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Hans Dusolt

Elternarbeit als
Erziehungspartnerschaft

Ein Leitfaden für den Vor- und Grundschulbereich

Hans Dusolt, Diplom-Psychologe, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Mediator und Sachverständiger für Familienpsychologie, hat langjährige Berufserfahrung in der Arbeit an heilpädagogischen Tagesstätten und als Dozent an einer Fachakademie für Heilpädagogik. Zuletzt hatte er über 15 Jahre hinweg die Leitung einer Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien in München inne und ist seitdem in freier Praxis tätig.

Inhalt

Vorwort

Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe

Teil 1 Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft

Teil 2 Formen der Elternarbeit

1. Einzelarbeit

2. Gruppenarbeit

3. Weitere Formen dser Elternarbeit

Teil 3 Elternarbeit bei auffälligen Kindern

1. Auffälligkeiten allgemein

2. Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls

3. Verdacht auf Gewalt oder sexuellen Missbrauch

4. Inklusion

Teil 4 Elternarbeit unter Berücksichtigung spezifischer familiärer Lebensbedingungen

1. Eltern in Trennung

2. Alleinerziehende

3. Patchworkfamilien (Stieffamilien)

4. Pflege- und Adoptivfamilien

5. Regenbogenfamilien

6.  Familien, in denen die Großeltern bei der Erziehung eine wesentliche Rolle spielen

7. Sozial benachteiligte Familien

8. Familien mit Migrationshintergrund

9. Eltern aus pädagogischen Berufen

Teil 5 Konflikte zwischen Eltern und Pädagoginnen

Teil 6 Resümee und Ausblick: Die Notwendigkeit von Supervision

Anhang Trennung und Scheidung – das sollte man wissen

Das Kindschaftsrecht in Auszügen

Literatur

Vorwort

Der vorliegende Leitfaden beruht zu einem wesentlichen Teil auf den Erfahrungen, die ich im Laufe meiner langjährigen Tätigkeit in Heilpädagogischen Kindergärten sammeln konnte. Einer der Schwerpunkte meiner Aufgaben bestand dabei in der Beratung und Begleitung von Eltern, deren Kinder aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten, Sprachschwierigkeiten, Teilleistungsstörungen, geistigen und/ oder körperlichen Behinderungen auf besondere Förderung angewiesen waren.

Häufigen und regelmäßigen Kontakten mit Kolleginnen und Kollegen aus vergleichbaren Einrichtungen, aus Regelkindergärten, Schulen und Behörden verdanke ich es, dass ich mich darüber hinaus auch mit den Bedingungen der Elternarbeit auseinandersetzen konnte.

Daneben verschafften mir meine eigenen Kinder die Gelegenheit, Elternarbeit nicht nur aus der Perspektive des professionellen »Täters«, sondern auch aus jener des »Opfers« zu erfahren.

Das Buch wendet sich insbesondere an alle in erzieherischen, sozial- und heilpädagogischen Berufen oder im Lehramt Tätigen, aber auch an andere mit der Erziehung von Kindern befassten Pädagoginnen aus dem Vor- und Grundschulbereich, die an ihre Arbeit den Anspruch stellen, das Kind in seiner Ganzheit verstehen zu wollen, und die dabei die Notwendigkeit sehen, auch die familiäre Realität des Kindes in ihrem pädagogischen Handeln zu berücksichtigen. Insbesondere im Bereich der Schule zeigt sich, dass die Reduktion eines Kindes auf seine kognitiven Fähigkeiten nicht möglich ist. Schulschwierigkeiten haben nur allzu häufig auch einen psychologisch-familiären Hintergrund und verlangen die Auseinandersetzung damit. Ich würde mich deshalb besonders freuen, wenn auch möglichst viele Lehrerinnen den Leitfaden zum Anlass nehmen könnten, die Eltern in ihre Arbeit regelmäßig mit einzubeziehen.

