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(Foto: Archiv Eva Hampe/Andrea Zachrau)

Eva Hampe und Anna Herzog

HEELWORK-HANDBUCH

MIT SYSTEM ZUR PERFEKTEN
FUSSARBEIT IM HUNDESPORT:
LEIDENSCHAFT, AUSSTRAHLUNG, PRÄZISION

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Haftungsausschluss

Autorinnen und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

IMPRESSUM

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Titelgestaltung und Layout: ravenstein2.de

Druck: Graspo CZ, a.s., Tschechische Republik

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Printed in Czech Republic

ISBN: 978-3-8404-2524-0

INHALT

Aus der Praxis aufs Papier

Heelwork im Fokus

Spartenübergreifende Definition der Heelwork – Was ist „messbar“?

Was ist Ausstrahlung?

Das eigene Idealbild vs. die Möglichkeiten des Hundes

Bevor es losgehen kann

Moderne Lerntheorie kompakt – das Handwerkszeug

Belohnen – aber richtig!

Trainingsstruktur

Motivation

Technische Schulung

Signale einführen

Die Sache mit der Ablenkung

Verhalten generalisieren

Die Basics für erfolgreiches Training

Trainingsumfeld

Mentales Einschalten und Fokushalten

Vom Fokus zum Engagement

Fokushalten absichern

Gezieltes Ausschalten

Stressventil Schnüffeln

Und wann kann ich endlich trainieren?

Freies Formen als mentale Vorbereitung

Kraft- und Ausdauertraining

Körpergefühl, Koordination und Balance

Hilfreiche Tricks

Warm-up

Cool-down

Aufbau der Heelwork

Locken – aber richtig

Gangschulung

Gerade ausrichten

Die Steh-im-Fuß-Positionen

Von Off-leg zu On-leg

Sitz-im-Fuß – die Grundstellung

Angehen und Anhalten

Handabbau

Motivationsspiele

Fit für die Prüfung

Der Einfluss des Handlers

Was der Hund lernen muss

Troubleshooting

Motivationsprobleme

Fokusprobleme

Körperlich bedingte Probleme

Fehlendes technisches Verständnis

Zurück auf Anfang – Neuaufbau

Danke!

Literaturverzeichnis

Stichwortregister

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(Foto: Anna Herzog)

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(Foto: Eva Hampe)

Aus der Praxis aufs Papier

Dieses Buch versteht sich als eine Sammlung breit gefächerten Wissens, langjähriger Erfahrungen und kreativer Ideen von passionierten Hundetrainern, Physiotherapeuten und Ausbildern der klassischen Reitkunst im Pferdesport. Alle haben sie dazu beigetragen, dass wir auf positive, motivierende und durchdachte Art Heelwork trainieren. Heelwork, die nicht nur dem Hund Spaß macht, sondern auch dem Menschen und mit der man nicht nur im Training, sondern auch auf Wettkämpfen glänzen kann. Heelwork, die der Hund bis ins Kleinste versteht und demnach selbstbewusst und mit großer Ausstrahlung ausübt. Das oberste Ziel war und ist ein hoch motivierter Hund, für den die Übung einen selbstbelohnenden Charakter bekommt. Dafür braucht es zunächst hochwertige Belohnungen für wenig Anstrengung, um Verlangen und „Drive“ zu wecken. Auf dieser Grundlage lernt der Hund, seine Position zu halten und alle Bewegungen, Winkel und Wendungen auszuführen. Nichts wird dem Zufall überlassen, sodass der Hund niemals darüber im Unklaren ist, was ihn zum Erfolg führt.

Den Einstieg in die Trainingsmethodik durften wir bei unserem ersten Kontakt zur Dutch Obedience Society finden, insbesondere durch Angela Kroon und Trudy Groenenboom aus den Niederlanden. Für uns hat sich damit eine ganz neue Welt des Trainings eröffnet. Kamal Fernandez hat uns durch seine Art, sich individuell auf jeden Hund einzulassen und Zwei- und Vierbeiner immer begeistern zu können, gerade im Bereich Motivation beeinflusst. Diane Martin und Susanne Jaffa haben es verstanden, die Methodik durch Hinzufügen immer kleinerer, für den Hund nachvollziehbarer Trainingsschritte weiterzuentwickeln. So gelingt es, immer genauer und detailreicher zu trainieren und die Heelwork weiter zu perfektionieren. Beide sind durch ihren großen Erfahrungsschatz und ihre wissenschaftliche Herangehensweise eine Inspiration.

