterer Korridore mündeten. An der rechten Seite des unterlunaren Verkehrsknotenpunktes standen etwa dreißig flache, metallene Scheiben, auf denen je vier Sitze und ein Schaltkasten montiert waren.

Der Treiber musterte die merkwürdigen Fahrzeuge mit zweifelndem Gesicht.

Morgenstern grinste wieder und zerrte ihn weiter. Ein kurzer Blick nach hinten bewies ihm, dass die anderen Häftlinge seiner Gruppe schnell aufschlossen und die nachdrängenden Soldaten der Grauen Garden mit konzentriertem Schockerbeschuss und Gasgranaten zurückhielten.

»Kommen Sie, Ishmail«, forderte Morgenstern und schwang sich auf den Sitz einer der Scheiben, fingerte an dem Schaltkasten. Sanftes Brummen durchlief die daumendicke Bodenplatte, dann stieg sie langsam in die Höhe. Ein starkes elektromagnetisches Feld schien das Fahrzeug anzutreiben.

David terGorden ergriff Morgensterns helfende Hand, und kaum dass er saß, heulte die Gleitscheibe davon, näherte sich rasend schnell einer der Tunnelöffnungen. Das Symbol über, dem dämmerigen Rundbogen verriet, dass er zur Hauptschleuse dieser Druckkuppel führte.

Die anderen Häftlinge folgten Morgensterns Beispiel.

Eine nach der anderen setzten sich die Gleitscheiben in Bewegung. Die restlichen ließ eine kleine Bombe zerschmelzen.

Der Knotenpunkt war kurz darauf wieder leer.

Als die verfolgenden Gardisten herbeistürmten, empfingen sie nur die glühenden, rauchenden Wracks der Gleitscheiben.

 

*

 

Evita Jaschini hatte eine Nebenschleuse mit dem Blaster aufschweißen müssen, um in die Zentralkuppel eindringen zu können.

Mit versteinertem Gesicht schob sie sich an dem zerschmolzenen Schott vorbei in die Schleusenkammer und hielt die Laserpistole umklammert. Ihr Gleiter stand nur wenige Schritte von der Kuppel entfernt, aber die Mondnacht hatte ihn bereits verschluckt. Nur hin und wieder flammte irgendwo für Sekunden eine Positionslampe auf und reflektierte auf dem Diskusrumpf.

Die Graue betätigte den Notmechanismus der Schleuse. Zum Glück arbeitete die einfache Vorrichtung noch, und aus verborgenen Düsen spritzte eine schaumartige Masse, die die zerstörte Schottöffnung binnen Augenblicken bedeckte. Die Dichtungsmasse wurde steinhart und schloss die Kammer lückenlos vom Vakuum des Mondes ab. Erst dann strömte Luft in die Kammer. Langsam glitt die innere Tür auf.

Die Graue seufzte und ließ dankbar ihren Raumhelm zusammenklappen, der sofort seine Festigkeit verlor und sich als weicher, anschmiegsamer Wulst in ihren Nacken legte.

Sie lauschte und runzelte befremdet die Stirn.

Das ferne, unterschwellige Rumoren irritierte sie. Gewöhnlich trat es nur auf, wenn die Kollektoren mit voller Kraft arbeiteten, um Tausende Megawatt Mikrowellenstrahlung von den Energiesatelliten aufzunehmen und umzuformen.

Doch wozu wurden diese Energiemengen benötigt?

Sie erinnerte sich an die Geräusche in dem alten Bergwerk. Dorthin musste die Energie abfließen...  

Der alte Computer!

Die Graue stieß eine Verwünschung aus und setzte sich in Bewegung.

Der Psyter musste es irgendwie verstanden haben, das alte Computernetz des Bergwerks einzuschalten. Das erklärte auch den Totalausfall der Sicherheitsanlagen von Lunaport. Wenn der Bergwerkscomputer den Zentralrechner des Stützpunktes angegriffen hatte...  

Die Sorge beschleunigte ihre Schritte.

Niemand begegnete der Grauen auf ihrem Weg zur Leitzentrale, und die Leere und Stille der Gänge und Aufzüge bewiesen ihr mehr als alle anderen Zwischenfälle, dass die Garde die Herrschaft über Lunaport verloren hatte.

Und wer wusste, was der Psyter noch im Schilde führte...?  

Jaschini presste die Lippen aufeinander.

Der Psyter!

Er musste sterben. Der Psyter hatte Verrat geübt. Verrat an einer Grauen. Allein das genügte, um ihn zum Tode zu verurteilen. Und er hatte sie betrogen. Sein Plan musste schon lange Zeit festgestanden haben, dachte sie, und die rätselhafte Reise zur Erde, zu den Toten Räumen...  

Etwas krampfte sich in Evita Jaschini zusammen.

