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SAUERLAND

LIVE

14 Episoden aus dem abenteuerlichen Leben der Familie Knippschild

 

von

Reiner Hänsch

 

 

 

 

FUEGO

Über dieses Buch

 

Ja, was passiert denn da in diesem Buch? – Alles! Das können Sie glauben. Die Familie Knippschild lebt irgendwo im Land der berühmten tausend Berge. Mittendrin. Sauerland live eben. Das ist schon eine Herausforderung und ganz was Besonderes, so mitten unter Sauerländern.

Aber im Grunde ... ist es wie bei Ihnen.

Sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten noch nie gedacht, ich seh aus wie ’ne Omma, nachdem Sie vom Friseur gekommen sind, ich kann so nie wieder unter Menschen gehen. Manchmal? Na? Sehen Sie, es stimmt. Und sagen Sie nicht, Sie hätten bei dem ewigen Ärger mit diesem blöden Weh-Lahn und den verdammten Passwörtern noch nie gedacht, dass Sie digital doch nicht so ganz auf der Höhe sind, wie Sie immer dachten.

Und haben Sie etwa noch nie befürchtet, Sie seien einfach zu blöd für den Sonntags-Tatort, weil Sie mal wieder nichts verstanden haben, oder graut es Ihnen schon jetzt vor Heinz’ und Mimis Goldener Hochzeit im August, auf die Sie wenig Lust haben, weil es wieder eine von diesen berüchtigten Familienfeiern werden könnte?

Genau. So isses. Und das steht alles in dem Buch von Reiner Hänsch drin.

Sie werden sich beömmeln, denn irgendwie kommen Sie selbst drin vor – in diesem Buch, in dem alles so schrecklich normal und doch so völlig bekloppt ist. Aber so ist das Leben!

 

Und oft merkt man es eben erst, wenn man es in Sätzen aufgeschrieben sieht.

 

 

 

Manchmal, da passier’n dir Sachen

kannz‘ ers‘ später drübber lachen

Junge, Junge, allerhand!

Gibt‘s dat nur im Sauerland?

 

Hallo! Schön, dass Sie da sind.

 

Wir sind im Sauerland – live und mittendrin. Naja, also eigentlich mehr so hinten, da, wo man immer denkt, dass da nicht viel los sein kann. Aber da täuscht man sich. Hier ist immer was los.

Wir, das ist die Familie Knippschild. Meine liebe Frau Steffi, unser Sohn Max, vierzehn, und ich: Alex Knippschild, … aber für Sie gerne nur der Alex. Vielleicht kennen wir uns ja auch schon.

Wir wohnen seit einigen Jahren in dem kleinen Dorf Leckede zwischen Misthaufen, Kirchtürmen und Güllegruben, wo es wirklich sehr schön, sehr beschaulich, sehr grün, meistens am Schiffen is‘, wie der Sauerländer sagt, wenn er regnen meint - und natürlich sehr bergig.

Land der tausend Berge. Sie haben sicher schon mal davon ge­hört, oder wohnen vielleicht sogar selber hier. Es ist nicht exotisch, nein, denn, wo die Misthaufen qualmen, da gibt’s keine Palmen, wie der Dichter ja so schön sagt, aber das muss es auch nicht sein.

Und ich, Alex Knippschild, kenne das Sauerland ja auch schon sehr lange, weil ich hier geboren bin. Meine Steffi übrigens auch, aber ganz woanders. Das Sauerland ist ja nicht gerade klein und da kannten wir uns einfach noch nicht. Irgendwann sind wir dann beide mal unabhängig voneinander vor den Misthaufen in die große Stadt geflohen …, um dann aber gemeinsam und zu dritt wieder zurückzukommen.

Ich bin jetzt Chefredakteur (was sich wichtiger anhört, als es ist) einer kleinen wöchentlich erscheinenden Zeitung in unserer Gegend, dem Sauerlandbeobachter.

Und wer das Sauerland sorgfältig beobachtet, der wird sich immer wieder wundern, schmunzeln oder auch mal den Kopf schütteln müssen über diese Sauerländer.

Mehr als ‘n Sauerländer kann der Mensch nich‘ werd‘n, sagen manche hier. Naja, ist ja nicht ganz ernst gemeint.

 

Sie werden vor allem mich und meine kleine Familie ziemlich gut kennenlernen. Unser Leben, unsere Problemchen, unseren Spaß, unsere ständigen Katastrophen, unsere Abenteuer – mitten unter Sauerländern. Unter uns Sauerländern.

Aber Sie werden vor allem sehr viel Bekanntes und sehr viel Menschliches finden. Denn auch im Sauerland ist das Leben meis­­tens schrecklich nor­mal und doch so völlig bekloppt.

So wie bei Ihnen.

Und Sie werden sich immer wieder fragen: Wat machen se denn getz wieder, de Knippschilds?

Also auf ins erste Abenteuer. Sauerland live!

 

Viel Spaß dabei!

 

Ihr Alex Knippschild

 

Das erste Abenteuer

 

Frau Pütter braucht Weh-Lahn

 

„Ich krich de Pimpernellen!“, sagt die Frau, „ich krich de Pimpernellen!“ Dabei schüttelt sie den Kopf, dass die bläulichen Dauerwellen fast herausgeschleudert werden.

De Pimpernellen!

Natürlich weiß man nicht, was de Pimpernellen wirklich sind. Eine Krankheit, Viren, Bakterien? Man weiß nur, dass es ernst um die arme Frau steht und dass sie Gefahr läuft, auf der Stelle verrückt zu werden.

Max und ich sehen uns mit großen, erstaunten und neugierigen Augen an. Ich hab ihn gerade gerade von der Schule abgeholt, und weil ich bei Handyfone, dem Handyladen meines Vertrauens noch ein paar kleine wichtige Informationen, was die Welt der modernen Kommunikation betrifft, haben wollte, habe ich ihn einfach mitgenommen.

„Dauert nicht lange, Max.“

„Na, gut.“

Er geht sonst eigentlich recht gerne in den Handyladen – aber nicht mit mir.

Die ältere Dame, die ja laut ihren eigenen Aussagen droht, diese berüchtigten Pimpernellen zu kriegen und in eine ernsthafte psychische Störung hineinzugeraten, wird von einer sehr jun­gen, recht hübschen Frau mit einem fast nicht sichtbaren Piercing in der Unterlippe be­treut, das eigentlich aussieht, als hätte sie noch etwas Frühstück im Gesicht. Reste eines Mohnbrötchens vielleicht. Sie kümmert sich geradezu rührend um die ältere Frau, lächelt sanft, fasst die Frau sehr fürsorglich am Arm und führt sie zu einem Tisch in der hinteren Ecke des La­dens, wo es etwas ruhiger ist und wo sie nicht mehr so im Zentrums der allgemeinen Aufmerksamkeit steht. Denn es handelt sich ja eher um einen sehr priva­ten Moment, wenn man de Pimpernellen kriegt. Und wer will da schon größere Aufmerksamkeit erregen?

Trotzdem sind Max und ich natürlich immer interessiert an derlei menschlichen Abgründen und schleichen uns, mit schlecht gespielter Aufmerksamkeit die Angebote der aktuellen Smartphonewelt betrachtend, an den Regalen des recht gut besuchten Ladens vorbei in Richtung hintere Ecke.