Das in diesem Buch beschriebene Ausbildungssystem wächst unter dem Einfluss derer, die Heelwork genauso lieben wie wir und immer die Kombination von Motivation, Präzision, Ästhetik und Biomechanik anstreben, im Interesse unserer Hunde jeden Tag weiter.

Die Frage nach Literatur zu diesem Thema begegnet uns im täglichen Training und auf Seminaren häufig. Es ist uns ein Anliegen, unsere Schüler auch in unserer Abwesenheit weiter begleiten zu können und anderen Hundesportlern diesen Weg aufzuzeigen. So entstand die Idee zu diesem Buch, dessen Ziel es ist, das gesammelte Wissen erfahrener Ausbilder verfügbar und Trainingsschritte nachvollziehbar zu machen. Wir hoffen außerdem, dass wir ein Bewusstsein für biomechanische Zusammenhänge in der Heelwork erreichen und jenseits von Prüfungsordnungen den Blick für Balance und Bewegungsabläufe schärfen können.

Das Buch ist chronologisch aufgebaut. Für alle, die noch nicht mit unserer Vorgehensweise vertraut sind, empfiehlt es sich besonders, auch die Kapitel zu den Grundlagen gründlich zu lesen. Wer das System bereits kennt, findet hier ein Nachschlagewerk, das im Trainingsverlauf immer wieder zurate gezogen werden kann. Selbstverständlich ist es nicht möglich, für alle spezifischen Herausforderungen im Training eine Lösung aufzuzeigen. Im Zweifelsfall kann ein Buch die individuelle Einschätzung durch einen kompetenten Trainer nicht ersetzen. Wir geben einen umfassenden Überblick über einen Ausbildungsweg, der Heelwork mit Leidenschaft, Ausstrahlung und Präzision zum Ziel hat.

In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen und Umsetzen!

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(Foto: Archiv Herzog/Zoe Bailey)

HEELWORK IM FOKUS

Heelwork, Freifolge, Fußlaufen – eine Übung mit vielen Namen, die einfach genug definiert ist, aber immer und überall für emotional geführte Diskussionen sorgt. Wie natürlich kann diese Übung sein, welcher Stil wird bevorzugt, welche Kopfposition ist gesund? Zudem geht die Bedeutung, die der Heelwork im Sport zugemessen wird, weit über die Höhe der mit ihr zu erzielenden Punkte hinaus. Das Zusammenspiel zwischen Hund und Handler zeigt sich in der Heelwork wie nirgendwo sonst. Sie lebt nicht nur von der Aktion, Beweglichkeit und Ausstrahlung des Hundes, sondern auch von der Haltung, Souveränität und Eleganz des Menschen. Hund und Handler arbeiten über einen langen Zeitraum sehr eng zusammen und müssen einander quasi blind verstehen.

Wie perfekte Heelwork aussieht, ist so individuell wie die Hunde und ihre Ausbilder. Dennoch wird aus der Art und Weise, wie der Hund diese Übung ausführt, gern auf die Beziehung des Hundes zum Handler und auf deren Umgang miteinander geschlossen. Und gerade Handler, deren Auffassung von dieser Übung sehr emotional geprägt ist, empfinden es als umso frustrierender, wenn alle Bemühungen, dem Hund die Heelwork schmackhaft zu machen, ins Leere laufen. Mit den richtigen Werkzeugen jedoch wird Heelwork-Training für jedes Mensch-Hund-Team zum gemeinsamen Trainingsgenuss mit Suchtfaktor, bei dem der Weg das Ziel ist und die Allgemeingültigkeit des Endergebnisses in den Hintergrund rückt, solange wir lieben, was wir tun, und den Hund dabei mitreißen!

Spartenübergreifende Definition der Heelwork – Was ist „messbar“?