Die Treiber! Treiber waren in den Toten Räumen inhaftiert gewesen – und dann nach Luna verlegt worden. Und mit ihnen war auch Scanner Cloud zurückgekehrt. Cloud musste selbst parapsychisch begabt sein. Nur so war zu erklären, warum sie unter seinen Einfluss geraten war.  

»Kommandant!«

Der Schrei ließ sie zusammenfahren.

Ein Grauer löste sich aus den Schatten, die die mehr und mehr erlöschenden Leuchtplatten an der Decke erzeugten, und kam taumelnd auf sie zu. Hauptmann Shimon!

»Was ist geschehen, Shimon?« fragte sie kühl.

Der Graue stand jetzt dicht vor ihr. Deutlich konnte sie auf seiner rechten Wange die Spuren einer Brandverletzung erkennen.

»Alles zerstört, Cosmoral«, krächzte der Graue. »Die Zentrale – alles zerstört.«

Jaschini stieß den Mann zur Seite. Vor ihr tauchte ein Lift auf; eine gewaltige, mehr als zehn Meter durchmessende Röhre, die sich vertikal durch ganz Lunaport zog und weiter oben mit dem Zentrum der Zentralkuppel abschloss.

Türen säumten wie gläserne Augen die Rundung der Röhre, aber hinter jeder wallte Finsternis. Als Jaschini näher trat, erkannte sie hinter der Glasscheibe schemenhaft das Innere einer Kabine. Zögernd berührte sie den Türöffner. Augenblicklich flammte Licht in der Kabine auf.

Würgend und keuchend wandte sich die Graue ab.

»Es geschah plötzlich«, flüsterte Shimon mit versagender Stimme. »Der Zentralcomputer versagte. Die Aufzüge... Sobald man sie betritt, fallen sie haltlos in die Tiefe und zerschmettern die Insassen am Boden. Einige der Kabinen überstehen den Aufprall und steigen wieder in die Höhe.«  

Jaschini funkelte ihn an. »Was ist mit dem Computer?« fauchte sie. »Steuert der Computer das Liftsystem nicht mehr? So antworten Sie endlich!«

Shimon duckte sich. »Blockiert, Cosmoral. Er konnte nicht mehr kontrolliert werden und übermittelte falsche Daten. Seitdem...« Er zuckte die Schultern. »Der Schaden ist nicht zu übersehen, Cosmoral. Wir haben mit den Außenkuppeln keinen Kontakt mehr. Alle Kommunikationssysteme sind gestört. In der Nähe der Leitzentrale hat das automatische Drucksicherungssystem alle Wege gesperrt. Wenn Sie dorthin wollen, müssen sie jedes Schott einzeln aufschweißen.«  

Jaschini ballte die Fäuste. »Dann werden wir sie eben aufschweißen«, stieß sie grimmig hervor, aber gleichzeitig wusste sie, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen würden.

»Es hätte keinen Sinn, Cosmoral«, erwiderte Shimon. Er wirkte erschöpft, und jetzt konnte Evita auch die geröteten, wunden Stellen an seinen Händen erkennen. »Die Leitzentrale ist zerstört. Viele unserer Leute sind gefallen, als Teile der elektronischen Einrichtung explodierten.«

»Kein Kontakt mit der Außenwelt?« fragte die Graue schwach.

»Nein. Von den Gefängnissektoren gibt es ebenfalls keine Meldungen, aber es ist zu befürchten...«  

»Ich weiß«, unterbrach die Kommandantin. »Die Häftlinge sind ausgebrochen. Ich habe sie überrascht und konnte noch rechtzeitig fliehen. Sie besitzen Raumanzüge. Das bedeutet, dass sie die Mondoberfläche betreten und den Raumhafen erreichen können.«

Der Gardist verzog das Gesicht. Geistesabwesend tastete er über seine Wange und zuckte zurück, als er die Wunde berührte. »Aber sie können den Hafen risikoloser durch die unterlunaren Tunnel erreichen«, murmelte er. »Wieso dann Raumanzüge...?«  

Evita Jaschini erstarrte.

Die Midas!  

Die Häftlinge wollten zur Midas!  

Dieser Teil des Hafens befand sich außerhalb Lunaports. Aber woher wussten die Gefangenen der Mondkerker von dem Schiff?

Natürlich. Der Psyter. Er war informiert. Was war sie nur für eine Närrin gewesen, ihm das Geheimnis der Midas zu verraten! Er wusste, dass das Schiff ständig startbereit war.  

Sie ergriff Shimons Arme, schüttelte ihn. »Irgendwo muss es eine unbeschädigte Funkanlage geben«, herrschte sie den Mann an. »Wo?«

Der Graue stöhnte, als ob ihn die Berührung der Kommandantin an seine schmerzenden Wunden erinnert hätte.

