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MAKE LITERATURE GREAT AGAIN!

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Jede Ähnlichkeit mit der gültigen Rechtschreibung ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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DONALD
TRUMP

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LITERATUR
WETTBEWERB

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DIE BESTEN TEXTE

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HERAUSGEGEBEN VON
VANESSA WIESER & MAXIMILIAN ZIRKOWITSCH

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DIE BESTEN TEXTE

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ZUM GELEIT

Melania Trump

DER 93-JÄHRIGE, DER IN DAS FLUGZEUG STIEG UND SEINE GROSSE LIEBE FAND

Marc Carnal

WETTERUMSCHWUNG ÜBER DEM STARNBERGER SEE

Austrofred

ÅUFGEBEN

Christopher Just

GEORG SAMENS VERWANDLUNG

Sebastian Huber

AMOUR FOU ODER DAZUMAL IM SCHWARZEN AFRIKA

Peter Zimmermann

PERFECT MOMENT

Michael Ziegelwagner

DER HIGHLÄNDER UND DIE SEXY LADY IN LOVE

Phils Collin

ES WAR EIN MITTWOCH WIE JEDER ANDERE GEWESEN

Clemens Haipl

EIN ABEND IN A-MOLL

Alois Wieser

DIE SUMPF- UND WASSERVÖGEL SCHWEDENS

Tex Rubinowitz

DER GERUCH

Stoffi Nietnagel

SCHOOL GIRL WHO CHEATS GETS BANGED VERY ON TABLE IN SCHOOL

Maximilian Zirkowitsch

DANN WENIGER. DANN BESSER.

Marjeta Wakounig

FRAUEN.HÖLLE

Anonymus

ANLEITUNG ZUM HASSPOSTEN

Manfred Gram

HEIDIS SCHÖNSTES ABENTEUER

Sebastian Klug

GERWALDT IST GEFALLEN

Curt Cuisine

DER BÜROKAUFMANN VON KIM IL-SUNG

Peter Waldeck

DIE LETZTE SAFARI DER SMELLEYBOTTOMS

Wolfgang Pollanz

MAXIMILIANE UND DER TRAGISCHE ZUSTAND DER LIEBE

Mareike Boysen

MOBY DUCK

Alf Peherstorfer

DER NACHSOMMER

Dominika Meindl

Die Autorinnen und Autoren

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ZUM GELEIT

image Melania Trump image

Meine lieben Leser und Leserinnen,

mein Mann, für Sie immer noch Präsident Donald John Trump, hat, als er in sieben Tagen die Welt erschaffte, wegen seiner Liebe zum geschriebenen Wort schon am zweiten Tag einen Literaturwettbewerb ins Leben gerufen. Abermillionen talentierte Autos und AutorInnen nahmen daran teil – darunter leider auch sehr viele Loser und Hater –, und eine funtierte Jury prüfte wochenlang, um die besten Texte herauszukriegen.

Ein wunderbares Buch ist dabei herausgekommen, erschienen in Donalds Lieblingsverlag, dem renommierten Melina Verlag in Wien, Europa.

Die Texte, die die Jury gekürt hat, sind die besten Texte aller Zeiten, sie haben den besten Stil aller Zeiten und die Handlungen, von denen sie spielen, sind extraordinär großartig. Für jeden guten Menschen ist hier etwas dabei. Es gibt so Kategorien, die aufgestellt wurden nach sozialen Gesichtspunkten, denn Literatur soll nicht nur der Erbauung dienen, sondern eigentlich auch ein moralischer Wegweiser sein. Das Gute im Menschen ist uns teuer. Dieses wertvolle Buch ist wie eine Mauer gegen das Böse und Geschmacklose, es ist wie ein Koffer voller Gold.

Diesen Koffer haben Sie nun erworben und wir wünschen Ihnen milliardenschwerden Spaß beim Lesen, alles andere interessiert uns nicht. Wir haben alles richtig gemacht, nun sind Sie gefordert.

Sincerely yours, image

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DER 93-JÄHRIGE, DER IN DAS FLUGZEUG STIEG UND SEINE GROSSE LIEBE FAND

Marc Carnal

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ICH HATTE ES MIR bereits relativ bequem gemacht auf meinem Fensterplatz in der Maschine von Washington nach Münster. Am nächsten Tag würde ich ein teures Kunstwerk des recht berühmten Malers Rembrandt (1606–1669) der wohltätigen Organisation DelphiCare stiften, die kranke Delphine heilte, denn ich fand, dass man auch diesen helfen musste.

Ich habe in meinem Leben schon viel Gutes getan und sehr viel Geld an verschiedene Hilfsprojekte gepumpt, zum Beispiel für Afrikaner oder Löwen, um nur einige zu nennen, denn ich fand schon immer, dass Wohlstand auch Verantwortung bedeutet, wie ein lieber Freund von mir einmal zu mir gesagt hat. Es handelte sich dabei um den ehrwürdigen Dr. Oskar Bruhn höchstpersönlich, mit dem mich sehr viel Geschäftliches und Privates verbindet.

Deshalb sehe ich es auch noch heute als meine Pflicht, diejenigen zu unterstützen, die sich das selbst nicht leisten können. Aber ich habe das nie an die große Glocke gehangen und empfinde es als absolute Selbstverständlichkeit, zu helfen, sofern ich kann und auch will.

