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Christian Albrecht May

Der Mensch - eine geisteswissenschaftliche Zusammenschau

Die 900 Thesen Giovanni Pico della Mirandolas in ihrem Kontext lateinisch-deutsche Ausgabe

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© 2017 Christian Albrecht May

Verlag und Druck: tredition GmbH, Grindelallee 188, 20144 Hamburg

ISBN

Paperback:978-3-7439-8590-2
Hardcover:978-3-7439-8591-9
e-Book:978-3-7439-8592-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Einführung in die Texte

1. Die Idee – Zeitströme und biographische Voraussetzungen

2. Chronologie der Ereignisse

3. Die Texte – formale Rezeption

4. Die Texte – inhaltliche Gliederung

4.1. Einleitung und Methode

4.2. Ergebnisse

Skizzen einer Anthropologie aus den 900 Thesen

Corpus, Materia, Substantia, Terra

Anima

Intellectus

4.3. Diskussion

Die Texte (lateinisch-deutsch)

Die Eröffnungsrede

Die 900 Thesen

Auszüge aus der Verteidigungsschrift

1. Die Idee - Zeitströme und biographische Voraussetzungen

O Mazda,
Als du am Anfang für uns
Körper, Leben, Geist und Gewissen erschaffen hast,
hast du uns auch die Vernunft geschenkt.
Du hast uns die Kraft zum Handeln und Reden gegeben,
damit jeder seinen selbst gewählten Weg in Freiheit beschreiten kann.1

In der Geschichte der zivilisierten Menschheit finden sich immer wieder Dokumente die zeigen, dass die grundsätzlichen philosophischen und theologischen Fragen den Menschen in nur wenig veränderter Weise bis heute begleitet haben. Früher waren es nur Einzelne, die ihr Wissen fixierten, das sie aus eigener Anschauung und aus dem Strom der mündlichen Tradition entwickelten. Die Aufzeichnung erfolgte in der eigenen Sprache. Zwei große Motivationsströme finden sich in dieser Entwicklung: der eine ist Weisheit, der andere Macht. Beide wollen das Gute, doch mit welchen Mitteln? Die Motivation für beide liegt in zwei Grundfragen verankert: was bin ich? Was soll ich tun? Das Nachdenken und das Handeln. Bei dem Versuch, die Fragen zu beantworten, stoßen wir an unsere Erkenntnisgrenzen.

Die Weisheit ist stets von großer Offenheit und Toleranz geprägt, wenn sie auch oft das große Rampenlicht scheut. Der Blick ist auf die Harmonie und den Inhalt gerichtet. Die Weisen bieten Lösungsansätze und regen die eigene Entwicklung an. Die Macht will Identität und Hierarchien, die sie nach außen hin sichtbar und demonstrativ verkündet. Der Blick ist auf die eigene Position und die Form gerichtet. Die Mächtigen arbeiten mit Gesetzen und drücken das Handeln in starre Regeln.

Der unterschiedliche Ansatz schafft keine echte Polarität sondern stellt nur zwei unterschiedliche Blickrichtungen dar. Das grundsätzliche Objekt, der Mensch, ist das gleiche. Insofern lassen sich alle Aussagen über dieses Objekt zusammenführen. Scheinen sie sich zu widersprechen, muss man nur die Blickrichtung klären und der Widerspruch löst sich auf. Versucht man eine harmonisierende neue Interpretation zu erstellen, nennt man das Synkretismus. Voraussetzung dafür ist, dass man die verschiedenen älteren Ansichten (möglichst im Original) kennt. Dies war bis in das 15. Jahrhundert n.Chr. schwierig: wenige waren des Lesens mächtig, die Texte wurden in nicht öffentlich zugängigen Bibliotheken aufbewahrt und bei Interesse wenn vorhanden von Hand abgeschrieben. Der allgemein verwendete Sprachenkanon in Europa reduzierte sich neben der Muttersprache auf das Latein als Wissenschaftssprache. Nur ausnahmsweise erlernte man eine weitere Sprache. Der Übersetzer eines Werkes hatte in der Regel große Freiheiten, da kaum Original und Übersetzung zum Vergleich vorlagen.

Eine unglaubliche Änderung setzte in der Mitte des 15. Jahrhunderts dieser das Mittelalter prägenden Situation ein. Der Buchdruck ermöglichte plötzlich eine rasche Verbreitung von Texten, die Möglichkeit dass mehr Menschen schriftliche Dokumente besitzen konnten und in Folge, dass auch mehr Menschen ihre Meinung über das Buch verbreiten und dokumentieren konnten.2 Durch die weitläufige Präsenz konnte man leichter Texte vergleichen, es wurden erste textkritische Ausgaben und textkritisches Arbeiten angelegt, die vielen neuen Übersetzungen erlaubten auch dem einfach ausgebildeten Gelehrten auf Latein in neue Wissensbereiche vorzudringen.

Mit der Entwicklung der europäischen Universitäten im 12. Jahrhundert bildete sich eine eigene Methode heraus, die zunächst auf dem Vergleich der zur Verfügung stehenden Schriften und Abhandlungen basierte, und dann eine eigene Bewertung setzte: die scholastische Methode.3 Grundlage ist dabei die Polarisierung in These(n) und Antithese(n). Dies begünstigte die Bildung von konkurrierenden Meinungen, um die man sich dann ‚streiten’ konnte, die jedoch mehr auf isolierten formalen Aspekten als auf zusammenfassenden inhaltlichen Grundgedanken fußten. In dieser ‚Kultur des Streitens’ wurden die jungen Akademiker ausgebildet, sie galt es zu üben und zu erlernen.4 Da das Wissen neben eigenen eklektischen Anstrengungen meistens einseitig durch den Lehrer vorgegeben war, verließ man sich auf die vorgegebenen Argumente und versuchte sich in einem kleinen Ausschnitt.

Die norditalienische Universitätslandschaft blühte gerade im 15. Jahrhundert so gewaltig auf, dass sie Gelehrte aus ganz Europa anzog. Das Besondere dabei lag in einer Freiheit, bei der (herausragend in Bologna und Padua) das Wissen von den Studenten selbst organisiert und verwaltet wurde – unabhängig von der Gesinnung eines Gönners oder der Kirche.5 Die Fesseln der scholastischen Methode fielen zugunsten neuerer Ansätze, z.B. der textkritischen Auslegung und der Interpretation von Texten in ihrem Umfeld und zeitlichen Kontext. Einen nicht unerheblichen Anteil hatten dabei auch die außeruniversitären Förderer der Künste, herausragend dabei Lorenzo del Medici.

Alle Faktoren stärkten letztendlich das Ich-Bewusstsein der Menschen in einer Breite, die eine neue Gesellschaftsordnung forderte. Der städtische Mensch etablierte sich, mit der inneren Haltung der eigenen Verantwortung und dem Anspruch auf Bildung.

In dieser frisch aufkochenden Suppe entwickelten sich vielfältigste Keime: solche, die Grundlagen für eine moderne Naturwissenschaft setzten, solche, die eine neue Kulturlandschaft etablierten, solche, die das theologische Dogma schließlich sprengten, und solche, die philosophische Impulse vorantrieben.

