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Nr. 2603

 

Die instabile Welt

 

Eine Welt gibt Rätsel auf – und Perry Rhodan bekommt es mit Piraten zu tun

 

Michael Marcus Thurner

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Der furchtbare, aber kurze Krieg gegen die Frequenz-Monarchie liegt inzwischen sechs Jahre zurück. Die Bewohner der Erde erholen sich langsam von den traumatischen Ereignissen.

Nun hoffen die Menschen sowie die Angehörigen anderer Völker auf eine lange Zeit des Friedens. Perry Rhodan und seine unsterblichen Gefährten wollen die Einigung der Galaxis weiter voranbringen; die uralten Konflikte zwischen den Zivilisationen sollen der Vergangenheit angehören.

Dabei soll die phänomenale Transport-Technologie des Polyport-Netzes behilflich sein. Mithilfe dieser Technologie bestehen Kontakte zu weit entfernten Sterneninseln, allen voraus der Galaxis Anthuresta, wo sich die Stardust-Menschheit weiterentwickelt.

Doch längst lauert eine ganz andere Gefahr, von der die Bewohner der Milchstraße bislang nichts ahnen können. Auf einmal verschwindet das gesamte Solsystem an einen unbekannten Ort – und Perry Rhodan verschlägt es mitsamt der BASIS in weite Ferne, wo sie feindselig begrüßt werden. Nur der Glutplanet Orontes bietet ihnen Zuflucht, doch er ist DIE INSTABILE WELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Aktivatorträger begibt sich auf eine Rettungsmission.

Gucky – Der Mausbiber muss erneut in den Einsatz –gegen Quolnäer Keretzen und Sabyren.

Awkurow – Der Todringer wagt sich zurück in seine Heimat.

Heatha Neroverde – Sie kämpft um das Leben eines kleinen Mädchens.

1.

Perry Rhodan

 

Alarm.

Die übliche Nervosität stellte sich ein. Anspannung. Innere Unruhe.

Perry Rhodan nahm die Holodarstellung der eben erst eingetroffenen Funkmeldung in Augenschein. Hätte er die erst vor Kurzem installierte Funkrelaiskette nicht durch einige orbitale Sonden verstärken lassen, wäre sie ihnen entgangen.

»Und?«, fragte Mondra Diamond. »Hat sich unser Verdacht bestätigt?«

»Die Nachricht ist mit hoher Wahrscheinlichkeit authentisch. Die Korvetten BK-4, Eigenname HARL DEPHIN, sowie BK-13, Eigenname SENCO AHRAT, benötigen Hilfe«, fasste er die übermittelten Informationen knapp zusammen. »Sie werden angegriffen. Von tulpenförmigen Schiffen.«

»Also wahrscheinlich nicht von Dosanthi-Einheiten«, sagte Mondra Diamond.

»Richtig«, stimmte Rhodan zu. »Wir wissen zu wenig über die Dosanthi, um voreilig behaupten zu können, sie verwendeten nur einen einzigen Schiffstypus.«

Er blickte auf die Uhr. Man schrieb den 11. September 1469 NGZ, kurz vor Mitternacht. Der Hilferuf war erstmals vor etwa 15 Minuten angemessen worden. Seitdem hatte man mehrmals dieselbe Botschaft empfangen.

»Wir starten!«, befahl Rhodan MIKRU-JON. »Jetzt gleich. Countdown bei minus zwanzig beginnen!«

Ein Countdown war angesichts der Permanent-Alarmbereitschaft eigentlich nicht notwendig. Der Obeliskenraumer hätte sich binnen Sekunden von der Oberfläche der Glutwelt Orontes erheben können; doch Rhodan wollte einigen gedanklichen und zeitlichen Spielraum. Normalerweise hätte er sich ein Spezialistenteam an Bord bestellt, aber diese Option gab es nicht. Ihm stand kaum ausgebildetes Personal zur Verfügung. Die wenigen geschulten Mitarbeiter der CHISHOLM wurden an Bord des Tenders dringend benötigt, um Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Im Grunde beschränkte sich seine Auswahl auf wenige Individuen.