Da haben wir einen sehr guten Platz, können gut sehen und hören, und bekommen so sicher alles mit, was mit dem geistigen Verfall dieser Frau zu tun hat. Vielleicht kann man ja auch helfen, wenn es der Frau wirklich so schlecht geht. „Wie kann ich Ihnen denn helfen?“, fragt die junge Handysachverständige und schaut der armen Frau tief und vertrauensvoll in die leeren Augen. Die freundliche Kundenberaterin hat sowas in ihrer Stimme, wie dieser Mann, der nachts im Radio immer die Hilferufe völlig verzweifelter Menschen annimmt und auf sie einredet, damit sie sich nicht das Leben nehmen - oder eben anderen.

Die ältere Dame, ich schätze sie so auf etwa fünfundsiebzig, Ende Siebzig, hat sich scheinbar etwas beruhigt, bringt auch schon wieder so etwas wie ein Lächeln zustande und sagt dann: „Dat mit dem Lahn geht nich‘ mehr. Ich krich noch …“

„Ja, ja.“

Dann jammert die arme Frau, macht ein reichlich zerknittertes Gesicht und schüttelt verzweifelt ihr Handy, das sie fest umschlossen in ihrer rechten Hand hält, und auch schon wieder ihren Kopf, weil das verdammte Leben immer schwieriger wird. Und sie fängt schon wieder an, sich ein wenig aufzuregen.

Max sieht mich an und verdreht die Augen. Ja, ja, ich weiß schon, was er denkt. Die alten Leute! Was brauchen die denn überhaupt noch ein Handy? Ich weiß auch, dass Max mich insgeheim auch schon dazuzählt, obwohl ich erst sechsundvierzig bin und leider auch ab und zu mal ein kleines Problem mit dem technischen Wunderdings oder meinem Laptop habe.

Dann habe ich ihn auch manchmal ganz locker, so wie nebenbei, als ob es gar nicht so wichtig wäre, gefragt, wie man denn dieses oder jenes wieder hinbekommen könne. Aber bis ich meinen Sohn frage, muss ich wirklich total am Ende sein, denn das leicht überhebliche Kopfschütteln, das er sich verdammt noch mal nie verkneifen kann, ist kaum auszuhalten.

Meistens habe ich dann mindestens schon einen halben Tag damit verbracht, das widerliche Handy- oder Computer-Problem selbst zu lösen. Oft habe ich dann aber dabei alles verstellt und es ging dann ein paarmal einfach gar nichts mehr. Sowas macht natürlich außerordentlich schlechte Laune und gefährdet manchmal sogar eine Ehe. Steffi geht mir jedenfalls den ganzen Tag aus dem Weg, wenn das Scheißding oder das Internet mal wieder nicht richtig funktionieren.

Das Schlimmste ist allerdings, dass Max alles mit ein paar flutschigen Tippern aufs Display oder in die Tastatur in Windeseile wieder hinbekommt.

„Da, Alter, bitteschön, ich weiß nicht, was du da immer mit machst!“

„Was ICH damit mache?“

Tja, die Jugend! Manchmal etwas zu kodderschnäuzig für meinen Geschmack.

„Dat Lahn!“, röchelt die hilflose alte Dame noch immer und sieht die Handyfachfrau voller Hoffnung auf ihre nahende Rettung an.

„Sie meinen W-Lan?“, verbessert Frau Handyfone jetzt sehr mit­fühlend, verständnisvoll und auch kompetent, denn sie kennt sich schließlich aus. Und auch von diesem Problem hat sie vielleicht schon des Öfteren ge­hört und weiß vielleicht ja sogar eine Antwort.

„Ja, dat Lahn, dat Weh-Lahn, ja, dat geht nich‘“, stöhnt die alte Dame und sucht nach einem Stuhl, den es aber hier in diesem modernen Laden nicht gibt. „Da habbich immer Rezepte un Krankheiten geguggelt. Dat geht getz nich mehr! Ich krich de Krimmenoten!“

Ah ja, richtig, die Krimmenoten kann man ja auch noch kriegen hier im Sauerland. Hatt‘ ich ganz vergessen. Was die Krimmenoten sind, weiß natürlich auch keiner. Aber wahrscheinlich so was Ähnliches wie die Pimpernellen.

Frau Handyfone nickt zunächst mal voller Verständnis, was be­deuten könnte: Das kriegen wir schon hin.

„Und et ging ja immer!“, heult die arme ältere Frau jetzt. „Hier“, sagt sie dann und streckt der Beraterin anklagend ihr Handy entgegen. „Is‘ gar nich‘ mehr da, dat Lahn!“

„W-Lan“, korrigiert die junge Frau jetzt schon mit einem Hauch von Vorwurf, denn sie hatte es ja eben gerade erst richtiggestellt.

Ja, alte Menschen brauchen ja immer so lange, bis sie es dann endlich kapieren. Doch der Geduldsspeicher von Frau Handyfone ist anscheinend frisch aufgeladen und hat wohl noch ein paar Balken.

„Et hieß ‘Rastamann‘. Dat war unser Hund. So ‘ne Art Pudel, wissen Se? Der hatte immer so lange verfilzte Haare, woll. Mein Sohn hat den so genannt.“

„Aha“, lässt Frau Handyfone hören und nickt still.

„Un dat Weh-Lahn.“

„Bitte?“

„Ja, dat ham we dann auch so genannt. ‘Rastamann‘. Un getz sin se beide wech. Der Hund un dat Weh-Lahn. Unser ‘Rastamann‘ is ja schon lange tot, müssen Se wissen. Der hatte überall so Geschwüre am Ende. Und da hat der Dockter ihm de Spritze geben müssen, woll. Ach, unser ‘Rastamann‘.“

Die Frau wischt sich eine kleine Träne aus dem Auge. Auch ich bin gerührt und taste nach den Tempos in der Jackentasche, nur für den Fall. Max bläst still die Backen auf und stöhnt leise „Boah!“ Sowas hat er dann wohl auch noch nicht erlebt.

„So!“ Die alte Dame hat sich wieder gefangen und schwenkt jetzt noch mal ihr Handy. „Aber dat Lahn will ich getz wiederhaben!“

„W-LAN!“

„Ja, Weh-Lahn, von mir aus!“ Die alte Frau wird jetzt auch ein wenig lauter. Als ob es jetzt darauf ankäme, Lahn oder Weh-Lahn. Et is‘ wech! „Ja, sehen Sie“, setzt die freundliche Jüngerin der Telekommunikation jetzt ihre Therapie fort, „es kann ja auch hier gar nicht gehen, das W-Lan, weil Sie ja nicht zuhause sind.“

„Wie? Dat geht nur, wenn ich bei ihm bei bin?“

„Bei wem?“

„Na, bei dat Weh-Lahn!“

Die junge Verkäuferin muss lächeln. Etwas gnädig, aber sie lächelt - noch.

„Also, es ist ja so, liebe Frau: Das W-Lan kann natürlich nur bei einem zuhause funktionieren.“

„Bei Ihnen zuhause?“ Die Frau mit dem Lahn-Problem scheint verwirrt.

„Nein, nein, bei Ihnen, nur bei Ihnen zuhause“, antwortet Frau Handyfone immer noch recht geduldig. Sie hat scheinbar Hoffnungen, doch noch etwas zu bewirken.

