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Yves Patak

 

Ace Driller

 

Das Prometheus-Gen

Teil 5

 

Copyright © 2017 by Yves Patak.

Alle Rechte beim Autor. Vervielfältigung, Verbreitung und sonstige Reproduktion sowie Übersetzung sind erwünscht und nach schriftlicher Genehmigung gestattet.

Umschlaggestaltung: Miladinka Milic - www.milagraphicartist.com

Lektorat: Thomas Hoffmann - publi4all.de
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Ace Driller – Das Prometheus-Gen:

*****

Suchtgefahr!

Von Kunde

Genial geschriebenes Buch! Freue mich auf die weiteren Teile! Wundervoll geschriebenes Werk! Kann es kaum erwarten weitere Werke von Herrn Patak zu lesen!

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Von Eva

Der Schreibstil des Autors ist locker und fließend. Erzählt wird aus der Sicht von Ace Driller in Ich-Form. Zwischendurch wechselt die Geschichte in die Vergangenheit ins 15. Jahrhundert.

Dieser Mystery-Thriller ist mehr als nur ungewöhnlich und spannend - klare Leseempfehlung!

*****

Von mistellor@aol.com

Woran erkennt man bei mir, ob ein Buch wirklich gut ist? Daran, dass ich es sehr langsam lese, um nicht eine Nuance zu verpassen, und weil ich nicht möchte, dass es endet. So ging es mir mit dem Buch "Ace Driller: Das Prometheus-Gen" von Yves Patak.

[...] Hier wird eine "alte" Geschichte auf sehr moderne Weise angeboten. Dazu packt der Autor eine Portion Action und Abenteuer, ein bisschen Romantik und Liebe und eine wunderbare Form von schrägen Humor.

*****

Spannend bis über das Ende hinaus!

Von Scarjea

Die Geschichte liest sich herrlich flüssig hintereinander weg, ohne dabei übertrieben detailliert zu sein. Es eignet sich für Liebhaber guter Mischungen aus Fantasy, Vergangenheit und Gegenwart, insbesondere für Fans von Mysteriösem sowie Dämonengeschichten, Spannung, Dunklem, Übernatürlichem und Thriller.

Ich hoffe sehr auf eine Fortsetzung, von mir dafür Daumen hoch [...]

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Garantierte Kopfkino-Effekte!

Von Malaika

[...] Die Seiten sind nur so vorbeigeflogen und ich habe kaum etwas von meiner Umgebung wahrgenommen, so hat mich das Buch von Anfang bis zum Ende gefesselt. Ich bin unglaublich gespannt, welche Kreaturen Ace im nächsten Buch bekämpfen muss. Absolut empfehlenswert!

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Spannende Unterhaltung

Von Marion

Ace Driller: Das Prometheus-Gen

Meine Neugier auf das Buch wurde im positiven Sinne befriedigt, der Spannungsfaden läuft durch das ganze Buch mal mehr mal weniger - augenzwinkernd auch die stellenweise sehr männliche Darstellung des Detektivs. [...] Sehr ungewöhnliche aber lesenswerte Mischung. Die vielen Details zogen mich in die Geschichte regelrecht hinein und ich *sah* sehr plastisch viele Sachen und Orte regelrecht vor mir. [...]

*****

Tolle Fantasy-Krimi Kombination

Von M. G.

Sehr spannende Handlung! Toller Schreibstil. Die Charaktere sind super ausgearbeitet und gerade Ace Driller, ein Ex-Cop, ist sympathisch, unter anderem auch, da er am Anfang nicht glaubt, was ihm erzählt wird.

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Nervenkitzel... Wie geht’s weiter?

Von fantastischebuecher__

[...] Yves Patak nimmt einen mit auf eine Jagd, die einen in seinen Bann zieht. Der Protagonist Ace war mir von Anfang an sehr sympathisch. Seine lockere Art, der trockene Humor und die unerschrockene Vorgehensweise, wie er selbst mit den absurdesten Dingen zurechtkommt, geben ihm das gewisse Etwas.

