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Erich Weidinger

Gustav Klimt
Persönliche Momente

Zum Buch

Auch Künstler sind Menschen Viel wurde bereits über Gustav Klimt, den weltweit bekannten österreichischen Jugendstil-Maler geschrieben. Unzählige Kunstbücher und verschiedene Biografien berichten über sein Werk und seine Schaffenskraft. Der Autor Erich Weidinger ließ sich von Bildern, Fotos, Briefen und Berichten von Zeitzeugen zu den teils fiktiven Szenen aus dem Leben des Künstlers inspirieren. In diesen Geschichten steht der Mensch Gustav Klimt im Vordergrund. Klimt – der Sohn, Bruder, Freund, Liebhaber, Vater und Zeitgenosse von vielen bekannten und unbekannteren Künstlern. Heiteres und Trauriges, Bekanntes und Unbekanntes: Von den frühen Jahren der Künstler-Compagnie, über seine Liebschaften und den daraus entstandenen Folgen, den Ausflügen zum Attersee, bis hin zu seinen Erfolgen und Skandalen. Originale Briefe, Fotos und Zeitdokumente bereichern dieses sehr menschliche und berührende Kaleidoskop von Erzählungen aus dem Leben des Ausnahmekünstlers.

Erich Weidinger wuchs am Attersee im oberösterreichischen Salzkammergut auf – dem Lieblingsrefugium von Gustav Klimt. Nach einer Friseurlehre und einer pädagogischen Ausbildung arbeitete er mehrere Jahre mit benachteiligten Kindern. Wegen der Liebe zur Literatur wechselte er in den Buchhandel und begann selbst zu schreiben. Neben seiner Leidenschaft zur Sagenwelt ist ihm auch die Leseförderung sehr wichtig. Vor genau 30 Jahren (1988) war er an einer einzigartigen Ausstellung in Österreich beteiligt: „Inselräume – Teschner, Klimt und Flöge am Attersee“ in der Villa Paulick am Attersee. Deshalb, und auch durch seinen Bruder, der ein bekannter Kunsthistoriker ist, stieß er immer wieder auf das Phänomen „Klimt“.

 

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

Mords-Salzkammergut (2016)

Sissis Seitensprünge & Ischler Rosen (2015)

Mords-Wasserkraft (2014)

Mords-Zillertal (2012)

Impressum

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2018

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: Simone Hölsch

unter Verwendung eines Fotos von: © Klimt Archiv Wien

ISBN 978-3-8392-5804-0

Kartenbrief von Gustav Klimt

Kartenbrief von Gustav Klimt an Emilie Flöge

18. April 1899

Liebe Emilie !

Habe für Mittwoch die Königsloge (III.Rang) im Operntheater genommen und lade Euch drei Weiber für diesen Abend ergebenst ein. Solltet ihr wider Erwarten nicht können, bitte ich um Verständigung. Besten Gruß Gustav.

Diese und unzählige andere von Gustav Klimt versandte Briefe und vor allem Karten dokumentieren sein Leben, seine Reisen, diverse Begegnungen und Ausstellungen. Genauso gewähren sie Einblicke in sein künstlerisches Schaffen und offenbaren auch Momente seines Privatlebens.

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Ich habe mich von seiner Korrespondenz, seinen Bildern und Zeichnungen, den vielen Fotos, die zum Glück erhalten geblieben sind, sowie von den Zeitungsmeldungen aus der damaligen Zeit zu diesen Erzählungen inspirieren lassen.

Gustav Klimt, ein großer Künstler, oftmals verklärt dargestellt, und seine geniale Kunst, unzählige Male verkitscht und missbraucht, begleiten mich seit über dreißig Jahren. Doch kaum jemand hat bisher versucht, ihn als Menschen darzustellen, als einen, der Großes geschaffen hat, doch auch an so manchem in seinem Leben scheiterte.

Dieses Buch widme ich allen künstlerischen Menschen dieser Welt, die so wie Gustav immer wieder an ihrem Werk zweifeln und doch nie aufgeben, sich weiterzuentwickeln.

Gustav Klimt, am 14. Juli 1862 in Wien geboren, studierte mit seinen zwei jüngeren Brüdern Ernst und Georg an der k.u.k. Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien.