„Nur bei mir?“ Jetzt versteht die arme alte Dame gar nichts mehr. Aber bei meinem Sohn gehdet doch auch.“

„Ja, bei dem auch, der hat dann ein eigenes W-Lan, aber hier eben nicht!“

“HIER NICH‘?“ Jetzt scheint die Welt der armen Frau zusammenzubrechen und sie wird sogar richtig laut. „Dat gibbs donnich! Ham Sie sowat gar nich‘? Weh-Lahn? Ich dachte, dat wär hier so ‘n Internetgeschäft. Boah, ich werd‘ noch rammdösig dabei!“

Rammdösig. Ja, das gibt es auch noch. Natürlich!

Frau Handyfone atmet schwer und ordnet ein paar bunte Prospekte auf dem Tisch. Dann reißt sie sich wieder professionell zusammen und sagt: „Natürlich haben wir auch W-Lan hier, aber eben nicht Ihres.“

„Ich versteh überhaup‘ nix mehr.“

Nein, das ist auch zuviel verlangt, finde ich und bin kurz davor einzugreifen. Ja, hat denn diese junge Schnepfe mit dem ekligen Metallpinn in der Unterlippe überhaupt kein Feeling für so eine alte Dame, die doch noch aus einer Zeit kommt, wo man vielleicht als erster und einziger in der Siedlung ein Wählscheibentelefon hatte und noch Briefe und Postkarten schrieb.

„Es geht HIER nicht, IHR W-Lan, weil sie so weit WEG sind von zuhause.“

Jetzt rückt die junge gepiercte Schnecke auch noch näher an die Dame heran und spricht so laut und so deutlich, dass der halbe Laden sich zur Ecke hin umdreht. Wer alt ist, ist doch nicht auch gleich schwerhörig! Unverschämtheit!

„Ich wohn‘ doch nur umme Ecke“, verteidigt sich die alte Dame vehement und droht der jungen Frau jetzt wieder mit ihrem Handy, das sie wie eine gefährliche Waffe erhebt.

„Ja, aber fürs W-Lan eben ZU WEIT.“

„Ja, kann ich dat nich‘ mitnehmen, dat Weh-Lahn?“

Frau Handyfone sagt jetzt gar nichts mehr, atmet schon etwas schneller und schaut hilfesuchend um sich. Ist denn der Kollege noch nicht wieder da? Der könnte doch viel­leicht mal eben übernehmen – oder der Chef? Nein, sie ist allein. Doch dann zwingt sie sich wieder zu einer gewissen beraterischen Ruhe und fährt mit der Intensivbehandlung fort.

„Was haben Sie denn für einen Router zuhause, liebe Frau?“

„Wat?“

„Naja, also … wie gehen Sie denn ins Internet?“

„Naja, über Weh-Lahn!“, antwortet die alte Kämpferin und gibt so schnell nicht auf. Das spürt man und sie bekommt von mir die größte Hochachtung dafür. „Ich krich de Pimpernellen!“

Ist doch schön, wenn man zwischen Pimpernellen, Krimmenoten und rammdösig werden auswählen kann. Aber gab’s da nicht noch was?, frage ich mich.

„Jaja, das sagten Sie … und der Router …?“

„Ich hab ’n Receiver“, antwortet die alte Dame jetzt ganz trotzig und auch stolz, dass sie auch so ein tolles Fremdwort kann.

Max schlägt die Hände vors Gesicht. Er kann es einfach nicht glauben. Naja, aber da kann er doch mal sehen, dass er es mit mir noch relativ einfach hat. Ganz so weit weg von der modernen Welt bin ich ja gar nicht. Gut, dass ich ihn mitgenommen habe.

„Der Receiver ist natürlich fürs Fernsehen“, sagt Frau Handyfone aufklärend und scheint bemerkt zu haben, dass gewisse grundlegende Basiskenntnisse hier einfach noch fehlen. „Wie und wo haben Sie das denn gekauft?“

„Dat Fernsehen? Ja, bei Elektro Hermanns inne Stadt.“

„Nein, nicht das Fernsehen …“

„Dat Internet?“

„Äh, ja, …das Internet.“

Es haben sich inzwischen noch einige andere interessierte Kun­den zu uns gesellt, die diesem hochqualifiziert besetzten Technik-Symposium lauschen. Einige nicken und andere schütteln die Köpfe, aber alle hören gebannt zu.

„Also, das … Internet, ja, wo haben Sie das gekauft?“, fragt Frau Handyfone jetzt und hat sich damit geschickt auf die Gesprächsebene ihres Gegenübers eingestellt. „Haben Sie das telefonisch bestellt oder wie?“, fragt sie und möchte jetzt wohl gerne auch einige Ergebnisse haben. Der Laden ist voll, alle Kunden haben Probleme, das haben sie immer, wenn sie mit diesen Gesichtern den Laden betreten, und der Tag ist noch lang.

„Der Mann war da“, antwortet unsere Dame todessicher, dass das die richtige Antwort sei.

„Ah ja ... und der ….

„… der hat den Receiver dann drangemacht.“

„Keinen Router?“

„Ich weiß nicht, wat dat is‘, junge Frau.“

„Vielleicht haben Sie ja gar kein Internet.“

„Ja, richtich, deswegen bin ich ja hier. Boah! BIN ICH DENN MACKACKI?!“

Das war’s! Genau.

Bin ich denn mackacki?! Das ist der noch fehlende Begriff im berühmten Quartett der Ausdrücke, die ein Sauerländer fürs baldige Verrücktwerden hat.

Donnerwetter. Ich muss mich schon wundern. Diese Frau scheint ja wirklich alle Spielarten des Sauerländischen draufzuhaben. Mackacki heißt natürlich auch, dass man droht, den klaren Kopf zu verlieren, aber langsam auch die Geduld und sich auf jeden Fall nicht veräppeln lassen will. Ja, es gibt da feine Unterschiede, auch wenn man hier wieder nicht genau weiß, wo es herkommt.

Bin ich denn mackacki? Sehr schön. Ich muss still in mich hinein lächeln.

Da nähert sich in dieser prekären, zugespitzten Situation der Herr des Hauses Handyfone, der Chef persönlich, wie man gleich erkennen kann am aufrechten Gang und einem Gesichtsausdruck, der uns alle sicher macht, dass dieser böse Spuk hier gleich vorbei sein wird. Einige scheinen zu bedauern, dass das großartige Kammerspiel zu Ende zu gehen droht, andere erwarten es offensichtlich mit gewisser Erleichterung. Ich gehöre eher zur zweiten Gruppe und hoffe sehr, dass der alten Frau jetzt endlich professionell geholfen wird - und sie ihr geliebtes, schmerzlich vermisstes Weh-Lahn endlich wiederbekommt.

Was haben die alten Leute denn sonst noch vom Leben? Die ganze Freude ist doch längst dahin. Der Hund und vielleicht auch der Mann gestorben, die Kinder kommen alle paar Wochen mal auf einen Sprung vorbei, der Faden zum richtigen Leben ist doch abgerissen. WEH-LAHN! Das brauchen die!

Der neue frische Mann schreitet aus den hinteren Katakomben des Ladens heran und genießt die allseitige Beachtung und Bewunderung der Anwesenden. Es geht ein Raunen durch die Menge, die sich inzwischen schon wieder ein wenig vergrößert hat. Er kaut anscheinend noch auf einem Rest Pausenbrot herum.

„Was gibt es denn?“, fragt er souverän und welt- und vor allem fachmännisch. Das hört man gleich. Er räuspert sich dann noch mal und schluckt die letzten Krümel seines schmackhaften Mahls herunter. Dann lächelt er zunächst mal – mit leicht sadistischen Zügen, wie ich finde – die ältere Dame an und nickt vertrauenerweckend. Jedenfalls soll es so aussehen.