*****

Dämonen, Hexen, eine geheime Liga und ein Ex-Cop - Die perfekte Mischung

Von Kunde

Mit seiner lockeren, sarkastischen Art und dem trockenen Humor ist mir Ace von Anfang an mega sympathisch. Zusammen mit Chloë ergibt das ein unschlagbares Team. Die Konversation der beiden bringt einen regelmäßig zum Lachen.

Für mich ein sehr gelungenes Buch mit interessanter Story und noch interessanteren Protagonisten. Ich hoffe das es noch weitere Teile rund um Ace, Chloë und die MAD-Liga geben wird.

Was bisher geschah: In Flatbush, einer der miesesten Gegenden Brooklyns, sucht der erfolglose Privatdetektiv und Ex-Cop Ace Driller vergeblich nach seiner Bestimmung. Im Rummelpark trifft er auf die launenhafte Chloë, deren Prophezeiungen sein Weltbild auf den Kopf stellen. Eine Pechsträhne, die alles andere als zufällig wirkt, treibt ihn direkt zur mysteriösen Daisy Duck – und in seine Bestimmung als Dämonenjäger. Gegen jede Vernunft schließt sich Ace der zwielichtigen MAD-Liga an und riskiert bereits bei seinem ersten Einsatz gegen den irren Gangsta Snoop Wolff Kopf und Kragen.

Aces wachsende Gefühle für seine widerborstige Einsatzpartnerin Chloë kommen ebenso überraschend wie die Tatsache, dass er der Träger des legendären Prometheus-Gens ist. Als er dem Elite-Agenten Victor Kessler begegnet, erkennt er in ihm einen ebenso heldenhaften Mitkämpfer wie unbequemen Nebenbuhler.

Derweilen setzt der Erzfeind seinen Vernichtungsschlag gegen die Liga fort.

Ace und Chloë fliegen nach Rom, um einen Anschlag auf den Papst zu verhindern, ein Attentat, das für die Menschheit katastrophale Folgen hätte. Ihre einzige Chance, Aces frühere Kampfkraft zu wecken und den besessenen Papst-Killer zu besiegen, ist jedoch ein ebenso streitsüchtiger wie uralter Ex-Agent.

Derweil entflieht Aces Erzfeind Leroy aus dem Gefängnis, und er kennt nur ein Ziel: er will Ace Drillers Kopf …

Sie wollen zuerst Band 1-4 lesen? Bitte hier klicken:

Ace Driller – Teil 1
Ace Driller – Teil 2
Ace Driller – Teil 3
Ace Driller – Teil 4

Wer die Seele tötet, weckt die Dämonen.

Saul Bellow

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Inhaltsverzeichnis

Kolosseum

Rom – Sonntag, 20:27 Uhr

Wie ein Boxer vor dem Kampf tänzle ich über die Plattform. Chloë kehrt mir den Rücken zu und blickt auf die Katakomben unter uns.

„Ich bin bereit“, rufe ich. „Was soll ich tun, Shi-Fu?“

„Ace.“ Chloë dreht sich zu mir, die Miene ungewöhnlich ernst. „Bevor wir anfangen, eine wichtige Grundregel.“

„Bin ganz Ohr.“

„Man kann auf einen TeBat-Angriff nicht irgendwie reagieren – sondern nur nach den Spielregeln desjenigen, der den Kampf eröffnet.“

Ich tänzle weiter, die Fäuste erhoben. Mohammad Ali vor seinem Titelkampf. „Was bedeutet?“

„Denk an das Schneefeld. An deinen Sparringkampf gegen Dinsdale.“

„Was soll damit sein?“

„Was hattest du dort visualisiert?“

„Einen Haartrockner.“

„Genau. Einen Haartrockner. Nur, dass der erste viel zu klein war, um etwas zu bewirken. Der zweite aber war eine wahre Heißluftkanone, mit der du Dinsdales Schneebälle schmelzen konntest wie ein Hochofen. Wenn der Killer also heute Abend einen Angriff auf dich startet, muss dein Gegenangriff auf ihn abgestimmt sein. Zu seinen Vorgaben passen.“