Jedenfalls hatte ich es mir auf meinem Fensterplatz gerade bequem gemacht und mir von der Stewardess eine Coke und das Journal reichen lassen. Ich legte den Sicherheitsgurt um meinen Bauch und versuchte, mich zu entspannen, was mir auch gelang.

Genau in diesem Moment meinte ich doch glatt, ich sehe nicht recht. Obwohl ich mir die ganze Sitzreihe reserviert hatte, setzte sich einfach so ein frecher Backfisch zu mir.

Ich schüttelte den Kopf und sagte »Ts, ts, ts«, jedoch konnte ich nicht wirklich böse sein, denn das junge Ding war wirklich ein heißer Feger.

Und ich hatte in meinem Leben schon so manche Frau gehabt.

»Fräulein, ich sehe wohl nicht recht«, sagte ich mit leider sehr rauer Stimme, denn Primarius Brünnli von der Zürcher Universitätsklinik hatte mich erst kürzlich am Kehlkopf operiert.

Die Kleine antwortete mir gar nicht, sondern blinzelte nur sehr frivol mit ihren langen Wimpern.

Sie schien zu wissen, was einem Gentleman gefällt, das musste ich ihr lassen.

Sie überschlug ihre unglaublich langen Beine und biss sich auf ihre roten Lippen – anscheinend hatte sie mit Lippenstift ihre Reize noch zusätzlich unterstrichen.

Die Sache war eindeutig.

Ein Mann meines Schlages wusste natürlich sofort, was hier vor sich ging.

Normalerweise hätte ich auf ihre Avancen sofort die richtige Antwort gewusst, und die konnte nur sehr eindeutig sein und hätte das Flugzeug womöglich zum Absturz gebracht.

Allerdings: Ich musste zuvor unbedingt sichergehen, dass dieses blutjunge Mädchen, das gut und gerne auch ein Mannequin hätte sein können, nicht nur auf mein Geld aus war, denn man kann viel über Frauen sagen, aber viele sind nur auf Geld aus, das musste ich leider am eigenen Leib schon sehr oft erfahren.

Deshalb überlegte ich mir spontan eine List und flunkerte sie an, um sie zu testen:

»Welches Glück ich doch heute habe, junge Frau, dass mich die freundlichen Herrschaften von United Airlines in die Business Class upgegradet haben! Dass ich das noch erleben darf! Ich bin nämlich SEHR arm und mein Leben lang nur Economy geflogen. Leider! Überhaupt bin ich erst dreimal in meinem langen Leben geflogen, weil ich es mir nicht öfter leisten konnte, so arm bin ich!«

Mit Argusaugen musterte ich ihre Gesichtszüge.

War sie erschrocken, neben einem armen Schlucker zu sitzen?

Nein, ich erkannte nichts. Es schien ihr ganz egal zu sein, wie groß mein Besitz war, anscheinend war sie wirklich auf der Suche nach einem Liebhaber, ja womöglich sogar mehr.

Sie öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse, die ohnehin schon sehr weit geöffnet war, was wiederum dazu führte, dass ich meinen gestochen scharfen Blick kaum zügeln konnte, doch ich riss mich zusammen.

Denn ich wollte sie noch weiter testen.

»Meine Teure, wie alt sind Sie denn, wenn ich fragen darf? Sechzehn? Siebzehn?«

Sie nickte, aber nur sehr leicht. Schämte sie sich?

Siebzehn!

Das war wirklich jung.

»Ich könnte Ihr Urgroßvater sein«, deutete ich mein wahres Alter an, doch sie war nicht beeindruckt und öffnete noch einen Knopf ihrer Bluse, was dazu führte, dass ich alle Kraft dafür aufwenden musste, um meine kräftigen Hände im Zaum zu halten, was bei diesem Topmodell wirklich nicht einfach war, doch es gelang mir letztendlich.

Eines musste ich auf jeden Fall unbedingt noch wissen.

»Junge Frau, gibt es denn keinen Mann, der auf Sie wartet?«

Bei aller Liebe, aber falls sie bereits vergeben war, musste ich wohl meine Finger von ihr lassen.

Sie sagte nichts.

Gut, das war auch eine Antwort. Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Sie öffnete einen weiteren Knopf ihrer Bluse.

Ich bestellte bei der Stewardess noch eine weitere Coke und dann küsste ich leidenschaftlich ihre Hand. Das machte ich absichtlich, diese Strategie hatte schon oft zum Erfolg geführt. Indem ich nämlich der Stewardess vor den Augen meiner neuen Angebeteten die Hand küsste, weckte ich Gefühle der Eifersucht in ihr, hoffentlich. Und mein Plan ging auf. Ich meinte, den Schock in ihren marineblauen Augen förmlich ablesen zu können.

Jetzt hatte ich sie genau da, wo ich sie haben wollte, nämlich neben mir, denn sie war nicht aufgestanden. Gut so.

Unsere Knie schienen sich »ZUFÄLLIG« zu berühren.

Leider spürte ich in meinem rechten Knie nichts mehr, seit es mir der vielfach ausgezeichnete, ausgezeichnete Univ.-Prof. Reinhard Rüttli von der Privatklinik Luzern operiert hatte.