Wenden wir uns zunächst objektiv dem zu, was in den Regelwerken der Sportarten, die Heelwork beinhalten, geschrieben steht. Auffällig ist, dass sich die Definitionen (außer beim Dogdance, wo eine nähere Beschreibung fehlt) trotz der offensichtlich unterschiedlichen Gebräuchlichkeiten in der Ausführung dieser Übung grundsätzlich stark ähneln und dabei recht allgemein gehalten sind. Im Rally Obedience wird ein etwas größerer Spielraum bezüglich des Abstandes und der Parallelität zum Hundeführer eingeräumt, als das in den anderen Sportarten der Fall ist.

Ein Abweichen von der im Regelwerk beschriebenen Position wird in jeder Sportart bestraft, egal ob nach vorn, nach hinten oder seitlich. Nicht paralleles Laufen, Bedrängen, Anlehnen oder Behindern des Hundeführers sind ebenso unerwünscht wie langsames Arbeiten, „gedrücktes“ oder unnatürliches Laufen und fehlende Freudigkeit.

Ohne mit einzubeziehen, was genau in den einzelnen Sportarten jeweils zu Punktabzug führt, bleiben vier Kriterien, die allen gemeinsam sind: Schulter auf Kniehöhe, gerade/parallel, eng am Bein, willig/freudig/aufmerksam.

Beschäftigen wir uns nun mit der Frage, ob diese Kriterien tatsächlich objektiv beschreibbar sind oder Raum für Interpretation bieten.

Das Kriterium Schulter auf Kniehöhe scheint auf den ersten Blick eindeutig. Allerdings bezieht sich diese Definition auf ein senkrecht stehendes Bein. Befindet sich der Handler in Schrittstellung mit dem linken, abfußenden Bein hinten, wäre der Hund deutlich zu weit hinten. Ist das linke Bein des Handlers hingegen auf dem Weg nach vorn und kurz vor dem Auffußen, wäre der Hund viel zu weit vorn. Um es noch deutlicher zu sagen: Verfolgt man das Knie beim Laufen, so bewegt es sich zunächst nach vorn, bleibt dann an Ort und Stelle, während der Körper nach vorn am Knie vorbeigeschoben wird, und bewegt sich schließlich wieder am Körperschwerpunkt vorbei nach vorn. Bliebe der Hund zu jeder Zeit mit der Schulter auf Kniehöhe, würde er einen sehr unregelmäßigen, stockenden Bewegungsablauf zeigen. „Schulter auf Kniehöhe“ gilt also nur, wenn der Handler mit geschlossenen Füßen still steht. Aber wo genau soll der Hund seine Position in der Bewegung halten? Gemeint ist eigentlich „Schulter im Körperschwerpunkt“. Wo sich der Körperschwerpunkt tatsächlich befindet, lässt sich mithilfe einer kurzen Leine mit Karabiner einfach ermitteln. Das Schlaufenende wird mit der Hand auf dem Hüftknochen platziert, sodass die Leine mit dem Karabiner frei herunterhängt. Sie bildet von der Hüfte abwärts eine Lotrechte, die sogenannte Plumbline, und markiert so den Körperschwerpunkt. Egal, in welche Richtung wir uns bewegen, die Leine macht kontinuierlich jede Gewichtsverlagerung und Bewegung mit. Eindeutig erkennt man nun die Position, auf der sich die Schulter des Hundes korrekterweise befinden sollte. Eine klare Vorstellung von der Plumbline ist eine der Grundbedingungen, bevor man mit dem Aufbau der Übung beginnt.

Eindeutig beschreiben lässt sich das Kriterium gerade/parallel. Der Hund soll den Körper parallel zur Laufrichtung des Handlers bzw. rechtwinklig zu dessen Hüfte ausrichten und mit den Hinterpfoten exakt in die Spur der Vorderpfoten treten. Gerade bezieht sich hier auf die Körperausrichtung, nicht auf die Stellung von Kopf und Hals. Dennoch kann eine bestimmte Kopfhaltung eine ungünstige Hinterhandbewegung zur Folge haben. Nur ein bewusst geradegerichteter Hund ist in der Lage, Kopf und Hals weitgehend unabhängig vom Körper zu bewegen.

