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Am 05. Januar 2017 berichtete SPIEGEL ONLINE von einem Elefantenbaby bei der Wassergymnastik (http://www.spiegel.de/video/elefantenbaby-wassergymnastik-in-thailand-video1732661.html). Eine kurze Recherche ergab, dass die Bilder des Elefantenbabys bei seiner Hydrotherapie um die ganze Welt gingen. Praktisch alle großen Blätter berichteten in etlichen Sprachen von diesem Ausdruck wahrer Tierliebe.

Verfolgte man diese Bilder, wurde aber auch klar, dass diese Therapie für den kleinen Babyelefanten ein Vermögen kosten musste. Es musste also jemanden daran gelegen haben, diesen Babyelefanten zu retten. Jemand, der zum einen über Mittel verfügt, solch eine Therapie zu bezahlen und der zum anderen eine enge Bindung zu Elefanten haben muss. In der Presse wurde der kleine Babyelefant Fah Jam genannt oder Clear Sky. Das konnte daran liegen, dass ein thailändischer Name nicht so einfach zu übersetzen ist.

Die Bilder des schwimmenden Babyelefanten ließen mich nicht los. Und so führten mich meine Recherchen nach Pattaya/Thailand. Das Zuhause von Fahjem – so ihr richtiger Name. Und dort sollte ich erfahren, wieso ihre Rettung eine reine Herzensangelegenheit war.

Für Kampon

Constantin Himmelried

FAHJEM

Klarer blauer Himmel

© 2018 Constantin Himmelried

Autor: Constantin Himmelried

Umschlaggestaltung, Illustration: Michael Bennett, London; Tanes Rojrunglerk, Bangkok

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-7469-2310-9

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Inhaltsverzeichnis

PROLOG

In einem Büro im botanischen Garten

35 Jahre zuvor

Vor ein paar Monaten

Heute

Epilog

Dank

Hinweis

Nongnooch Garden Pattaya

FAHJEM in der Presse

PROLOG

Vor ein paar Wochen. In einem District Court in London. Es sollte an diesem Morgen um 9.00 Uhr über einen Eilantrag entschieden werden.

Die Anwälte hatten gerade ihre Roben angelegt und der Richter Platz genommen, als das Handy des Anwalts klingelte, der den Antragsteller vertrat. Sein Mandant rief an. Nachdem er aufgelegt hatte, erklärte er, dass er im Auftrag seiner Mandantschaft den Antrag zurücknehme. Der Gerichtstermin war damit beendet.

Dass Anträge zurückgenommen werden, ist nicht ungewöhnlich. Aber zu einem Zeitpunkt, an dem die Verhandlung nicht mal begonnen hat, ist durchaus speziell.

Es hätte darum gehen sollen, dass einem thailändischen Betreiber eines botanischen Gartens die Ausstellung auf der jährlich stattfindenden Gartenshow in Londons Stadtteil Chelsea abgelehnt wurde. Die Begründung war, dass der botanische Garten in Thailand Elefantenshows veranstalte. Damit wurde ihm die Zulassung zur Ausstellung bei der Chelsea Flower Show verweigert. In letzter Sekunde jedoch, zog der botanische Garten aus Thailand seinen Antrag zurück und akzeptierte damit, nicht auf der Flower Show auszustellen.

Eigentlich, bis auf die in letzter Sekunde erfolgte Rücknahme, ein unspektakulärer Fall mit einem genauso unspektakulären Sachverhalt.

Aber dahinter steckt eine schier unglaubliche Geschichte. Von einem Mann. Mit einer Plantage. Und einem Elefanten.

In einem Büro im botanischen Garten

Er war aufgeregt. Vieles kam in ihm hoch. Erinnerungen. Freude. Leid. Zweifel. Angst. Ein Wechselbad der Gefühle.

Es war anstrengend für ihn und er war einerseits froh, über das, was er und sein Team in den vergangenen Jahren erschaffen hatten. Erfolge. Rückschläge. Er traf damals, vor vielen Jahren, eine Herzensentscheidung. Und diese bereute er zu keinem Zeitpunkt.

Er ließ sich in seinen Sessel fallen und blickte auf die vielen Bilder an der Wand, die seine Geschichte erzählen. Persönlich. In seinem Büro. Eine Träne formte sich in seinem Auge. Lief langsam die Backe herunter. Freude. Trauer. Er konnte jetzt nur noch warten und hoffen, dass die Ärzte alles tun würden, um das Baby zu retten. Er hatte ein Déjà-vu.

35 Jahre zuvor

Es war in den 80ern. Kamons Eltern betrieben eine Palmen Plantage. Sie ernteten Ananas, Kokosnüsse und Bananen. Verkauften die Früchte und stellten Öle her. Sie konnten gut davon leben. So gut, dass Kamon mit seinen Eltern schon in jungen Jahren viel reisen und dabei einiges von der Welt kennenlernen durfte. Unterschiedliche Kulturen mit all ihren Eigenarten. Kamon wuchs liberal auf. Seine Mutter lehrte ihn stets, allen Dingen gegenüber aufgeschlossen zu sein und nichts zu verurteilen. Es war ihr Charisma, was Kamon erbte. Diese Herzlichkeit. Trotz vieler Reisen und Eindrücke aus fremden Ländern, gehörte Kamons Herz der Plantage. Der Natur und den Tieren. Schon als kleiner Junge verbrachte er seine freie Zeit zwischen den Palmen. Schaute den Arbeitern beim Pflanzen und Ernten zu. Er war immer interessiert. So sehr, dass seine Mutter ihn manchmal von der Plantage holen musste, da er den Arbeitern Löcher in den Bauch fragte und sie nicht selten von der Arbeit abhielt. Kamon entwickelte eine ganz besondere Beziehung zu den Pflanzen.