„Was, wenn nicht?“

„Dann wird dein TeBat versagen, und du stirbst. Wir sterben beide.“ Ihr Blick ist so intensiv, dass mir mulmig wird. „Ace, so abgedroschen das klingen mag, du musst an dich glauben! Du musst überzeugt sein, dass du es schaffst. TeBat hat zu neunzig Prozent mit Glauben zu tun, und nur zu zehn Prozent mit Technik und Konzentration.“

„Ich soll also bedingungslos glauben.“

„Unbedingt.“ Im Flutlicht leuchten die Speichen ihrer Augen wie Goldfäden. „Der Glaube ist das Alpha und das Omega jeder mentalen Praktik. Und Dämonen der höheren Klassen sind Meister darin, jemandes Glauben zu manipulieren – oder zu brechen.“

Ich lasse meinen Blick über die Ruinen des Publikumsbereichs schweifen. „Okay. Was genau soll ich jetzt tun?“

Noch bevor Chloë antwortet, fühle ich die Vibration in meiner Stirn – alarmierend stark.

Chloës Körpersprache ist ein Abbild höchster Konzentration. „Du spürst es, nicht wahr?“

„Was spüre ich?“

„Dieser ganze Ort hier ist ein einziges Spukschloss.“

Ich höre auf zu tänzeln und schaue sie scharf an. „Ich dachte, du hättest keinen Radar für Geister und Dämonen?“

Sie wiegt den Kopf. „Das war nicht die volle Wahrheit.“

„Aha.“

„Ich kann … Präsenzen wahrnehmen. Keine Dämonen, aber die Geister von Verstorbenen. Und diese können auch ganz schön grimmig sein, vor allem, wenn sie einen gewaltsamen Tod gestorben sind.“

Auf einmal sind da viel zu viele Schatten in den Katakomben unter uns. „Ich dachte, Geister können einem nichts antun?“

„Normalerweise nicht. Außer, man gibt ihnen die Gelegenheit dazu.“

„Was?“

„Du wirst jetzt einen Gladiator visualisieren – und der erstbeste, wütende Geist wird diesen Avatar benutzen, um dich abzuschlachten.“

Ich lache hart – und sehe dann ihren Ausdruck. „Du … du meinst das im Ernst?“

„Sehe ich aus, als scherzte ich? Du wolltest, dass ich dich trainiere. Also los, visualisiere einen Gladiator.“

„Aber wie – “

Mit drei Schritten steht sie neben mir und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Schließ die Augen.“

Das Vibrieren in meinem Kopf wird stärker. Bedrohlich. Ich frage mich, ob Chloë total durchgedreht ist oder mich maßlos überschätzt.

„Die Zeit läuft, Ace.“

Ich schließe die Augen. Konzentriere mich auf den Bereich meines Hinterkopfs, wo Kessembeck seine Voodoo-Nadel hineingerammt hat. Fühle zuerst Wut, dann eine merkwürdige Wärme, die hinter meiner Stirn entsteht und allmählich meinen ganzen Schädel erfüllt.

„Gut.“ Chloës Stimme scheint von überall gleichzeitig zu kommen. „Mach die Augen auf.“

Ich tue, wie mir geheißen – und zucke zusammen. Der gesamte Zuschauerbereich des Kolosseums ist erfüllt von einem halbdurchsichtigen Geisterpublikum, das lautlos applaudiert und johlt. Mittendrin, in der Kaiserloge, sitzt ein ebenfalls durchscheinender Kaiser Nero, der mich an Peter Ustinov erinnert. Um ihn herum sitzen etliche Senatoren in ihren Togen, sowie eine Schar Vestalinnen.

„Lass dich ruhig von Film und Fantasie inspirieren“, haucht Chloë. Offenbar kann sie mit der Hand auf meiner Schulter wie bei einer Live-Ausstrahlung mitverfolgen, was ich erlebe.

„Das ist nur Fantasie, oder?“ flüstere ich.

