Kapitel 1
Was ist Religiosität oder Gesetzlichkeit?

 

Die meisten Menschen verstehen unter „religiös sein“, dass man an einen Schöpfer glaubt oder zumindest, dass es eine höhere Macht gibt, irgendwo im Universum; manche sprechen gar von Gott und geben sich Mühe, sich mit ihm zu arrangieren. Man kann es auch Frömmigkeit nennen; fromme Leute sind „gläubig“, „gottergeben“, „gottesfürchtig“.

So verstanden, ist Religiosität ja erst mal nicht verkehrt. An einen Gott zu glauben ist nicht schlecht. Es ist besser, an Gott zu glauben, als nicht an ihn zu glauben, und eine gesunde Gottergebenheit ist durchaus löblich. Leider legen viele Leute kaum mehr Wert darauf, das zu tun, worüber Gott sich freut, oder zumindest das Richtige zu tun und das Verkehrte bleibenzulassen. Eine gesunde Art Gottesfurcht zu haben ist also auch gut!

 

Was soll daran so schlimm sein?

Doch in den letzten Jahrzehnten hat das Wort „Religiosität“ noch eine andere Bedeutung bekommen, einen Bedeutungswandel erlebt. In vielen christlichen Kreisen will man nicht mehr religiös sein, alles, nur das nicht. „Religion“, „religiös“ oder „Religiosität“ – davon
distanziert man sich ausdrücklich, diese Wörter werden abfällig gebraucht, sie sind zu einer Art Schimpfwort geworden.

Wie kann das sein?

Religion, Religiosität ist heutzutage ein Synonym für „Gesetzlichkeit“.

Gesetzlichkeit fügt dem Wort Gottes noch Menschengebote und Zusatzregelungen hinzu, von denen Gott nie etwas gesagt hat: Die Freiheit, zu der Christus uns befreit hat, wird eingeschränkt.

Und das nun ist gar nichts Neues. Schon Jesus hat den überaus gesetzlichen Pharisäern klargemacht, dass er von ihrer Haltung und ihren Handlungen nichts hielt:

 

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Zehnten gebt von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz beiseite, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben! Doch dies sollte man tun und jenes nicht lassen.

Matthäus 23,23

 

Gesetzlichkeit erkennen

Wenn nun Religiosität, Gesetzlichkeit so schlimm ist, dass Jesus sie so klar verurteilt, woran kann man sie dann erkennen?

Gesetzlichkeit schafft neue Gesetze innerhalb der Gebote Gottes.

Zum Beispiel behauptet sie, dass ein Christ keinen Fernseher haben darf. Warum dieser Verzicht? Weil Fernsehen zur Sünde verleite und Zeit fresse, die man doch viel besser nutzen könnte. Dieses Gesetz, diese Zusatzregelung soll also helfen, einen Schutzraum zu bauen, in dem man möglichst wenig Gelegenheit zur Sünde hat.

Gesetzlichkeit bedeutet, dass man klare Regeln einhält und darin eine gewisse Sicherheit findet. Gesetzlichkeit hat einfache, klare Regeln nach dem Wenn-dann-Prinzip: „Wenn ich lieb bin, segnet Gott mich. Wenn ich böse war, segnet Gott mich nicht, im Gegenteil, er bestraft mich“ (angeblich bleibt ihm gar nichts anderes übrig) – und schon fängt man an, Gewissenserforschung zu betreiben und nach Sünde in seinem Leben zu suchen!

Meine Oma sagte immer zu mir: „Die Strafe folgt auf dem Fuße!“ Wenn mir etwas Schlechtes passierte, zum Beispiel dass ich mir den Kopf anstieß, oder ich hatte etwas verloren, dann war das die Strafe Gottes für etwas, was ich vorher falsch gemacht hatte. Dieses Denkmuster brannte sich in meinem Kopf ein. Klare Regel: Wenn man nichts falsch macht, gibt es auch keine Strafe. Wenn man aber etwas falsch macht, dann folgt die Strafe auf dem Fuß!

