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Sissi Kaipurgay

7 Jahre vorm Schlüsselloch


Ein Danke an alle meine Leser.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

7 Jahre vorm Schlüsselloch

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!

Text: Sissi Kaiserlos

Foto von shutterstock – Design Lars Rogmann

Korrektur: Aschure. Danke!

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/


Vorwort

Aus 3 Jahren sind plötzlich sieben geworden. Natürlich ging das nicht hoppla hopp, im Rückblick erscheint es nur so. Privat gab es einige Veränderungen, unter anderem meine zweite Scheidung und erhebliche Querelen in deren Zusammenhang. Beruflich hat sich auch einiges getan. Leider nichts sonderlich positives, aber noch ist nicht aller Tage Abend.

Was mein Hobby angeht: Dort hat sich ebenfalls vieles gewandelt. Ich predige ja stets, dass der Spaß am Schreiben das A und O sein sollte. Das wird mit zunehmendem Anspruch schwieriger. Wie sagte mein Ex-Gatte so schön, als ich mal klagte, dass die Korrekturen einem alles vermiesen könnten? „Dann schreib doch gleich richtig.“ Vermutlich hab ich das verinnerlicht (wo ich doch sonst sehr gut bei ihm weghören konnte) und kranke seitdem daran, möglichst gleich sämtliche Dudenregeln zu befolgen. Das ist ein echter Kreativ-Killer.

Gut, genug gejammert. Nach wie vor liebe ich es, Geschichten zu erzählen und noch mehr, wenn jemand zuhört, beziehungsweise sie liest.

In diesem Buch habe ich einige meiner Lieblingsstorys zusammengefasst, natürlich vorher gründlich überarbeitet und mich damit der zweiten Mammutaufgabe des Jahres, nach St. Pauli, gestellt. Ich hoffe, die Sammlung gefällt und wir lesen uns bald wieder.

Liebe Grüße

Sissi

Hamburg im April 2018


Die gute Tat – aus ‚Liebe für zwischendurch‘

Der Zeitungsverkäufer tat mir leid. Seine Schuhe waren durchlöchert und er klapperte mit den Zähnen, was er tapfer zu verbergen versuchte. Mein Herz schmolz. Letztendlich tat es nicht nur das, es wurde sogar geklaut. Ein Diebstahl, den ich so nicht auf mir sitzen lassen konnte. Ich stellte den Übeltäter...

~ * ~


Falco

Der Mann zitterte erbärmlich, trotzdem lächelte er tapfer und bot mir Hinz und Kunzt an, die Zeitschrift einer Obdachloseninitiative, die den armen Schluckern einen Broterwerb bot.

Ich musste, an diesem Vormittag des Heiligabends, noch ein paar Einkäufe erledigen. Das Wetter war relativ mild, tagsüber immerhin im Plusbereich, dafür aber ziemlich ungemütlich. Bis vor kurzem hatte es geregnet und ich nutzte die Chance, ohne Regenschirm zum Supermarkt zu laufen. So dunkel, wie der Himmel aussah, würde es bald wieder schiffen, daher war ich in Eile. Dafür, mir den Verkäufer etwas näher anzugucken, reichte die Zeit jedoch.

Seine Turnschuhe waren löchrig und bestimmt vollkommen durchnässt. Letzteres galt auch für die Jacke, die ich bestenfalls als frühlingstauglich einstufte. Ich hatte ihn noch nie in der Gegend gesehen. Bis vor einigen Monaten war das Magazin von einem älteren Herrn vor dem Laden verkauft worden, der inzwischen – das wusste ich aus der Zeitung – leblos auf einer Parkbank aufgefunden wurde. Erfroren. Anhand des Fotos hatte ich den Mann erkannt.

„Ich nehme eine Zeitung.“ Ich hielt dem Verkäufer zwei Münzen hin. „Stimmt so.“

Er lächelte breiter, als er das Geld entgegennahm und mir im Gegenzug eines der Blätter reichte. Bei mir stellten sich vor Entsetzen alle Härchen auf. Sein Gebiss war stark sanierungsbedürftig, vermutlich wegen mangelnder Pflege. Zur Erklärung: Ich bin Zahnarzt, daher besonders empfindlich gegenüber schadhaften Beißerchen.

„Danke. Ich wünsche Ihnen einen schönen Heiligabend“, erwiderte der Typ artig.

Er besaß wohl afrikanische Gene, mit der dunklen Haut, den krausen Haare und fast schwarzen Augen und sah – mal abgesehen von den Zähnen – ziemlich hübsch aus.

Ich betrat den Supermarkt und griff nach einem Korb, den ich nach kurzer Überlegung jedoch zurückstellte. Stattdessen nahm ich einen Einkaufswagen und füllte ihn mit allem, was mir in den Sinn kam. Es war eher eine Eingebung, als ein fester Plan. Weihnachten stand vor der Tür, da durfte niemand frieren oder hungern. Sonst natürlich auch nicht, aber zu solchen Festtagen wurde mir besonders bewusst, wie privilegiert ich war. Ich besaß Geld im Überfluss und eine warme Wohnung, etwas, wovon der arme Kerl da draußen wohl nur träumen konnte. Oder gehörte er zu denen, die das Leben auf der Straße bevorzugten?