Die Schwerpunkte meines Buches liegen in der Darstellung verschiedener Formen von Elternarbeit sowie in der kurzen Beschreibung spezifischer Problembereiche. Dabei kann ich natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Meine Absicht besteht vielmehr darin, Anregungen und Anstöße für die Praxis der pädagogischen Arbeit zu geben.

Je nach Arbeitszusammenhang wird nicht jede der beschriebenen Formen von Elternarbeit nötig oder möglich sein. Auch mag manchen Lesern einiges trivial oder selbstverständlich erscheinen, während andere einen zu hohen Anspruch des Buches an sich und ihre Arbeit verspüren mögen. Es muss deshalb der pädagogischen Intuition und Kreativität des Lesers selbst überlassen bleiben, die in seinem beruflichen Kontext möglichen und sinnvollen Formen der Elternarbeit herauszufinden und diese je nach Bedarf und eigenem Schwerpunkt abzuändern oder auch weiterzuentwickeln.

Bei der großen Mehrzahl der im Vor- und Grundschulbereich arbeitenden pädagogischen Fachkräfte handelt es sich um Frauen. Ich habe mich daher für die weibliche Form (»Pädagoginnen«) entschieden. Alle in diesem Bereich arbeitenden männlichen Pädagogen mögen mir hierfür Verständnis entgegenbringen; da ihnen in der Elternarbeit, gerade in der Zusammenarbeit mit Vätern, eine besonders große Bedeutung zukommt, wünsche ich mir, dass sie sich mit diesem Buch dennoch genauso angesprochen fühlen wie ihre Kolleginnen! Der Lesbarkeit halber wird ansonsten die männliche Form verwandt, obwohl unter Begriffen wie »Leser«, »Teilnehmer«, »Mitarbeiter« etc. selbstverständlich immer beide Geschlechter angesprochen sind.

Das vorliegende Buch richtet sich vorrangig an pädagogische Fachkräfte im Vor- und Grundschulbereich.

Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe

Das vorliegende Buch wurde inzwischen zum dritten Mal aktualisiert und ergänzt. Alle rechtlichen Angaben beziehen sich auf den Stand 2018.

Neu hinzugekommen sind die Kapitel über die Zusammenarbeit mit Eltern in inklusiven Einrichtungen sowie über die Zusammenarbeit mit Eltern aus Regenbogenbogenfamilien. Für die fachliche Unterstützung zum Thema Inklusion möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Dr. Michael Marton, Leiter des SPZ Kinderzentrum München, bei Frau Monika Ring, Konrektorin der Grundschule mit Profil Inklusion am Hedernfeld in München und bei Frau Susanne Schneider, Schulsozialarbeiterin an der Mittelschule an der Implerstraße in München sowie zum Thema Regenbogenfamilien bei Frau Stephanie Gerlach vom Treffpunkt, Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien in München, bedanken.

München, im Februar 2018 

Hans Dusolt

Teil 1 Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft

In der pädagogischen Praxis von Kindertagesstätten hat die Elternarbeit mittlerweile höheren Stellenwert als früher bekommen. Unter dem Begriff der »Elternarbeit« werden dabei je nach Einrichtung die unterschiedlichsten Formen von Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern zusammengefasst – vom Sommerfest über Elternabende bis hin zu Kriseninterventionen oder therapeutischen Gesprächen.

Elternarbeit ist zu verstehen als eine Zusammenarbeit zwischen den Fachkräften einer pädagogischen Einrichtung und den Eltern. Es handelt sich um eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, eine Erziehungspartnerschaft »auf gleicher Augenhöhe«, mit dem Ziel, das Kind gemeinsam nach besten Kräften in seiner Entwicklung zu fördern. Da die Kindertagesstätten nicht nur einen Erziehungs-, sondern auch einen Bildungsauftrag haben, spricht man auch von einer »Bildungs- und Erziehungspartnerschaft« (Bayer. Bildungs- und Erziehungsplan 2006).

Elternarbeit als Erziehungspartnerschaft schließt über die leiblichen Eltern hinaus auch alle wesentlichen Bezugspersonen wie Großeltern, Stief- oder Pflegeeltern des Kindes mit ein.