Mit ihrem Freund und Studienkollegen Franz Matsch gründeten Gustav und Ernst zum Ende ihres Studiums die Künstler-Compagnie.

Schon während der Zeit an ihrer Schule wurden die drei von ihrem Rektor Rudolf von Eitelberger und Lehrer Ferdinand Laufenberger für ihre künstlerischen Arbeiten an diverse Auftraggeber vermittelt.

Die jungen Künstler richteten sich in der Sandwirthgasse ihr erstes großes Atelier ein, das sie durch einen Kunden und Förderer zur Verfügung gestellt bekamen. Sie wurden mit vielen Arbeiten fürs Ausland beauftragt. Die meisten staatlichen Aufträge in Wien bekam damals einer der meistbeschäftigten Künstler dieser Zeit, der Malerfürst Hans Markart, der jedoch im Herbst 1884 starb und viele unerledigte Entwürfe und Aufträge hinterließ.

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Künstler-Compagnie

Wien, Herbst 1884 – Sandwirthgasse 8

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Es war für einige Sekunden still geworden. Sehr still. Durch die Fenster waren leise Alltagsgeräusche aus der schmalen Sandwirthgasse herauf ins Atelier der Künstler-Compagnie zu hören.

Gustav Klimt durchbrach die Stille als Erster der drei anwesenden Freunde und Kollegen, wenn auch noch leise.

»Die Kaiserin? Du meinst unsere Kaiserin? Elisabeth?«

Franz Matsch, der unbedeutend Ältere von ihnen, lächelte und nickte wissend, schließlich konnte er die gute Nachricht überbringen. Mit stolzgeschwellter Brust und siegessicherem Blick setzte er sich auf einen alten Stuhl, an dem sich unbeabsichtigte bunte Farbstriche und Kleckse befanden.

»Ja, meine Herren. Das haben wir dem Ableben unseres seligen und verehrten Professors Hans Markart zu verdanken. Er war von unserer Kaiserin mit einigen Aufträgen für ihre Villa betraut worden, die er aber durch seine fortschreitende …«, nach dem medizinischen Terminus suchend, unterbrach er sich selbst.

»Du meinst den Fortschritt von Markarts Hirnerweichung.«

Gustavs Bruder Ernst, der rauchend in der Fensternische saß, hatte den unfertigen Satz des Künstlerkollegen ergänzt, mit einem Wort, das dem Wiener Volk geläufiger war als der medizinische Fachausdruck.

Hier, in diesem unaufgeräumten Atelier, neben ihnen, den normal gekleideten Freunden, wirkte Franz mit seinem dunklen Anzug, dem gestärkten weißen Hemd, Stehkragen und weißer Fliege etwas deplatziert.

Gustav, der sich selbst gerne elegant kleidete, wusste jedoch, dass dies die Etikette erforderte. Immerhin kam Franz von einem wichtigen Termin aus der Direktion der Universität.

Sofort übernahm Franz wieder seine wahrscheinlich vorher einstudierte Rede:

»Wie auch immer man es nennen will. Markart konnte seiner Arbeit schon seit diesem Spätsommer nicht mehr nachkommen, hatte nur ungefähre Entwürfe für das kaiserliche Schlafzimmer in der Hermesvilla hinterlassen. Wir sollen einen Teil davon ausführen. Immerhin haben wir, obwohl wir nicht mit dem Meister verwandt waren, somit ein kleines Stück von seinem Erbe abbekommen.«

Gustav wollte schon nach der ziemlich neu aussehenden Kartonmappe greifen, in der sich wahrscheinlich die Entwürfe befanden und die sein Freund beim Betreten des Ateliers unter dem Arm trug.

»Geduld, Geduld, mein junger Freund!«, Franz stoppte ihn und sicherte die Mappe, die vor seinen Füßen, an die Knie gelehnt, alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

Ernst erhob sich von seinem Fensterplatz und ging auf die kleine, schmuddelige Sitzgruppe zu. Endlich war es so weit, ihre Künstler-Compagnie, die seit gut drei Jahren bestand, bekam einen Auftrag aus dem Kaiserhause. Lange hatte es gedauert.