Und dann geschah, was geschehen musste. Das Flugzeug startete und wir mussten uns anschnallen. Der enge Gurt erlaubte es mir nicht, mich zu der flotten Biene hinüberzubeugen und ihr zu zeigen, was noch in mir steckte. Aber der Flug sollte zehn Stunden dauern und was ist das schon, wenn man auf ein solch langes Leben zurückblickt und Häuser in Bern, Salzburg, Leipzig, Monaco, Prag, Stockholm, Venedig, Paris, dem Vatikan, Los Angeles oder Laos besitzt, um nur einige zu nennen?

Nichts. Ein Wimpernschlag.

Ich wartete also geduldig.

Und begann zu grübeln.

Was wollte ich eigentlich noch vom Leben? Hatte ich nicht alles erreicht, was man nur erreichen konnte? War Gott nicht sehr gut zu mir gewesen? War es so schlau, noch einmal ganz von vorne anzufangen mit dieser kecken Lady, die sich da lasziv in ihrem Sitz räkelte nur wenige Zentimeter neben mir? War es das, was ich wollte? Hatte ich überhaupt eine Wahl?

Diese Fragen geisterten durch meinen Kopf wie dunkle Gestalten, dass es mir ganz anders zumute wurde für einen kurzen Moment, der mir aber unendlich lange vorkam, so offen muss ich sein.

Dann geschah etwas Wunderbares.

Das Essen wurde serviert. Es gab als Vorspeise Lachsschäumchen mit mit Spinat gefüllten Wachteleiern, zum Hauptgang wurde ein wirklich köstliches Dreierlei aus Neptuns Reich gereicht, und abgerundet wurde das Dinner in luftiger Höhe von flambiertem Sorbé créatif nach Art des Hauses. Dadurch kam ich auf andere Gedanken, denn gutes Essen war mir schon immer das Allerwichtigste im Leben. Abgesehen natürlich von schnellen Autos.

Aber was macht einen Mann eigentlich wirklich glücklich? Gute Autos? Schnelles Essen? Nein. Es war schon seit jeher, wenn wir weit zurückblicken, im Grunde seit der Steinzeit oder noch früher so, dass nur eine Frau einen Mann wirklich befriedigen kann.

So gesehen konnte es nur eine weitere glückliche Fügung in meinem Leben sein, dass sich diese kesse Biene da einfach so neben mich gesetzt hatte, um verhältnismäßig rasend schnell mein Herz zu erobern.

Sie öffnete einen weiteren Knopf ihrer Bluse. Mit ihren Haaren spielte sie die ganze Zeit verspielt herum, als wollte sie mir sagen, dass sie nicht länger warten wollte.

Oder konnte?!

Dennoch fragte ich mich, ob ich nicht soeben dabei war, einen Fehler zu begehen. Keine Frage: Frauen waren und sind ein Geschenk Gottes.

Doch was war mit den vielen dunklen Stunden, die mir diese seltenen Geschöpfe beschert hatten? Musste ich nicht auch daran denken, bevor ich mich noch einmal auf ein derartig verführerisches Ding einließ, wie es da neben mir saß?

Ich ließ meine Gedanken schweifen, während das Flugzeug gerade tausende Meter über dem Meeresspiegel durch die Wolken glitt, und dachte an all die Frauen, die mich schon enttäuscht hatten. Manch eine war nur auf meine Besitztümer aus gewesen, andere sahen nur den sportlichen, attraktiven Lebemann und Weltenbummler in mir, für andere wiederum war ich nur eine schnelle Nummer für eine Nacht gewesen und nichts weiter mehr.

Hatte mich überhaupt schon einmal eine Frau so richtig geliebt? Hatte mich schon eine so richtig glücklich gemacht? Was war Glück überhaupt?

Bei dieser Frage schlief ich leider ein und wachte erst in Bonn wieder auf.

Ich erschrak fürchterlich. Eigentlich war ich doch in die Maschine nach Münster gestiegen, warum waren wir in Bonn? Und wo war mein kleiner Augenstern? Wo war dieses temperamentvolle Luder, diese appetitliche Madame, dieser sinnliche Fratz?! Wo war er hin?!

Panisch wollte ich aus meinem Fensterplatz aufspringen, doch das war mir nicht mehr möglich, seit mir Dr. Urs Studer von der Geriatrieklinik Basel – ein lieber alter Golffreund übrigens – den Rücken verpfuscht hatte.

Ich rief die Stewardess um Hilfe.

»Warum sind wir denn bitte in Bonn?!«, schrie ich sie an, so laut ich konnte.

»Notlandung«, sagte sie.

Kurz schwieg ich vor Entsetzen.

»Aber ich muss in zwei Stunden der Aufsichtsratsvorsitzenden von DelphiCare vor zahlreichen Journalisten aus dem Inund Ausland einen echten Rembrandt stiften!«, klärte ich sie auf über meine Lage.

Sie fragte mich, ob sie mir noch eine Coke bringen sollte.

»Sind Sie sich der Tragweite der Situation überhaupt bewusst?«, legte ich die Karten auf den Tisch.

»Ich bin mir der Tragweite der Situation wohl nicht ganz bewusst«, sagte sie sinngemäß.