Die junge Frau Handyfone spielt plötzlich nur noch eine unbedeutende Nebenrolle, was ihr aber sehr entgegenzukommen scheint, denn sie wirkt durch das Auftauchen des allmächtigen Regulators aus dem Pausenraum echt erleichtert, einer gewissen Schwere der Verantwortung enthoben und überlässt ihm nur zu gerne das bereits mühsam beackerte Feld.

Als der Herr des Geschehens sie dann aber fragend ansieht und auf eine plausible Erklärung dieser offensichtlich ausweglosen und für sein Geschäft unhaltbaren und verfahrenen Situation wartet, sagt sie etwas nervös: „Ich hab versucht, der Frau zu erklären, dass sie hier bei uns kein W-Lan haben kann.“

Diese dürre Einführung in die laufende Diskussionsrunde hatte der Meister der Kommunikation wohl nicht erwartet.

„Sie kann hier kein W-Lan haben? Wir haben hier ALLES!“

Das wiederum macht Frau Handyfone noch nervöser, denn so stimmt es ja auch nicht. Und er hat natürlich recht. Hier bekommt man alles.

„Doch, ja, ja, natürlich. Nur eben nicht ihr eigenes, Herr Schimmeroth, hier nicht. Geht ja nicht, es ist ja bei ihr zuhause, heißt ‘Rastamann‘ und ist schon lange tot, weil er überall so Geschwüre hatte, VERDAMMT NOCH MAL“, lässt sich die arme junge Frau jetzt zu einem emotional recht fragwürdigen Ausbruch hinreißen.

„Na, na, Frau Heggemann, wir woll’n doch mal nicht gleich …“

Frau Heggemann, alias Handyfone, hebt beide Hände, so war es ja nicht gemeint, Entschuldigung, aber sie kann jetzt einfach nicht mehr und versucht, sich unbemerkt aber endgültig aus der Schusslinie zu bringen.

„Liebe Frau“, sagt der Imperator jetzt zu der älteren Dame, die verwirrt von einem ihrer behandelnden Fachkräfte zum anderen schaut und noch nicht genau zu wissen scheint, wer von beiden ihr denn nun in dieser ausweglosen Situation helfen und aus welcher Richtung ihr Weh-Lahn denn jetzt zurückkommen wird.

Ist es schon da? Kann man es schon sehen? Denn sie scheint zu spüren, dass dieser neue junge Mann ja so einen Eindruck macht, als würde er ihr ihr geliebtes Weh-Lahn wiedergeben können. Der Laden scheint es jedenfalls zu haben. Hat er ja gesagt.

„Ich seh‘ mir Ihren Account mal eben an“, sagt er jetzt und stiftet damit bloß Verwirrung. „Sagen Sie mir doch mal ihr Kennwort, bitte, Frauäh …?“

„Pütter“, sagt sie, „Hättwich Pütter, Grabenstraße 4.“

„Danke, ja, … ihr Kennwort vielleicht, dann kann ich das alles mal hier nachsehen.“

Es ist zwar momentan auch für mich als mittelmäßig Kommunikations-Erfahrenen nicht einzusehen, warum der Mann jetzt das Kennwort will. Es würde ja reichen, der Frau die komplizierte Thematik des Weh-Lahn einfach plausibler zu erklären, als es seine Kollegin bisher vermocht hat. Aber mit dieser Frage hat er der alten Frau natürlich ein wenig Stoff zum Nachdenken gegeben, etwas Luft aus der ganzen Sache gelassen, auch auf die billige Tour ein wenig Zeit gewonnen und das Beratungsgespräch somit auf eine ganz andere Ebene gehoben.

Er fasst die Dame jetzt galant am Arm, nutzt damit ihre kurzzeitige Orientierungslosigkeit ein wenig aus und versucht, sie in die Ecke mit dem Monitor des Handyfone-Laden-PCs zu bugsieren. Ins Allerheiligste, sozusagen, wohin man als neutraler Beobachter dann leider auch nicht mehr völlig uneingeschränkte Sicht auf die Dinge hat. Es ist dort etwas privater. Man ist in dieser heiligen Ecke mit dem Hohepriester fast allein – intim und persönlicher. So fällt auch das Beichten erheblich leichter.

Deshalb dränge ich Max auch schnell, ruhig mal ein oder zwei Schritte in diese Richtung zu machen, damit nicht andere uns diesen Platz mit der letzten guten Sichtmöglichkeit dort streitig machen können.

Denn dort in der Allerheiligsten-Ecke wird man jetzt im direkten Dialog versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen und alle weltlichen Probleme dieser ehrwürdigen alten Dame zu lösen.

Hättwich Pütter folgt dem Kommunikations-Würdenträger leicht ver­wirrt und sicherlich auch immer noch über das Rätsel mit dem Kennwort nachdenkend, das sie wahrscheinlich auch noch nicht gelöst hat.

Etwas wehmütig blickt sie noch mal zurück zu der netten Frau Handyfone-Heggemann mit dem schwatten Krümmel an der Unterlippe, die sich bisher so rührend um sie gekümmert hat und die jetzt etwas verloren in der hinteren Ecke des Ladens zurückgelassen wurde und vielleicht soeben ihre schöne Arbeitsstelle verloren hat, vielleicht ihre gesamte Zukunft verbaut und ihr Leben verwirkt hat.

Sie tut Frau Pütter etwas leid und deshalb hebt die alte Dame noch mal die faltige Hand, um ihr ein letztes Dankeschön und einen lieben Abschiedsgruß zuzuwerfen.

„Ihr Kennwort, also bitte!“, sagt der Mobilfon-Meister jetzt noch mal überirdisch grinsend, als er seine strategisch günstige Position hinter dem Monitor einnimmt und der alten Dame nur der Platz vor der schicken Theke in mattgrau ihm gegenüber bleibt.

Allerdings hat man kundenfreundlich und vermeintlich seniorengerecht hier einen Barhocker aus Chrom aufgestellt, den Frau Pütter jetzt sportlich zu besteigen versucht. Denn das verlockende Angebot einer Sitzmöglichkeit will sie nicht ausschlagen. Es gelingt ihr nach zwei oder drei vergeblichen Versuchen, die etwas höher gelegene gepolsterte Sitzfläche des modernen Möbels zu erklimmen und lässt sich dann mit einem nicht ganz damenhaften Schnaufen darauf nieder. Geschafft. Endlich.

So. Wat wollt ich?

Nein, er wollte ja etwas. Dieser Mann, der ihre Erstbesteigung eines Barhockers mit interessiertem Blick begleitet hat. Und er will es noch immer. Das Kennwort.

Sie hat es nicht!

Klarer Fall, die Frau hat ihr Kennwort nicht parat. Der Allwissende weiß es schon, seit er ihr diese Frage gestellt hat. Es ist doch immer dasselbe, diese alten Leute können sich einfach nichts merken.

„Weisichnich‘“, sagt Frau Pütter dann auch erwartungsgemäß etwas verschämt aber auch leicht bockig. Immer diese Kennwörter! Wat soll ich mir denn noch alles merken?