Seit den ersten großen Arbeiten 1880, die sie ihrem nun auch schon verstorbenen Lehrer Laufenberger zu verdanken hatten, arbeiteten sie unentwegt. Fast nur fürs Ausland. Vor einem knappen Jahr konnten sie dieses Gebäude hier im dritten Stock beziehen und endlich ein für sie brauchbares Atelier einrichten. Zu Beginn der Gründung ihrer Compagnie half ihnen ein Stipendium von zwanzig Kronen, die wichtigsten Ausgaben abzudecken. Doch nun verdienten sie mit einigen Werken wirklich gutes Geld.

»Was verdienen wir?«, fragte Ernst und dämpfte seine dünne Zigarre in einer zu einem Aschenbecher umfunktionierten angeschlagenen Keramiktasse aus.

Matsch spielte den Entrüsteten, fuhr sich mit einer Hand über sein schütteres Haar und entgegnete ihm mit vorwurfsvollem Blick:

»Mein Herr. Dies ist eine ehrenvolle Aufgabe. Wir dürfen nichts Minderes als zwei Deckengemälde für das Schlafzimmer der Kaiserin anfertigen. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen. Für die Kaiserin!«

Mit punktuellen Pausen wiederholte er bedeutungsschwanger seinen Satz:

»Für – das – Schlafzimmer – der – Kaiserin! Das ist eine große Ehre, mein Freund. Da fragt man nicht nach dem Geld! Das ist in diesem Moment absolut nebensächlich. Nicht wahr?« Er blickte nun zu Gustav, um sich seine Aussage bestätigen zu lassen.

Gustav und Ernst konnten mit den Erträgen, die ihnen die Künstler-Compagnie einbrachte, wenn auch noch in überschaubarem Rahmen, den Lebensunterhalt der eigenen mehrköpfigen Familie Klimt unterstützen. Die Eltern hatten allen drei Söhnen trotz ärmlichster Bedingungen eine gute Schulausbildung ermöglicht, den Schwestern war dies verwehrt geblieben. Gustav wusste, dass auch Franz aus keinem wohlbehüteten Hause kam, er wuchs als Einzelkind und Halbwaise bei seiner Mutter auf.

Immer noch stolz, nach dankbarer Anerkennung heischend, fragte Franz:

»Ihr wisst aber schon, wem ihr diesen kaiserlichen Auftrag zu verdanken habt? Hmm?«

Gustav, stirnrunzelnd, mit gespielt fragendem Ausdruck, wandte sich an seinen Bruder:

»Na ja. Ernst, was meinst du? Ha? Wem haben wir das zu verdanken. Dem Franz? Ich denke … vielleicht seiner Mutter? Wenn sie sich nicht seinem Vater …«

Franz unterbrach ihn lachend:

»Hör auf mit diesem Blödsinn. Ohne unsere Mütter und Väter wären wir alle nicht da. Aber ihr wisst sehr wohl, ich, Franz Matsch, habe diesen wichtigen Brief geschrieben. An Seine Hochwohlgeboren den Hochverehrten Herrn Hofrat Ritter von Eitelberger. Wenn ihr es vergessen habt, kann ich ihn gerne nochmals vorlesen und …«

Diesmal unterbrach ihn Ernst.

»Nein, bitte verschone uns mit deinen unzähligen Hochwohlgeboren und Hochverehrten und allen anderen Hochs, die du in diesem Brief zu Papier gebracht hast! Wusste gar nicht, dass es so viele Abwandlungen von Ehrenbezeugungen gibt. Zeig uns dafür, was du da in deiner Mappe hast!«

Franz Matsch legte mit einer beleidigten Geste, der den schlechteren Schauspielern des Raimundtheaters in nichts nachstand, die Mappe auf den kleinen Tisch und zog ein paar Blätter heraus. Entwurfszeichnungen von einem ihrer letzten Lehrer Julius Victor Berger, der mit seinen Schülern die Arbeiten vom verstorbenen Markart übernommen hatte, doch für heiklere Arbeiten die Künstler-Compagnie zu beauftragen beabsichtigte.