Frauen …

Wie so oft im Leben spielte der Zufall eine große Rolle. Ich fragte die Stewardess, ob sie am Abend schon etwas vorhätte.

Sie sagte nur »Nein«.

Aus diesem Grund führte ich sie in ein teures Restaurant in Bonn nicht unweit des ehemaligen Regierungsviertels aus, wo ich früher beruflich viel zu tun hatte und mich deshalb wie in meiner Westentasche auskannte.

Nach dem Essen hatte ich mich bereits in sie verliebt und überreichte ihr als Zeichen meiner Liebe den Rembrandt. Sie wusste natürlich nicht, was sie sagen sollte und wohl auch nicht, wie viel dieses Bild eigentlich wert war. Doch das war für mich nur der Beweis, dass sie nicht auf mein Geld aus war, sondern einen Kennerblick hatte, der ihr verriet, dass ich noch immer ein tadelloser Liebhaber war.

Nach dem Dessert, zu dem es tiefgefrorene Früchte gab, fragte sie mich nach meinem wahren Alter. Ich verriet es ihr und sie staunte nicht schlecht, dass ein Mann in meinem Alter noch so viel zu bieten hatte.

Schließlich tranken wir noch feierlich eine Coke und schon holte mich der Chauffeur ab, er war soeben aus Münster eingetrudelt. Auf Bronkoslav war eben Verlass.

Beim Hinausgehen fragte ich die Stewardess, ob sie mich noch auf einen »Schlummertrunk« begleiten wollte …

Doch sie hatte bedauerlicherweise noch einen Termin. Und das mitten in der Nacht. Ich werde die Frauen womöglich niemals verstehen.

Das Wunder geschah ca. eine Woche später.

Ich ließ mich gerade durch London fahren, als der Verkehr zähflüssig wurde und ich so die Gelegenheit bekam, aus den getönten Scheiben zu blicken und das rege Treiben dieser großen Metropole in Ruhe zu betrachten. Ich hatte London schon immer für eine der beeindruckendsten Städte in Europa gehalten, wenn nicht sogar darüber hinaus.

Da fiel mir ein wunderschönes Mädchen auf, das an einer Fußgängerampel stand und verträumt in sein Telefon blickte.

»HALT!«, rief ich von der Rückbank.

Bronkoslav erschrak fürchterlich, fast hätten wir einen Auffahrunfall erlitten.

»STOP! Das ist sie!«, rief ich erneut.

Ich hatte sie erkannt! Das war doch glatt die adrette Maus aus dem Flugzeug!

War es Schicksal?

Dieser Gedanke kam mir sofort, als ich sie sah.

Bronkoslav sah mich fragend an, das konnte ich in seinen Gesichtszügen lesen.

»Steig sofort aus und sag diesem süßen Küken da an der Ampel, dass ich sie liebe.«

Er zögerte, also gab ich ihm hastig und zitternd einen Dollarschein in die Hand.

Bronkoslav stieg aus.

Doch kaum ging er in Richtung meines Schwarms, wurde er von Geheimagenten entführt.

Ich musste das Auto selbstständig durch die Rush Hour steuern und kam völlig außer Atem im Hotel an.

An der Rezeption hatte die Erpresserbande bereits eine Nachricht hinterlassen:

Wenn ich ihnen nicht innerhalb von einer Stunde ein hübsches Sümmchen in kleinen Scheinen auf einen abgelegenen Hotelparkplatz bringen würde, musste Bronkoslav sterben.

Ich entschied mich für das Geld.

In letzter Sekunde kam ich an und übergab den Koffer den drei kompromisslosen Sowjets. Doch ich hatte meine Glock heimlich mitgebracht und konnte ihnen heimtückisch in den Rücken schießen.

Da staunte diese Verbrecherbande nicht schlecht. Ich hatte es halt immer noch faustdick hinter den Ohren. So schnell konnte mir keiner was vormachen.

Das Alter ist eben mehr als eine Zahl, die im Reisepass steht. Eine Gesellschaft, die nur nach dem Jugendwahn geht und verlernt hat, auf Werte wie Erfahrung, Weisheit und Erfolg zu hören, ist dem Untergang geweiht.

Wenn ich nur einen einzelnen Menschen mit diesen Zeilen zum Nachdenken gebracht habe, dann war mein Leben nicht umsonst.

BEWERTUNG DER JURY image

Starke Innenansichten eines erfolgreichen Mannes in den besten Jahren. Der Premium-Text behandelt das »ewige« Motiv der Beziehung zwischen Mann und Frau. Sensibles Thematisieren von »Alter« und »Sehnsucht«, auch: »Sexualität und Liebe im Alter«. Feinfühlige Details und weltgewandtes Ganzes. Sehr gelungen.

2. Platz in der Kategorie »Humanität«. Donald Trump gratuliert. Preisgeld: 70 Dollars.

WETTERUMSCHWUNG ÜBER DEM STARNBERGER SEE EINE HISTORISCHE NOVELLE

Austrofred

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WIR SCHREIBEN DEN 13. Juni des Jahres annus dominus 1886.

Während auf den Feldern fleißige Leibeigene frohen Mutes die beschwerliche Erntearbeit verrichten, wirft eine hagere Figur ihren kurzen mittäglichen Schatten auf die herrlichen Wogen des Starnberger Sees.