„Sie haben ihr Kennwort also nicht parat?“

„Nä!“, sagt sie und geht damit direkt auf Konfrontationskurs. Das spürt man. „Habbichnich!“ Und dann sagt sie noch: „Der ganze Kokolores!“

Max sieht mich kurz an und grinst. Er ist im Großen und Ganzen ziemlich angetan von diesem aufregenden Schauspiel nach der langweiligen Schule. Und auch mir gefällt es nicht schlecht, zugegeben, ja, aber die alte Dame beginnt mir doch richtig leid zu tun. Und ich stünde bereit, um für sie in einen heldenhaften Kampf zu gehen.

Ja, da bin ich jetzt mal eindeutig auf der Seite der Alten, der Ausgestoßenen, der Abgelegten, der Eingerosteten, der Schwerhörigen, der Klapprigen, der Zittrigen und der Vergesslichen.

Ich selbst schreibe mir meine Passwörter natürlich immer gewissenhaft auf. Am besten direkt ins Smartphone hinein, damit ich alles auch immer dabei habe und nicht erst lange suchen muss, wenn ich mal danach gefragt werde. Ich möchte niemals in so eine peinliche Extremsituation wie die arme Frau Pütter kom­men.

Ich habe da einen kleinen Ordner angelegt, wo auch gleich alle anderen wichtigen Daten abgelegt sind, damit ich auch danach nicht lange zu suchen brauche, wenn es ernst wird. Man kann ja nicht alles im Kopf haben.

Da sind dann also die Pin-Codes für die Bank, Zugänge zu verschiedenen Foren und Unternehmen, naja, Schlüssel für die Freischaltung einiger wichtiger Softwareanwendungen, eben alles, was man in der modernen Welt so hat. Natürlich hat der Ordner einen verschlüsselten Namen, auf den nicht jeder kommt und ist selbstverständlich besonders gut versteckt. Ist ja klar. Ich habe ihn zunächst in den Ordner ‚Privat‘ gelegt, der ja sowieso keinen was angeht, und dann habe ich da wieder einen Unterordner angelegt, der … naja, … gut, … er trägt den Namen unseres leider zu früh verstorbenen Hundes. ‚Waldmeister‘ heißt dieser Ordner.

Da kommt doch … NIE jemand drauf. Und weil es so todsicher ist, habe ich das Ganze alles auch genau so auf unserem PC zuhause abgespeichert. Steffi versucht mir immer wieder einzureden, wie gefährlich das doch sei, weil jemand, der diesen Ordner findet, dann alles weiß. Der könne ja dann überall hin und rein und alles sehen und machen. „Du weißt doch selbst, was heute alles möglich ist, Alex. Die können doch alles ‚häcken‘!“ Aber mal ganz ehrlich, wer soll den Ordner denn finden?

„Ohne Kennwort ist natürlich nichts zu machen“, sagt der Allmächtige jetzt wieder recht gnadenlos. „Ich komm dann nicht rein ins System. Verstehen Sie?“

Nein, die Frau versteht es nicht.

„Versuchen Sie doch mal, liebe Frauäh …“

„Pütter!“

„… Frau Pütter, sich zu erinnern. Wie heißt denn zum Beispiel ihr Mann, hat er einen Kosenamen?“

„Is‘ tot“, sagt die arme Frau. „Schon lange. Dat Härz, wissen Se. Der hatte so ’n schwaches Härz, der kam ja kaum noch de Treppe rauf, die olle Krücke.“

„Jaja, … hatte er denn einen Kosenamen?“

„Willy.“

„Und keinen … Spitznamen oder so was?“

„Spitz?“

„Ja. Namen!“

Die arme alte Frau denkt kurz nach, holt tief Luft und dann fällt es ihr ein: „Ömmes! Ömmes ham die immer zu ihm gesacht, weil, … der war auch so dick, wissen Se?“

„Ömmes. Ja, gut, Frau Pütter. Mit ‚O‘ und ‚E‘ oder mit ‚Ö‘?“

„Ömmes!“

„Ja, dann probieren wir das mal.“

Doch natürlich klappt es nicht. Nein, ‚Ömmes‘ mit „OE“ oder mi „Ö“ ist nicht das ‚Sesam-öffne-dich‘ für das System von diesem zudringlichen Kerl, der einfach keine Ruhe gibt. Der Herr des Kommunikations-Universums kommt nicht rein. Der Kosename des werten Gatten war es also nicht.

„Ihr Sohn?“, fragt der Meister der Dinge jetzt.

„Ach der“, sagt sie da nur und winkt mit der handyfreien Hand ab. Sie hat sich jetzt ganz gut auf dem Barhocker eingerichtet. „Der hat ja nie Zeit!“

Wusste ich’s doch. Keine Zeit für die liebe Mama! Wahrscheinlich ab und zu mal die Hand aufhalten, wenn das Geld des Herrn Sohnes wieder mal zuende gegangen ist, und dann die arme alte Frau Mutter um ein paar Euro von ihrer kärglichen Rente anbetteln. So hab ich’s gerne!, rege ich mich schon wieder innerlich auf, und mein Mitleid für diese einsame, vernachlässigte Person steigt schon wieder. Vielleicht sollten wir diese Frau Pütter bei uns aufnehmen. Wir haben viel Platz, das Haus ist groß, das zweite Kinderzimmer wurde ja noch nie benutzt und Steffi würde sicher nichts dagegen haben, ihren Kram da rauszuräumen und für Frau Pütter Platz zu machen. Scheint doch auch sehr nett zu sein, die alte Dame.

„Der is‘ Chefarzt im Marienhospital, wissen Se“, sagt sie jetzt und nickt dazu.

„Ah so“, sagt Herr Mobilfon offensichtlich einigermaßen beeindruckt und einen ganz kurzen Moment sieht es aus, als ob er über sein eigenes Leben nachdenkt. Aber dann fragt er: „Und wie heißt der? Ihr Sohn?“

„Dr. Pütter!“

„Ja, und Vorname?“

„Ach so, ja, Hans-Jörg.“

Der WLAN-Meister fragt gar nicht mehr, ob Jörg jetzt mit ‚O‘ und ‚E‘ oder mit ‚Ö‘ geschrieben wird und zusammen oder mit Strich in der Mitte, sondern probiert einfach alles mal schnell aus.

Nein. Falsch. Er kommt nicht rein.

„Wie hieß denn noch mal Ihr Hund?“

„Rastamann, dat habbich doch schon de Kollegin … ja, bin ich denn mackacki!“

Da war es wieder.

Ja. Das isses! Rastamann passt. Der Chef ist drin.

„Ach, was haben wir denn da?“, sagt er erst mal vielsagend und nichts ausdrückend. Aber er sieht jetzt alles, was das elektronische Leben von Frau Pütter ausmacht. „Superflat, SMS Flat, und sogar Gigatravel … Reisen Sie denn viel, Frau Pütter? Brauchen Sie das EU-Roaming?“

Sie starrt ihn nur ausdruckslos und sehr bedürftig an.

„Superflätt?“, sagt sie, als sei es ein das ein preiswertes Pfannkuchengericht bei IKEA oder auch ein Wandschrank. „Eh-Uh Rohming? Junger Mann, wissen Se wat? Ich hab bald keine Lust mehr. Ich will mein Weh-Lahn zurück. ‘Rastamann‘ stand da immer und dat soll da getz wieder steh’n.“ Und dabei klopft sie auf ihr Handy und dann schüttelt sie es wieder, so dass es ihr bald aus der Hand fällt.