Gesetzlichkeit und Religiosität gründen sich auf „Leistung und Gegenleistung“: Gott erwartet eine Leistung von mir und ist dann auch geneigt, mich zu segnen – oder, wenn ich seinen angeblichen Ansprüchen nicht Genüge getan habe, dann eben nicht. Wenn es in diesem
System Gnade und Barmherzigkeit überhaupt gibt, dann wird ihnen nur ein winzig kleiner Raum zugestanden.

 

Lieblingswörter

Wer zu Gesetzlichkeit neigt, legt Wert auf Wörter wie „biblisch“ oder „schriftgemäß“, „ordnungsgemäß“ und „vorschriftsmäßig“, „dem Gesetz entsprechend“, „nicht gesetzwidrig“.

Weitere Lieblingswörter der Gesetzlichkeit sind:

Gehorsam: „Wenn du nicht gehorsam bist, dann …“

Demut: „Wenn du nicht demütig bist, dann …“

Disziplin: „Wenn du dich gehen lässt, dann …“

Fleiß: „Wenn du nicht hart an dir arbeitest, dann …“ (Vielleicht ist die Konsequenz auch nur, dass Gott mich dann nicht gebrauchen kann, keine Freude an mir hat.)

Gebote: „Wenn du nicht seine Gebote hältst, dann …“

Buße: „… und wenn du dann nicht Buße tust, dann …“

Strafe: „… dann wird Gott dich bestrafen!“

Welt (Alles, was als „weltlich“ gilt, muss gemieden werden.)

 

„Strafe muss sein“

Gesetzlichkeit denkt immer über die Konsequenzen für das Verhalten nach. Das Denken kreist um die Frage, was der Herr von uns erwarten könnte und was wir nicht erfüllt haben oder auch nur vielleicht nicht erfüllt haben. Man erwartet schon die nächste Ermahnung, die nächste Strafe (gern auch „Züchtigung“, Erziehungsmaßnahme genannt).

Ich habe es oft miterlebt: Glaubensgeschwister waren in Sünde gefallen – und „mussten“ bestraft werden. Dabei interessierte es keinen, ob sie Gott bereits um Vergebung gebeten und die Sache in Ordnung gebracht hatten: sie mussten für ihre Sünde büßen, ohne Strafe geht es nicht! Also durften diese „Sünder“ jahrelang nicht mitarbeiten, mussten in der letzten Reihe sitzen, und während einer gewissen „Bußzeit“ durften sie auch nicht am Abendmahl teilnehmen. Das steht so nicht in der Bibel, und Gott sei Dank wird das auch nicht in allen Gemeinden so gehandhabt.

 

Gesetzlichkeit = Gottes Gebote wichtiger als Liebe und Barmherzigkeit

Gesetzlichkeit stellt Gottes Gebote über seine Liebe und Barmherzigkeit. Sie denkt wie die Pharisäer: Am Sabbat wird nicht geheilt! Das Gesetz ist wichtiger als der Mensch. Das Gesetz ist wichtiger als die Liebe.

Doch Gott sei Dank hat Jesus sich durchgesetzt; wie wir alle wissen, hat er Liebe über das Gesetz gestellt. Seine Liebe hat über das Gesetz hinaus am Sabbat geheilt. Er sagte: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen“ (Markus 2,27).

In anderen Worten: Das Gesetz ist um des Menschen willen geschaffen worden, nicht der Mensch wurde geschaffen, um das Gesetz zu halten. Und Liebe und Barmherzigkeit stehen immer über dem Gesetz.

 

Verboten oder erlaubt?

Die Devise der Gesetzlichkeit lautet: Alles, was verboten ist, ist nicht erlaubt; aber darüber hinaus, als Zusatzregel, gilt: Alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten. Das Tanzen zum Beispiel. Dazu mehr in Kapitel 5.

 

Mit Argusaugen

Wenn jemand oder eine ganze Gruppe gesetzlich ist, kann man das auch daran erkennen, dass sie wie mit Argusaugen darauf achten, dass auch die anderen die Gesetze und Gebote befolgen, oder ob sie vielleicht irgendetwas falsch machen.

Gesetzlichkeit macht sich viele Gedanken darüber, wie sie den „irrenden Geschwistern“ ihren Irrtum oder Fehltritt anhand von Bibelversen klarmachen und sie zur Buße bewegen kann; mindestens bis zu diesem Erfolg werden sie aber verurteilt.