Zur Umsetzung einer Erziehungspartnerschaft »auf gleicher Augenhöhe« kann es hilfreich sein, nicht nur die pädagogischen Fachkräfte, sondern auch die Eltern bzw. Bezugspersonen des Kindes als »Experten« in Hinsicht auf das Kind zu verstehen.

Kinder, die eine Kindertagesstätte besuchen, sind Bestandteile zweier grundsätzlich sehr unterschiedlicher sozialer Systeme. Sie gehören gleichzeitig dem sozialen System ihrer Herkunftsfamilie und jenem der Tagesstätte an. Es handelt sich dabei strukturell um zwei völlig unterschiedliche Systeme: Während das familiäre System vorrangig von der Beziehung zwischen den beiden Generationen Eltern – Kind geprägt ist, liegt der Schwerpunkt des sozialen Systems Tagesstätte eher auf der Beziehung zwischen den gleichaltrigen Kindern.

In jedem der beiden Systeme ist das Kind Bestandteil einer Vielzahl an Beziehungen von höchst unterschiedlicher Qualität und Intensität. Es bildet die einzige »Schnittmenge« zwischen seinem familiären System und dem System Kindertagesstätte. Dabei kann es auch völlig unterschiedliche Rollen und Positionen innehaben: Die Prinzessin in der Familie kann in der Gruppe die schweigsame Außenseiterin sein, ein vernachlässigter Sohn innerhalb der Familie ist in der Tagesstätte vielleicht der allseits bewunderte Anführer einer »Clique«.

Trotz aller Unterschiedlichkeit haben die beiden sozialen Systeme eine wesentliche Gemeinsamkeit: Sowohl in der Familie als auch in der Tagesstätte hat das Kind erwachsene Bezugspersonen, zu denen es in aller Regel eine besondere emotionale Beziehung hat. Diese stehen in einer rechtlichen Verantwortung für das Kind (z. B. hinsichtlich der Aufsichtspflicht) und sind verantwortlich für dessen Wohlergehen und Förderung. Im familiären System sind dies in der Regel die Eltern, im System der Tagesstätte die für das Kind bzw. die Gruppe zuständigen pädagogischen Fachkräfte. Die Eltern wissen viel über die Lebensgeschichte dieses speziellen Kindes, über seine Wünsche und Bedürfnisse, über seine Stärken und Schwächen. Die pädagogischen Fachkräfte auf der anderen Seite besitzen ein hohes Fachwissen über Kinder und deren Entwicklung im Allgemeinen. Durch das tägliche Zusammensein in der Gruppe können sie sich ein genaues Bild von dem Kind im aktuellen Gruppenkontext machen. In den beiden sozialen Systemen haben die Erwachsenen, die das Kind besonders gut kennen, damit den Status von Experten, jeweils jedoch in ihren spezifischen Bereichen.

Die Eltern sind Experten für:

Die pädagogischen Fachkräfte sind Experten für:

Für eine ganzheitliche Förderung muss das Kind im Kontext beider sozialer Systeme gesehen werden. Erzieherinnen, die nicht wissen, dass das Kind vor kurzem den Tod des geliebten Großvaters verarbeiten musste, werden nicht verstehen, warum es in der Gruppe plötzlich so wenig kontaktfreudig ist. Und Eltern, denen nicht bekannt ist, dass ihr Kind von einem älteren Gruppenmitglied häufig gehänselt wird, können vielleicht wenig Verständnis aufbringen, wenn es nach dem Nachhausekommen so aggressiv ist.

Der Austausch von Informationen zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften ist somit grundsätzlich nicht nur sinnvoll, sondern unabdingbar notwendig. Er ist notwendig zum Abgleich der erzieherischen Vorstellungen und zur Zusammenschau der kindlichen Entwicklung in den unterschiedlichen Lebensbereichen des Kindes.