16 ...

»Gucky wecken!«, befahl er. »Er begleitet uns. Und er soll Nemo Partijan mitbringen.«

MIKRU-JON bestätigte. Der Mausbiber erholte sich von den Strapazen, die er in der Unterwelt Orontes' mitgemacht hatte. Seine Fähigkeiten waren durch die in dieser Galaxis herrschenden Bedingungen eingeschränkt – und dennoch hatte er sich einmal mehr als Retter in der Not erwiesen. Ihm war es zu verdanken, dass ein Übereinkommen mit den im Untergrund lebenden Bewohnern Orontes', den Todringern, erzielt worden war. Ein brüchiges zwar – doch in ihrer Situation konnte und durfte man nicht wählerisch sein.

9 ...

»Hier bin ich, Chef!« Der Ilt tauchte aus dem Nichts auf, an seiner Hand den verblüfft dreinblickenden Partijan. Er gähnte. »Wer oder was soll gerettet werden? Ein Universum? Eine Galaxis?«

»Zwei terranische Schiffe.«

2 ...

»Kleinvieh also.« In Guckys Augen glänzte es abenteuerlustig. »Wann geht's los?«

Null!

»Wir starten soeben«, sagte die derzeit körperlose Stimme MIKRU-JONS.

»Wie lange werden wir unterwegs sein?«

»Die Distanz beträgt 447 Lichtjahre. Angesichts der hiesigen Bedingungen gehe ich von zehn bis fünfzehn Stunden Reisezeit aus.«

»Fein. Es spricht also nichts gegen noch ein wenig Schlaf.« Gucky seufzte. »Mir wäre beinahe langweilig geworden, nach all den vielen Minuten und Stunden ohne Arbeit. – Wie lange ist es her, seit ich euch gerettet habe?« Er strich sich über die Barthaare und tat so, als müsse er nachdenken, dann zwinkerte er Mondra zu. »Angesichts meiner Leistungen hätte ich es verdient, von einer holden Dame in sanften Schlummer gekrault und gewiegt zu werden ...«

»Viel Spaß beim Suchen, vielleicht hat Mikru Zeit!«, sagte Mondra Diamond schroff und drehte sich beiseite. Sie verließ eilig die Zentrale MIKRU-JONS.

Peinliche Stille entstand.

»Ramoz«, murmelte Gucky nach einer Weile. »Ich vergaß ...«

»Ja. Ramoz«, echote Rhodan traurig. »Es geht ihm sehr schlecht. Sie lässt ihn kaum mehr allein und verbirgt ihn sogar vor mir. Mir scheint, dass es mit ihm zu Ende geht.«

Guckys Mimik veränderte sich, die Schultern fielen nach vorn. »Denkst du ab und zu noch daran, wie ich von euch Terranern aufgenommen wurde?«

»Ja. Du warst ein verspieltes kleines Ding, immer bereit für die skurrilsten Scherze.«

»Ich wurde wie ein Schoßtier aufgenommen; insbesondere von Bully.«

»Wie ein besonders widerspenstiges Schoßtier«, korrigierte Rhodan.

»Lang, lang ist's her ...«

»Und es geschah einige Galaxien von hier entfernt.«

»Bevor ihr beide wehmütig werdet«, meldete sich MIKRU-JON zu Wort, »möchte ich darauf hinweisen, dass wir soeben die Atmosphäre Orontes' verlassen.«

»Verstanden.«

Rhodan schaltete eine Bildverbindung zu Bylyi Hüfenyr, derzeit Kommandant der dreigeteilten CHISHOLM. »Wir kehren so schnell wie möglich zurück. Seht zu, dass ihr das Schiff auf Vordermann bekommt, vor allem die CHIS-1. Intensiviert den Kontakt mit den Todringern. Heatha Neroverde soll sich so gut wie möglich um Awkurow kümmern.«

»Machen wir.« Der Latoser fügte seinen Worten einen schmerzhaft hohen Ton bei, der das blues'sche Äquivalent zu einem Seufzer war. »Wann kehrt ihr zurück?«

An Antwort und Fragestellung merkte Rhodan sofort, dass der Jülziish kein Schiffskapitän der LFT-Flotte war. Rhodan machte sich einmal mehr klar, dass er es eher mit einem Schönwetter-Offizier zu tun hatte.