Wenn man es richtig macht, dann hat man Gottes Segen verdient. So weit, so gut? Naja, Gesetzlichkeit hat nichts zu verschenken und gönnt sich auch selbst nichts, aber wenn andere gesegnet sind, melden sich oft Neid und Missgunst: „So unheilig wie der lebt, warum geht es dem so gut? Warum zieht Gott ihn nicht zur Rechenschaft? Stattdessen lässt er zu, dass er so viel Erfolg hat!“

 

Vor den Richterstuhl Christi

Und wenn andere sich „Freiheiten“ herausnehmen, die die Gesetzlichkeit selbst sich nicht gestattet, dann kann sie noch ganz andere
Saiten aufziehen! Am liebsten würde sie solche „Falschverhalter“ und „Frevler“ umgehend vor den Richterstuhl Christi zerren!

Allerdings hat sie kein großes Bedürfnis, als Angeklagter vor selbigem zu stehen, nein, davor hat sie große Angst! Angst ist für sie ein mächtiger Beweggrund, etwas zu tun oder aber zu lassen. Zum Beispiel die Angst, man hätte sich nicht genügend angestrengt für den Herrn, sich noch nicht richtig bemüht, ein wahrhaft christliches Leben zu führen, die Angst, man könne den Ansprüchen Gottes nicht gerecht werden.

Also fasst man gute Vorsätze – man überlegt sich Strategien, wie man sich dazu bringen könnte, dies und das zu tun, um dem Herrn näher zu sein, ihm (noch) mehr zu gefallen: man stellt den Wecker eine Stunde früher, um mehr in der Bibel zu lesen und mehr zu beten. Oder man spendet mehr, mehr Geld oder auch mehr Zeit – man übernimmt noch einen Dienst in der Gemeinde.

 

Aus eigener Kraft

Gesetzlichkeit hat ein ehrbares Gesicht, sie tritt leise auf und ist schwer zu erkennen. Sie versteckt sich hinter dem Vorwand, dass man doch ein guter Christ sein möchte; schließlich habe der Herr selber gesagt, man solle sich gut benehmen; man achte auf einen guten Ruf und solle ein Brief Christi sein.

Natürlich, all das ist wahr. Die Frage ist nur: Wie bewerkstelligt man das? Doch nicht dadurch, dass man sich Tag für Tag zusammenreißt, um ja keine Fehler, sondern alles richtig zu machen! Nicht aus eigener Kraft, mit eigener Anstrengung können wir so leben, wie es Heiligen geziemt, sondern nur durch den Heiligen Geist , der unser Helfer und unsere Kraftquelle ist.

Ohne ihn führen wir nur zu schnell ein Leben nach strengen Regeln, in dem ein Ausweichen nach rechts oder links nicht möglich ist, ein Leben ohne Vergnügungen bei Wasser und Brot (denn mehr braucht man zum Existieren nicht), ein Leben, in dem alles verboten ist, was die Bibel nicht ausdrücklich erlaubt, ein Leben, in dem Gott zwar gut ist, aber nur zu den anderen, nicht zu mir …

 

Was halten Sie davon?

Wie ging es Ihnen mit meinen Ausführungen? Habe ich Sie geärgert oder haben Sie sich hie und da ertappt gefühlt? Rattert es in Ihren Gedanken, oder können Sie nicht so ganz glauben, was ich Ihnen hier erzähle?

Wie Gabriele damals erlaube ich mir jetzt, Sie zu fragen:

„Aber was ist, wenn ich doch recht habe?“

Oder andersherum: Was halten Sie von einem glücklichen und angstfreien Christenleben, in dem Sie nicht ständig auf der Hut sein müssen vor einem Gott, der immer eine Strafe parat hat, für Sünde oder für Ihr schlechtes Verhalten? Was halten Sie von einem Leben, in dem
nicht ständig wegen winzigster Fehler der
Segensentzug droht? – Zu schön, um wahr zu sein?