„Sie könnten ein neues Handy bekommen. Ihres ist ja schon ein paar Jährchen …“, sagt der Mann jetzt etwas abschätzig und leicht überheblich, als ob es sich bei ihrem Model noch um ein kohlebetriebenes Handtelefon der ersten Generation handeln würde. „Samsung Galaxy, wenn Sie wollen.“

Frau Pütter hat jetzt die Sammeldose für das Kinderhilfswerk auf der grauen Theke entdeckt und liest interessiert den Text darauf.

„Die armen Kinder“, sagt sie dann und wartet darauf, dass Herr Mobilfon auch etwas dazu sagt.

„Bitte?“

„Naja, hier“, sagt sie und zeigt auf die Dose. „Die armen Kinder. Ich tu da mal wat rein.“

Der Smartphone-Gelehrte verdreht die Augen, scheint nicht sonderlich erfreut über die Unterbrechung der bisher so gut gelaufenen Eröffnung seines Beratungsgespräches, wartet aber geduldig bis die spendenwillige Frau Pütter ihr Portemonnaie aus der Handtasche gepult hat und der Börse ein Zwei-Eurostück entnimmt, um es sicher in der Dose zu versenken. So, da ham die Kinder getz auch wat!

„Vielen Dank, Frau Pütter, das ist sehr nett von Ihnen“, fühlt der Verkaufspsychologe Schimmeroth, so hieß der Mann doch, wenn ich mich recht erinnere, sich bemüßigt zu sagen und erwartet etwas ungeduldig die Fortsetzung seines Beratungsgespräches.

„Frau Pütter!“, setzt er dann wieder mutig an, weil er ja noch so viel Neues zu verkünden hat. „Sehen Sie mal, so ein Samsung Galaxy, …“

„Galaxie?“, fragt Frau Pütter und scheint Lichtjahre weit entfernt zu sein.

„Ja, … Galaxie, … das hat einen 64er Speicher. 64 Gigabyte, können Sie sich das vorstellen, Frau Pütter?“

Nein, natürlich nicht.

„Gesichts- und Iriserkennung!“

„Iris?“, fragt die alte Dame und denkt vielleicht an eine ebenfalls schon verstorbene gute Bekannte oder Freundin.

„Damit sind Sie nicht nur optisch, sondern auch technisch in der ersten Liga, Frau Pütter!

Sie weiß aber offensichtlich nicht so recht, ob sie überhaupt da hin will in diese erste Liga, und wird so langsam auch etwas unruhig auf ihrem Barhocker. Vielleicht ist der doch nicht so bequem, wie er von unten aussah.

„Zwölf Megapixel Kamera!“, haut Herr Mobilfon schnell noch raus, um Frau Pütter von den Vorteilen dieses ganz besonderen Gerätes vollends zu überzeugen. Sie scheint ja interessiert und nahe dran, ein solches Wunderwerk erstehen zu wollen.

„Bluetooth!“

„Ja, ja.“

„Ultra-High-Quality-Upscaler!”

Frau Pütter entdeckt sich selbst im Glas der spiegelnden Wandschränke hinter Herrn Mobilfon und richtet ihre Dauerwelle ein wenig.

„Dual Band W-Lan!“

Da ist Frau Pütter wieder im Boot.

„Hattat Weh-Lahn?“, fragt sie atemlos.

„Ja, natürlich!“, jubelt der routinierte Spitzenverkäufer geschmeidig. „Hat es!“

„Dann nehm ich dat“, sagt Frau Pütter voller Überzeugung und holt noch mal ihr Portemonnaie heraus, um es dann auch gleich zu bezahlen. „Heißt dat Weh-Lahn da drin auch ’Rastamann‘?“, fragt sie dann aber doch noch, um auch völlig sicher zu gehen, auch das richtige Weh-Lahn zu bekommen.

Das wirft Herrn Schimmeroth etwas aus der Bahn, aber er fängt sich schnell und antwortet federnd: „Noch nicht, aber sie können es so nennen, wenn Sie wollen.“

„Ja, dann is‘ gut“, sagt Frau Pütter, scheint sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung und fragt dann: „Wat kost‘ dat denn?“

Da holt der Herr Schimmeroth erst mal tief Luft und ein fast nicht sichtbares Lächeln legt sich auf seine schmalen Lippen. Es ist also fast geschafft. Jetzt nur noch ein paar Details und das schöne schnelle Geschäft ist perfekt.

Das ist doch ein perfider Hund, dieser Schimmeroth, denke ich so, und auch Max scheint mit mir ausnahmsweise mal einer Meinung zu sein. Der Kerl will ihr da ein sündhaft teures Handy andrehen, mit dem diese Frau doch überhaupt nichts anzufangen weiß und das sie doch technisch und wahrscheinlich auch finanziell total überfordert. Das ist ja wohl …

Das Portemonnaie der armen Frau Pütter liegt jetzt auf der grauen Theke und sie wartet auf eine Antwort.

„Liebe Frau Pütter, Sie werden es vielleicht nicht für möglich halten, aber dieses Gerät bekommen Sie für EINEN Euro!“

Sie fingert wenig beeindruckt einen Euro aus dem ledernen Geldspeicher und reicht ihn an Herrn Mobilfon weiter, um ihm dann direkt ihr neu erworbenes Handy aus der Hand zu reißen und es sehr zufrieden anzusehen.

Der Herr der Handy-Welten ist einen kurzen Augenblick zu verdattert, um schnell zu reagieren und es direkt wieder in seinen Besitz zu bekommen, denn so geht das Geschäft ja nicht. Außerdem versucht Frau Pütter jetzt auch schon, den Abstieg vom Barhocker zu beginnen.

„Moment!“, sagt Herr Mobilfon da erst mal und kommt eilig hinter seiner Theke hervorgesprintet, so einfach wäre das alles ja nicht. Doch Frau Pütter hat gar keine Zeit und Aufmerksamkeits-Kapazitäten frei, um dem jetzt etwas nervösen Mann zuzuhören, weil ihre Füße sich in den Chromspangen des modernen Stuhls verfangen haben und sie erst mal untenrum alles sortieren muss. Beide Handys dabei fest umklammert. Sie bringt sich damit in die Gefahr, einfach vom Stuhl zu kippen.

„Sie müssten dann natürlich für weitere zwei Jahre der Firma Handyfone ihr Vertrauen schenken und hier unterschreiben“, sagt dieser Haderlump mit sabberndem Maul und hat das entsprechende Verfügungspapier schon in den zitternden Händen. Die Frau ist noch immer im Chromstuhl gefangen …

… und da raste ich aus. Zugriff!

Ich sehe Max nur kurz an und er mich und dann hat er begriffen: Der Alte dreht durch!

Oh, nein! Wie peinlich ist das denn jetzt wieder? Mitten im Handyladen! Er dreht er sich augenrollend weg, weil er für solche Situationen leider noch zu wenig Verständnis hat. Das muss er erst noch lernen, in solchen Sachlagen auch angemessen zu reagieren, Ungerechtigkeiten sofort zu registrieren und wirksam zu bekämpfen. Den Unterdrückten muss geholfen werden. Sofort!

Na gut, um die Erziehung meines Sohnes in diesen zwischenmenschlichen Angelegenheiten muss ich mich dann eben später kümmern. Jetzt geht es erst mal um das Leben dieser armen Frau.