Einen eigenständigen Keim dieser Zeit bildete Pico della Mirandola, dessen Impuls Neues zu formen nicht darin bestand, altes abzustoßen, sondern gerade altes aufzugreifen und den Kern aus der trocknenden Hülle herauszuholen. Den gemeinsamen Inhalt aller Strömungen aufdeckend, alles vereinend und versöhnend, die Grundfragen aufgreifend – das erlebte er in seinen Studien, und um dieses Erlebnis ging es ihm. Nicht das Verfassen eines Textes, sondern das lebendige Menschsein im Reden, in der Bewegung, im Sein.

2. Chronologie der Ereignisse

Giovanni Pico della Mirandola, Graf von Concordia (24. Februar 1463 – 17. November 1494), plante im Alter von 23 Jahren einen groß angelegten Kongress in Form öffentlicher Gespräche, bei dem die Bedeutung der Philosophie und die grundsätzliche Übereinstimmung aller wissenschaftlichen Lehren erörtert werden sollten.6 Als Ort war der Apostolische Senat in Rom vorgesehen, der Papst war als oberster Richter direkt angesprochen.7

Wie kam der junge Graf auf die Idee, ein derartiges Projekt anzuregen?8 Auf Betreiben seiner Mutter begann Pico mit 14 Jahren (1477) Kirchenrecht in Bologna zu studieren; dabei interessierten ihn jedoch mehr die Geisteswissenschaften und Sprachen (Latein und Griechisch), sodass er sich zwei Jahre später (1479) in Ferrara zunächst den studia humanitatis (Grammatik, Poesie, Rhetorik, Moralphilosophie und antike Geschichte) zuwandte, dann 1480 in Padua an der Universitas Artistarum das Studium der Philosophie aufnahm. Dort setzte er sich insbesondere mit den Averroisten auseinander. Im Alter von 20 Jahren (1483) zog Pico nach Florenz und lernte dort die durch wenige Auflagen getrübte, freizügige Denkweise am Hof des Lorenzo I. de’ Medici kennen. Nach den aristotelisch geprägten universitären Studien war dies eine wesentliche Erfahrung des lebendigen Platonismus (besonders Marsilio Ficino und Angelo Poliziano). Es ist zu vermuten, dass er hier bereits die grundsätzliche Übereinstimmung von aristotelischem und platonischem Gedankengut erkannte. 1485 ging er für acht Monate nach Paris und lernte dort die tradierte scholastische Denk- und Argumentationsweise lebendig kennen. Nach seiner Rückkehr widmete er sich verstärkt dem Sprachenstudium (Arabisch, Hebräisch und Aramäisch) und begann die Kabbalah zu studieren. Pico hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine große eigene Bibliothek, die er laufend mit frisch gedruckten Werken und alten Handschriften erweiterte.9

Unter dem Eindruck ständiger neuer Zusammenhänge zwischen den von ihm studierten Werken, die seine Einheit und Frieden schaffen wollende Grundhaltung bekräftigten, entwickelte er im Frühjahr 1486 das grundlegende Konzept seiner zunächst 700 Thesen, denen er vermutlich von Anfang an eine gewisse Zahlensymbolik zugrunde legte. Die Gedanken adäquat zu bündeln und gleichzeitig ständig zu erweitern und neue Informationen zu integrieren, das erscheint aus heutiger Sicht als unausführbarer Spagat. Pico versuchte ihn zu meistern und zog mit seiner Bibliothek im Herbst 1486 nach Rom, um sich vor Ort weiter auf die geplanten Diskussionen vorzubereiten.10 Die begeisterte und zugleich angespannte Unruhe, die in Pico zu dieser Zeit steckte, drückt sich sehr deutlich in der Erstausgabe seiner nun auf 900 angewachsenen Thesen aus. Sie sind nicht ein verklärtes Alterswerk, minutiös ausgearbeitet und mehrfach überprüft, im stillen Kämmerchen entworfen, sondern reflektieren noch Änderungen in letzter Minute:11 der erste Teil enthält nicht wie angegeben 400, sondern 402 Thesen, und demzufolge der zweite Teil nur 498. Außerdem besteht der zweite Teil nicht wie ursprünglich angegeben aus 10 Sektionen, sondern weist 12 Überschriften auf.

Am 7. Dezember 1486 war der Erstdruck fertig und konnte in ganz Italien, ja auch an andere europäische Universitäten und Zentren verteilt werden. Der nach dem 6. Januar geplante Kongress fand jedoch nicht statt, da Papst Innozenz VIII. am 20. Februar 1487 eine sechzehnköpfige Untersuchungskommission einsetzte, die zunächst dreizehn Thesen als fragwürdig einstufte.12 Im Laufe der Gespräche mit der Kommission erkannte Pico, dass bei einigen Mitgliedern die Fähigkeit zur Reflexion und Differenzierung der Argumente nur in einem äußerst beschränkten theologischen Horizont ausgebildet war. Picos methodisches Differenzierungsvermögen zwischen den verschiedenen Quellen der theologischen Tradition und sein Verständnis des historischen Umfelds ging weit über das kirchengefilterte Dogma hinaus.13 In der Freiheit seines Menschenbildes stehend entschloss sich Pico, die Verteidigung der angezweifelten Thesen öffentlich zu machen. Innerhalb kurzer Zeit (20 Tage) und unter großer psychischer Spannung verfasst er seine kurz ‚Apologia’ genannte schriftliche Ausführung, die seine überlegene Geisteshaltung brilliant erkennen lässt. Der Papst war über dieses Vorgehen verärgert und verurteilte mit einer Bulle, datiert auf den 4. August 1487, die gesamten 900 Thesen. Pico reiste im November aus Rom ab, erkennend, dass sein Anliegen von der Kirche nicht verstanden wurde.14 Wollte er in Paris eine erneute Diskussion einleiten? Fühlte er sich dort in seiner Methode besser verstanden? Die zweite Reise nach Frankreich erschließt sich nicht vollständig und es bleibt offen, ob er hier eine Akzeptanz seiner Arbeit erwartete. Auf dem Weg nach Paris wurde er in Lyon verhaftet. 1488 konnte er durch Unterstützung einflussreicher Persönlichkeiten nach Florenz zurückkehren und widmete sich dort ganz seinen Studien, bis zu seinem überraschenden Tod im November 1494.

Die Erlebnisse in Rom, insbesondere die reduzierten intellektuellen Fähigkeiten des Kreises, den er als Autorität zunächst aufgerufen hatte, wirkten in ihm nach; sie konnten ihn aber nicht brechen. Zu groß waren seine innere Überzeugung und der Drang, die verbindenden Argumente darzulegen und anderen mitzuteilen. Sein Interesse lag in einer Vereinigung von Philosophie, Theologie und Religion.15 Die Metaphysik spielte dabei eine wesentliche Rolle.16 Insofern steht Pico auch nicht in der geraden Tradition der Renaissance-Humanisten, die den metaphysischen Spekulationen reserviert gegenüber standen und sich auf die Moralphilosophie beschränkten.

In seinem großen vollständigen Werk über die Auslegung der Schöpfungsgeschichte, der ‚Heptaplus’ von 1489, gelangt es Pico ebenfalls, alle Strömungen einschließlich der kabbalistischen Ansichten zu integrieren und dadurch eine neue Stufe der Textinterpretation und Ausdeutung zu erreichen. Trotz des Einflusses von und der Nähe zu Savonarola behielt Pico seine typische, die Gegensätze verbindende Haltung bei und verfiel nicht einer dogmatischen Schwärmerei. 17 Sein tieferes Verständnis der christlichen Lehre war über jede Einseitigkeit erhaben, seine Erfahrungen in Rom hatten ihn Vorsicht gelehrt.