„Fantasie, die sich gerade verdichtet. Sei wachsam.“

Ich fühle die Wärme von Chloës Hand, und ihre Berührung gibt mir Mut. Das rostige Geländer vor uns löst sich auf, während die Ebene über den Katakomben zu flirren beginnt, bis der sandbestreute Steinboden zu sehen ist.

Die einstige Arena des Kolosseums ist wieder komplett!

Zu meiner Rechten schleichen ein paar halbdurchsichtige Löwen herum – Löwen, die Uncle Scar aus Disneys ‚König der Löwen‘ seltsam ähnlichsehen.

Etwa zwanzig Schritte von mir entfernt materialisiert sich ein Gladiator in voller Rüstung – nur, dass der Gladiator einem Asterix-Comicbuch zu entstammen scheint, während die Arena und inzwischen auch das Publikum absolut lebensecht wirken.

„Ace“, wispert Chloë. „Keine Cartoons.“

Ich konzentriere mich, und der Zeichentrick-Gladiator mutiert zu einem Hünen mit einem breiten Trainingsschwert aus Holz, einem Hünen, der verdächtig nach Ralf Moeller in ‚Gladiator‘ aussieht. Grinsend winkt er mich heran.

„Er will mit mir kämpfen“, raune ich unnötigerweise.

„Dann geh und kämpfe“, flüstert sie zurück. „Aber geh nicht davon aus, dass er dich nur trainieren will!“

Ich atme tief durch und schreite auf den Riesen zu. Schon auf halbem Weg bemerke ich, dass ich selbst in voller Gladiatorenmontur durch die Arena stiefle – nur, dass ich statt eines Schwerts eine Art Fischernetz in der einen und eine Holzkeule in der anderen Hand halte. Will mein eigenes Unterbewusstsein mich verballhornen? Fünf Schritte von meinem Gegner entfernt gehe ich in Kampfstellung, die Keule erhoben. Langsam umkreisen wir uns, messen uns gegenseitig ab.

„Me necuisti!“ Hinter dem Grinsen des Ralf Moeller-Typs brodelt mörderische Wut. „Omnes Christianos trucidavistis!“

„Was sagt er?“ rufe ich Chloë über die Schulter zu. Irgendwie gehe ich davon aus, dass meine Nerd-Partnerin selbst der lateinischen Sprache mächtig ist. „Ich verstehe kein Wort!“

„Er sagt: ‚Du hast mich getötet; ihr habt alle Christen abgeschlachtet!‘“

„Et nunc te iugulo!“ schreit der Gladiator und stürzt sich mit erhobenem Schwert auf mich. Ich ducke mich zur Seite, er an mir vorbei, aber sein Holzschwert trifft mich mit voller Wucht am Oberarm. Der Schmerz ist grell und heiß, und die Keule fällt mir aus der Hand.

Sandwolken stäuben als der Hüne bremst, um gleich wieder anzugreifen. Er fletscht die Zähne und rast dann wie ein Stier auf mich zu, das Schwert erhoben. Reflexartig werfe ich das Netz über ihn und mache eine Hechtrolle zur Seite. Wie erwartet verheddert sich der erzürnte Hüne in den Maschen und geht zu Boden. Ich hebe meine Keule auf und verpasse ihm einen deftigen Schlag auf den Helm. Der Hüne zuckt und bleibt reglos liegen. Um mich herum donnerndes Rauschen. Ich drehe mich im Kreis, die Augen weit aufgerissen. Der Publikumsbereich ist eine bunte, wogende Masse, das Kolosseum zum Bersten voll! Statt einer Zuschauerschaft von halbdurchsichtigen Nebelgestalten sind da jetzt Menschen aus Fleisch und Blut! Kaiser Nero sieht immer noch aus wie Peter Ustinov, zu seiner Rechten Patricia Laffan in ihrer Rolle als Poppaea. Über einen goldenen Kelch hinweg beobachtet sie mich, ein süffisantes Lächeln im schmalen Raubvogelgesicht.