Mit drei prallen Tüten schwer beladen verließ ich den Konsumtempel und ging zu dem Zeitungsverkäufer. Mit seinen großen, dunklen Augen sah er mir entgegen, wobei er das Klappern seiner Zähne zu verbergen versuchte. Sein Blick wanderte zu den Plastiktüten. Sofort schob er die Zeitungen in seine Umhängetasche.

„Ich helfe Ihnen“, verkündete er und erschreckte mich erneut mit seinem Lächeln.

„Das ist lieb. Ich wollte gerade darum bitten.“ Ich lächelte zurück und reichte ihm zwei der Tüten, was eigentlich ungerecht war. Immerhin überragte ich ihn um einen Kopf und war auch breiter gebaut als er, doch ich wollte ihm keineswegs vermitteln, in ihm einen Hänfling zu sehen.

Die zwei Straßen bis zu meiner Wohnung schlug er sich gut, trotzdem seine Arme immer länger wurden.

Als wir das Gebäude, in dem ich wohnte, erreichten, musterte er die schmucklose Fassade des Backsteinbaus und meinte beifällig: „Schönes Haus.“

„Nett gemeint, aber es ist grottenhässlich. Dafür ist meine Wohnung umso schöner. Trägst du die Einkäufe bitte noch die Treppe hoch?“ Ich verfiel ins vertrauliche du, da er sehr jung wirkte und ihn das Gesieze bestimmt abschreckte.

Misstrauisch musterte er mich. Ich machte mein unschuldigstes Gesicht, was mir anscheinend recht gut gelang, denn er nickte. Es waren nur ein paar Stufen bis zu meiner Wohnung im Hochparterre.

„Stell den Kram in die Küche“, wies ich ihn an, nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte.

Er hinterließ auf dem Weg dorthin eine nasse Spur auf den Holzdielen. Seine Jeans war zerfetzt und betonte die schmalen Arschbacken. Seine Locken trug er leider kurz. Ich mochte lange Rastazöpfe und fand sie ziemlich sexy, wobei ich mir schäbig vorkam, überhaupt an so etwas zu denken.

Ich folgte ihm und stellte meine Tüte zu den anderen auf den Tisch. Der Mann sah sich mit großen Augen um. Mir fiel auf, wie stark er zitterte. Wahrscheinlich war er bis auf die Knochen durchgefroren. Wie lange stand er schon da draußen?

„Sie haben es aber schön.“ Er klang ehrfürchtig, wie jemand, der einen Palast besichtigt.

Zugegeben: Die Edelstahlküche war mein ganzer Stolz. Ich hatte einiges investiert, da ich für mein Leben gern kochte. Seit vor drei Monaten mein ehemaliger Lebensgefährte ausgezogen war, fehlten mir allerdings Mitesser. Also, nicht diese verstopften Poren, sondern jemand, der mit mir mein Mahl teilte. Natürlich fehlte mir auch noch einiges anderes, aber das stand auf einem anderen Blatt.

„Dankeschön. Ich bin übrigens Falco. Wie heißt du?“

„Mandela“, erwiderte er.

Ich lächelte ihn aufmunternd an. „Hübscher Name.“

„War das alles? Oder kann ich noch was helfen?“, erkundigte sich Mandela.

„Im Augenblick nicht, danke.“

„Dann geh ich mal wieder.“ Er machte Anstalten, die Küche zu verlassen.

„Wohin?“, hielt ich ihn auf.

„Erstmal noch ein paar Zeitungen verkaufen und später ... mal gucken. Nachher ist es in der Spitalerstrasse bestimmt schön ruhig. Dann kann ich vielleicht einen warmen Platz vor einem Kaufhaus finden“, antwortete er achselzuckend.

„Du bist obdachlos?“

„Würde ich sonst Hinz und Kunzt verkaufen?“ Mandela klang sehr ruhig, kein Stück provozierend.

Der Ausdruck seiner Augen wirkte morbide, als hätte er für sein Alter schon zu viel gesehen. Ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig. Zum einen empfand ich Mitleid, zum anderen mochte ich Mandela. Mir imponierte seine Offenheit und seine Art, wie er mit den Gegebenheiten umging. Vielleicht irrte ich mich und er war bloß ein Scharlatan, der einen auf harmlos machte, aber momentan überwog mein Bedürfnis, ihm etwas Gutes zu tun.

„Ich mache dir einen Vorschlag.“ Ich setzte mich auf einen Stuhl, damit er in mir keine Bedrohung sah. Zu ihm hochschauend, fuhr ich fort: „Es wäre schön, wenn du hierbleiben würdest, damit ich jemanden habe, für den ich kochen kann. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber ich verspreche dir, dass ich sonst nichts von dir will.“

„Ich könnte dir einen blasen oder …oder du darfst mich ficken“, gab Mandela nüchtern zurück. „Für eine warme Dusche und ein Essen wäre das okay für mich.“

Entsetzt fehlten mir einen Moment die Worte. „Ähm ... wie alt bist du?“

„Dreiundzwanzig.“

„Nun hör mal gut zu: Ich möchte nur deine Gesellschaft. Baden, duschen und hier schlafen biete ich dir außerdem an. Da ist ein Zimmer, das ohnehin leer steht seit … na ja, es ist eben verfügbar. Dafür verschonst du mich mit deinen unmoralischen Angeboten. In Ordnung?“

Der Anflug eines Strahlens glitt über Mandelas Gesicht. „Okay.“

„Wunderbar.“ Ich zeigte auf seine Umhängetasche. „Ist das alles, was du besitzt?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich hab einen Rucksack. Darf ich den holen?“

„Ja, klar. Hol deine Sachen. Ich räume inzwischen hier auf.“

Danke!“ Mandela wirbelte herum und eilte aus dem Raum.