3. Die Texte – formale Rezeption

3.1. Die Eröffnungsrede

Die älteste Fassung der Eröffnungsrede ist handschriftlich in einem Manuskript erhalten und beinhaltet vermutlich das originale Konzept von Giovanni Pico della Mirandola18. Das Manuskript wird auf 1486 oder kurz danach datiert. Es war nicht für den Druck vorgesehen.

Der üblicherweise zitierte und edierte Text der Eröffnungsrede folgt in seiner Gesamtheit nicht sicher einer Konzeption Giovanni Picos, sondern möglicher Weise einer posthumen Verbindung durch seinen Neffen Gianfrancesco Pico della Mirandola (1469-1533). Dabei wurde der erste Teil der Rede weitgehend von der ursprünglichen Fassung übernommen, der zweite Teil wurde jedoch stark erweitert und große Teile aus der Einleitung der Apologia hinzugefügt.19 Diese Erweiterung wurde offensichtlich deshalb gemacht, weil zunächst nur die Rede, nicht jedoch die 900 Thesen und die Apologie in die Edition der Schriften von Gianfrancesco Pico 1497 aufgenommen wurde.

Das erweiterte Konzept der Rede fand schnell Beachtung, insbesondere wegen der innovativen anthropologischen Argumentation des ersten Teils. Daraus entwickelte sich auch der heute übliche Titel ‚de hominis dignitate’ (Über die Würde des Menschen).20 Für diese Fassung finden sich viele Drucke aus der Barockzeit bis heute. Die heute geläufige textkritische Ausgabe stammt von E. Garin 1942.21

Schon früh wurde die von Gianfrancesco zusammengestellte Rede in verschiedene Sprachen übersetzt, darunter auch mehrfach ins Deutsche.22 Eine freie Übersetzung der alten (ursprünglichen?) Version liegt hier erstmalig vor.

3.2. Die 900 Thesen

Die Erstausgabe der 900 Thesen erschien am 7. Dezember 1486, gedruckt bei Eucharius Silber in Rom. Handschriftliche Konzepte von Pico für diesen Druck sind nicht erhalten. Alle weiteren Versionen der Thesen basieren auf diesem ersten Druck. Ein erster nicht autorisierter Nachdruck mit vielen Fehlern ist für 1487 dokumentiert, gedruckt bei Lescher in Ingolstadt. Durch den päpstlichen Bann wurden die meisten Exemplare dieser beiden Druckauflagen vernichtet. 23 Nach Aufhebung der päpstlichen Zensur 1493 durch Papst Alexander VI. wurden die Thesen zunächst nicht in die Werkausgabe Picos integriert. Aus dieser Zeit existieren einige wenige handschriftliche Manuskripte, die das Interesse an Picos Thesen dokumentieren.24 Erst 1532 erfolgte eine Wiederauflage der gesamten 900 Thesen in Paris.25 Dabei wurden die beiden gedruckten Auflagen von Rom und Ingolstadt als Grundlage verwendet und unglücklich miteinander vermischt. Die Thesen wurden in dieser Fassung erstmals nummeriert. Basierend auf diesem Druck fanden die Thesen Eingang in die erste große Gesamtausgabe der Schriften Picos, die 1557 in Basel und Venedig gedruckt wurde.26

Erst in neuerer Zeit wurden textkritische Ausgaben zu den 900 Thesen erarbeitet. Dabei basierten jedoch die beiden ersten (Kieszkowski 1973 und Biondi 1995) auf fehlerhaften Annahmen über die Reihenfolge und die Wichtigkeit der verschiedenen überlieferten Versionen und enthalten mehr Fehler als die barocken Nachdrucke.27 Eine streng auf die Erstausgabe bezogene Textedition wurde von Farmer 1998 geleistet; sie wird heute allgemein als Textgrundlage anerkannt.28

Über fünfhundert Jahre blieben die Thesen von Giovanni Pico della Mirandola in ihrer vollständigen lateinischen Form un-übersetzt. 1995 erfolgte eine erste Übersetzung in das Italienische (Albano Biondi), 1996 in das Englische (Stephen A. Farmer), 1999 in das Französische (Bertrand Schefer) und 2007-09 in das Spanische (Silvia Magnavacca). Eine vollständige deutsche Übersetzung liegt hier erstmalig vor.

3.3. Die Verteidigungsschrift

Die Erstausgabe der Verteidigungsschrift erschien am 31. Mai 1487, gedruckt in Neapel bei Francesco del Tuppo. Von dieser Ausgabe sind nachgewiesener Maßen noch 9 Exemplare über Europa verstreut vorhanden. 29 Handschriftliche Konzepte von Pico sind auch hier nicht vorhanden.

Kurz nach Picos Tod wurde die ‚Apologia’ in der ersten Werkzusammenstellung30 seines Neffen Gianfrancesco gedruckt, der einige redaktionelle Änderungen im Bezug zur Erstausgabe vornahm. Die markantesten waren das Voranstellen einer Widmung an Lorenzo Medici und das Entfernen der 46 Thesen am Ende. Der Kerntext erfuhr keine inhaltlichen Änderungen. Diese Version wurde in den folgenden Jahren tradiert und erschien so auch in der Basler Gesamtausgabe 1557.

Eine textkritische Ausgabe des Werkes steht erstmalig seit 2010 zur Verfügung.31 In dieser Ausgabe findet sich auch eine erste vollständige Übersetzung in das Italienische. Kürzere Auszüge aus der Apologie finden sich als deutsche Übersetzung bei Liebert (1905). Eine vollständige deutsche Übersetzung gibt es bisher nicht.

4. Die Texte – inhaltliche Gliederung

Sieht man die drei Werke als eine Einheit, so bilden sie den heute üblichen Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit ab: die Rede führt als Einleitung zum Thema und beschreibt die angewendeten Methoden, die 900 Thesen stellen die Ergebnisse dar, und die Verteidigung zeigt exemplarisch die Diskussion, die Pico in ihrer Gänze mündlich während der Verteidigung der Thesen führen wollte. Unter diesem Aspekt kann man sich die Wichtigkeit mit der Beschäftigung der 900 Thesen abschätzen, denn jede These ist ein Baustein der Beobachtung und konstruiert Picos neues Verständnis, und darf nicht als ein rhetorisch-beliebiges Zusammenwürfeln einzelner Aussagen aufgefasst werden. Kritisch muss dabei beleuchtet werden, in wieweit kurzfristige Änderungen noch während der Drucklegung das zunächst geschlossene Konzept trüben.

4.1. Einleitung und Methode

Die Eröffnungsrede ist in zwei Teile gegliedert, was formal dem Stil einer Inauguralrede zu Beginn der akademischen Vorlesungen ähnelt.32 Aus dieser Schrift wird die eigentliche Absicht Picos in Bezug auf die 900 Thesen klar und ohne sie wäre die Generierung der einzelnen Thesen nur schwer verständlich. Zentrales Anliegen Picos ist die richtige Bewertung der einzelnen philosophischen Bereiche im gesamtmenschlichen Kontext.