Nicht selten bestehen unterschiedliche Grundhaltungen im »System Familie« und im »System Tagesstätte«. Dann ist bei mangelnder Kooperation die Gefahr groß, dass sich zwischen den Systemen Fronten bilden und beim Auftreten von Schwierigkeiten oder bei Auffälligkeiten des Kindes Schuldzuschreibungen vorgenommen werden. Oberflächlich gesehen geht es dann bei Konflikten zwischen Eltern und Fachkräften oft nur ums »Recht haben«. Auf einer tieferen Ebene jedoch kämpfen beide Seiten um ihren Status als Experten für das Kind.

Eltern kämpfen um die Anerkennung dessen, was sie für das Kind schon geleistet haben oder auf was sie zugunsten dieses Kindes verzichtet haben. Wenn ihre persönlichen Einstellungen von jener des Fachpersonals abweichen, stehen sie der Arbeit in der Tagesstätte nicht selten kritisch gegenüber. Sie befürchten, sie könnten in ihren eigenen Grundhaltungen nicht ernst genommen und ihr Kind von ihnen entfremdet werden. Pädagogische Fachkräfte, die sich von den Eltern in Frage gestellt fühlen, kämpfen auf der anderen Seite um die Anerkennung ihrer fachlichen Kompetenz als Kernstück ihrer beruflichen Identität.

Ohne einen vertrauensvollen Dialog können Abwertungen entstehen, die auf der bewussten wie auch auf der unbewussten Ebene über das Kind kommuniziert werden: In dem Ärger der Erzieherin über die ständig vergessene Brotzeit spürt das Kind, dass diese seine Mutter für wenig verantwortungsbewusst hält. Ebenso spürt das Kind, wenn es beim Abendbrot eine Begebenheit aus der Tagestätte erzählt und die Eltern sich abwertend über die »Kindergartentante« oder die »Mädchen« auslassen.

Grafisch lässt sich die Position eines Kindes als Bestandteil der beiden Systeme und die Verknüpfung der Systeme durch den Dialog zwischen Eltern und Erzieherin wie folgt darstellen:

Erziehungspartnerschaft als Bindeglied zwischen zwei sozialen Systemen

Dialog und Austausch zwischen den Experten bildet somit eine Brücke zwischen den beiden Systemen »Familie« und »Tagesstätte«. Sie dient dem Austausch von Informationen, die zu übermitteln das Kind selbst nicht in der Lage ist, und entlastet es in seiner Position als einzige »Schnittmenge«. Pädagogische Fachkräfte sollten daher die Eltern auch und gerade dann als Experten des familiären Systems anerkennen, wenn dort andere pädagogische Grundwerte als in der pädagogischen Fachwelt gelten.

Die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften hat mehrere Funktionen:

Das Gefühl, anerkannt und verstanden zu werden, fördert die eigene Bereitschaft, Positionen anderer Menschen anzuerkennen und zu verstehen. Pädagogische Fachkräfte werden deshalb in der Vermittlung ihrer fachlichen Sichtweise gegenüber den Eltern umso erfolgreicher sein, je mehr diese sich, gerade auch in ihrer Andersartigkeit, ernst genommen und verstanden fühlen.

Über die genannten Ziele hinaus sind weitere wesentliche Inhalte einer Erziehungspartnerschaft die Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern, die Begleitung von Übergängen (beispielsweise von der Kindertagesstätte in die Schule) sowie die Beratung über und die Vermittlung zu Fachdiensten. Der Zusammenarbeit mit anderen Diensten und Institutionen wie z. B. Kinderärzten, Therapeuten oder Beratungsstellen zusammen mit den Eltern durch die Tagesstätte kommt ein hoher Stellenwert zu.

Elternarbeit erfordert Zeit. Während in Sondereinrichtungen wie z. B. Heilpädagogischen Kindergärten oder Heilpädagogischen Horten dem Aspekt der Elternarbeit in Stellenbesetzung und Dienstplänen in der Regel Rechnung getragen wird, sind die Dienstpläne des Personals in pädagogischen Regeleinrichtungen auch heute noch vorwiegend an der »Arbeit am Kind« orientiert und lassen oft nicht ausreichend Raum für Elternarbeit. Für eine qualifizierte pädagogische Arbeit am Kind muss daher auch ausreichend Zeit für die regelmäßige Zusammenarbeit mit den Eltern vorgesehen sein.