Eng am Bein bezeichnet den Abstand, den der Hund zum Handler halten soll. Eng, aber ohne den Menschen zu berühren und ohne ihn in seiner Bewegung einzuschränken. Eine genaue Definition, WIE eng, gibt es indes nicht. Es bleibt in unserer Hand, den passenden Abstand zu finden. Wichtig ist, dass der Hund den gewählten Abstand gleichmäßig beibehält. Ausbalanciertes Laufen ist, wie auch für die Parallelität, hierfür eine Grundvoraussetzung. Verteilt der Hund sein eigenes Gewicht nicht gleichmäßig auf alle vier Pfoten, wird er schnell das Handlerbein als zusätzliche Stütze benutzen und sich anlehnen/bedrängen. Gerade in der Grundstellung sieht man darüber hinaus häufig Hunde, die sich nach außen lehnen, um Blickkontakt zu halten. Solange beide Vorderbeine des Hundes von vorn gesehen mit gleichmäßig verteiltem Gewicht senkrecht auf dem Boden stehen, ist weder Behindern durch Anlehnen noch Nach-außen-Lehnen möglich. Im Selbstversuch mit einem Partner lässt sich das gut überprüfen. Stellt euch eng nebeneinander, verlagert euer Gewicht gleichmäßig auf beide Füße und versucht dann, euch anzulehnen oder nach außen zu lehnen. Ohne eine Gewichtsverlagerung auf das eine oder andere Bein ist das nicht möglich.

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Mit einer Leine lässt sich der Körperschwerpunkt gut visualisieren. (Foto: Eva Hampe)

Einen willigen/freudigen/aufmerksamen Hund allgemeingültig zu beschreiben ist schwer. Diese Eigenschaften sind die einzigen, die auf eine bestimmte Kopfposition des Hundes hindeuten. Ansonsten gibt es darüber keine weiteren Informationen. Die Adjektive sagen aus, dass es einen offensichtlichen mentalen Kontakt zwischen Hund und Handler geben sollte, und Blickkontakt ist sicher ein Indiz für Aufmerksamkeit. Trotzdem kann ein Hund auch willig folgen, ohne zu gucken. Ebenso verhält es sich mit der Rutenposition. Ein Border Collie, der im langsamen Schritt die Rute anzieht, ist konzentriert, wurde aber nicht zwangsläufig mit aversiven Methoden trainiert. Er kann durchaus freudig mitarbeiten. Übermäßiges „Retriever-Wedeln“ gehört nun mal nicht zum Ausdrucksverhalten jedes Hundes. Bei diesem Kriterium also zu einer allgemeingültigen, objektiven Beschreibung zu kommen, ist schier unmöglich. Für uns macht der Aufwand, den der Hund betreibt, wie viel Energie er aufwendet und wie sehr er sich in der Aufgabe verliert, den Unterschied. Kurz gesagt: die Ausstrahlung.

Was ist Ausstrahlung?

Ausstrahlung ist kein objektiv zu beurteilendes Kriterium. Ausstrahlung lässt manch einen technischen Fehler vergessen und führt dazu, dass auch minutenlanges „langweiliges“ Fußlaufen den Blick fesselt und eine Gänsehaut verschafft. Der Hund legt seine ganze Kraft, Begeisterung und Energie in diese Aufgabe, ist hoch konzentriert bei der Sache und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Ausstrahlung ist für uns wichtiger als mechanische Pflichterfüllung. Heelwork, die auch den unwissenden Zuschauer unweigerlich bannt, das ist es, was wir sehen wollen. Ausstrahlung gibt (leider) keine Extrapunkte, aber über die Ausstrahlung definieren wir uns als Team. Nun sind Begriffe wie Leidenschaft, Euphorie oder Wille schwer in ein objektives Bild zu pressen, und das ist auch nicht unser Ziel. Die Wichtigkeit dieses Elements können wir aber gar nicht genug betonen. Gerade darum ist es essenziell, immer die Arbeitseinstellung und Gemütslage des Hundes im Auge zu behalten und technisches Training im Zweifel hintanzustellen.