Gustav wischte mit dem Handrücken etwas Asche unter den Blättern vom Tisch, die von Ernsts Zigarre stammte und ihr endgültiges Ziel beim Abstreifen nicht erreicht hatte. Die Papiere sollten nicht verschmutzt werden.

Franz fuhr mit seinem Schauspiel fort, welches nun schon etwas nervte.

»Unsere Kaiserin soll, wenn sie in ihrem Bette liegt, auf eine Szene von Shakespeares ›Sommernachtstraum‹ blicken. Meine Herren, es soll ein schönes, wehmütiges Bild werden. Bei der Betrachtung unseres Bildes sollten bei der Kaiserin keine lüsternen Gefühle aufkommen. Also ein züchtiges Werk, meine Herren: kein Penis, keine freiliegende Brust oder Ähnliches.«

Gustav lächelte, zwirbelte kurz seinen Schnurrbart und drehte eines der Entwurfsblätter so, dass er es mit seinem Bruder genau betrachten konnte.

»Das können wir besser, nicht wahr, Ernst?«, sein Blick wanderte mit einem Lächeln über seine rechte Schulter.

Ernst kannte diesen schalkhaften Ausdruck in seinen Augen und wusste, dass jetzt etwas Witziges oder gar Frivoles bevorstand.

Gustav zeigte auf ein kleines Detail der Zeichnung, welches ein kleines Kind oder auch ein kleiner Engel sein könnte.

»Lieber Ernst, du darfst wieder dicke kleine Engel malen. Putten, aber diesmal ohne Zipfelchen und nackte Ärsche, nicht so wie die in Mondsee. Nur geschlechtslose Putten. Das kaiserliche Schlafzimmer darf nur mit Bildern von züchtigen Putten ausgestattet werden. Der Blick der Kaiserin vom Bett aus soll himmlisch sein und keine weltlichen Begierden wecken. Also, mein Bruder, male einen Putto für die Kaiserin, wie du ihn noch nie gemalt hast.«

Mit einem »Putt, putt, putt, putt …«, als ob er ein Huhn anlocken wolle, verfiel Gustav in sein so typisches Lachen. Ebenfalls »Putt, putt!« ausrufend, zog Franz Matsch eine weitere Zeichnung hervor, die einen größeren fliegenden Engel darstellte.

Eine fast kindliche Ausgelassenheit ergriff die drei jungen Männer und sie hüpften in der Hocke, wie Hühner gackernd, durchs Atelier, mit den Ellbogen die Flügel imitierend. Obwohl Ernst wusste, dass der Scherz auf seine Kosten ging, war er nicht böse, machte einfach mit, bis sich schließlich alle drei lachend auf dem Boden wälzten.

Erst vor einem Jahr hatte Ernst fünf Gemälde im Auftrag des Fürstenpaares von Wrede für eine Holzdecke des Schlosses Mondsee im Salzkammergut angefertigt. Auf den vier kleineren Tondos, den Rundgemälden, waren mehrere dickliche Putten dargestellt, die sie während der Entstehungsphase zu mehrfachem Gespött anregte, was jetzt seine Wiederholung fand.

 

Gustav Klimt war bekannt dafür, dass er gern weibliche Modelle um sich scharte. Er bezahlte sie besser als so manch anderer Künstler und nahm auch Anteil an ihren Sorgen und Problemen. Er hatte zu einigen von ihnen sexuellen Kontakt und verliebte sich auch immer wieder, manche Frauen konnten sich aber auf Dauer mit seiner egoistisch wirkenden Lebensweise nicht abfinden.

Eine seiner frühen und heute bekanntesten Liebschaften war die junge Alma Schindler, spätere Frau von Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel.

Mizzi Zimmermann, eines seiner wichtigsten Modelle, wurde ihm auch eine gute Freundin, was ebenfalls viele erhalten gebliebenen Briefe und Ansichtskarten belegen.

Als Gustav im Frühjahr des Jahres 1899 erfuhr, dass die junge Mizzi von ihm schwanger war, schrieb er ihr einen langen Brief.

(Die kursiv gesetzten Passagen stellen den Text des im Original erhaltenen Briefes dar.)