„Heiliger Radagast …“ haucht jemand in mir und weit entfernt zugleich. Ich drehe mich um und sehe, gut fünfzig Schritte entfernt … mich selbst! Mein Körper steht einfach da, der Gesichtsausdruck beunruhigend leer, während Chloë etwas seitlich hinter ihm steht, die linke Hand auf seiner Schulter. Sie schaut zu mir herüber, schaut mich direkt an.

Ich schlucke trocken. Kannst … kannst du mich sehen? frage ich in Gedanken.

Ja, sagt ihre Stimme in meinem Kopf. Um uns herum Stimmen, Johlen und Buhrufe.

Chloë ist kreidebleich geworden, und ich kann nur hoffen, dass der echte Ace sie auffängt falls sie umkippt.

Ace! Ich fühle ihre Bestürzung in meinem Kopf. Ich … kann alles sehen!

Natürlich, denke ich zu ihr. Du hast doch das ‚Auge‘.

Du verstehst nicht, erwidert sie. Niemand kann Dinge sehen, die jemand beim TeBat visualisiert – niemand außer die beiden Gegner!

Ich verstehe nicht wirklich, was sie andeuten will, aber ich ahne, dass irgendwas mächtig schiefläuft. Ich schaue an mir herunter und sehe, wie mein eigener Gladiatorenkörper durchsichtig wird. Um mich herum flackern die Menschen im Publikum wie erlöschende Windlichter, verlieren ihre Farben, werden unwirklich, während gleichzeitig auch die Geräusche in den Hintergrund treten.

„Ace, hinter dir!“

Diesmal ist es Chloës echte Stimme, ein Schrei. Ich wirble herum. Ein grobschlächtiger Typ kommt auf mich zu gerannt, kein Gladiator diesmal, sondern ein Mann, den ich das letzte Mal in einem brennenden Gebäude gesehen hatte, ein Mann, der irgendwo in einem Gefängnis verrotten sollte. Ein schreckliches Déjà-vu überkommt mich. Der bullige Mann mit dem T-Rex-Gesicht hält eine klobige Desert Eagle in der einen Hand, einen langen Speer in der anderen.

Ich versuche, das Unmögliche zu verarbeiten.

Leroy LeBron!

„Decede, sentine!“ brüllt Leroy und schleudert mir den Speer entgegen. Ich bin so perplex, dass ich nicht einmal versuche, auszuweichen. Das scharfe Metall trifft mich voll am Brustkorb. Ich werde nach hinten geschleudert und lande auf dem Rücken. Noch während Leroy auf mich zu stampft, berühre ich die Delle im Brustpanzer, den ich in letzter Sekunde visualisiert habe. Das Metall hat die Spitze der Lanze aufgehalten, aber die Wucht des Geschosses hat mir sicher zwei Rippen gebrochen.

Leroy bleibt stehen und starrt auf die Kettenrüstung, die Zähne gebleckt.

„Fallacia!“

Ich schiele auf die Desert Eagle in seiner Hand. Aus irgendeinem Grund scheint er mit der Knarre nichts anfangen zu können. Stattdessen zieht er sein Schwert und hält mir die Spitze an den Kehlkopf.

Wenn meine Konzentration mich jetzt im Stich lässt, wird es das letzte Mal sein.

„Mori!“ zischt Leroy – und wird seitlich weggeschleudert wie ein Crashtest-Dummy. Ein riesiger Löwe hält ihn in seinen Pranken, Leroy schreit auf – dann sinken die Reißzähne der Raubkatze in seinen Hals, und der Schrei erstirbt in einem feuchten Blubbern.

Karma, Baby.

Stöhnend rapple ich mich hoch, der Schmerz in meinem Brustkorb ein kochender Lavastrom.

„Weg“, keuche ich, ohne selbst zu wissen, was ich damit meine. „Verschwindet … alle!“

Schwindel erfasst mich, ein Gefühl, als würde ich auf einem Surfbrett über hohe Wellen preschen – dann stehe ich auf einmal wieder auf der Plattform, auf das Metallgeländer gestützt, unter mir die freiliegenden Katakomben.

Jemand packt mich am Arm.

„Ace! Alles in Ordnung?“

Chloë steht neben mir, ihre Miene eine Mischung von Bestürzung und Fassungslosigkeit.