Das eigene Idealbild vs. die Möglichkeiten des Hundes

Aus den oben genannten Punkten entwickeln wir für uns und unseren Hund ein Idealbild, das unser Trainingsziel darstellt. Dieses muss individuell auf Körperbau und Psyche des Hundes abgestimmt werden.

Die Gebäudeverhältnisse bestimmen, wie sich ein Hund bewegt, welche Kopfhaltung für ihn auch über einen längeren Zeitraum angenehm ist und wo möglicherweise Schwachstellen sind, die durch entsprechendes Training ausgeglichen werden müssen. Entscheidend sind das Verhältnis von Körperlänge zu Körperhöhe, die Halslänge, die Schulterlagerung sowie die Winkelungen der Vor- und Hinterhand. Es versteht sich von selbst, dass ein Hund mit einem langen Rücken und kurzen Beinen einen anderen Bewegungsablauf hat als ein Hund mit einem quadratischen Körperbau.

Auch das Größenverhältnis zwischen Hund und Handler beeinflusst das Idealbild – eine Deutsche Dogge mit knapp 90 Zentimetern Schulterhöhe wird bei einer 1,65 Meter großen, zierlichen Handlerin im Normalschritt kaum raumgreifend traben können. Wichtig ist also, die natürlichen Bewegungsabläufe des Hundes zu kennen. Diese sollten sich durch das Training zum Positiven entwickeln. Veränderungen, die auf Verspannungen oder Fehlhaltungen hindeuten, sollten nicht unbemerkt bleiben.

Auch die Persönlichkeit des Hundes sollte in die Gestaltung des perfekten inneren Bildes mit einbezogen werden. Einem explosiven Hund kommt ein dynamischer Bewegungsablauf entgegen, während ein eher phlegmatischer Hund sich gesetzter bewegt und Gelassenheit ausstrahlt.

Die von uns in diesem Buch vorgestellte Ausbildungsmethodik gibt euch verschiedene Werkzeuge an die Hand, mit deren Hilfe ihr euren Hund auf positive, verständliche und motivierende Weise trainieren könnt, auch zu Verhalten, die er von sich aus nicht anbieten würde. Ihr entscheidet dabei, ob ihr den Hund in der Position am Bein tendenziell etwas weiter vorn (oder lieber weiter hinten) haben möchtet, welchen Abstand der Hund zu euch halten bzw. wie eng er arbeiten soll, welchen Bewegungsablauf ihr fördern möchtet und wie der Hund seinen Kopf halten soll. Es liegt allein in eurem Verantwortungsbereich, die Möglichkeiten eures Hundes realistisch einzuschätzen und euer Idealbild entsprechend abzustimmen. Das Endergebnis soll keinem abstrakten Kunstbild ähneln, sondern dem Hund körperlich leicht lösbare Aufgaben stellen und ihn strahlen lassen!

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Das eigene Idealbild sollte jeweils zum Hund passen. (Fotos: Anna Herzog)

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(Foto: Archiv Hampe/Andrea Zachrau)

BEVOR ES LOSGEHEN KANN

Um komplexe Verhalten trainieren zu können, ist es enorm wichtig, so eindeutig wie möglich mit dem Hund zu kommunizieren. Dazu sind einige lerntheoretische Grundlagen nötig, denn nur auf dieser Basis lässt sich das Training entsprechend effektiv gestalten. Als Trainer müsst ihr wissen, wie ihr Verhalten hervorrufen sowie erwünschte Verhalten verstärken könnt und wie mit unerwünschten Verhalten umzugehen ist. Effektives Training bedeutet auch, das Trainingshandwerkszeug zu beherrschen. Ein guter Trainer zu sein, kann man lernen. Übungen zur Verbesserung des eigenen Timings, die Schulung des Auges und die Arbeit an der eigenen Körperwahrnehmung und -kontrolle lohnen sich. Auf lange Sicht erleichtern sie es euch, dem Hund eure Ideen begreiflich zu machen.