Kapitel 10
Christen und Aberglaube

 

Meine Oma meinte immer, wenn sie in ihrem rechten Ohr ein kurzes Klingelgeräusch hörte, dass bald etwas Schlechtes passieren würde; wenn es aber das linke Ohr war, freute sie sich schon mal: „Rechtes ist was Schlechtes, Linkes ist was Flinkes“ (in diesem Fall: Gutes).

Als Kind denkt man, dass die Oma sicher recht hat, und übernimmt diesen Aberglauben. Und wenn man erwachsen geworden ist, fällt einem gar nicht auf, dass man immer noch daran glaubt.

Wir alle wissen, dass ein störendes Ohrgeräusch keine Nachricht aus dem Universum sein kann, die uns mitteilt, dass demnächst etwas Gutes oder Schlechtes passieren würde.

Aber ist es uns auch bewusst, dass wir lieber den Buchstaben A hinter der Klassenbezeichnung unseres Kindes hätten, weil ihm das vermeintlich bessere Noten garantiert?

 

Der Ring mit den Fischen

Einmal bin ich mir selbst auf die Schliche gekommen: Ich trage gern dezenten Schmuck, meistens einen Ring (zusätzlich zum Ehering) und manchmal eine Kette. Eines Morgens machte ich mich fertig für den Gottesdienst; ich war zum Predigen eingeteilt. Zum Abschluss fragte ich mich, welchen Ring ich heute tragen sollte: Welcher passte am besten zu meiner Kleidung?

Mein Blick fiel auf den silbernen Ring mit den ausgestanzten Fischen, den ich in einer christlichen Buchhandlung gekauft hatte. Ja, der war der Richtige für heute! Der Fisch ist ja ein Symbol für Jesus; mit dem Fischring, so dachte ich, wäre meine Predigt bestimmt besser – und die Zuhörer hätten mehr davon.

Hoppla – wenn das kein Aberglaube war! Ich wollte Gott beeindrucken mit meinem christlichen Schmuck. Wenn er sehen würde, dass ich diesen Ring mit den „Jesus-Fischen“ trage, das würde ihn sicher freuen und er würde mir Gnade geben für eine gute Predigt. – Wie absurd! Als wäre Gottes Gnade für eine gute Predigt nicht motiviert von seiner Liebe zu den Menschen, sondern von der richtigen Wahl meines Schmucks.

 

Warum soll das gesetzlich sein?

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Warum soll das gesetzlich sein, was hat Aberglaube mit Religiosität bzw. Gesetzlichkeit zu tun?

Nun, Gesetzlichkeit erfindet und braucht von Menschen erdachte Zusatzregeln. Beim Aberglauben ist das insofern der Fall, dass man zu dem, was man aus der Bibel glaubt oder für wahr hält, noch seine eigenen Regeln ergänzt, wie z. B. den Ring mit dem Jesus-Fischen. Hier geht es weniger um falsch verstandene Bibelverse als vielmehr um kaum merkliche Gedankengebäude rund um die Frage, was dem Herrn gefallen könnte oder was er angeblich gesagt hat; und der Aberglaube braucht keine Bibelverse.

 

Was kann ein Buchstabe?

Religiöse Christen lieben oft Symbole; manchmal richten sie sogar ihr Leben an Symbolen oder anderen Bildern aus – sie lassen sich davon leiten, dies und das zu tun oder zu lassen.

Wie gesagt, manche denken, es wäre besser für ihr Kind, wenn es in der Klasse 7a wäre, weil A besser ist als B. Wir alle kennen doch den Spruch „Das ist ja 1a!“ – man will damit sagen, dass es besonders gut ist.

Nun wird das Denken unwillkürlich so gesteuert, dass man annimmt, wenn das geliebte Kind in der A-Klasse ist, wirke sich das positiv aus auf die Mitarbeit im Unterricht und auf die Noten. Aber wenn wir eine Weile über diese Annahme nachdenken, kommen wir alle zu dem Schluss, dass das A oder das B keinen Einfluss auf die Noten meines Kindes haben kann – das können nur sein Einsatz in der Schule und Gottes gnädiges Mitwirken.