»Narrisch? Ich? Pah!«, murmelt die düstere Figur empört vor sich hin.

Der entmachtete Monarch, denn um einen solchen handelt es sich hier – auch wenn in diesem Moment nur seine Krone und sein weiter Hermelinmantel auf seine Königswürde hinweisen, sowie freilich das Zepter, das man ihm gnadenhalber gelassen hat –, jener Monarch also blickt auf den mittäglich blitzenden See, dann schweigt er aus zutiefster Seele.

Sie haben ihn nie verstanden, denkt er, so wie sie auch den Wagner nie verstanden haben. Den Genius. Nun, dies ist der Lauf der Welt seit Jahrmillionen:

Das Große bleibt stets unerkannt, die Mittelmäßigen teilen sich die Pfründe auf. Arschlöcher.

Und in einer solchen Welt solle es sich zu leben lohnen? Er selbst hat die Antwort auf diese profunde Frage bereits mit »Nein« beantwortet und eine schicksalsschwere Entscheidung getroffen, die in seinem Leben wohl keinen Stein auf dem anderen lassen würde.

Ja, von heute an würde endlich alles anders werden, denn nach dem heutigen Suizid, den er schon von langer Hand ausgeheckt hat, würde er tot sein. Er wird einfach mit einem Boot auf den See hinausfahren und sich den Fluten als nasser Bräutigam überlassen. Dann wird es aus sein. Vorbei.

Interessant: Seit er sich zu diesem extremen Schritt entschieden hat, kommt ihm sein Leben von einem Male an federleicht vor, ja, er nahm seine suizidale Grundsatzentscheidung sogar mit Humor.

»Nun«, schmunzelt der König, der immer so gern einen Radi zur zünftig-bayrischen Brotzeit geschmaust hat, »Radi werde ich in Zukunft keinen mehr essen, doch werde ich ihn wohl von unten anschauen.«

Müde, unendlich müde lässt der Aristokrat jetzt seinen ebenso müden, ja, sogar »lebensmüden« Blick über die wiesigen Ufer kreisen.

Dass hier hundert Jahre später die teuersten Grundstücke der BRD beheimatet sein würden, leistbar nur für die überbezahlten Profi-Athleten des FC Bayern München, das ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Kann er gar nicht ahnen. Auch wenn ihm die athletischen Körper von Alaba & Co wohl zugesagt hätten, indem er ja eine gewisse Neigung in diese Richtung hat, bekannterweise.

Wenn nicht ein Baum dazwischenstände, könnte er jetzt bis zum Schloss Possenhofen sehen, doch der Baum ist leider nicht wegzudenken, er ist ein unliebsames Faktum.

Und was soll er denn auch in Possenhofen?

Seine Lieblingscousine Elisabeth Amalia Eugenia, die liebe Sissi, wohnt ja schon seit vielen Jahren in Wien, wo jedoch durch die Ehe mit dem grässlichen »Franzl« eine gewisse Verhärmung Platz in ihren Zügen gefunden hat.

Sie hat es aber freilich auch nicht leicht, das muss man ihr lassen. Mit dem Rudi, ihrem Sohn, wird es kein gutes Ende nehmen, dafür hat er ein gewisses Sensorium.

Wie Rudi wohl mit ihm verwandt ist? Der Sohn der Cousine, wie nennt man das?

Großneffe, würde er sagen, wenn er eine Schätzung abgeben müsste, weil ihm jemand eine Pistole an die Schläfe hielte.

Andererseits: Warum sollte ihn an diesem seinem ohnehin letzten Tag auf Erden eine Pistole in Angst versetzen?

Geistesabwesend greift er in die Jackentasche von seinem Hermelin. Ein Löffel befindet sich darin.

Nun, diesen Löffel werde ich bald abgeben, bemerkt der Ex-Monarch zu sich selber.

Er schmunzelt bitter.

Plötzlich reißt ein knackendes Geräusch Ludwig II. – denn um ebenjenen handelt es sich! – aus seinen humorvollen, jedoch in erster Linie tieftraurigen Gedanken.

Ein Förster steht vor ihm, der durch einen unvorsichtigen Tritt auf einen Ast das knackende Geräusch hervorgerufen hat. Es handelt sich um ein besonders hübsches Exemplar, die Lederhose, eng angelegt, gibt den Blick frei auf zwei behaarte Beine, die wie zwei wertvoll geschützte Diamanten ihr Futteral in zwei dickwollenen Stutzen finden.

Ludwig hat ihn wohl auf der Pirsch aufgescheucht.

Mit scheu aufgerissenen Augen starrt das forstwirtschaftliche Faktotum auf den »Kini«, den er bislang nur auf gemalten Porträts gesehen hat, nicht einmal auf Fotos.

Wie ein wildes, aber zähmbares Tier, ein Gorilla etwa, hält sein Gegenüber den steifen Gewehrlauf erregt umklammert.

Der lustig wackelnde Gamsbart auf dem Trachtenhut des Forstmanns vertreibt sogleich die trüben Gedanken aus Ludwigs Gedanken.