Ich schreite also umgehend zur Tat. Wie einer der sieben Aufrechten aus dem so ähnlich genannten Kinofilm nähere ich mich dem Geschehen, helfe zunächst der alten Frau, ihre Füße zu entwirren, um nicht abzustürzen. Es gelingt und Frau Pütter hat wieder festen Boden unter den noch etwas wackeligen Füßen. Und dann schalte ich mich diplomatisch in das quasi noch laufende Verkaufsgespräch ein, während Max das Loch zum Verschwinden sucht.

„Sie Halsabschneider!“, beginne ich erst mal recht formlos in Richtung des gnadenlosen Kopfgeldjägers Schimmeroth. „Sie wollen hier einer armen alten Frau ein scheiß Handy aufschwatzen, das sie überhaupt nicht braucht, sie für zwei Jahre in einen Vertrag zwingen, den sie überhaupt nicht versteht und den sie auch nicht braucht. Sie sind ein Betrüger!“

Mir gehört augenblicklich die Aufmerksamkeit des gesamten Ladens einschließlich von Frau Handyfone-Heggemann, die das Ganze mit gewisser Genugtuung zu beobachten scheint, ohne einschreiten zu wollen. Soll ihr blöder Chef doch zusehen, wo er bleibt, wenn dieser Amokläufer, also ich, ihm gleich an die Gurgel geht. Sie würde sein erbärmliches Leben sicher nicht retten.

Auch Frau Pütter verfolgt mein Eingreifen interessiert aber noch etwas unschlüssig, wem ihre Sympathien gehören, weil sie wohl noch nicht abzuschätzen vermag, auf welcher Seite dieser neue Mann in ihrem Leben, also ich, jetzt gerade kämpft.

„Sie brauchen das nicht, Frau Pütter!“, sage ich, meinen scharfen Ton von eben extrem heruntergepegelt und in eine säuselnde Hypnosestimme verwandelt, nehme ihr das intergalaktische Han­dy, das sie soeben erworben hat, wieder ab und knalle es auf die Theke des Hauses Handyfone, dass Schimmeroth, der gemeine Abzocker, mich entsetzt ansieht. Wie kann man denn mit so einem hochsensiblen Teil …

Frau Pütter scheint sich allerdings erst mal zu wundern, dass ich sie kenne und schaut dann ihrem neuen Handy etwas sehnsüchtig hinterher. Sie würde natürlich auch gerne ihren Euro zurückbekommen, wenn sie das tolle Dings mit dem neuen Weh-Lahn dann irgendwie doch nicht haben darf.

Der Bandit Schimmeroth will etwas sagen, weil er ja schließlich der Herr im Hause ist, weiß aber nicht genau, was. Also hält er seine ver­brecherische Klappe.

„Kommen Sie mal mit“, versuche dann ich die Betreuung der jetzt leicht verstört wirkenden Frau Pütter zu übernehmen. Max ist schon mal rausgegangen.

Frau Pütter ist noch etwas unschlüssig, schaut auf ihr Steinzeithandy, das sie noch immer fest umklammert in den Händen hält, dann auf das Galaxie-Telefon, das sie nun leider doch nicht haben darf, auf Herrn Schimmeroth, der sich doch solche Mühe gegeben hat … und dann sieht sie mich an.

Ich scheine von allen verbliebenen Aussichten vielleicht die Schlimmste zu sein - aber sie entschließt sich doch, mir ihr Vertrauen zu schenken.

Ich fühle mich sehr geehrt. Biete ihr meine starken Arme an, sie hakt sich dankbar ein und dann verlassen wir durch eine schnell gebildete Rettungsgasse unter den Augen der staunenden Menge das Reich des allmächtigen Handyfones und treten hinaus in die unendliche Freiheit des ganz normalen Lebens ohne Weh-Lan.

„Wo wohnen Sie denn, Frau Pütter?“

„Na, hier gleich umme Ecke!“

„Gut. Dann gehen wir da mal hin. Ich bringe Sie mal eben umme Ecke“, sage ich und führe die alte Dame in die Richtung, in die sie zeigt.

„Aber ich will doch noch gar nicht …“

„Doch, doch, ich bringe Sie jetzt mal nach Hause“, wiederhole ich mit etwas Nachdruck und muss jetzt auch die Führung in diesem Pas de deux übernehmen.

Max sieht uns beiden von ein paar sicheren Metern Entfernung zu und ich will ihm zurufen, dass ich gleich zurück bin, aber als er sieht, wie ich versuche, Frau Pütter an meinem starken Arm über die recht gut befahrene Straße zu zerren, kommt er tatsächlich näher. Wahrscheinlich, weil er es einfach nicht mehr mit ansehen kann und es endlich hinter sich bringen will, oder weil er vielleicht doch eine nette jugendliche und menschliche Einsicht hat und zwei älteren Menschen einfach über die Straße helfen will.

„Ist es noch weit?“, frage ich auf der sicheren anderen Seite dann die etwas störrische Frau Pütter und sie sagt: „Nä, da is‘ ja de Haustür!“ Sie ist kurz davor, ihren Arm aus meinem leichten Schraubzwingengriff zu befreien, aber ich halte dagegen.

„Dann machen Sie ihr Handy doch jetzt mal an, bitte, Frau Pütter.“

„Getz?“, fragt sie und ich sehe so etwas Angst vor der unmittelbaren Zukunft in ihren Augen.

„Ja, jetzt! Bitte!“

Sie holt es misstrauisch aus ihrer Handtasche, in der es vor Kurzen erst verschwunden ist, macht es etwas umständlich an und dann helfe ich ihr schnell, die richtigen Touch-Punkte zu treffen, damit wir auch auf der richtigen Seite ihres Handy landen und dann habe ich’s auch schon.

Da: W-Lan. Na, bitte.

Ich reiche ihr kaltlächelnd das Gerät und zeige triumphierend auf das Display.

„Bitteschön! Sehen Sie mal!“

Sie schaut auf das Display, über ihr Gesicht geht ein unerklärliches Leuchten, und sie sieht dann wieder mich und dann noch mal das Display an, und dann sagt sie: „Rastamann! Da isser ja wieder!“

„Genau“, sage ich. Zack, Zack. So einfach geht das. Und werfe bei dieser günstigen Gelegenheit auch Max gleich noch einen leicht überheblichen Blick zu. Siehst du? Bin nicht so doof, wie du denkst.

Der wirft aber dann doch noch fachkundig ein, dass die liebe Frau Pütter ja vielleicht ihr W-Lan- Netz mal verschlüsseln sollte, damit nicht jeder …

„Ach, wat, junger Mann“, sagt sie da, „Rastamann war ja mein Hund. Den kennt ja keiner.“

Ja, da hat sie natürlich recht. Und dann will sie noch ‘ne kleine Runde mit dem Hund gehen.

„Aber gehen Sie nicht zu weit, Frau Pütter. Besser wär’s, Sie bleiben ab jetzt doch lieber mit ‘Rastamann‘ im Haus.“

„Jo, da hamse recht. Sons‘ haut er wieder ab, woll.“

Und dann verabschieden wir uns von der lieben Frau Pütter und begleiten sie mit zufriedenen Blicken auf ihrem Weg in das Haus Grabenstraße Nummer vier. Sie wird also wahrscheinlich nicht bei uns einziehen, sondern ihr Leben weiter allein meistern können, weil Alex Knippschild wieder einmal das Böse bekämpfen konnte.

„Was wolltest du eigentlich in dem Laden?“, fragt Max mich dann noch kurz, als wir ins Auto steigen.