„Sie sind Lebewesen, wie du auch“, lehrte ihn seine Mutter. Und genau das hat Kamon verinnerlicht. Er behandelte Pflanzen herzlich. Sie wurden seine Freunde. Seine Spielgefährten. Auch die Tiere. Von den Insekten, bis zu den Katzen und Hunden aber auch den Elefanten, die er manchmal sah, wenn sie am Berg Holzstämme ins Tal zogen. Allerdings war er immer betroffen davon, wie manchmal mit ihnen umgegangen wurde. Die Mahoods, so werden die Elefantenführer genannt, nutzten Lanzen mit scharfen Metallspitzen, um die Elefanten zu führen. Manch einer schlug damit so fest zu, dass Kamon den Schmerz des Elefanten spüren konnte. Seine Mutter erklärte ihm, die Elefanten hätten eine so dicke Haut, dass sie nur einen kleinen Stich verspüren. Sie würden keine Schmerzen haben. Kamon glaubte seiner Mutter und doch tat es ihm immer in der Seele weh, wenn er es sah. Er schaute einfach weg. Konzentrierte sich auf seine Freunde, die Pflanzen und die Palmen. Schnell wurde klar, dass Kamon einen „grünen Daumen“ hat. Eine Leidenschaft, die er von ganzem Herzen in die Pflanzen übertrug. Schon in jungen Jahren kannte er jede Pflanze. Jede Wirkung. Jeden Trick und Kniff. „Pflanzen gedeihen, wenn man ihnen Liebe schenkt. Genauso wie wir Menschen“, erklärte ihm seine Mutter. Und genau das sollte Kamon verinnerlichen und ihn prägen. Er schenkte Liebe. Bedingungslos. Vorurteilsfrei. Den Pflanzen und den Menschen.

Es kam der Tag, Kamon war inzwischen über 30 Jahre alt, als seine Mutter ihn bat, die Plantage alleine zu führen. Aber nicht nur das. Er sollte sie auflösen. Seine Mutter erkannte seine Leidenschaft zur Natur. Sein einzigartiges Geschick, Pflanzen gedeihen zu lassen. Sie forderte von ihm, dass er seiner Leidenschaft folgen und einen Garten anlegen solle. Über die gesamte Plantage. Kamon war überrascht und verstand es nicht. Die Familie lebte von der Plantage, auch wenn das Geschäft in den letzten Jahren stark rückläufig war. Es war ihr einziges Einkommen. Aber seine Mutter bestand darauf. Kamon respektierte ihren Wunsch. Sie wusste, was gut für ihn war. „Folge deiner Leidenschaft und lass diese Plantage zu einem Garten erblühen, der deinem Herzen und deiner Liebe Ausdruck verleiht. Alles andere wird sich fügen“, sagte sie ihm damals. Sie würden alles Angesparte investieren, um diesen Traum der Mutter, der Kamons werden sollte, zu finanzieren.

Kamon fing an, die Palmen umzusetzen. Neue Pflanzen kamen hinzu. Er gestaltete. Züchtete. Recherchierte und besuchte Pflanzenmessen in der ganzen Welt. Fünf Jahre lang gestaltete er die riesige Plantage zu einem Garten um.

Es entstand die Idee, nicht nur Pflanzen zum Verkauf anzubieten, sondern den Garten als Ausstellung zu präsentieren. Eintritt zu verlangen. Damit würde er Geld haben, um weiter in den Ausbau zu investieren, denn seine Ideen und Visionen nahmen kein Ende.

Aber kurz bevor der Garten für zahlende Besucher eröffnet werden sollte, schreckte Kamon auf, als er gerade das Beet am französischen Garten ebnete. Ein lauter Schrei hallte vom Berg. Kamon kannte das Geräusch. Er hörte es schon oft. Aber an diesem Tag war es lauter. Durchdringender. Es traf ihn. Ins Herz. Dieser Schrei war Schmerz. Tiefer Schmerz. Kamon legte seine Gartenschere zur Seite. Er blickte Niti in die Augen. Niti half ihm beim Umbau der Plantage zum Garten. Sein Freund. Niti verstand. Er konnte den Gesichtsausdruck von Kamon lesen. Es musste nicht gesprochen werden.

Sie legten die Arbeit nieder und fassten einen Plan. Sie würden sie retten. Kamon hatte sie schon ein paarmal gesehen. Immer wieder fuhr er durch das Dorf. Unauffällig. Nur, um sie zu sehen. Und um dann mit Tränen im Gesicht zurückzukehren. Eigentlich wollte er es ignorieren. Es brachte nichts. Er würde nichts tun können. Aber dieser Schrei erweckte etwas in Kamon. Allem gegenüber vorurteilsfrei zu sein. Nicht zu richten, lehrte ihn seine Mutter und stets beherzte er das. Es war in Fleisch und Blut übergegangen.

Aber an diesem Tag ging es um mehr. Es ging darum, zu helfen. Zu richten. Zu handeln. Vorurteile heraufzubeschwören, die Fakten waren. Es war genug.