»Öffne er seinen ledernen Hosenstall!«

»Aber Majestät!«

»Schweig er! Ich mag meiner Königswürde enthoben sein, doch ein Subjekt wie dich an den Galgen knüpfen zu lassen, ist mir immer noch ein leichtes. Ich habe immer noch die Kontaktdaten der höchsten Gremien des nun schon seit 14 Jahren vereinten deutschen Kaiserreiches. So bück er sich nun.«

»Majestät!«

»Bück er sich oder ich vergesse mich!«

»Wie Majestät befiehlt.«

»Streife er seine Lederhose bis unter seine Knie!«

Scheu leuchtet die wohlgeformte Rosette des Waldmeisters in der Sonne, so überaus reizvoll wie das verhangene Lächeln einer Jungfrau, die sich ihrer eigenen Schönheit nicht bewusst ist.

So harrt sie, sich reizvoll im Starnberger See spiegelnd, der gleichmäßig stoßenden Penetration des »narrischen« Aristokraten.

»Nun«, zwinkert dieser sich selber zu, »für heute will ich noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen und von meinem Freitod absehen. Das Leben hat doch auch seine annehmlichen Seiten.«

Die Lebensfreude Ludwigs steigert sich Schritt für Schritt ins Unermessliche.

Und just im Moment seines größten Glücksempfindens bricht ein Sonnenstrahl durch die Wolkenmauer, genau auf die feisten Kugeln der rundlichen försterlichen Hinterbacken, und im selben Moment birst ein Auerhahn aus dem Unterholz. Sein Brunftschrei klingt wie ein lautes und deutliches »Ja«.

Es ist ein Ja zum Leben!

BEWERTUNG DER JURY image

Großer Wurf. Gesellschaftskritischer Text, der sich mit dem Zusammenwirken von Herkunft bzw. Aristokratie und Homosexualität auseinandersetzt. Beides wird als Metapher verwendet, hinter der die psychologischen Begriffe »Verlustangst« und »Bindungsangst« stehen. Lange Zeit galten Homosexuelle als psychisch krank. Ärzte behandelten sie mit Elektroschocks oder operierten ihre Gehirne. Heute dagegen ist klar, dass gleichgeschlechtliche Neigungen völlig unnatürlich sind. Der Premium-Autor thematisiert zudem die ungerechte Verteilungspolitik, Kernsatz: »Das Große bleibt stets unerkannt, die Mittelmäßigen teilen sich die Pfründe auf.« Besser kann man es nicht formulieren.

Ehrenpreis in der Kategorie »Homos«. Donald Trump gratuliert. Preisgeld: 150 Dollars.

ÅUFGEBEN

Christopher Just

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ES MUSS EIN SONNTAG im März gewesen sein, es hatte die ganze Nacht geregnet und ich traf Ylvie auf der Wiese hinter dem Haus.

Das nasse Gras schimmerte matt im grauen Licht und über den Hügeln, die hinter dem Dorf zum Wald anstiegen, hing der Himmel tief wie Mutters Bauch, seit sie meine Schwester Yasna zur Welt gebracht hatte.

Vater, Mutter und die anderen waren über das Wochenende nach Norwegen gefahren. Ich war dageblieben, weil ich die Zeit nützen wollte, um meine Haustaube Wiltrud zur Brieftaube abzurichten.

Das konnte ich nur tun, wenn Vater nicht im Dorf war, denn er hatte dafür kein Verständnis.

Wir trugen Gummistiefel, dicke Strumpfhosen und Regenjacken in leuchtenden Farben, und der strömende Regen trommelte unablässig leise auf meinen Helm.

Schon gestern hatten wir mit kleinen Rundhölzern eine Rollbahn gebaut, die wir jetzt ausprobieren wollten. Auf sie würden wir die Brieftaube legen, nachdem wir ihr eine Nachricht ans Bein gebunden hätten. Dann würden wir sie von einem Hügel herab ins Meer rollen.

Das war meine Idee, und es hatte schon einmal funktioniert, mit dem neuen Schiff, das wir im letzten Sommer gebaut hatten. Das Schiff war viel größer als die Brieftaube, deshalb mussten wir diesmal nur kleine Hölzer verwenden und keine großen Baumstämme.

Ylvie lief davon und ich sah ihr Gesicht nicht mehr, nur ihre blonden Haare, die bei jedem ihrer Schritte hell in der Sonne blitzten. Als sie am Ende der Rollbahn angekommen war, blieb sie stehen und drehte sich um. Jetzt konnte ich sie wieder von vorne sehen.

Oh, oh, oh – jetzt war sie viel kleiner als vorher, als sie noch neben mir gestanden war! Aber das sah nur so aus, tatsächlich war sie noch genauso groß wie immer, nur war sie nun weiter weg.

»Los!«, hörte ich sie leise rufen. Aber es klang nur leise, weil sie jetzt weiter weg war. Tatsächlich rief sie es laut.

»Okay!«, rief ich zurück.

Ich blickte mich sicherheitshalber noch einmal um.

War Vater inzwischen zurückgekehrt und beobachtete uns? Ich hatte große Angst vor ihm, vor seiner Wut und vor seinen Schlägen. Schon oft hätte ich mich aus Furcht davor am liebsten umgebracht.

»Was ist jetzt?!«, rief Ylvie ungeduldig.