Ich hörte seine eiligen Schritte auf dem Flur, die Tür fiel ins Schloss. In diesem Moment war ich mir unsicher, ob ihn je wiedersehen würde. Nachdenklich leerte ich die Tüten, verstaute die Lebensmittel und sah immer mal wieder aus dem Fenster. Noch war es trocken, doch die Wolken zogen sich bedrohlich zusammen. Zudem pfiff ein eisiger Wind um die Häuser, wie ich an dem Gebaren gelegentlich vorbeihastender Passanten erkannte. Sie zogen die Köpfe ein und hatten ihre Mantelkragen hochgeschlagen, um sich zu schützen.

Ungefähr nach einer halbe Stunde, in der ich unruhig durch die Wohnung getigert war, läutete es an der Tür. Ich betätigte den Öffner, ohne die Gegensprechanlage zu benutzen. Mandela kam die Treppe herauf und keuchte, als wäre er die ganze Zeit gelaufen. Der Armeerucksack, den er auf dem Rücken trug, hatte seine besten Tage vor langer Zeit gesehen und platzte aus allen Nähten.

„Da bin ich wieder“, verkündete er.

„Komm rein.“ Ich ließ ihn in den Flur und führte ihn zu Kurts ehemaligem Zimmer.

Ein Bett, einen Schrank und Schreibtisch hatte er dagelassen, was mir eigentlich sauer aufgestoßen war, nun aber gut in den Kram passte. Im Prinzip gehörten die Möbel auf den Sperrmüll, doch für Mandelas Beherbergung sollten sie reichen.

„Das Bad ist gegenüber. Bade, dusche, mach was du willst. In einer Stunde gibt es Essen.“

Während ich in der Küche wirtschaftete, lauschte ich dem Rumoren meines Gastes. Er lief zwischen Bad und Gästezimmer hin und her, Wasser rauschte, dann wurde es still. Es fühlte sich gut an, endlich mal wieder Gesellschaft zu haben. Ich hatte zwar einen großen Freundeskreis, doch an Weihnachten machten die alle in Familie.

Meine Eltern waren früh gestorben, mit dem Rest herrschte Funkstille. Man kam mit meiner sexuellen Ausrichtung nicht zurecht und ich verzichtete liebend gern auf die biederen Stinkstiefel. Was Kurt anbetraf – der konnte mich mal. Gestern hatte er angerufen und mal wieder um ein versöhnliches Gespräch gebeten. Ich war jedoch ihn und seine zahlreichen Affären leid. In einer Beziehung verlangte ich Treue. Punkt.

Die Stunde verflog im Nu. Das Essen stand bereit, nur Mandela fehlte. Wahrscheinlich befand er sich noch im Bad, denn ich hatte ihn nicht herauskommen hören. Ich horchte an der angelehnten Tür, hörte ein Plätschern und leises Summen. Offenbar ging es Mandela ziemlich gut. Von Neugier getrieben, schob ich die Badezimmertür etwas auf und spähte in den Raum. Das Bild, das ich erblickte, war einfach hinreißend. Mandela trug eine Schaumkrone auf dem Kopf, auch die Wanne quoll beinahe über vor Schaumbergen. Der milchkaffeebraune Kerl mit Schokoaugen blinzelte mich erstaunt an.

„Was ist denn?“, erkundigte er sich.

„Essen ist fertig.“ Als ich das aussprach, fühlte ich mich in die glücklichen Tage mit Kurt zurückversetzt. Wie oft hatte ich ihn so gerufen?

„Tschuldige.“ Mandela stemmte sich hoch und präsentierte mir seinen nackten Körper. „Ich beeil mich. Hab hier rumgetrödelt und die Zeit vergessen.“

Aus Anstand hätte ich die Augen schließen oder mich zurückziehen sollen, doch ich konnte es einfach nicht. Mandela war wunderschön. Ein flacher Bauch, definierte Schenkel, zwischen denen ein beachtlicher Schwanz baumelte. Dazu dieser Blick aus Plüschaugen. Ich schluckte schwer und kämpfte gegen meine aufsteigende Lust. Mandela war – in gewisser Weise – mein Schutzbefohlener. Ihm gegenüber hatte ich keinerlei Begehren zu empfinden. Basta!

„Gibst du mir ein Handtuch, damit ich nicht alles nass mache?“, bat Mandela.

Ich betrat das Bad, reichte ihm ein Duschlaken und drehte mich um. „Hast du saubere Klamotten?“,

„Ja“, antwortete er leise.

„Okay. Dann sehen wir uns gleich in der Küche.“

Fluchtartig verließ ich den Raum, kehrte an den Herd zurück und atmete tief durch. Mandela war unwiderstehlich. Ich rief mir sein schadhaftes Gebiss in Erinnerung, was half, mein Verlangen zu dämpfen. Als er kurz darauf die Küche in Jeans und T-Shirt betrat, hatte ich mich wieder im Griff.

„Setz dich“, forderte ich ihn auf und begann, das Essen zu servieren.