»Sobald wir die SENCO AHRAT und die HARL DEPHIN rausgehauen haben.«

»Verstanden.«

Rhodan hob grüßend einen Arm und winkte.

Wir hauen die HARL DEPHIN und die SENCO AHRAT raus ... Wie sich das anhörte! Es erinnerte Rhodan an frühere Tage. An die legendäre Anfangszeit der Dritten Macht. Als die Risiken unüberschaubar groß gewesen waren, er sie aber hatte in Kauf nehmen müssen, weil er und die Menschheit sonst zermalmt worden wären von alten galaktischen Großmächten.

Beinahe war es wieder genauso.

2.

Heatha Neroverde

 

Tongger Feszak machte wieder einmal Stunk. Neroverde bedauerte es, den Patriarchen nicht länger observieren zu können. Gewiss: Die Kultur der Todringer faszinierte sie, und der junge Awkurow erst recht. Dennoch fühlte sie ein unangenehmes Ziehen im Nacken, während sie die internen Schiffs-Bulletins sichtete. Tongger sammelte Unterschriften, verfasste »Protestnoten eines Zivilisten« und verursachte Ärger, indem er Unwahrheiten über die Situation an Bord des Kontor-Moduls der CHISHOLM in die Welt setzte.

»Du hast Probleme?«, fragte Awkurow.

»Du beweist sehr viel Einfühlungsvermögen, mein Freund. Ich tue mich noch immer schwer, deine Emotionen ansatzweise zu deuten – und du durchschaust mich bereits.«

»Das war reines Glück«, behauptete der Todringer. »Ich habe geraten. Außerdem gibst du stets diese seltsamen Tremolo-Töne von dir, wenn du dich ärgerst.«

»Du meinst: wenn ich niese.«

»So wird es wohl sein.« Awkurow rollte seinen Körper hin und her, immer wieder. Er lag in einer riesigen Wanne, die auf seinen Wunsch mit einem rauen Belag ausgestattet worden war, und grunzte wohlig. Der Todringer empfand Temperaturen knapp unter 35 Grad Celsius als angenehm kühl.

»Darf ich dich nochmals bitten ...?« Neroverde deutete auf ihr Glas, das mit giftgrüner Flüssigkeit gefüllt war.

»Gern.« Awkurow versteifte seinen Körper für einen Augenblick. Ein Hauch von Kälte strich durch den Raum, fuhr über das Glas – und kühlte es ab. Raureif bildete sich am Rand.

»Du wärst eine Attraktion bei jeder Bordparty.« Neroverde hob das Glas Ultra-Absinth, zündete den Alkohol an und prostete dem Todringer zu.

»Das war ich auch bei meinen ... Freunden.«

Hatte die TLD-Agentin gehofft, mit lockerem Unterhaltungston ihren Schutzbefohlenen ein wenig aus seiner Reserve zu locken, zeigte sich einmal mehr, wie sehr Awkurow trotz aller Annehmlichkeiten litt. Er war von seinesgleichen ausgestoßen worden und würde womöglich niemals in die Trainingshöhlen seines Lehrvaters zurückkehren dürfen.

»Möchtest du einen kleinen Spaziergang durch die CHIS-3 machen?«, wechselte Neroverde das Thema. »Du bist das Gesprächsthema an Bord. Man spricht mehr über dich als über das geplante Konzert der Cosmolodics.«

»Cosmolodics?«

»Musiker, die in einer der besten Gruppen unserer Heimatgalaxis zusammenspielen. Sie werden von einer berühmten Sängerin unterstützt, von Tres Alucc. – Du hast im Übrigen bereits einen der Musiker kennengelernt. Rynol Cog-Láar. Du erinnerst dich?«