Im ersten Teil, der etwa dreiviertel der ursprünglichen Rede einnimmt, legt Pico die Voraussetzungen offen, die für das Verständnis seiner Thesen unabdingbar sind. Diese kristallisieren sich vor allem in einer geschärften Positionierung der Stellung des Menschen in seiner Umwelt. Während die göttliche Schöpfung allen anderen Geschöpfen klar bestimmte Aufgaben und Möglichkeiten zugesprochen hat, wurde allein dem Mensch durch eine Unbestimmtheit eine Fähigkeit gegeben, ein sich entwickelndes Wesen zu werden, das aus eigener Freiheit heraus jedem anderen Geschöpf ähnlich werden kann. 33 Der Mensch erhält damit schöpferische Fähigkeiten, die es sonst nur in Gott gibt. Dies ermöglicht dem Menschen, und zwar in einer Ausschließlichkeit, sich sogar Gott anzunähern. 34 Mit dieser vollständigen Involution des Makrokosmos in den Mikrokosmos Mensch etabliert Pico eine neue Würde des Menschen, die zugleich individuelle Arbeit und Verantwortung bedeutet. Die für den Menschen adäquate Tätigkeit liegt in einer differenziert gestaffelten Beschäftigung mit der Philosophie, wobei hier Philosophie in einem weiteren Sinn als Haltung verstanden wird, die man in unterschiedlichsten Richtungen menschlichen Lebens findet: so zum Beispiel in der Philosophie (im engeren Sinn), der Theologie, oder der natürlichen Magie. Die Beschäftigungen erläutert Pico auf verschiedensten Ebenen, die sich in folgender Tabelle zusammenfassen lassen:

Es ist für Pico nicht Ziel, durch individuelle Besonderheiten die Betrachtungen in dem darzustellen, wodurch sie sich gegenseitig unterscheiden, sondern es geht darum, den gemeinsamen Kern zu erkennen. Die Kunst ist dabei die richtige Wahl der analogen Verknüpfungen; stellt man die sich scheinbar widersprechenden Aussagen in ihren richtigen Kontext, so stellt jede für sich eine Wahrheit dar. Hier gilt es insbesondere die drei grundlegenden Bereiche zu erkennen: irdisch-weltliche, seelisch-himmlische und geistig-kosmische Ebene.

Im zweiten Teil legt Pico die zur Anwendung kommende Methodik vor. Drei Aspekte sind ihm dabei wesentlich:

1. es ist wichtig, sich mit den originalen Quellen und Texten zu beschäftigen. Pico erkennt die Problematik der Übersetzungen und die Verfälschungen der Lehren über die Zeit. In der Urversion betont er deshalb seine arabischen und aramäischen Studien, neben dem Griechischen und Hebräischen.

2. es müssen möglichst alle Denkrichtungen berücksichtigt werden (Pico weist an dieser Stelle auf die antike Tradition durch Aristoteles). Entscheidend ist bei der Auswahl der Thesen von historischen Denkrichtungen (die ersten 400), sich nicht in deren Argumentationsketten zu verstricken, sondern sich frei von einer eingefahrenen Schule selbst auf den Weg begeben zu können. Die Besonderheiten der jeweiligen Denkrichtung werden durch kurze Charakterisierungen genannt. Allerdings beschränkt sich Pico dabei auf die lateinischen, arabischen, peripathetischen und platonischen Interpreten. Grundsätzliche Weise wie Aristoteles, Platon oder Zarathustra stehen außen vor, ebenso die nicht personengebundenen Strömungen (Kabbala-Auslegung, ägyptisch-hermetische Schriften, pythagoreisch-mathematische Ansätze, die verschiedenen theologischen Richtungen) Um den gemeinsamen Konsens aller Weisen zu erspüren und damit scheinbare Gegensätze aufzulösen, bedarf es einer eigenen Sprache, die sich in den selbst formulierten Thesen (den zweiten 500) entwickelt. Aufgrund seiner Erziehung erarbeitet sich Pico seine Haltung als gläubiger, selbst denkender Christ; insofern ist auch seine Zielsetzung, alle anderen Denkrichtungen insbesondere mit der christlichen Theologie zu harmonisieren.

3. die Erkenntnisbildung soll in Form eines Gesprächs, einer Diskussion, einer Disputation stattfinden. Es geht Pico nicht um das monologisierende Darstellen einer Meinung, sondern um das gemeinsame Ringen um die wahre Erkenntnis. Da ein Mensch allein diese nicht haben kann, muss man austauschend zusammenkommen und sich gegenseitig ergänzen. Insofern ist die Disputation auch nicht als Streit oder Kampf aufzufassen, da alle als ‚Sieger’, d.h. mit neuer Erkenntnis, aus solch einem Gespräch fortgehen.

4.2. Ergebnisse

Die Ordnung der Thesen erfolgte aufgrund formaler Aspekte: in einem ersten Block wird eine ‚historische’ Gliederung nach den zitierten Autoren verwendet. Die Reihenfolge beginnt dabei bei den jüngeren Quellen und geht dann zurück zu den älteren.35

Gruppe Autor/ Denkrichtungen Reihenfolge Anzahl der Thesen
6 lateinische Gelehrte (115 Thesen) Albertus Magnus (1200-1280) I.1. 16
Thomas von Aquin (1225-1274) I.2. 45
Franziskus Mayronius (1288-1328) I.3. 8
Johannes Duns Scotus (1265-1308) I.4. 22
Heinrich von Gent (1240-1293) I.5. 13
Aegidius Romanus (1243-1316) I.6. 11
8 arabische Gelehrte (82 Thesen) Abu l-Walid Muhammad ben Ahmad ben Muhammad ben Rusd (Averroes; 1126-1198) I.7. 41
Abu Ali al-Husain ibn Abdullah ibn Sina (Avicenna; 980-1037) I.8. 12
Abu Nasr Muhammad al Farabi (870-950) I.9. 11
Abraham ben Isaac aus Narbonne (1110-1179) I.10. 4
Abu Marwan ibn Zuhr (-1162) I.11. 4
Moses Maimonides (1138-1204) I.12. 3
‚Mohammed aus Toledo’ (?) I.13. 5
  Ibn Bajjah (Avempace; 1095-1138) I.14. 2
5 Peripathetiker (29 Thesen) Theophrastos von Eresos (371-287 v.Chr.) I.15. 4
Ammonios Hermeiu (5./6. Jhd.) I.16. 3
Simplikios von Kilikien (6. Jhd.) I.17. 9
Alexander von Aphrodisias (2./3. Jhd.) I.18. 8
Themistios (317-388) I.19. 5
5 Platoniker (99 Thesen) Plotin (205-270) I.20. 15
Adelard von Bath (1080-1160) I.21. 8
Porphyrios auch Malchos (234-304) I.22. 12
Iamblichos von Chalkis (240-325) I.23. 9
Proklos Diadochos (412-485) I.24. 55
4 alte Schulen (77 Thesen) Pythagoräische Mathematik I.25. 14
Chaldäische Theologie I.26. 1 6
Hermeneutik I.27. 10
Kabbala I.28. 47

Der zweite Block der Thesen beinhaltet eigene Interpretationen und Schlussfolgerungen.