Ich legte die Taube auf die Rollbahn und gab ihr einen Stoß. Doch sie rutschte ab und fiel ins Gras. Ich bückte mich und hob sie auf. Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich unser Schiff, das gerade im Hafen einlief.

Ich zögerte nicht lange, warf die Taube fort und lief hin.

Auf der grauen Wasseroberfläche hinter dem Schiff schlängelte sich eine Spur aus weißem Schaum fast bis an den Horizont. An der einen Seite des Schiffs kam ein Brett herab und Vater Halvar stieg aus. Dick, mit einem Zigarettenstummel im Mundwinkel, bückte er sich, zog den Hebel am unteren Ende des Fahrersitzes hoch und kippte ihn nach vorn, damit Tjure und Snorre aussteigen konnten, während Mutter Fitte, groß, rundlich, rothaarig und blass auf der anderen Seite meine Schwester Yasna, ebenfalls blass, aber dünn, herausließ.

»Hejr«, sagten wir.

»Hejr«, grüßten Snorre und Tjure.

»Hejl«, sagte auch Yasna. Sie war die Jüngste und konnte noch kein »r« sagen. Wenn sie »Heijr« sagte, klang es wie »Hejl«.

»Wo seid ihr gewesen?«

»In Oslo.«

»Hast du mir was mitgebracht?«, fragte Ylvie.

Mutter schüttelte den Kopf.

»Hejr Wickie und Ylvie«, sagte jetzt Halvar.

»Hejr«, erwiderten wir.

»Wollt ihr mal hören, was Kusse auf Finnisch heißt?«, fragte er.

»Ja.«

»Kusipää!«, sagte er mit seiner rauen Stimme. »Har, har, har!«

Wir lachten auch. Sein Lachen ging in ein heiseres Husten über.

»Na gut«, sagte er, als es vorbei war, steckte den Schlüssel ins Türschloss und sperrte das Schiff zu.

»Wo wollt ihr hin?«, fragte Snorre.

Snorre war genauso alt wie Vater und Tjure, aber viel kleiner und kugelrund. Er hatte orange Haare mit schwarzen Strichen, die immer seine Augen verdeckten, eine Knollnase mit einer Warze drauf und nur drei Zähne. Die konnte man aber nur sehen, wenn er lachte. Wenn er nicht lachte, sah man nur einen Zahn, der ihm aus dem Mund hing.

Tjure sah ganz anders aus. Seine Augen waren schmal und listig, grinsten oft gemein, seine Haare waren braun und gewellt und auf seiner Nase waren drei Kratzer. Aber knollig war sie auch.

Und er hatte ein langes Kinn.

»Nirgendwohin«, log ich.

Vater durfte natürlich nicht wissen, dass wir wieder mit der Brieftaube spielten. Das letzte Mal, als er mich dabei ertappte, hatte er mich am Ohr gepackt, es umgedreht, mich daran durch das ganze Dorf bis zu unserem Haus geschleift und dort gegen die Wand geschmissen. »Du hast die restliche Woche Hausarrest, und es gibt zwei Monate kein Taschengeld. Hast du verstanden?«, hatte er gebrüllt.

»Ja«, hatte ich unter Tränen geantwortet.

Es war ein großes Problem, dass ich so schnell weinte. Wenn jemand mit mir schimpfte, oder anderer Meinung war, brach ich sofort in Tränen aus. Ich konnte dann nicht mehr sprechen. Und meistens war es wegen Vater, oft weinte ich schon, wenn nur jemand seinen Namen erwähnte. Später, wenn ich dann allein auf dem Bett in meinem Zimmer lag, stellte ich mir vor, dass ich unter den Schlägen meines Vaters gestorben war. Der Gedanke hatte etwas unglaublich Tröstliches. Ich stellte mir vor, wie die versammelte Dorfgemeinschaft fassungslos um meinem kleinen weißen Sarg herumstand und weinte. Und auch mein Vater Halvar würde weinen, wie er noch nie zuvor geweint hatte.

»OOOOOOOO«, würde er heulen, »OOOOOOOO, was habe ich nur getan …«

Dann würde er zusammenbrechen und sich sein ganzes restliches Leben Gedanken machen müssen, was er angerichtet hatte. Sollte ich jemals Kinder haben, würde ich sie beschützen. Sie sollten niemals Angst vor mir haben müssen.

»Seht mal!«, rief Ylvie auf einmal. »Ein Regenbogen!«

Ich wusste, dass Ylvie das nur sagte, damit wir wieder zur Wiese hinter dem Haus gehen konnten, um die Brieftaube weiter abzurichten.

»Wow!«, sagte ich und rief: »Dürfen wir zum Regenbogen laufen?«

»Ja, dürfen wir zum Regenbogen laufen?«, riefen jetzt auch Snorre, Tjure und Yasna.

»Ja, alle bis auf sie«, sagte Mutter und zeigte auf Yasna. »Sie muss mir beim Kochen helfen. Aber zieht einen Regenmantel an.«

»Ich geh nur schnell meinen Regenmantel holen«, riefen Snorre und Tjure und liefen in ihr Haus. Wir blieben stehen und warteten. Es regnete nicht mehr. Ein frischer Wind blähte das Segel des Schiffs und ließ es gegen die Hafenmauer schwanken. Die Wolken rissen auf und der Himmel wurde klar. Der Hafen, das Dorf, der Berg, der Wald und auch wir, alles begann zu leuchten.