»Draußen«, presste er hervor. »Die Ringos... Sie standen nicht unter Kontrolle des Zentralcomputers. Sie müssen unbeschädigt sein.«  

Wortlos wandte sich Jaschini ab und stürmte den Weg zurück, den sie gekommen war.

Valdec! Sie musste so schnell wie möglich mit Valdec sprechen!

Wenn die Häftlinge die Midas...  

Die Graue schauderte und verdrängte hastig die beklemmende Vorstellung.

 

*

 

Mit sorgenvollem Gesicht spähte Llewellyn 709 hinüber zu der Ansammlung langgestreckter Schatten, wo ständig kleine Blitze aufzuckten. Hin und wieder zerriss der Lichtblitz einer Bombenexplosion die Finsternis.

Dort hinten, wo die stählerne Platte des Raumhafens mit den ersten Druckkuppeln Lunaports zusammenstieß, lieferten sich Scanner Cloud und eine Gruppe Häftlinge mit den Wachen der Garden ein heftiges Gefecht. Der Angriff sollte die Grauen von Teschnapurs Einsatz ablenken, aber der Riemenmann wusste, dass das Fluchtschiff ebenfalls bewacht wurde

Der Raumanzug umschmiegte ihn wie eine zweite Haut, und nur noch die goldenen Riemen hinter der transparenten Sichtscheibe des Helmes deuteten auf seine Krankheit hin.

Unwillkürlich lächelte Llewellyn. Krankheit! Inzwischen hatte er gelernt, seine Aussätzigkeit so zu bezeichnen. Unter den Riemen kochte der Tod – psionische, unkontrollierbare Energien, die sein Körper ausstrahlte.

Die Psi-Forscher des Konzils hatten ihn zu einem Aussätzigen werden lassen, ihn verstümmelt, für immer zu einem Außenseiter gemacht.

»Mir ist nicht gut, Riemenmann«, hörte er Leandes Stimme. »Mir ist kalt. Sehr kalt.«

Ihre Funkempfänger waren durch ein dünnes, elastisches Kabel miteinander verbunden. So konnten sie sich unterhalten, ohne die Grauen auf ihre Spur zu lenken.

Der Riemenmann war dankbar, dass ihre Sorgen ihn von seinen ablenkten. Fast väterlich – wie er sich nicht ohne Spott eingestand – drückte er Leandes Hand.

»Das ist ein kalter Ort, Leande«, murmelte er. »Aber wir bleiben nicht mehr lange hier. Du musst nur noch ein wenig Geduld haben.«

Das Mädchen schwieg.

Seit sie die Lenkzentrale des alten Bergwerkes und den Computer verlassen hatten, war Leande immer stiller geworden. Offenbar, befürchtete der Riemenmann, hatte ihr Psi-Einsatz die Auswirkungen des Lerroon-Sekretes nur vorübergehend übertüncht. Allmählich fiel sie in ihren alten Zustand zurück und wurde langsam wieder zu einer Zentristin.

Ein wenig nervös sah er zurück zu der alten Schleuse.

Bewaffnete Häftlinge bewachten die Schleusen der nahen, riesigen Zentralkuppel und sorgten dafür dass kein überraschender Angriff der Gardisten die Flucht der Luna-Gefangenen störte.

Einige Kommandotrupps hatten die Arsenale Lunaports gestürmt und ausreichend Raumanzüge erbeutet.

Der Riemenmann bedauerte, dass sie den Insassen der anderen Gefängnissektoren nicht beistehen konnten, aber jede Sekunde musste der Zusammenbruch Lunaports publik werden. Und bis zu diesem Augenblick mussten sie das Schiff, von dem Cloud gesprochen hatte, erreichen.

Zufrieden registrierte der Treiber, dass die Laserblitze am Raumhafen allmählich verglommen. Leande hatte ganze Arbeit geleistet. Mit dem alten Bergwerkscomputer war es ihr gelungen, Big Brother von allen Kommunikationsnetzen zu trennen und gleichzeitig die Kontrolle über alle Einrichtungen Lunaports zu erhalten.

In den Kuppeln musste jetzt Chaos herrschen.

Hoffentlich kamen David und Morgenstern mit ihrer Gruppe unbeschadet durch.

Aber vermutlich waren die Grauen zu sehr mit sich selbst und ihrem Überleben beschäftigt. Noch immer manipulierte der alte Computer die Anlagen von Lunaport, und es würde noch einige Zeit vergehen, ehe Big Brother den fremden Einfluss zurückdrängen konnte.

Die Menschenmenge vor der alten Schleuse wurde größer. Dann lösten sich zwei Gestalten aus ihr und kamen auf den Riemenmann und Leande zu.