»Du machst dich über mich lustig, nicht wahr?« Awkurow wälzte seinen Leib unruhig hin und her, die Körpermitte verfärbte sich ultra-absinthgrün. »Meine Barteln erstarren, sobald ich nur an den Kerl denke!«

»Na ja – ich hab's gern laut und fetzig«, gab Neroverde zu, »aber sooo schlecht spielt Rynol nun auch wieder nicht.«

»Wenn sich die Gelegenheit ergäbe, würde ich dich zu Pentarol und Loinsam bringen. Sie gehören zu den bemerkenswertesten Künstlern unserer Siedlung. Vor Kurzem erst sind sie mit der Affirmativen Desparationstheorie des Jammertals auf Tournee gegangen. Ein Meisterwerk, sage ich dir! Fünf Stunden perfekt monotones Körperrülpsen, eingebettet in konvulsivisch-synchrone Zuckungsübungen, die den beiden alles abverlangen. Wenn du sie bloß sehen und ihre Leidenschaft spüren könntest ...«

Sie schwiegen eine Weile und starrten ins Leere, Mensch wie Todringer.

»Ich denke, dass unsere Geschmäcker sehr, sehr verschieden sind«, sagte Neroverde dann und nahm einen weiteren Schluck vom Ultra-Absinth.

»Das sollte uns nicht davon abhalten, voneinander zu lernen.«

»Ganz richtig.« Sie tätschelte die raue Haut des Todringers hinter dem Augenkranz. »Machen wir uns auf den Weg. Sehen wir uns in der CHISHOLM um.«

»Wenn du meinst ...«

Heatha Neroverde ignorierte den resignativen Unterton, der selbst in der nüchternen Übersetzung des Translators hör- und fühlbar war. Sie war für den Todringer verantwortlich, und sie würde alle Mittel ausschöpfen, um ihn aus seinem Jammertal zu befreien.

 

*

 

Wo immer sie auftauchten, war das ungleiche Paar bald von Neugierigen eingekreist. Menschen, Arkoniden, Blues, Zaliter, Ertruser, Tefroder, Stardust-Terraner – sie alle wollten den Todringer kennenlernen und mehr über ihn erfahren.

Neroverde hatte Mühe, sich all der Neugierigen zu erwehren. Mitunter bedrängten sie Awkurow zu sehr und brachten ihn in Verlegenheit. Schwebekameras des Bordsenders hefteten sich an seine »Fersen« und bestürmten ihn mit Fragen.

»Schluss jetzt!«, rief Neroverde und schob sich vor den irritiert wirkenden Awkurow. »Lasst uns in Ruhe! Mein Begleiter ist der offizielle Vertreter des Volks der Todringer. Wenn man es genau nimmt, hat er Diplomatenstatus.«

Diplomatenstatus. Das war das Zauberwort!

»Na also, geht doch!«, murmelte Neroverde, während sie ihren Weg ungestört fortsetzten.

»Wie bitte?«

»Es ist nichts, Awkurow.«

»Ihr Menschen redet oft, ohne etwas zu sagen.«

»Das ist eine unserer Stärken«, gab Neroverde unumwunden zu.

Schweigend ging es weiter. Vorbei an den Bade- und Reinigungszentren, dem Botanischen Garten, Gastronomiebetrieben, einer Nachtclub-Installation, den Holografie-Museen, Ausstellungsräumlichkeiten der an Bord tätigen Künstler, virtuellen Erholungslandschaften, dem Studio des Bordfunks, dem Kino und vielen leer stehenden Hallen, die je nach Bedarf binnen weniger Stunden für verschiedenste Zwecke umgebaut werden konnten.

»Das alles ist beeindruckend«, meinte Awkurow. »In meiner Siedlung gibt es nicht ausreichend Platz für Freizeitanlagen wie diese hier.« Die stark ausgeprägte Muskulatur seines Raupenkörpers kontrahierte gut sichtbar. Er schrumpfte auf eine Länge von etwa 1,30 Meter. »Aber ich sehe kaum jemanden, der all diese Möglichkeiten nutzt.«

»Wir haben derzeit andere Sorgen. Vordringlich geht es darum, die Reparaturen an den technischen Anlagen abzuschließen. Wer kann, hilft bei den Arbeiten.«

Ungewohnte Geräusche drangen vom Ende jenes breiten Ganges zu ihnen, den sie sich entlangbewegten.