Der trockene Rotwein passte vorzüglich zum Rinderfilet mit Salzkartoffeln und Brokkoli. Mandela gab sich alle Mühe langsam zu essen, doch ich merkte ihm seinen Heißhunger an. Für einen Koch gab es nichts Schöneres als jemand, der seine Speisen genoss und das tat er. Mal um mal seufzte er und warf mir dankbare Blicke zu. Am Ende war alles weggefuttert und er rieb sich mit einem übertriebenen Stöhnen den Bauch.

„Ich platze gleich. Das war total lecker.“

„Du hast ja auch für zwei gegessen“, spottete ich milde.

„Tut mir leid.“ Verlegenheit löste den zufriedenen Ausdruck ab. „Ich hab dir alles weggegessen … du wolltest sicher morgen noch…“

„Quatsch! Ich habe genug eingekauft, um morgen und auch übermorgen neu zu kochen“, beruhigte ich ihn lächelnd.

„Oh!“ Mandela krauste die Stirn. „Brauchst du dann vielleicht wieder jemanden zum Mitessen?“

„Ich hatte gehofft, dass du mir an allen Weihnachtstagen Gesellschaft leistest.“

„Gesellschaft leisten ...“ Mandela gluckste. „Du redest ganz schön geschwollen.“

„Das kommt wohl daher, dass ich mit meinen Patienten so spreche. Oder würdest du einem Zahnarzt trauen, der sagt: Hey, Alter, reiß mal die Klappe auf, damit ich rumbohren kann?“

Einen Moment starrte Mandela mich mit riesengroßen Augen an, dann prustete er los. Mich steckte er damit an, so dass ich ebenfalls loslachte.

Oh Mann!“, stieß er kichernd hervor. „Ausgerechnet ein Zahnarzt. Es gibt kaum jemanden, vor dem ich mehr Angst habe.“

„Wär dir ein Auftragskiller lieber?“

Mandela schüttelte den Kopf und lachte noch lauter. Leider wurden dadurch seine teils schwarzen Zähne sichtbar, was meine Heiterkeit zum Erliegen brachte. Dennoch war es wohltuend, mit ihm herumzualbern. Mir ging auf, dass mir das seit Kurts Weggang fehlte. Unsere Beziehung war zwar kein ewiger Quell der Freude gewesen, trotzdem oft innig genug, um gemeinsam Spaß zu haben.

Ich betrachtete das Schlachtfeld, das ich beim Kochen angerichtet hatte. Spontan kam mir eine Idee, wie ich meinem Gast ein kleines Dankeschön ermöglichen konnte.

Freitag!“, donnerte ich, stand auf und sah Mandela streng an. „Du aufräumen. Robinson macht Weihnachten im Wohnzimmer. Du dürfen gucken, wenn hier fertig.“



Mandela

Freitag ... meine Mutter hatte mir früher aus Robinson Crusoe vorgelesen. Die Erinnerung daran vertrieb meine Heiterkeit. Glücklicherweise bekam Falco, der sich anschickte den Raum zu verlassen, das nicht mit. Bestimmt hatte er damit etwas anderes bezwecken wollen.

Ich schob die Gedanken an meine Kindheit beiseite. Auf harte Art und Weise hatte ich gelernt, stets im Hier und Jetzt zu leben. Jeder Tag, der etwas Gutes brachte, war kostbar. Dieser ganz besonders. Falco erschien mir wie ein rettender Engel, auch rein äußerlich, mit seinem blonden Haar und grünen Augen. Er hatte mich angesehen und mir war gleich ein bisschen weniger kalt gewesen. Inzwischen kochte mein Körper förmlich, von dem heißen Bad und vielem Essen.

Ich sprang auf und begann, flink die Küche aufzuräumen. Davon verstand ich etwas, schließlich hatte ich mich in den letzten Jahren mit Scheißjobs über Wasser gehalten. Oft war die Arbeit in einer Küche noch der Angenehmste von ihnen gewesen. Von den vielen Mal, bei denen ich mich gebückt oder hingekniet hatte, um einen Freier zu bedienen, ganz zu schweigen.

Obwohl, mit Falco würde ich schon ganz gern Sex haben. Er sah gut aus und besaß einen straffen Körper. Ich hatte mich schon immer mehr zu älteren Männern hingezogen gefühlt, wobei er wohl kaum älter als dreißig sein dürfte.

„Bist du fertig?“, rief Falco.

Ich schaute mich prüfend um, wischte den Tisch ab und trocknete mir anschließend die Hände mit einem Geschirrtuch. Alles blitzte. Robinson würde zufrieden mit mir sein.

„Jetzt ja“, gab ich zurück. „Darf ich kommen?“

„Ich bitte darum“, kam es von Falco.

Grinsend, weil mir die Doppeldeutigkeit unseres Wortwechsels auffiel, begab ich mich in den Flur. Schräg gegenüber entdeckte ich eine offenstehende Tür, aus der warmer Lichtschein drang. Als ich in dem Raum trat, erschlug es mich förmlich. Der Tannenbaum, die brennenden Kerzen, Falcos strahlendes Lächeln. Fassungslos blieb ich im Türrahmen stehen und merkte, wie meine Knie ganz weich wurden. Vor Rührung schnürte sich meine Kehle zu und Erinnerungen überschwemmten mich.

„Mandela?“, drang Falcos Stimme wie durch Watte zu mir durch.