Thema Reihenfolge Anzahl der Thesen
Auflösung scheinbarer Widersprüche II.1. 17
Auflösung scholastischer Philosophie-Probleme II.2. 80
Grundlagen einer ‚Philosophia nova’ II.3. 71
Moderne theologische Ansichten II.4. 29
Interpretationen zu Plato II.5. 62
Interpretationen zum ‚Liber de causis’ (neuplatonisch) II.6. 10
Mathematisch-numerologische Auslegungen (in einer Untergruppe zum großen Teil als Fragen formuliert) II.7. II.7.a. 11 74
Interpretationen zu Zarathustra (chaldäische Tradition) II.8. 15
Interpretationen über das Magische II.9. 26
Interpretationen zu den Orphischen Hymnen II.10. 31
Verbindung von Kabbala und christlicher Theologie II.11. 72

Um den eigentlichen Inhalt aus dieser formalen Ordnung zu begreifen, muss man thematische Fragen an das gesamte Paket

der 900 Thesen stellen. Dies wird im Folgenden exemplarisch für eine Kernaussage aus der Eröffnungsrede, nämlich für das Menschenbild dargestellt.

Skizzen einer Anthropologie aus den 900 Thesen

Pico formuliert in seinen Thesen verschlüsselt und durchmischt eine philosophisch-theologische Anthropologie, die den Trinitätsgedanken aufgreift und konsequent auf den Menschen projiziert (II.3.52). Er argumentiert mit einer Dreiheit der Natur: Verstand (Geist) – Seele – Körper (II.5.16., I.25.7., I.27.1.).36 Diese bildet das Grundgerüst für den Menschen. Wie in einem Exposee werden dieser drei Bereiche in der ersten Serie der 900 Thesen durch Schlaglichter aus der Schrift ‚über den Menschen’ von Albertus Magnus skizziert: der Mensch soll sich bei dieser Selbstbetrachtung nicht auf übermenschliche Bereiche, die jenseits seines Vermögens liegen, beziehen (I.1.1.), sondern sich allgemein als Lebewesen verstehen (I.1.2.) und dabei seine besonderen Eigenschaften herausarbeiten (I.1.3.). Schwerpunkt der Betrachtung ist deshalb die Seele und der Körper; der Bezug zur dritten Kenngröße, dem Geistigen, wird dabei mit berücksichtigt (allerdings dann nicht mehr im philosophischen, sondern im theologischen Sinn).

Nimmt man diese Grundidee für die gesamten Thesen ernst, dann ergeben sich daraus drei große Abschnitte für die Darstellung der Einzelinhalte:

- der Körper (corpus), der auch als Materie (materia) substantiell auf der Erde (terra; ‚inferiora’) realisiert ist.

- die Seele (anima) in ihrer Gliederung und ihren Aufgaben.

- der Geist, im Menschen als Verstand (intellectus) ausgebildet, als Urbild in Form des rein Geistigen (intelligibilis) vorhanden.

Corpus, Materia, Substantia, Terra

Je nach philosophischem Kontext bezieht sich das Wort Körper (corpus) auf unterschiedliche Gedankenbilder: im mathematischen Zahlenkontext ist der Körper algebraisch eine Menge, mit der gerechnet werden kann, geometrisch eine Figur, die durch Grenzflächen beschrieben werden kann. Physikalisch ist der Körper ein Raum einnehmendes Objekt, biologisch die materielle Gestalt. Pico ist sich dieser unterschiedlichen Verwendungen bewusst (II.7a.22.).37

Der menschliche Körper wird im Sinne eines von der Seele notwendig durchdrungenen Organismus verstanden, also als Leib. An zwei Stellen wird dies mit dem Zusatz ‚corpus organicus’ betont (II.2.70.; I.16.2.). Eine genaue Betrachtung einzelner Details des Körpers erfolgt im Rahmen der Sinneswahrnehmung (s. weiter unten), allgemeine Aussagen werden nur gestreift (II.1.16.: der Leib hat einen physischen und einen metaphysischen Anteil; II.10.12.: die Eigenart der leibliche Natur wird mit den orphischen Meereshymnen beschrieben), zumeist wird der Körper als Ergänzungsbegriff zur Seele verwendet (II.11.11.; I.1.6.; I.2.15.; I.16.1.; I.22.12.; I.24.45.; I.27.3.). In dieser Wechselbeziehung wird auch die verschiedene Einflussnahme von Medizin und Musik angesprochen (II.7.7.; II.7.8.). In einem erweiterten Sinn wird die Statur (corporatura) der Deutschen erwähnt (I.22.5.).38

Eine beachtenswerte Unterscheidung wird in These I.28.42. angesprochen: hier werden die Knochen vom Körper unterschieden. Dies bezieht sich auf eine kabbalistische Tradition, die sich in der medizinischen Literatur nicht wiederfindet: die Schichten des menschlichen Mikrokosmos Körper (Haut, Muskeln, Knochen) werden mit dem Makrokosmos Welt in Beziehung gesetzt.

Materie (materia) ist in der heutigen Definition alles, was Masse besitzt im Gegensatz zum Vakuum. Diese physikalisch geprägte Definition wird bei Pico durch eine metaphysische Verwendung des Materiebegriffs erweitert, die teilweise schwierig vom Substanzbegriff abzutrennen ist. Materie (oder Stofflichkeit) gibt es mit dieser Erweiterung für Pico in allen Wirklichkeiten, sodass eine vollständige Materielosigkeit nicht existiert (nur im Sinn des teilweise Immateriellen; II.5.58.). Eine solche Terminologie steht im Widerspruch zur Materie-Terminologie der platonischen und scholastischen Schulen.

Ausgangspunkt ist für Pico die ‚materia prima’ (Urstoff), die in zwei Fragen angesprochen wird (II.7a.45.: gibt es einen Urstoff?; II.7a.46.: wie hängt der Urstoff mit Gott zusammen?) und deren Existenz theoretisch (II.3.54.: über den Weg der Zahlen bzw. der Philosophie), aber nicht praktisch (II.3.53.: über die Sinne oder Physik) gezeigt werden kann.39 Sie ist Grundlage für alles (I.8.7.; I.2.29.) und steht damit am Anfang der Schöpfung (I.22.1.; I.1.4.; II.2.54.), ist jedoch nicht eine bloße Idee Gottes (I.2.44.).40 Überlegungen zur ‚materia prima’ führen letzendlich zum gleichen Ziel wie Überlegungen zu Gott und zum Menschen (II.3.52.). Es ist somit eine dritte Möglichkeit des absoluten Erkenntnisgewinns aufgezeigt.

Für das Menschenbild ist vor allem der Materiebegriff relevant, der sich auf die Seele und den Körper bezieht.41 Ob man die Seele als materiell auffassen sollte, wird zunächst als Frage formuliert (II.7a.61.). Hier gilt es zu bedenken, dass der Mensch als aus Geist und Materie zusammengesetzt (I.9.9.) und die Seele als Bewegungsursprung der Materie angesehen wird (I.21.7.). Der Körper ist also eigentlich die Materie der Seele (II.2.70.), die Seele arbeitet nicht als körperlich Materielles (II.2.72.). Um die Schwierigkeiten zwischen Materie (Körper) und Materielosigkeit (Geist) zu umgehen, wird die Materielosigkeit zu Gunsten einer veränderten, aber dennoch von der gemeinsamen materia prima abstammenden Materie postuliert (II.3.50.).