 

„Nach Lachen kommt Weinen“

Meine Oma war eine sehr liebevolle Frau. Sie hat sich rührend um mich gekümmert und mir viel Gutes zuteilwerden lassen, und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Aber wie es im Leben nun mal ist, man muss immer sortieren.

Oft hörte ich von meiner Oma: „Nach Lachen kommt Weinen.“ Bei Oma schien das ein Naturgesetz zu sein, eine Art Schicksal. Unbewusst verinnerlichte ich diese Einstellung, und jedes Mal, wenn ich etwas Schönes erlebte, war mir klar: Das Schlechte würde nicht lange auf sich warten lassen! Denn nach Lachen und Glücklichsein würde natürlich ziemlich bald etwas passieren, worüber ich traurig sein und weinen würde.

Das war schrecklich! Das Schöne konnte ich gar nicht richtig genießen, weil an der nächsten Ecke schon das Schlechte wartete. – Auch das war Aberglaube und nach ein paar Jahren fand ich heraus, woher meine Oma diese komische Meinung vermutlich hatte: aus der Bibel!

 

Auch beim Lachen kann das Herz trauern,

und nach der Freude kommt Leid.

Sprüche 14,13

 

Meine Oma hatte ihren Spruch sicher auch nur von jemand anderem übernommen und ob dieser Jemand wusste, dass er aus der Bibel zitiert war, aber völlig falsch und aus dem Zusammenhang gerissen, das weiß ich nicht; aber ich bin wirklich dankbar, dass ich heute nicht mehr so negativ denke und der Zukunft fröhlichen Herzens entgegensehen kann!

 

Fromme Numerologie

Kein gläubiger Christ würde heute die Straßenrichtung wechseln, damit ihm nichts Böses passiert, weil eine schwarze Katze kurz vor ihm über die Straße gelaufen ist.

Auch das mit der 13 dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, nämlich dass die Angst davor schwarzer Aberglaube ist. Aber wie viele Christen würden nicht in eine Wohnung einziehen, wenn die Hausnummer 6 lautet, oder kein Kennzeichen an ihrem Auto anbringen, das die Ziffer 6 oder die Zahlen 66, 666 oder 6666 trägt!

Die Zahl Sechs wird mit etwas Bösem in Verbindung gebracht, und Bibelkundige mögen an eine der Stellen in der Bibel denken, wo von 666 die Rede ist. Man nimmt unbewusst an, diese Sechser würden Streit mit den Nachbarn bringen, einen Wasserrohrbruch oder, wenn sie in der Autonummer stehen, einen schweren Verkehrsunfall, und deshalb hält man lieber Abstand zu dieser Zahl.

Hingegen würde man eine Wohnung im Haus Nummer 7 oder 77 ohne Zögern beziehen; ein Kennzeichen mit lauter Siebenern würde man vermutlich sogar begrüßen. Man geht davon aus, dass die Sieben eine Glückszahl ist, schließlich ist sie in der Bibel ja die Zahl der Vollkommenheit.

Auch das ist eine Spielart des Aberglaubens, sie nennt sich Numerologie: Bestimmten Zahlen werden bestimmte Bedeutungen zugemessen, sie werden als gut oder schlecht eingeordnet.

 

Ich streite nicht ab, dass in der Bibel bestimmten Zahlen eine bestimmte Bedeutung zugeschrieben werden kann. Ich mag diese Art von Bibelstudium, das die Bedeutung von Zahlen berücksichtigt. Aber daraus kann man doch nicht herleiten, dass außerhalb der Bibel Gott durch Zahlen agieren würde. Er gibt uns dadurch nicht Botschaften wie zum Beispiel „Zieh nicht in dieses Haus mit der Hausnummer 6, das ist nicht gut für dich“.

Damit unser Leben gelingt, brauchen wir eine lebendige Gottesbeziehung, die getragen ist davon, dass wir auf Gott hören können. Jesus hat im Johannesevangelium (10,10) gesagt: „Meine Schafe hören meine Stimme“, und nicht, dass sie ihre Entscheidungen träfen anhand von Zahlen oder Zahlenkombinationen.