„Ach“, sage ich, „nicht so wichtig.“

Ich will ihm jetzt einfach nicht sagen, dass ich mich eigentlich für so ein tolles Samsung Galaxy interessiert habe, das ja für nur einen Euro zu haben gewesen wäre und ich dann natürlich auch gerne für zwei weitere Jahre den entsprechenden Knebelvertrag unterschrieben und mich dem allmächtigen Handyfone bereitwillig geopfert hätte.

Nein, das kommt für mich jetzt nicht mehr in Frage. Wir lassen uns doch nicht für dumm verkaufen! So nicht! Nicht mit uns!

„Ja, bin ich denn mackacki? Da krich ich doch die Pimpernellen!“, rufe ich laut über die Straße und Max ist es schon wieder peinlich.

Aber dann fahren mein Sohn und ich endlich mit dem Gefühl, heute schon etwas wirklich Gutes getan zu haben, nach Hause.

So kann‘s doch weitergehen!

 

 

Erste Sauerländer Weisheit:

 

Tolle Technik – gut und schön

Alles brauchsse nich‘ versteh’n.

 

Das zweite Abenteuer

 

Wie ‘ne Omma!

 

„Ich weiß nicht, ich weiß nicht“, sagt meine liebe Frau Steffi, sieht mich mit ihrem skeptischen Schiefblick an, dem eigentlich nichts durchgeht und der alles begreifen will. Ich ahne aber schon, dass sie eben doch sehr genau weiß, was sie ja angeblich nicht weiß.

Jetzt zuppelt sie an mir rum.

Steffi zuppelt öfter mal an mir rum. Meistens an meinen Sachen, weil irgendwas nicht so sitzt, wie es sitzen sollte, oder wie sie sich ein bestimmtes Kleidungsstück an mir vorgestellt hatte.

„Mmh“, sagt sie dann meistens und wirkt immer etwas unzufrieden, tritt einen Schritt zurück, um meine Wirkung so im Ganzen zu beurteilen und im schlimmsten Fall schüttelt sie den Kopf. Da sitzt mal der Hemdkragen schief, über meinem kleinen Bauch spannt es ein wenig und die „Mach-einen-Knopf-mehr-zu-Emp­fehlung“ kommt auch schon mal öfter. Nein, nein, nicht, dass Sie denken, ich hab das Hemd bis zum Bauchnabel offen und zwischen einer urwaldigen Brustbehaarung auch noch eine schwere Goldkette am Baumeln. Nein, nein. Ich hab’s nur gerne etwas freier um den Hals herum. Wenigstens zwei Knöppe auf.

Na, ist auch nicht so wichtig jetzt.

Denn heute zuppelt sie wieder mal an meinen Haaren herum. Das passiert so alle paar Wochen, oder auch wenn ich sie mal gewaschen habe. Das habe ich heute und dann weiß ich ja selbst, dass ich nicht mehr wie ein menschliches Wesen aussehe.

Dieses ganze Haarpracht-Volumen und die verdammte Fülle, so, wie es uns ja auf den Shampoo-Flaschen versprochen wird! Alles ist so schrecklich locker und aufgebauscht, kein Zusammenhalt mehr in dem ganzen Gewölle, mein Kopf ist auf einmal viel größer und runder … ach, es sieht einfach unmöglich aus. Da muss dann erst mal wieder Fett in die Haare, damit man da auch gestalterisch wirken kann. Nivea geht eigentlich ganz gut.

Ja, direkt nach einer Haarwäsche sehe ich aus wie ein Alpaka oder Richard Wagner, wie ein … ein aufgeplusterter prähistorischer Vogel oder wie …. wie …

„Wie ‘ne Omma! Du siehst aus wie ‘ne Omma!“, sagt Steffi. Ja, genau. Das meinte ich wohl.

Das sagt sie oft, wenn sie sich nicht mehr so ganz sicher zu sein scheint, ob ich auch noch immer der bin, der ich mal war, oder der ich gerne sein möchte. Omma aber auf keinen Fall.

Ja, ich hab die Haare gern etwas länger, auch wenn oben schon eher so das Dünne, sogar das beängstigend Dünne, vorherrscht. Aber „wie ‘ne Omma“, nä, das ist schon hart. Dann werde auch ich nachdenklich.

Wo ich doch bis gerade eben noch dachte, es sei trotz Haarwäsche eigentlich alles noch in bester Ordnung mit mir. Hab schließlich ordentlich nach­gefettet. Der Blick in den Spiegel gab mir auch recht. Dachte ich. Siehst doch noch ganz gut aus, alter Knacker. Für dein Alter gar nicht mal so übel obenrum.

Aber nein, … scheinbar eben nicht. Wie ‘ne Omma!

Man muss aber auch wissen, dass mir das Gezuppel und die skeptisch besorgten Blicke meiner Frau nun wirklich überhaupt nichts ausmachen. Also, nicht viel. Nein, nein, das darf sie schon. Ich bin ihr eigentlich sogar dankbar, dass sie quasi als letzte Qualitäts-Prüfung vor der offenen Haustür noch mal draufguckt, bevor sie mich dann seufzend auf die Straße entlässt.

Ja, alles kriegt man natürlich nicht hin bei mir, irgendwas ist ja immer. Aber wer weiß denn, was meine un-kontrol­lierte Erscheinung da draußen auslösen könnte.

„Du musst zum Frisör!“, sagt sie. Aha. Da haben wir’s also. „Hab dir schon ‘n Termin gemacht.“

So. Von wegen „ich weiß nicht, ich weiß nicht“. Sie wusste es schon die ganze Zeit - und ich ja eigentlich auch. Es ist also mal wieder soweit.

Obwohl das eigentlich gar nicht nötig ist. Ich kann mir meine Haare auch selber schneiden. Ich hab mir da inzwischen eine sehr ausgefeilte Technik antrainiert, so Rupfen und Schneiden gleich­zeitig und die Schere im Schnitt immer Richtung Haarwurzel bewegen … nein, das führt zu weit, das hier zu erläutern. Und bitte nicht selber ausprobieren. Do not try this at home! Aber es klappt … wenn man es kann. Ich finde, dass es hinterher immer sehr natürlich aussieht. Steffi findet das nicht. Sie meint, es sieht wie abgefressen aus, oder, als seien mir wieder eine Menge Haare ausgefallen. Naja.

Der Frisör also. Eigentlich würde ich lieber zur ‘ner Darmspiegelung gehen.

Aber gut, dann muss ich mich eben dem gelockten Meister und seinen brutalen Gespielinnen mal wieder stellen.

„Und ich hab auch gesagt, sie sollen dir ‘n paar Strähnchen machen.“

Na, das ist ja wohl … jetzt bestellt Steffi schon für mich die Behandlung.

„Du hast das direkt in Auftrag gegeben? Das gibt’s ja wohl nicht! Und ehrlich, Steffi … Strähnchen!“

„Ja, wird alles so grau bei dir.“

Ja, und? Ich bin sechsundvierzig.

„Und die Augenbrauen, lass dir auch die Augenbrauen machen, ja? Dunkler. Aber nicht zu viel, dass man‘s sieht, nur so ein bisschen, dass man nicht sieht, ….“

Jaja.

Vielleicht will sie auch gleich mitkommen, um die totale Runderneuerung persönlich zu überwachen.

„Ach, weißt du was, Alex, ich komm einfach mit und …“