Der körperliche Materiebegriff bezieht sich auf das Erdenmaterial (I.27.4.; II.5.58.; II.8.1.; II.9.24.) und steht im Interesse der Physik (II.2.61.; I.7.38.). In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Dimensionen der Materie zu sehen (II.7a.23.). Materie steht hier eng mit dem Begriff des ‚natürlichen’ zusammen: sie gehört neben der Bewegung und der Form zu den Prinzipien der natürlichen Dinge (II.3.51.), ohne dass sie diese definiert (II.2.52.; I.7.21.; I.18.3.). Auch hier leuchtet der erweiterte Materiebegriff Picos auf.42

Auch der Substanzbegriff (substantia) wird vielschichtig eingesetzt. Er bezieht sich auf das Wesenhafte und kann auf alle Bereiche der Betrachtung angewendet werden, bezieht sich aber überwiegend auf die nicht stofflichen Erscheinungen. Er wird von dem Begriff der materia prima unterschieden (II.2.52.), wobei an einer Stelle auch der Begriff der prima substantia fällt (I.8.7.).43

Aussagen zur Substanz finden sich im Rahmen der Beschreibung des Göttlichen (II.2.47.; II.2.48.; I.7.8.; I.24.10.; I.24.22.; I.24.24.; I.24.27.), der Engel (II.2.65.; II.3.12.; I.22.9.), der ganzen Welt und des Himmels (I.7.16.; I.26.6.), und der Seele (II.5.28.; II.6.1.; II.6.6.; I.26.3.; II.3.66.; II.5.17.; I.7.39.); der Terminus wird dabei gerne auch adjektivisch verwendet. Substantiell bedeutet dabei auf den Kern bzw. das Ursprüngliche einer Sache bezogen (II.3.27; II.3.30.; II.3.57.; II.3.59.; I.7.37.), ohne weitere Zusätze, die selbst wieder substantiell sein können (II.2.51.; II.3.23.). Substanz ist ohne Gestalt (II.2.12.; I.4.21.)44 und kann sich als Sonderform, wie z.B. bei der Eucharistie, auch innerhalb einer Gestalt ändern (II.4.1.).

Die Erde (terra) erscheint zwar als Begriff in mehreren Thesen, wird jedoch weder direkt noch indirekt detaillierter charakterisiert. Sie beschreibt eines der vier Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer)(II.8.3.; I.20.4.) oder wird in dem Begriffspaar ‚Himmel und Erde’ genannt (II.9.5.; II.11.8.; II.11.28.; I.23.3.; I.24.36.).45 Als tatsächliche Aussage für die Erde bleiben dabei nur, dass der Himmel die Erde durch sein Licht erwärmt (I.10.4.; I.11.3.) und aus einer andersartigen Materie besteht (I.14.1.). Pico weist auf den Salzgehalt der Meere hin (II.2.40.) und benennt mit dem Bild der ‚Wurzeln der Erde’ das Pflanzenleben (II.8.4.). Auf der Erde finden sich die der Zeugung bedürfenden Lebewesen. Sie stehen unter dem Einfluss des zweiten und dritten der dreieinigen Führer (in christliche Terminologie übersetzt: dem Sohn und dem heiligen Geist; I.24.28; I.24.29.). Die Erde wird beherrsch (II.10.30.; I.28.46.) und dient teilweise der Seele als irdische Hülle (I.28.44.; II.8.8.).46 1.23.3.). (11.8.5.).

Die stoffliche Seite des Menschen steht nicht im unmittelbaren Blickfeld Picos. Dies gilt sowohl für den Makrokosmos Erde als auch für den Mikrokosmos Mensch.

Anima

Die Ausführungen zur Seele stellen in Picos Anthropologie einen großen Teil dar, da sich hier das Besondere des Menschen am deutlichsten zeigt. Ihr Studium ist weder Naturwissenschaft noch Gottes-Wissenschaft (I.19.3.), sondern eine eigenständige Disziplin dazwischen, man mag sie Geisteswissenschaft oder Philosophie nennen. Alles ist beseelt (I.24.39.), die Seelen haben deshalb eine dreifache Wohnung in Himmel, Geist und Erde (II.8.8.).

Zunächst gilt es die menschliche Seele von anderen Seelen abzugrenzen. Pico bietet dazu eine ganze Reihe von Thesen, welche die drei Wirkbereiche göttlich - intellektuell - tierisch (II.6.2.) genauer charakterisieren:

die überweltliche Seele (supermundana) ist gleichbedeutend mit dem Schöpfer des Weltalls (I.22.2.; I.22.3.). Die Seele ist als ‚anima absoluta’ überzeitlich (II.6.1.), schafft aber die Zeitlichkeit (II.5.39.). Die himmlische Seele (I.15.1.; II.3.68.) erzeugt vollkommene Kreisbahnen (I.7.8.), ist ungezeugt (I.24.27.), ist unsterblich (II.5.36.; II.5.42.) und ruht in sich, sich selbst betrachtend (II.10.18.).

Engel (I.24.3.) und Teufel (Dämone; I.22.9.; I.26.4.) sind Seelenwesen. Sie sind unsterblich (I.2.18.), haben damit ihre eigene vom Menschen unterschiedliche Zeitlichkeit (I.5.6.), sind aber bereits erzeugt, jedoch nicht als Gnadensakt (I.6.5.). Jeden Engels-Typus gibt es nur einfach (I.2.21.); er besteht aus Wesen (essentia) und Sein (esse)(II.3.12.). Ihre Natur liegt im Verstand (II.3.63.; II.7a.28-30.; II.7a.41-43.), der jedoch als Haltung (habitus) sich dem Göttlichen annähert (II.1.8.; II.3.43.; I.5.7.). Die für die Menschenseele typische Natur der Vernunft (ratio) fehlt den Engeln (II.3.63.), trotz gewisser Ähnlichkeiten (II.3.49.) die dem Menschen auch die Ähnlichkeit zu Gott sichert (I.24.3.). Engel finden sich an unterschiedlichen Orten (II.1.17.), sind in Hierarchien gegliedert (I.6.7.) und können dem Menschen erscheinen (I.28.28.). Kein sechsflügeliger Engel wurde jemals verwandelt (I.28.30.), aber Engel können sündigen (die ersten Sünden waren nach II.4.17.: Unterlassung, Übermut und Hochmut) und durch Wegnahme göttlicher Elemente eigensinnig und reuelos werden (I.6.6.). Dann werden sie zu Teufeln, oder auch Dämonen.47

Die Tierseelen (anima irrationalis) sind ein Schattenbild der menschlichen Seele (I.20.5.). Sie sind sowohl der Sache als auch dem Inhalt nach zusammengesetzt (I.23.1.) und können vom Menschen Gott geopfert werden (I.28.1.). Da eine art Seelenwanderung bei den Pflanzen angedeutet wird (II.8.4.) ist sie indirekt auch für das Tier zu fordern, ohne dass es explizit genannt wird. Pico spricht sich allerdings deutlich gegen eine Seelenwanderung zwischen Mensch und Tier aus und verwirft damit die Interpretation Plotins über eine Stelle bei Platon (II.5.51.; I.20.4.).11.11.47.).

Die Stellung der Seele im Menschen und ihre Gliederung.