Zahlen können keine Auswirkung auf unser Leben haben. Diese Annahme wäre fatal. Wir können und dürfen den Zahlen keine Macht zuschreiben! Zahlen können in unserem Leben weder Gutes noch Schlechtes bewirken. Das würde ja bedeuten, dass Zahlen mehr Macht hätten als wir selbst oder Gott. Unser Leben wird von uns selbst und von Gott gelenkt und beeinflusst, niemals von Zahlen.

Wir können also beruhigt in Haus Nummer 6 einziehen; die Hausnummer wird uns nicht in den Ruin treiben, nur weil in der Bibel die Zahl 6 für Menschliches oder das Böse steht. Vielmehr sollten wir daran festhalten, dass wir einen liebenden Vater im Himmel haben, der darauf aus ist, uns zu beschützen und zu bewahren. Und keine Hausnummer und kein Nummernschild wird ihn daran hindern können!

 

„Aber der Herr hat mir gesagt …“

Ich kannte eine sehr liebenswerte alte Dame, sie hatte in der Gemeinde einen Stammplatz, und sie hatte ein Problem: die Heizung. Nein, es war nicht zu warm, es war auch nicht zu kalt. Nur – das Gebläse war direkt neben ihrem Platz und der Lärm raubte ihr die Andacht.

So trat sie eines Tages an die Gemeindeleitung heran mit der Bitte um Abhilfe. Vielleicht konnte man das Gebläse versetzen? Oder wenigstens während des Gottesdienstes ausschalten?

Keiner der beiden Lösungsvorschläge stieß bei der Leitung auf Begeisterung, und nun ließ die Dame die Katze aus dem Sack und fuhr richtig schweres Geschütz auf: „Der Herr hat mir gesagt, dass ich auf diesem Platz sitzen soll.“

Kann es wirklich sein, dass der Herr einer Person in der Gemeinde einen ganz bestimmten Platz zuweist, der nicht geändert werden darf? Sollten wir wirklich an einen Gott glauben, der uns verbietet, den Platz zu wechseln, auch dann, wenn wir im Gottesdienst mit diesem Platz nicht glücklich sind?

Gott ist Liebe, aber hört seine Liebe denn auf, wenn wir aus gesundheitlichen Gründen (oder damit wir uns besser konzentrieren können) den Platz wechseln? Kann oder will er uns wirklich nur dann segnen, wenn wir uns auf dem uns vorgeschriebenen Sitzplatz befinden? Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass wir nicht an einen Gott glauben, der uns in der Gemeinde feste Plätze zuweist ohne Rücksicht auf das, was wir brauchen. Auch das ist eine Form des Aberglaubens.

 

Maria, Benjamin, Christos – wer bietet mehr?

Eine andere Form von Aberglauben ist die Praxis, Kindern christliche Namen zu geben, um damit das Geschick des Kindes positiv zu beeinflussen. Die krassesten Beispiele dafür gibt es vielleicht im spanischen Sprachraum, wo der Vorname „Jesus“ üblich ist, und in Griechenland; dort ist „Christos“ ein normaler Vorname.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Eltern ein biblischer Name gut gefällt, dass sie um des Klanges willen den neuen Erdenbürger damit beglücken; aber sobald man auf die Schiene rutscht, dass der Name eine Auswirkung auf das Kind haben soll, damit es ein guter Mensch wird, wäre auch das verkehrt.

Der Name allein kann keine Auswirkung auf das Verhalten eines Menschen haben; unser Herz wird nicht durch die Namensgebung beeinflusst. Ich habe eine biblische Ausarbeitung zu diesem Thema gemacht, die würde hier aber den Rahmen sprengen.

Nur so viel sei gesagt: In der Bibel gibt es Menschen mit Namen, die eine schlimme Bedeutung haben, die für den Herrn sehr viel Gutes bewirkt haben; und es gibt Menschen, deren Name etwas sehr Schönes bedeutet, die sich gar nicht gut benommen haben. Daran sieht man, dass sich die Namensgebung nicht auf das Herz bzw. das Verhalten dieser Menschen ausgewirkt hat.

 

Symbole

Manche Symbole lösen bei manchen Christen gute Gefühle aus:

siebenarmiger Leuchter

Fisch

Kreuz

Abendmahlskelch

Kerzen

… und eine Vielzahl von Reliquien.