Im nächsten Moment stand er neben mir, schlang einen Arm um meine Taille und führte mich zur Couch. Ich ließ mich darauf nieder, den Blick wie gebannt auf den Weihnachtsbaum gerichtet. Als er neben mir Platz nahm, umfasste ich impulsiv sein Gesicht und gab ihm einen Kuss. Nur einen harmlosen Knutscher, mit geschlossenen Lippen.

„Danke“, flüsterte ich.

Falco streichelte mit den Fingerknöcheln meine Wange. „Bitte.“

Ein Designer war an ihm nicht verlorengegangen. Ich mochte die mit Lametta und anderem Klimbim völlig überladene Tanne dennoch. Sie ähnelte denen aus meiner Kindheit.

„Das ist so … so wunderschön.“ Ich fühlte, wie die Tränen hochstiegen, die ich mir die ganzen Jahre verboten hatte.

Was Kälte, Hunger und Angst nicht vermocht hatten, schaffte der Anblick eines Weihnachtsbaums. Ein Schluchzer krabbelte in meiner Kehle hoch und Sturzbäche liefen mir über die Wangen. Falco umarmte mich, streichelte meinen Rücken und murmelte tröstende Worte. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich soweit gefangen hatte, dass ich mich von ihm lösen konnte. Ich rückte ein Stückchen ab und zog die Nase hoch, woraufhin er mir ein Taschentuch reichte.

„Geht’s dir besser?“, erkundigte er sich, nachdem ich mich geschnäuzt hatte.

„Mhm.“

„Dann lass uns auf Heiligabend anstoßen.“ Er hob eins der gefüllten Weingläser, die auf dem Couchtisch standen.

Ich nahm mir das andere, prostete ihm zu und trank einen Schluck. Zum Essen hatte ich bloß am Wein genippt, ansonsten Wasser getrunken. Eigentlich mochte ich das Zeug nicht sonderlich, doch so langsam kam ich auf den Geschmack.

Wir plauderten lange. Falco wollte alles Mögliche wissen und ich erzählte es ihm freimütig. Ich hatte das Gefühl, vor ihm nichts verbergen zu müssen. Darüber wurde es spät. Draußen herrschte tiefschwarze Dunkelheit und die Uhr zeigte zwei Uhr morgens. Wir hatten zwei weitere Flaschen Rotwein geköpft und ich fühlte mich entsprechend leicht. In meinem Inneren glomm ein Licht, das jedoch nicht vom Alkohol herrührte. Falco hatte es entzündet.

„Ab ins Bett“, befahl er lächelnd.

Wir verabschiedeten uns auf dem Flur. Auf dem Weg zu meinem Zimmer hatte ich ein bisschen Schlagseite.



Am nächsten Tag brummte mein Schädel etwas, doch das Gefühl, in frischer Bettwäsche aufzuwachen, war so schön, dass es mir trotzdem ziemlich gut ging. Ich streckte mich, spürte die glatte Baumwolle auf meiner nackten Haut und – Moment, wieso nackt? Ein Blick unter die Decke bestätigte diese Tatsache. Hatte ich mich ausgezogen? Offenbar war ich betrunkener gewesen, als angenommen.

Meine Klamotten lagen als Haufen auf dem Boden. Ächzend schwang ich meine Beine aus dem Bett, schnappte mir meine zuoberst liegende Shorts und stieg hinein. Auf dem Weg ins Bad kratzte ich mir gähnend die Eier. Was für eine Wohltat, in einer geheizten Wohnung ein ebenfalls warmes Klo aufzusuchen. So etwas wusste man sehr zu schätzen, wenn man sonst seine Notdurft an zugigen Ecken verrichtete.

Ich trödelte herum und versuchte, den Moment möglichst ausgiebig zu genießen. Viel zu schnell konnte mein Glück vorbei sein. Es war nicht das erste Mal, dass mich ein Typ bei sich wohnen ließ. Sonst hatte ich dafür hinhalten müssen. Fickarrangements auf Zeit, meist mit einem Ungleichgewicht zu meinen Ungunsten. Einmal hatte einer dieser Typen mich an diverse Kumpel ausgeliehen. Eine Erinnerung, die im tiefsten Winkel meines Verstandes vergraben war.

Zurück in meinem Zimmer, zog ich mich an und fing an zu packen. Mittendrin hielt ich inne. Falco hatte gesagt, dass ich bleiben durfte. War das sein Ernst gewesen? Ich schlich in den Flur und horchte an der Tür neben dem Bad. Stille. Leise drückte ich die Klinke runter und spähte in den Raum. Falco, einen Arm ums Kopfkissen geschlungen, schlief tief und fest. So entspannt sah er noch anziehender aus. Er schmatzte, wälzte sich auf die andere Seite, seufzte und begann wieder regelmäßig zu atmen. Ihn zu wecken, um meinen Wissensdurst zu stillen, wollte ich aus Taktgründen lieber vermeiden.

Mittlerweile war ich hellwach, zudem knurrte mein Magen. Auf Zehenspitzen begab ich mich in die Küche, wo ich den Inhalt des Kühlschranks inspizierte. An Aufschnitt, Käse und Süßaufstrichen war allerlei vorhanden. Angeekelt betrachtete ich eine Packung Schnittbrot. Trotz meiner prekären Situation gab es Lebensmittel, die ich verabscheute. Dieses Zeug gehörte definitiv dazu.