Für die Wissenschaft des Seins ist die Seele eine Einheit (II.3.7.). Obwohl sie dicht mit dem Körper verwoben ist (II.2.70.; I.1.6.), ist die Seele in Bezug auf den Körper überall und nirgends (I.22.12.). Die oberen Anteile werden durch die Vernunft, die unteren durch die Sinne beeinflusst (II.3.38.).

Unter Aspekten der Geisteswissenschaft lässt sich die Seele in drei Teile gliedern (von unten nach oben): anima vegetalis, anima sensualis, anima rationalis (I.1.12.). Da die Letztgenannte die Besonderheit des Menschen ausmacht, ist sie der Teil, der genauer beschrieben wird.48

Die anima rationalis ist nicht unmittelbar mit dem Körper verbunden (I.16.2.) und nähert sich nur den vollkommenen Körperteilen (I.24.45.). Sie ist nach oben so mit dem Verstand (intellectus) verbunden (I.22.12.; I.24.45.), dass der Verstand die Nominative (den Zustand), die Seele die Adjektive (die Tätigkeit) enthält (II.3.35.). Sie enthält den Erkenntnis-Sinn (I.17.2.), kann ohne Phantasmata funktionieren (II.5.19.) und in sich noch einmal hinsichtlich ihrer drei Aufgabenbereiche gegliedert werden (II.5.18.).49 Die anima rationalis ist eine gemeinsame in allen Menschen (I.7.2.). Sie ist zusammengesetzt bezogen auf die Sache, getrennt in Bezug auf den Inhalt (I.23.1.).

Gleichzeitig entspricht die anima rationalis aber dem intellectus possibilis (II.5.19.) und kann somit mit einem Teil des Verstandes gleichgesetzt werden (II.3.61.; II.3.63.; II.3.64.). Dies scheint jedoch nicht zu einer Gleichsetzung von anima rationalis und anima intellectiva zu führen, die von Platon deutlich unterschieden werden (II.5.28.). Leider finden wir weitere Ausführungen von Pico zur anima intellectiva nur in einer einzigen These, welche für eine inhaltliche Klärung leider nicht weiterhilft (II.2.73.).

Da die menschliche Seele in der Zeitlichkeit wirkt, kann man sie über diese in ihrer Erscheinung und Funktion genauer analysieren:

Bei der Schöpfung steigen die Seelen vom dritten bis fünften Tag zur Erde herab und schlüpfen in die Körper (I.28.8.). Dabei steigt nur ein Teil der Seele vom Himmel herab (I.20.2.); der wirkende Verstand (intellectus agens) bleibt im Himmel (I.21.1.). Beim Herabfallen der Seele wendet sie sich zunächst mehr dem Sinnlichen als dem Verstand zu (II.6.9.). Die individuelle Menschenseele ist als eine gezeugte (und aus den drei oben genannten Anteilen zusammengesetzte) Seele bezogen auf ihr Erdenleben zu verstehen (I.24.28.; II.10.18.). Dabei entstehen immer neue Seelen (I.28.41.), die nach dem Tod als unsterbliche Anteile weiterleben (II.3.47.; I.7.4.; I.18.1.) und in den Prozess der Seelenwanderung einsteigen (I.21.8.). Sinn dieses Vorgangs ist eine Reinigung (II.3.40.; I.24.29.) mit dem Ziel, sich dem wirkenden Verstand anzunähern (I.23.6.; I.17.3.) und damit mit Gott zu verbinden (II.10.26.; II.5.29.; I.28.44.).50

Allgemeine Aufgaben der Seele während des Menschenlebens.

Ganz abstrakt bewirkt die Seele eine Tätigkeit (II.5.47; I.7.15.; I.16.1.). Diese Tätigkeit bezieht sich auf verschiedene Aspekte.51 Die Seele versteht dabei (nur) sich selbst und darüber alles andere (II.3.60.; II.3.62.; II.3.63.; II.3.66.).

Wollen und Bewegung. Die Seele ist die Quelle der Bewegung (I.21.7.), also ein Beweger52; die Bewegung selbst ist körperlich (I.27.2.) und Gegenstand der Naturwissenschaft (I.1.14.).53 Bewegung und Beweger können somit voneinander unterschieden werden (II.2.36.; I.7.22.). Die Bewegung beim Menschen ist die Umsetzung einer fiktiven Handlung in eine realisierte Handlung (I.4.18.). Diese Handlung steht in enger Beziehung zum Willen. Der Wille als Impulsgeber ist dabei vom Verstand beeinflusst und an sich zunächst ohne moralische Bewertung (II.5.46.; I.2.19.), wenngleich die Gerechtigkeit als Moraltugend dem Willen zugeordnet wird (I.2.34.).54 Die Entscheidung, den Willen einzusetzen, scheint frei zu sein, ohne dass Pico das explizit sagt.55 Der Wille führt zu Handlungen als äußeren Bewegungen, hier insbesondere genannt die Sinneswahrnehmung (II.5.43.; I.10.3.), und zu Empfindungen und Erkenntnissen als innere

Bewegungen (I.3.3.; II.5.43.; I.18.5.) Der Wille hat so auch Einfluss auf das Glück des Menschen, auch wenn das Glück nicht notwendig vom Willensakt abhängt, sondern über den Verstand erreicht wird (I.2.12.; II.7a.51.; II.4.24.; II.4.25.).56

Fühlen und Emotion. Verstreut in den einzelnen Abschnitten findet sich in den Thesen eine erstaunlich umfassende Sinneslehre, die das Wahrnehmen äußerer und innerer Dinge umfasst. Allgemeine Aussagen unterscheiden eine passive und eine aktive Komponente der Wahrnehmung (I.1.13.; I.8.10.) und Erläutern den Begriff des Gemeinsinns (II.2.30.; II.2.58.; II.3.41.; I.10.3.). Alle fünf äußeren Sinne des klassischen aristotelischen Konzeptes werden pointiert angesprochen: Hören (I.1.7.-9.; II.2.56.; II.5.43.), Sehen (I.14.2.; I.17.8.; II.5.43; II.5.44.), Riechen (I.8.9.; I.8.11), Schmecken (I.6.8.) und Tasten (I.13.4.). Als besonderen inneren Sinn führt Pico das Erkennen der eigenen Tätigkeit ein (I.17.1.). Die inneren Sinne sind ansonsten mehr Verarbeitungen im Körper (Herz bzw. Gehirn: II.2.76.) und gliedern sich nach dem Drei-Kammer-Modell der damaligen Medizin in Phantasie oder Imagination, Denkkraft und Erinnerung (II.2.58.).