Moderne Lerntheorie kompakt – das Handwerkszeug

Wir unterscheiden zwischen klassischer und operanter Konditionierung. Bei der klassischen Konditionierung nach Pawlow wird ein unbedeutender Reiz in einen bedeutsamen Reiz umgewandelt (bei Pawlow folgte auf einen Glockenton jedes Mal Futter). Dieser Reiz löst in Zukunft eine Reaktion aus (der Glockenton löste von nun an Speichelfluss aus). Beispiele für klassische Konditionierung sind emotionale und reflexartige Reaktionen auf Reize, etwa Angst bei Gewitter oder Erwartungshaltungen im Training.

Bei der operanten Konditionierung nach Skinner beeinflusst die für den Hund positive oder negative Konsequenz, ob das jeweilige Verhalten häufiger oder seltener auftritt. Es ist also entscheidend, was NACH dem Verhalten passiert. Training mit operanter Konditionierung hat den Vorteil, dass wir steuern können, ob ein Verhalten in Zukunft öfter gezeigt wird. In klassisch konditionierte Prozesse kann man allerdings nur sehr schwer über operante Konditionierung eingreifen, weil der Reiz die Kontrolle über das Verhalten hat.

Wer effektiv trainieren und von aktiver Mitarbeit des Hundes profitieren möchte und wer im Endergebnis auf Lebendigkeit des gezeigten Verhaltens Wert legt, bedient sich der operanten Konditionierung mittels positiver Verstärkung. Das heißt konkret, er nutzt in erster Linie Belohnungen (das Hinzufügen von etwas Positivem). Wenn Strafe überhaupt zur Anwendung kommt, handelt es sich um negative Strafe (das Vorenthalten von etwas Positivem).

Belohnen – aber richtig!

Je genauer wir dem Hund vermitteln können, welches Verhalten ihm Erfolg bringt, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass er das Verhalten häufiger anbietet.

Wer die Vorteile positiver Verstärkung voll ausschöpfen möchte, kommt am Einsatz konditionierter Verstärker nicht vorbei. Man kann eine Vielzahl von Verstärkern aufbauen, je nachdem, wofür und wie diese eingesetzt werden sollen.

Man unterscheidet zwischen primären Verstärkern (alles, was direkt dazu führt, dass der Hund ein Verhalten öfter zeigt, z. B. Futter, Spielzeug, Schnüffeln, Rennen), sekundären Verstärkern (kündigen den primären Verstärker an, z. B. Clicker, Markerwort) und tertiären Verstärkern (kündigen den sekundären Verstärker an, z. B. Keepgoing-Signal, Intermediäre Brücke). Zusätzlich gibt es noch eine ganze Reihe von Verstärkern, die nicht eindeutig in dieses System eingeordnet werden können (z. B. Kontinuitätsmarker und entsprechend konditionierte Verhalten). Außer den primären Verstärkern funktionieren alle anderen Verstärker nur, wenn man über klassische Konditionierung einen Zusammenhang hergestellt hat, beispielsweise zwischen dem Klickgeräusch und der Futterbelohnung.

Wir nutzen im Training, außer den primären Verstärkern, nur den sekundären Verstärker (Eventmarker), einen Kontinuitätsmarker und als Verstärker konditionierte Verhalten. Aus diesem Grund werden auch nur diese Verstärker hier näher vorgestellt.

Was macht den Unterschied zwischen der direkt verabreichten Belohnung und der angekündigten Belohnung aus? Letztere verschafft uns zunächst einen Timingvorteil. Der Einsatz des sekundären Verstärkers oder Eventmarkers versetzt uns in die Lage, ein Verhalten zu markieren und mit etwas Zeitverzögerung die Belohnung hervorzuholen. Gerade wenn wir ohne Futter am Körper trainieren oder den Hund auf große Entfernung bestätigen möchten, ist das von Vorteil. Den entscheidenden Unterschied macht allerdings die vom Hund nicht beeinflussbare körperliche Reaktion, die der Eventmarker hervorruft. Das Produzieren einer Erwartungshaltung verleiht der eingesetzten Belohnung deutlich mehr Wirkung, und außerdem wird damit eine gedankliche Umlenkung von der Belohnung zum Eventmarker erreicht. So hilfreich das Erzeugen dieser Erwartungshaltung in vielen Fällen ist, so kontraproduktiv kann es in manchen Situationen sein. Wir nutzen also nach wie vor auch primäre Verstärker ohne Ankündigung durch den Marker.