In dem Bahnhof unweit des Supermarktes befand sich ein Kiosk, der an den Feiertagen geöffnet hatte und frische Brötchen anbot. Das wusste ich, weil ich mögliche Nahrungsquellen in der Umgebung stets als erstes lokalisierte. Vielleicht fand ich in dem Laden auch irgendeine Kleinigkeit, um sie Falco zu schenken, als Symbol für meine Dankbarkeit. Einziges Problem: Mein schmales Budget.

Ich besaß nur noch die drei Euro, die mir Falco gegeben hatte. Das zuvor verdiente Geld war für einen heißen Kaffee und ein Schokocroissant draufgegangen. Mein ganzes Kapital bestand in dem Stapel Hinz und Kunzt. Dreißig Exemplare, von denen noch die Hälfte übrig war, hatte ich Anfang der Woche erworben.

Erneut schlich ich zu Falcos Schlafzimmer. Er pennte weiterhin. Mein Blick fiel auf seine Klamotten, die in einem ordentlichen Stapel auf einem Stuhl lagen. Offenbar hatte er den Rotwein besser verkraftet als ich. Zuoberst lag seine Hose, aus deren Gesäßtasche seine Börse lugte. Ich stahl mich ins Zimmer, holte die Brieftasche hervor und nahm einen grauen Schein heraus. Anschließend legte ich sie obenauf. Sobald ich zurück war, würde ich ihm das Wechselgeld geben und mich für den Einbruch in seine Privatsphäre entschuldigen. Entweder verzieh er mir, oder er warf mich raus. Die Chancen standen fifty-fifty, doch das war es mir wert, ihm vielleicht eine schöne Überraschung zu bereiten.

Im Flur schlüpfte ich in meine Jacke und Turnschuhe. Letztere waren noch etwas klamm, doch ich hatte schon ganz andere Dinge ertragen. Anschließend schnappte ich mir Falcos Schlüsselbund, der auf der Garderobe lag und verließ die Wohnung.



Falco

Eine Tür klickte leise ins Schloss. Das Geräusch weckte mich auf. Nach kurzer Besinnung wurde mir bewusst, dass es nur eines bedeuten konnte: Mandela war abgehauen. Enttäuschung keimte auf. Damit hätte ich, nach der letzten Nacht, niemals gerechnet. Tja. Soweit zu meiner Menschenkenntnis.

Mandela war mit fünfzehn von zuhause ausgerissen, um den Schlägen seines alkoholkranken Vaters zu entkommen. Es folgte eine Drogenkarriere, inklusive Prostitution und schließlich ein Entzug, nach dem er rückfällig wurde. Wieder durchlief er die vorherigen Stationen und blieb nach dem zweiten Versuch clean, bis heute.

Inzwischen war Mandela vier Jahre weg von den Drogen, doch den Einstieg ins bürgerliche Leben hatte er noch nicht geschafft. Mit dem Verkauf von Hinz und Kunzt erhoffte er sich, einen ersten Schritt in diese Richtung zu tun. Ich schätzte ihn als zu stolz ein, um sich Hilfe von den Behörden zu erbitten. Eher bot er seinen Körper feil, als irgendjemandem auf der Tasche zu liegen.

Dass er nun sogar vor mir davongelaufen war, obwohl ich ihm nichts Böses wollte, tat verdammt weh. Ich richtete mich auf und entdeckte meine Geldbörse, von der ich sicher war, dass sie in meiner Hosentasche gesteckt hatte. Mein Herz vollführte einen schmerzhaften Satz.

Ich sprang aus dem Bett und schaute nach, was Mandela gestohlen hatte. Kreditkarten, Perso und Führerschein – alles da. Von den zweihundert Euro, die ich am Tag vor Heiligabend abgehoben hatte, fehlten ein paar Scheine, wegen des gestrigen Einkaufs. Es sah so aus, als ob noch alles da war.

Nachdenklich ging ich ins Bad und leerte meine Blase. Ich war gerade fertig geworden, als ich einen Schlüssel im Schloss der Wohnungstür hörte. Das konnte nur Mandela sein. Vor Erleichterung wurde mir ganz warm ums Herz. Wie hatte ich nur an ihm zweifeln können?

Rasch wusch ich meine Hände und wurde, als ich den Raum verließ, mit Mandela konfrontiert, der mit schuldbewusster Miene davorstand.

„Ich hatte gehofft, dass du noch schläfst, wenn ich zurückkomme. War Brötchen holen und das hier ist für dich.“ Er hielt mir ein YES-Torty, in dem eine kleine Kerze steckte, auf der Handfläche hin. „Das restliche Geld liegt in der Küche. Ich hab nur zwei von den fünf Euro benötigt.“

„Das ist lieb von dir“, erwiderte ich gerührt und nahm ihm das Törtchen ab. „Warum hast du keine Nachricht hinterlassen? Ich dachte schon, du bist abgehauen.“

Mandela zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Warum sollte ich?“

Ich zuckte lediglich mit den Achseln.

„Hier ist es warm und trocken, außerdem wohnt hier ein unglaublich toller Mensch.“ Er grinste mich verschmitzt an. „Du musst schon was anderes tun, als für mich zu kochen und lieb zu mir sein, um mich loszuwerden.“

Nachdem ich das Törtchen auf der Ablage überm Waschbecken deponiert hatte, stieg ich in die Duschkabine. Ich beeilte mich und schlüpfte danach schnell in frische Kleidung. In der Küche erwartete mich verlockender Kaffeeduft.