Elternarbeit erfordert auch eine entsprechende Qualifikation. Die Zusammenarbeit mit den Eltern sollte deshalb in den verschiedenen pädagogischen Ausbildungen einen hohen Stellenwert einnehmen.

Der vorliegende Leitfaden will Anregungen und fachliche Unterstützung geben für die unterschiedlichen Facetten der Zusammenarbeit mit Eltern. Das Vertrauen der Eltern, das Sichwohfühlen des Kindes in der Einrichtung und das Bewusstsein, dem Kind zusammen mit den Eltern die bestmöglichen Entwicklungschancen zu bieten, bieten reichlich Entschädigung für die zusätzliche Kraft und Zeit, die die Zusammenarbeit mit den Eltern hin und wieder kosten mag.

Im Folgenden (Teil 2) werde ich zuerst auf die verschiedenen Formen eingehen, in welchen Elternarbeit stattfinden kann. Dabei bediene ich mich eines durchgängig gleich bleibenden »Rasters«, welches eine gute Übersichtlichkeit gewährleisten und eine Hilfe beim Nachschlagen sein soll. Dieser Teil gibt Anregungen sowohl praktischer wie auch pädagogischer Art, weist darauf hin, was im Einzelfall zu beachten ist, und soll einen Anreiz bieten, neue Formen der Zusammenarbeit mit den Eltern auszuprobieren.

Elternarbeit findet unter unterschiedlichen Voraussetzungen statt. In Teil 3 gehe ich auf die Besonderheiten ein, die in der Zusammenarbeit mit Eltern von auffälligen Kindern zu beachten sind; dem Verdacht auf Gewalt sowie auf sexuellen Missbrauch ist dabei ein eigener Abschnitt gewidmet.

Die Kenntnis der familiären Lebenssituation und das Wissen um deren Auswirkungen bilden wichtige Voraussetzungen für erfolgreiche Elternarbeit. Es macht einen großen Unterschied, ob ich ein glückliches Ehepaar, einen allein erziehenden Vater, eine »allmächtige« Oma, ausländische Eltern ohne deutsche Sprachkenntnisse oder gar Eltern vor mir sitzen habe, die selbst in einem pädagogischen Beruf arbeiten! In Teil 4 stelle ich daher verschiedene familiäre Bedingungen und Situationen vor, welche bei den Kindern jeder Gruppe, jeder Klasse angetroffen werden können.

Nicht immer verläuft die Zusammenarbeit mit den Eltern harmonisch; manchmal erscheinen Konflikte zwischen Eltern und Pädagoginnen sogar unvermeidlich. Teil 5 setzt sich mit dieser in der Regel als besonders schwierig empfundenen Situation auseinander.

Im Rahmen eines abschließenden Kapitels werde ich schließlich aufzeigen, welche Möglichkeiten eine Supervision bietet, um der Pädagogin bei ihrer anspruchsvollen Tätigkeit Hilfe und Unterstützung zu geben.

Teil 2 Formen der Elternarbeit

Obwohl das Einzelgespräch die in der Regel vertrauteste und wohl auch bekannteste Form der Elternarbeit ist, muss sie sich nicht darauf beschränken. Vielmehr gibt es eine ganze Reihe von verschiedenen Formen, die im Folgenden dargestellt werden.

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Einzel- und Gruppenarbeit (Einzelgespräch, Hausbesuch, Konferenz, Eltern-Kind-Wochenenden, Thematische Elternabende, Elterngruppen) sowie sonstigen Formen der Elternarbeit (z. B. Elternbrief). Jede einzelne Form hat ihre eigenen Schwerpunkte und Vorteile, aber auch ihre Grenzen: Einzelarbeit ermöglicht z. B. ein sehr individuelles Eingehen auf die jeweilige Situation, ist aber zeitaufwändig; Gruppenarbeit eignet sich dagegen mehr zur Vermittlung allgemeiner Inhalte und fördert den Informationsaustausch auch zwischen den Eltern untereinander. Eine bestimmte Form kann nie die ganze Palette aller Möglichkeiten abdecken.