»Was ist das?«, fragte Awkurow. Er wirkte irritiert, fast verängstigt.

»Wir nähern uns den Stallungen. Hier sind die Polo-Pferde unseres Bordarztes untergebracht.« Neroverde beschrieb ihrem Schutzbefohlenen die Funktion von Reittieren und redete ihm den Gedanken aus, dass »man das gute Fleisch doch auch verzehren könnte«.

Awkurow richtete sich mithilfe seines Exoskeletts auf und begutachtete die Pferde aus uralten Zuchtlinien.

Neroverde wusste, dass die Tiere sündteure Spitzenresultate moderner Zuchttechnik waren. Sie vollbrachten phantastische Leistungen im Sprint- wie im Ausdauerbereich, und sie folgten den winzigsten Gesten ihrer Zureiter. Selbst hätte sie wahrscheinlich keinen Araber von einem Shetland-Pony unterscheiden können.

»Pic Lershimon ist ein leidenschaftlicher Arzt – und ein ebenso begeisterter Pferdenarr.«

Neroverde lockte eine der Stuten mit der offenen Hand. Das Tier gab sich misstrauisch und wich zu ihrer Enttäuschung tänzelnd zurück.

»Ihr habt seltsame Sitten.« Awkurow schüttelte seinen Leib. »Ich verstehe nicht, was es für einen Sinn hat, auf einem dieser Pferde sitzend einem Ball hinterherzuhetzen, um ihn zwischen zwei Stangen zu treiben.«

»Für manche Dinge fehlt auch mir das Verständnis«, sagte Neroverde. »Wenn du dich darüber mit Pic Lershimon unterhalten möchtest ...?«

»Sollte sich die Gelegenheit ergeben, mich mit eurem Mediker zu unterhalten, werde ich gewiss medizinische Themen ansprechen. Eine Unterhaltung sollte stets einem Zweck dienen.«

»Was wir beide besprechen, dient nicht unbedingt einem Zweck«, widersprach die junge TLD-Agentin.

»Wir lernen einander besser kennen«, meinte Awkurow steif. »Dieser Gedankenaustausch ist notwendig, wollen wir zu einem Verständnis füreinander finden. Andernfalls würde ich mit dir kein Wort wechseln.«

»Etwa, weil du mich nicht magst?«

»Weil es keinen Sinn hat.«

Neroverde zog sich vom Gatter des Offenstalls zurück, nicht ohne zuvor einen Blick auf das Dahinter zu riskieren. Das saftige Grün einer Wiese lockte die Pferde. Es wurde von einem sanft mäandernden Bächlein durchbrochen. Entlang des Ufers gediehen Wiesenblumen in einer Pracht, wie Neroverde sie selten zuvor gesehen hatte. Die Miete für diesen adaptierten Hangar kostete Pic Lershimon gewiss ein Vermögen.

»Wir sollten zusehen, dass wir weiterkommen«, sagte sie.

»Wohin?«

»Statten wir den Cosmolodics einen Besuch ab. Sie proben für ihren großen Auftritt im Rosedome, wie ich den Bordnachrichten entnommen habe. Vielleicht gefällt dir ihre Musik ja doch.«

»Ich bezweifle es«, meinte Awkurow nüchtern und rollte vorneweg.

Das Raupenwesen gab ihr Rätsel auf. Es verhielt sich so ganz anders, als sie es erwartet und erhofft hatte. Manchmal fühlte sie sich grenzenlos überfordert und für diesen Auftrag nicht ausreichend gut ausgebildet.

»Ist dir bewusst, dass du wie alle Menschen streng riechst?«, fragte Awkurow. »Es wäre mir sehr recht, wenn du einige Rolllängen Abstand zu mir hältst.«

»Selbstverständlich.« Heatha Neroverde schluckte ihren Ärger hinunter und wünschte sich mit einem Mal nichts sehnlicher, als sich mit Tongger Feszak abgeben zu dürfen.