„Ich möchte mir deine Zähne genauer ansehen“, verkündete ich im Anschluss ans Frühstück.

„Lieber nicht“, murmelte Mandela.

„Oh doch“, beharrte ich und brachte ihn in meine Praxis, die sich idealerweise nur einen Hauseingang weiter befand.

Eine erste Bestandsaufnahme war positiv. Die Substanz schien in Ordnung zu sein. Ich verpasste ihm eine Unterweisung in Zahnpflege sowie eine professionelle Zahnreinigung. Anschließend sah sein Lächeln halbwegs passabel aus. Das Röntgen und die anderen notwendigen Reparaturen verschob ich auf später, wenn mein Personal wieder da war.

Zurück in der Wohnung ging Mandela direkt ins Bad. Wahrscheinlich, um sich im Spiegel an seinen Zähnen zu erfreuen. Mittlerweile war er mir noch mehr ans Herz gewachsen. Mandela besaß eine erfrischend ehrliche Ader und hatte es verdient, dass ich ihm ein bisschen half. Sonderlich viel kostete mich das ja nicht, bis auf ein wenig mehr Strom und Wasser. Die Wohnung war mein Eigentum, daher brauchte ich keinem Vermieter gegenüber geradezustehen.

Nach einer Weile gesellte er sich zu mir, auf die Couch im Wohnzimmer. Er strahlte, wie ein Kind bei der Bescherung, was mich in meinem Vorhaben bestärkte.

„Ich möchte, dass du richtig hier einziehst“, gab ich bekannt.

„Das bin ich doch schon. Mehr Kram hab ich nicht.“

„Ich meine damit, dass du hier wohnen bleiben kannst, solange du brauchst, bis du auf eigenen Beinen stehst.“

Seine Augen wurden riesengroß. „Du ... du meinst, ich kann hier bleiben … für immer?“, stammelte er.

„Na ja, für immer … das ist wohl etwas weit gegriffen. Zumindest so lange, bis du eine Ausbildung in der Tasche hast.“

Im nächsten Moment hing Mandela an meinem Hals und küsste mich auf die Wange. Das fühlte sich gut an, viel zu gut. Er duftete nach meinem Shampoo und seine Lippen waren so weich. Ich schob ihn weg, bevor sich mein Schwanz zu freuen begann.

„Schon gut. Ich mach das gerne.“

Mandela himmelte mich förmlich an. „Du bist ein guter Mensch, Falco Schneider.“

„Manchmal“, relativierte ich. Kurt würde dazu etwas ganz anderes sagen.

„Sei nicht so bescheiden. Niemand würde das für mich tun, ohne eine Gegenleistung zu verlangen“, beharrte Mandela.

„Wieso? Ich verlange doch eine Gegenleistung, nämlich deine Anwesenheit“, konterte ich.



Mein neuer Mitbewohner stürzte sich mit Feuereifer in die Arbeit. Gemeinsam recherchierten wir im Internet Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten. Er lud sich Übungsmaterial runter und lieh sich von mir Bücher, mit denen er sich stundenlang in seinem Zimmer verschanzte.

Am ersten Arbeitstag nach Weihnachten nahm ich ihn wieder mit in meine Praxis, um Röntgenaufnahmen anfertigen zu lassen. Anhand der Aufnahmen erstellte ich einen Behandlungsplan, den ich in den zwei Tagen bis zum Jahreswechsel durchführte. Mandela ertrug alles mit Fassung, obwohl er vor Angst Schweißausbrüche erlitt. Am Ende war er überaus glücklich mit dem Ergebnis und strahlte wie der Weihnachtsbaum am Heiligabend.

Er bekam auch neue Kleidung. Eigentlich hatte er mir bloß gestattet, ihm Schuhe zu kaufen, aber ich beschaffte heimlich Jeans, ein paar T-Shirts und Pullover, die er zähneknirschend als verspätetes Weihnachtsgeschenk akzeptierte.

Sylvester verbrachten wir bei meinen Freunden, die ihn gleich akzeptierten. Mandelas fröhliche, zurückhaltende Art kam eben bei jedermann gut an.

Was die Schule betraf: Zum Glück begann die erst im Sommer. Ein Bekannter von mir, ein pensionierter Lehrer, erklärte sich bereit, gegen geringes Entgelt Mandela fit für die mittlere Reife zu machen. Es bestanden erhebliche Defizite, die es bis dahin aufzuholen galt.

Es lief also alles wie geschmiert. Ich fühlte mich wohl, wenn ich Mandela in der Wohnung rumoren hörte oder einfach wusste, dass er da war. Einzig seine zunehmende Anziehungskraft machte mir Sorgen. Er wirkte auf mich wie ein Magnet. Das führte dazu, dass ich anfing auf Abstand zu gehen. War ich im Bad, schloss ich mich ein und benutzte er den Raum, mied ich diesen, wie der Teufel das Weihwasser. Ich traute mir selbst nicht mehr, so stark war mein Verlangen nach ihm.