Bei der Planung der Elternarbeit kommt es daher darauf an, die für den jeweiligen Zweck geeignetste Möglichkeit herauszufinden. Folgende Kriterien lassen sich dabei zugrunde legen:

Diese Kriterien bilden die Grundlage für die nachfolgende Darstellung der einzelnen Formen in Gestalt eines »Rasters«. Inhaltliche Überschneidungen lassen sich dabei nicht immer ganz vermeiden.

Zwei grundsätzliche Punkte zur Ausgestaltung der Erziehungspartnerschaft

  1. Schweigepflicht

Für jede Form von individueller Elternarbeit muss die Beachtung der Schweigepflicht unbedingt verbindlich sein: Die Eltern müssen die Sicherheit haben, dass persönliche Informationen nicht ohne ihr ausdrückliches Einverständnis an Dritte (z. B. Kolleginnen, andere Eltern, Behörden) weitergegeben werden; ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so ist eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Elternarbeit im Sinne einer Erziehungspartnerschaft nicht möglich.

Eine Weitergabe von vertraulichen Informationen an Dritte sollte nur dann erfolgen, wenn eine schriftliche Schweigepflichtentbindung der Eltern vorliegt. Eine Ausnahmesituation ist nur dann gegeben, wenn das Wohl des Kindes akut gefährdet ist.

2.

»Sie« oder »Du«?

In vielen Kindertagesstätten ist es üblich, sich mit den Eltern zu »duzen«. Das »Du« verdeutlicht in besonderer Weise die »gleiche Augenhöhe« als wichtige Voraussetzung für eine gelebte Erziehungspartnerschaft. In unserer deutschen Sprachkultur bezeichnet das »Du« zwischen Erwachsenen aber auch eine freundschaftliche, persönliche Komponente, die in der Regel nicht vom ersten Kennenlernen an vorhanden ist, sondern sich erst entwickeln muss. Das »Sie« dagegen drückt eine gewisse Distanz, aber auch den Respekt vor persönlichen Grenzen und vor der Autorität des anderen aus.

Sicher ist es im Einzelfall unproblematisch, wenn sich eine Pädagogin mit Eltern, die der gleichen Generation angehören und die einen ähnlichen Erziehungsstil pflegen, »duzt«. Ein »Du« wird aber nicht allen Beziehungen zwischen Pädagoginnen und Eltern gerecht.

Dies ist insbesondere der Fall:

Das »Du« ist in unserem deutschen Sprachgebrauch abhängig von der individuellen Beziehung zwischen zwei Menschen, das Nichtrespektieren dieses Sprachgebrauchs kann als nicht »stimmig«, im Einzelfall sogar als verletzend empfunden werden.

So steht zwar im Einzelfall nichts dagegen, wenn sich Pädagogin und Eltern duzen, als genereller Sprachgebrauch wird das »Du« jedoch nicht allen Beziehungen und Situationen gerecht. Kritisch zu sehen ist auch, wenn sich Pädagoginnen mit einzelnen Eltern duzen, mit anderen jedoch nicht. Dies suggeriert eine unterschiedliche »Freundschaftlichkeit« mit der Folge, dass sich Eltern, die nicht »geduzt« werden, von den Pädagoginnen weniger angenommen, vielleicht sogar abgelehnt fühlen oder dass Pädagoginnen fürchten müssen, insbesondere im Konfliktfall ihre professionelle Distanz zu den Eltern zu verlieren.

Grundsätzlich sollte daher dem »Sie« der Vorzug gegeben werden – auch mit dieser etwas distanzierteren Sprachform lässt sich eine Erziehungspartnerschaft mit den Eltern wunderbar gestalten!