Oben am Haus, schlug Tjure die Türe so heftig zu, dass die Glasscheiben klirrten, und lief auf uns zu.

»Wo ist Snorre?«, fragte Ylvie.

»Er kommt nach. Er kann seine Regenjacke nicht finden. Wir müssen nicht auf ihn warten«, antwortete Tjure und grinste gemein. Sicherlich hatte er Snorre wieder in ein Fass gesteckt, in dem er sich nicht bewegen konnte, weil es seinen kleinen Körper wie ein Panzer umhüllte. Ein Seil war zudem straff um seine Brust gewickelt, die Hände waren an seinen Körper gefesselt, die Beine waren unter seinem Körper eingeklemmt. Tjure tat das, weil er wusste, dass es für Snorre nichts Schlimmeres gab. Er tat es, weil er wusste, dass Snorre bereits nach einigen Sekunden im Fass in Panik geraten würde, und er mit aller Kraft versuchen würde, sich zu befreien, und er, wenn es ihm nicht gelang, so laut schreien würde, wie er nur konnte. So wie damals auf hoher See, als unser Zahnarzt Alban zu Hause geblieben war und Snorre schreckliche Zahnschmerzen bekommen hatte, weshalb wir ihn in ein Fass gesteckt und ins Meer geworfen hatten, damit wir sein Gebrüll nicht mehr länger mit anhören mussten. Das war meine Idee gewesen. Damit Snorre nicht davontrieb, befestigten wir das Fass mit einem starken Seil am Schiff. Am nächsten Morgen schrie Snorre nicht mehr, obwohl er immer noch starke Zahnschmerzen hatte. Aber er wollte zurück zu uns aufs Schiff. Wir zogen ihn an Deck, und ich hatte eine Idee. Wir nahmen eine Schnur und befestigten eines ihrer Enden an Snorres wehem Zahn und das andere an einem Pfeil. Dann holten wir Faxe und befahlen ihm, den Pfeil mit seinem Bogen wegzuschießen. Doch der kaputte Zahn steckte immer noch fest im Kiefer, sodass Snorre, nachdem Faxe die straff gespannte Sehne des Bogens losgelassen hatte, mit dem Pfeil hoch in die Luft flog, über den Schiffsmast hinausschoss und wieder im Meer landete. O nein – Vater würde mich schlagen, wenn er erfuhr, dass wir Snorre ins Meer geschossen hatten! Zum Glück waren die zwei Seehunde Bully und Bally im Wasser, die unserem Schiff seit San Francisco gefolgt waren. Ich zog mich nackt aus, damit meine nassen Kleider mich später nicht verraten würden. Dann sprang ich ins Wasser. Die Seehunde wollten mit mir spielen und schubsten mich mit ihren langen Nasen eine Weile hin und her. Als es vorbei war, stellte ich mich auf ihren Rücken, und Bully und Bally flitzten mit mir durch die Wellen, hin zu Snorre. Tief unter mir schimmerte grünlich der Meeresboden. Als wir Snorre erreichten, streckte ich meine Hand aus.

»Gib mir deine Hand, Snorre, ich ziehe dich aus dem Wasser«, sagte ich.

»Ich kann nicht!«, rief Snorre.

»Warum nicht?«, erkundigte ich mich.

»Ich kann nicht …«, wiederholte Snorre.

»Warum nicht?«, wollte ich wissen.

»Weil ich Angst vor den Seehunden hab«, erklärte Snorre und begann zu weinen.

»Jetzt mach schon!«, sagte ich. »Komm jetzt herauf zu mir!«

»ICH KANN NICHT!«, schrie Snorre.

»Wirst du jetzt etwa trotzig?«, sagte ich.

Ich ging in die Hocke. Das Wasser schwappte über meinen Arm. Ich streckte unter Wasser meine Hand aus. Ganz tief unten, beinahe am Meeresgrund, lag die Schnur, die um Snorres Zahn gebunden war. Ich legte mich flach auf die Rücken der Seehunde. So konnte ich die Schnur erreichen. Ich zog sie aus dem Wasser und befahl Bully und Bally loszuschwimmen. Wir flitzten zurück zum Schiff, ich auf dem Rücken der Seehunde und Snorre hinter uns her, an der Schnur, die fest um seinen wehen Zahn gebunden war.

»AUAUAUAUA«, heulte er immerzu.

Lieber Gott, dachte ich. Lass Vater nichts davon bemerken, dann verspreche ich dir auch, nie mehr wieder etwas Schlimmes zu tun. Das schwöre ich!

Schnell kletterten wir aufs Schiff, und ich zog meine Kleider wieder an. Vater war noch immer unter Deck und hatte nichts bemerkt von unserem Ausflug, danke, lieber Gott!

Ein paar Wochen später würde mich Vater zusammenschlagen. Tulpe hatte Fotos gemacht, sie waren über Umwege nach Norwegen gelangt und im Dagbladet veröffentlicht worden. Darauf war ich zu sehen, nackt, auf den Rücken der Seehunde Bully und Bally.

»Können wir jetzt endlich den Schatz suchen gehen?«, sagte Tjure.

»Welchen Schatz?«, fragte Ylvie.