Was Mandela für mich empfand, entzog sich meiner Kenntnis. Vielleicht sah er in mir eine Art Vaterfigur. Unser Altersunterschied betrug immerhin neun Jahre. Ich hingegen merkte immer mehr, dass meine Gefühle für ihn ganz anderer Natur waren. Zu dem körperlichen Begehren gesellte sich der Wunsch, Mandela als Partner an meiner Seite zu haben. Aus dem anfänglichen verliebt sein – das ich im Nachhinein als solches diagnostizierte – war etwas Tieferes geworden.

Nachts lag ich oft wach und kämpfte mit meinen inneren Dämonen. Ich bräuchte doch nur zu ihm zu gehen. Er würde mich mit offenen Armen empfangen, allerdings aus Dankbarkeit, nicht aus Liebe oder wenigstens physischer Sehnsucht. Konnte er Sex überhaupt noch genießen? Nach seinen Schilderungen bezüglich Beschaffungsprostitution und ähnlichem, dürfte der Akt wohl eher mit Ekelgefühlen behaftet sein.

Der ständige Schlafmangel zehrte an meinen Kräften. Ich begann abends sedierende Mittel einzunehmen, um besser zur Ruhe zu kommen. Das half einigermaßen. Ich musste jedoch mit der Dosierung vorsichtig sein, damit ich morgens den Wecker hörte.



An einem Freitagabend verdoppelte ich die Dosis, um mich endlich gründlich auszuschlafen. Gegen halb elf wünschte ich Mandela, der mal wieder an seinem Schreibtisch über den Büchern hockte, eine Gute Nacht. Er erwiderte den Gruß und wirkte ein bisschen beleidigt. So, als ob er sich vernachlässigt fühlte. Meine Sinneswahrnehmungen spielten mir bestimmt einen Streich, daher ließ ich es auf sich beruhen.

Wie seit Mandelas Einzug üblich – vorher hatte ich nackt geschlafen – ging ich in Shorts ins Bett. Dank des Medikamentes sank ich schnell in Morpheus‘ Arme. Ich suhlte mich in einem feuchten Traum, in dem mich Mandela mit dem Mund verwöhnte. Das fühlte sich verdammt geil an und total real. Ich spürte sogar seine krausen Haare, als ich nach unten griff und wölbte mein Becken hoch, um tiefer in seine heiße Mundhöhle vorzudringen. Moment!

Mit einem Schlag war ich wach und starrte an mir runter. Das war kein Traum! Ich zerrte Mandelas Kopf weg, woraufhin mein befreiter Schwanz hochwippte und gegen meinen Bauch dengelte.

Verdammte Scheiße! Was tust du da?“, fauchte ich ihn an.

Im ersten Moment guckte Mandela erschrocken, doch seine Miene wandelte sich schnell und er lächelte keck. „Ich blase dir einen und es gefällt dir“, erklärte er das Offensichtliche.

Im Schein des Lichts, das aus dem Flur ins Zimmer drang, schimmerte seine milchkaffeebraune Haut verführerisch. Sehnsucht drohte mich zu übermannen.

„Mach das nie wieder, sonst schmeiße ich dich aus der Wohnung“, drohte ich, hilflos meinen widerstreitenden Emotionen ausgesetzt.

Wie hätte ich mich sonst gegen ihn wehren sollen? Er schien überzeugt, mir Sex zu schulden.

Mandelas Gesichtsausdruck wandelte sich erneut. Das Lächeln wich grimmiger Entschlossenheit. Er rutschte hoch, bis sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Ich schloss meine Augen und betete stumm, dass er es nicht tat, wurde jedoch von keinem Gott erhört. Mandela küsste mich. Meine ohnehin bröckelnde Beherrschung ging flöten.

Stöhnend zog ich ihn in meine Arme. Seine Lippen schmeckten fantastisch und sein ureigener Duft hüllte mich ein. Meine Hand wanderte über die seidenglatte Haut seines Rückens und umspannte eine seiner runden Arschbacken.

Mandelas Kuss war leidenschaftlich, zugleich zärtlich. Mein Verlangen wuchs ins Unermessliche. Im Sinnesrausch wehrte ich mich weder, als er sich auf mich setzte, noch dagegen, dass er meinen steifen Schwanz hochbog. Nachdrücklich schob er sich auf meine Latte, wobei mir zumindest – in einem letzten Aufbäumen von Verstand – auffiel, dass er sich vorbereitet haben musste. Ich rutschte relativ leicht in seine Enge.

Mandela begann mich zu reiten, beide Handflächen auf meiner Brust abgestützt. Er machte gleich Tempo, ließ mir überhaupt keine Chance zur Besinnung zu kommen. Wie ein Hengst im wilden Galopp, raste ich auf die Ziellinie zu. Im Moment des kleinen Todes flitzten bunte Sterne durch mein Sichtfeld.

Ich war kaum gelandet, da setzte Mandela zum Endspurt an. Eine Faust um seinen Ständer geschlossen, gebärdete er sich gleich einem wildgewordenen Jockey. Ekstatisch stöhnend kleckerte er seine warme Lust teils auf seinen, teils auf meinen Bauch. Einige Moment verharrte er auf mir, bevor er abstieg, vom Bett krabbelte und das Zimmer verließ.

Ich war von dem fulminanten Orgasmus völlig erledigt. Eigentlich wollte ich warten, bis er aus dem Bad zurückkehrte und sich an mich schmiegte, doch Erschöpfung raffte mich hinweg. Meine bleischweren Lider fielen zu.