3.

Perry Rhodan

 

447 Lichtjahre. Eigentlich ein Katzensprung.

Doch MIKRU-JON blieb auf Rhodans Geheiß vorsichtig. Das Schiff legte mehrere Orientierungsstopps ein. Nicht zuletzt auch, weil die aufgewühlte Natur der Materiebrücke Auswirkungen auf die Technik hatte. Ausläufer eines starken Hypersturms beeinträchtigten sogar MIKRU-JON.

Würde sich diese bedachte Vorgehensweise bezahlt machen – oder riskierte er damit das Leben der Besatzungen zweier LFT-Schiffe?

Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass ein Mehr an Wissen über den Gegner meist die halbe Miete im Kampf war. Also ließ er den Obeliskenraumer orten und lauschen, suchen und sondieren. Unterstützt wurde das Schiff von Nemo Partijan, der MIKRU-JON mit seinen innovativen Theorien zur quintadim-topologischen Nutzung der Schiffsinstrumente forderte.

Als weiterreichende Informationen auf dem Tisch lagen, atmete Rhodan erleichtert durch. Die SENCO AHRAT und die HARL DEPHIN waren in ein Katz- und-Maus-Spiel verwickelt, das sich seit geraumer Zeit hinzog. Mehrere Flottenverbände waren hinter ihnen her; aber bisher war es ihnen nicht gelungen, die beiden einander gegenseitig unterstützenden Korvetten voneinander zu trennen oder sie gar zu vernichten.

»Das sind gute Nachrichten«, sagte er.

»Dennoch sollten wir uns beeilen«, drängte Mikru. »Wer weiß, wie lange die HARL DEPHIN und die SENCO AHRAT noch durchhalten.«

Rhodan nickte. Er war zu sehr Stratege, um die Gefahr gering zu schätzen. Konnte er den Kommandanten der Korvetten denn helfen?

MIKRU-JON war ohne Zweifel ein Machtmittel, das in der Milchstraße Gewicht hatte. – Aber galt das auch in der Fremde?

»Noch sechzehn Lichtjahre«, meldete Mikru, der Avatar des Schiffs. »Wir hatten übrigens eine Kursabweichung von null Komma null drei sechs Prozent während der letzten Überlichtetappe.«

»Lassen sich exakte Gründe für die Fehlleistungen erkennen?«, fragte Rhodan. »Mal von den offensichtlichen Dingen wie der Hypersturm abgesehen.«

»Nein. Einerseits wissen wir zu wenig über Chanda, andererseits fehlen mir ausreichende Datenmengen, um Hochrechnungen anstellen zu können.«

Rhodan verbarg seine Enttäuschung und wandte sich Nemo Partijan zu. »Was meinst du?«

»Dasselbe.«

Schön. Er hatte so gut vorbereitet wie möglich am Ort der Kampfhandlungen auftauchen wollen. Doch seine Bemühungen hatten nicht sonderlich viel gefruchtet. Sie waren so schlau wie zuvor. Diese fremde Doppel-Galaxis meinte es nicht gut mit ihnen. Neben dem allgemeinen hyperenergetischen Aufruhr gab es das von Partijan Paraflimmern genannte Phänomen, eine geringe, aber auffällige, störende Unstetigkeit im UHF-Bereich. Meist funktionierte alles wie üblich, manchmal aber schlug die »allgemeine Instabilität« unvermittelt zu.

»Ab jetzt gilt's!«, sagte er und nickte Mikru zu. »Tarnmodus auf Maximum! Nur Passiv-Ortung! Ich möchte, dass niemand uns sieht, riecht oder hört. Mit Ausnahme der Besatzungen der LFT-Schiffe.«

Der Avatar war längst mit Rhodans Gestik vertraut und gehorchte.

Rhodan hielt den Atem an. Das Schiff beschleunigte maximal und glitt nach wenigen Sekunden in den Hyperraum. Der Überlichtflug nahm bloß kurze Zeit in Anspruch.