Den Emotionen (passiones animae) widmet Pico nur wenig Beachtung in seinem anthropologischen Modell. Allgemein findet man den Hinweis, dass die Seele die Emotionen wahrnimmt, der Körper sie empfindet (I.17.7.).57 Die Seele hat dabei in sich die Bilder der Dinge und wird durch äußere Reize erregt (I.21.2.). Sie kann als einzige eine Beziehung herstellen (I.13.1.) und damit vergleichen (II.3.18.), auch Gegensätze verbinden (II.6.8.). Die Emotionen sind somit sehr komplexe Vorgänge in der Seele, die nicht einfach durch ihre Art erklärt werden können (I.4.8.), obwohl sich verschiedene Emotionen unterscheiden lassen (II.7a.60.). Die Grundeinteilung in begehrende und überwinden de Emotionen wird angesprochen (II.7a.70.; I.5.8.).58, von den vier Hauptemotionen (Freude, Trauer, Hoffnung, Furcht) wird nur die Trauer als ‚Plagegeist’ (I.27.9.) und die Furcht im kabbalistischen Kontext (II.10.10.; I.28.39.) genannt. Bei letzterer macht Pico allerdings einen entscheidenden Hinweis, indem er zwischen einer äußeren Furcht (als Emotion) und einer inneren Furcht (im Sinne von Ehrfurcht) unterscheidet (I.28.38.). Weitere Emotionen sind neben der Trauer (I.27.9.), dem Zorn (I.5.8.; I.25.10.; I.27.9.) und der Begierde (I.25.8.; I.25.9.; I.27.9.) insbesondere die Liebe. Neben der körperlichen Dimension der Liebe (I.28.17.; I.28.18.) wird die Liebe allerdings überwiegend im Kontext Platons interpretiert, d.h. nicht ausschließlich als Emotion.59 Die Liebe verliert den christlich überhöhten Charakter nicht,60 wird jedoch nur als Motivation zum Erreichen der Glückseeligkeit verstanden und nicht als Bestandteil derselben (II.5.48; II.5.49.; I.28.38.; I.28.39.).

Denken und Verstand. Bei der Tätigkeit des Denkens vermittelt die Seele die rein geistige Vorstellung als aktuellen Verstand (11.5.22.) (I.8.4.). Der Verstand enthält dabei die Nominative (den Zustand), die Seele die Adjektive (die Tätigkeit) (II.3.35.). In ihrer inneren Bewegung (I.24.1.) misst und verbreitert die Seele die statischen Inhalte des Verstandes (II.3.36.).

Zu den aus dieser seelischen Tätigkeit entspringenden Ergebnissen zählen die Tugenden, zu denen sich Pico an einigen Stellen äußert. Die Moral- und Kardinaltugenden sind im Himmel zu Hause (I.2.11.) und stellen ein höheres Verlangen dar (I.4.10.; I.24.55.).61 Ähnlich wie die Liebe ist auch die Tugend eine Vorbereitung für die Glückseeligkeit (I.20.9.), die das Ziel des ‚Ruhen in Gott’ beschleunigen kann (I.20.11.). Es ist Zielaufgabe der Seele sich dem Verstand zuzuwenden, nicht dem Sinnlichen (II.6.9.).

Die Tätigkeit der Seele ist für den Menschen zentral, deshalb wird sie von Plato als in der Mitte der Welt liegend beschrieben (I.23.9.), ein Ort, den Pico dem Mond zuschreibt (II.5.7.). Symbolisch kann die Seele über die Quadrat- und Kubikzahlen ausgedrückt werden (II.7a.56.; I.25.13.; II.5.1.) – eine mögliche Verbindung zu der engen Beziehung zwischen der Seele und der Musik (II.10.2.; II.7.7.; II.7.8.). Auch eine kabbalistische Deutung der Seele wird angesprochen (II.11.66.).62

Intellectus

Während die Differenzierung in Leib und Seele (eine Zweiteilung) auch heute noch die gängige Unterscheidung von sichtbarstofflichem und unsichtbarem Anteil des Menschen beschreibt, betont Pico ein dreiteiliges Konzept, bei dem neben dem seelischen noch ein weiterer nicht-stofflicher Anteil unterschieden wird. Die Grundfrage dafür lautet: was ist der Verstand? (II.7a.5.) und bei erster Annäherung: gibt es etwas höheres als den Verstand? (II.7a.7.)

Neben allgemeineren Beschreibungen von Merkmalen des Verstandes63 und seiner Rolle als Teil Gottes mit der eigenen Nomenklatur des ‚Intelligiblen’ geht es für den spezifisch menschlichen Verstand in erster Linie um die Abgrenzung des Verstandes von der Seele (mit der spezifischen Deutung der anima intellectiva) und um die Gliederung des Verstandes in einen intellectus agens und einen intellectus possibilis.

Der Verstand ist allgemein die Orientierungsgröße für Richtiges und Beständiges (II.2.72.) und arbeitet zweifach: im Vergleich und in der Abwägung (II.2.77.). Er versteht dabei nichts Einzelnes (sondern Beziehungen; II.2.5.), auch wenn er das Einzelne richtig erkennt (II.2.6.). Er hat Form-Charakter (II.2.2.; II.3.58.; II.6.7.) und ist entweder praktisch oder spekulativ (im Gegensatz zur Gesinnung, die praktische und spekulative Anteile zusammen besitzt; II.2.20.; I.23.1.).64

Abgrenzung nicht-menschlicher Verstandesaspekte

Der göttliche Verstand (intellectus divinus: I.4.2.; I.5.3.; I.23.2.) ist rein geistiger Natur (intelligibilis) und zunächst eine unteilbare Einheit.65 Das rein Geistige ist dabei gleichzusetzen mit dem ersten Verstand und Gott (II.3.37.; II.2.4.; I.20.1.), und steht über dem sonst verwendeten gegliederten Verstand-Begriff (I.26.5.). Da es in den theologischen Bereich gehört, braucht man es nicht zum Philosophieren (I.1.1.), es wird jedoch auch in der Philosophie als höchste Erkenntnis angesprochen (II.2.72.). In wieweit man als Mensch dieses rein Geistige überhaupt fassen kann wird als Frage formuliert (II.7a.64.) – wohl nicht direkt, sondern nur Apoll (1.22.7.) 11.6.6.; 11.3.19.; 11.7a.53.; 1.26.5.; zur Dreiheit: 1.24.7.; 1.24.23.; 1.24.48.; 1.24.52.; zur Siebenheit: 1.24.13.; 1.24.15.; 1.24.20. Erst mit der Trinität entstehen auch Zahlen (1.24.5.). Für die Weltentwicklung aus der rein geistigen Einheit gilt die Zahlenfolge 1 – 3 – 5 (11.3.39.). über Vermutungen (II.7.4.), Vorstellungen (II.2.31.; I.2.39.; I.8.4.), Beispiele (I.22.3.) oder Gleichnisse (II.11.10.).66

Bei den Engeln bzw. dem vom Urgott geschaffenen ‚jüngeren’ Göttern ist der Verstand in ihrer Natur angelegt (II.7a.42; I.5.7.; I.24.10.; I.24.18.) und Kommunikationsmittel (I.6.7.). In wieweit bestehen Unterschiede zu Gott und zum Menschen? (II.7a.29.; II.7a.28.) Sind sie rein geistig? (II.7a.41.) Im Sinn des Einsseins nicht, aber sie haben einen doppelten Betrachtungsmodus (als rein geistiges und natürliches Sein) und können somit auch als rein Geistige beschrieben werden (II.5.25.).67

Die natura intellectualis von Mensch und Engel ist gleich (II.3.63.; II.3.64.), da sie am Anfang durch Gott erschaffen wurde (II.3.21.; II.6.4.; II.11.28.) und eigentlich ein Teil Gottes ist (II.3.68.; II.3.49.).68 Unterschied ist die natura rationalis. Somit ist die Verstandestätigkeit beim Menschen ein Attribut, beim Engel jedoch Wesenskern (II.2.65.).

Der menschliche Verstand

Intellectus agens6970