Daran ist erst mal nichts auszusetzen. Aber was ist, wenn der Leuchter, das Kreuz, der Kelch, die Kerzen aus dem Gemeindesaal entfernt werden? Dann regt sich das Gemüt so mancher Glaubensgeschwister, sie können es nicht ertragen. Ihre Gefühlswelt ist gestört und sie kommen mit der Veränderung nicht zurecht.

Manche bekommen sogar Beklemmungen und denken, es würde den Herrn verletzen, wenn man bestimmte Symbole aus der Gemeinde entfernt. Sie können sich nicht vorstellen, dass dem Herrn weniger an unserer Deko gelegen ist und viel mehr daran, dass wir alle eine lebendige, von Liebe geprägte Beziehung zu ihm haben.

 

Wirklich schade

Es ist wirklich schade, wenn Symbole, Zahlen, Gegenstände oder Gewohnheiten unsere Beziehung zum Herrn ersetzen. Das darf nicht sein. Gott möchte Gemeinschaft mit uns haben, und dazu braucht er den ganzen Schnickschnack drumherum nicht; ihm fehlt nichts, wenn wir ihn in einem kargen Raum anbeten, ohne alle Symbolik und Kerzenschein, und Zeit mit ihm verbringen.

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, ich hätte etwas gegen christliche Symbole und Deko-Gegenstände; im Gegenteil, ich mag sie. Aber all das ist nur Beiwerk, zu unserer Freude, und mögen sie Gottes Schönheit widerspiegeln; jeder Christ sollte sich an ihnen freuen – aber auf unsere Gottesbeziehung dürfen sie keine Auswirkung haben. Man sollte kein schlechtes Gewissen haben, wenn diese Symbole nicht mehr vorhanden sind, und auch nicht denken, jetzt hätte man den Herrn aus der Gemeinde verbannt, wenn das eine oder andere Symbol aus dem Gemeindehaus getragen
wird.

 

Jordanwasser

So hat fast jeder von uns die eine oder andere „geistliche“ Vorstellung, die in Wirklichkeit Aberglaube ist. Ich habe den Herrn gefragt, an was ich mich festklammere, das in Wahrheit Aberglaube ist statt echter Segen. Im Gebet machte der Herr mich darauf aufmerksam, dass ich im Arbeitszimmer Jordanwasser, Sand und Olivenöl aus Israel auf der Fensterbank stehen hatte.

Ich fragte ihn, was daran denn verkehrt sei – und mir wurde klar, dass ich mit diesen Dingen Hoffnungen verband: Ich dachte, wenn ich diese Dinge aus dem Heiligen Land im Haus hätte, wäre ich mehr gesegnet. Na, wenn das kein Aberglaube ist!

Da gibt es ja im Jakobusbrief die Anweisung, für Kranke zu beten und sie mit Öl zu salben. Vielleicht wäre das Heilungsgebet wirksamer, wenn das Olivenöl aus Jerusalem käme? Am besten direkt von den Olivenbäumen aus dem angeblichen Garten Gethsemane …

Auch das ist Aberglaube. Der Herr erhört nicht mehr oder weniger, je nachdem wie „heilig“ das Öl ist und woher es stammt – und nur weil es aus dem nächsten Supermarkt stammt und nicht aus Jerusalem, wird der Herr doch nicht die Heilung verweigern! Seine Liebe ist es, die ihn zur Heilung bewegt, nicht die Herkunft des Öls. Aberglaube bewegt uns zu Denkprozessen die uns nicht bewusst sind, aber zum Glück haben wir den heiligen Geist, der uns heraus aus falschen Denkmustern
leitet.

 

Eine Bitte

Ich bitte Sie, nehmen Sie sich Zeit und fragen Sie den Herrn im ernstlichen Gebet, ob das auch Sie betrifft. Der Herr möchte eine Beziehung zu Ihnen haben, die von Liebe geprägt ist und davon, dass Sie ihn kennen und er Sie.

Er möchte, dass Sie lernen, seine Stimme zu hören, und dass Sie verstehen, wo Sie unwissend Aberglauben praktizieren, denn er will Sie davon befreien!