„Ace? Sag was!“

Ich huste und zucke zusammen. Leroys Speer hat ganze Arbeit geleistet, und die Tatsache, dass ich den Kampf als Avatar ausgefochten habe, ändert nichts an den gebrochenen Rippen. Mein Blick schweift über das Kolosseum. Die zerklüfteten Bühnen liegen verlassen unter dem Mondlicht. Kein Publikum. Kein Kaiser Nero. Keine Poppaea, keine Gladiatoren oder Löwen mehr.

„Mir geht’s gut“, presse ich hervor. „Was … was zum Henker ist gerade passiert?“

Völlig unerwartet umarmt mich Chloë, drückt mich so fest an sich, dass meine misshandelten Rippen knacken. Genau so plötzlich stößt sie mich zurück und hält mich auf Armeslänge an den Schultern fest.

„Der Löwe!“ sprudelt sie. „Der Löwe, der dich gerettet hat – hast du den …?“

„Ich denke schon.“ Ich berühre meinen Hals. „Als das Leroy-Ding mir den Säbel an die Kehle hielt, kam mir die Idee, dass nur eine dieser Riesen-Mietzen mich jetzt noch retten könnte.“

„Meine Güte“, haucht Chloë. „Ich glaube, es erwacht …“

Victor

Chur, Schweiz – Sonntag, 21:13 Uhr

Langsam gleitet Victor aus seiner Meditation ins Tagesbewusstsein zurück. Er atmet die Waldluft tief in seine Lunge, bündelt seine Konzentration, während er das Grundstück um die Villa beobachtet. Nichts rührt sich. Vom geschmiedeten Tor führt ein Weg zu einer massiven Eingangstür mit einem Löwenkopf-Klopfer. Keine Wachen weit und breit. Ist sich der Dämon seiner eigenen Macht so sicher, dass er auf Schergen verzichtet? Oder geht er davon aus, dass seine Leibeigenen im Wald Victor längst in Stücke gerissen haben?

Wohl kaum.

Victor weiß, dass der Bischof ihn erwartet. Das einzige, womit der Elite-Agent ihn überraschen kann, ist der Zeitpunkt und die Art, wie er angreift.

Er konzentriert sich auf den Tarnkappeneffekt. Vom Waldrand bis zur Villa gibt es keine Deckung, aber er muss um jeden Preis unsichtbar bleiben. Lautlos löst er sich aus dem Schatten der Bäume und rennt geduckt zum Tor, lässt dieses lautlos aufschwingen, ohne es zu berühren und läuft zur Haustür. Vorsichtig legt er das Ohr an das kalte Holz. Kein Laut von drinnen. Wieder das Gefühl, geradewegs in eine Falle zu tappen.

Er legt zwei Finger auf das Schloss. Im Zylinder klickt es, und die Tür schwingt auf. Das Entree führt direkt in einen Salon von gut zehn mal zehn Metern. Kristallkronleuchter, lederne Polstergruppe, in allen vier Ecken wuchtige Kerzenständer aus Bronze. Die Wände sind auffällig nackt. Weiter vorne führt eine breite Marmortreppe in den ersten Stock. Zur Rechten geht der Salon direkt in eine Wohnküche über, die so groß ist wie ein mittleres Appartement.

Victor fühlt die Anwesenheit der Feinde, bevor er sie sieht. Training und Instinkt übernehmen die Kontrolle, seine Hände fahren zum Gürtel, dann wirbeln zwei glitzernde Projektile durch die Luft. Zwei bullige Gestalten brüllen auf, lassen ihre automatischen Waffen fallen und greifen nach den Wurfsternen in ihrer Stirn. Doch statt tot zusammenzubrechen, ziehen sie die Wurfsterne heraus und werfen sie zu Boden. Mit ausdruckslosen Gesichtern kommen die beiden Bodyguards auf Victor zu.

Lucrum-Dämonen.

Er versteht. Der Bischof hätte als Bodyguards viel höhere Dämonen einsetzen können. Lucra haben bis auf ihre Zähigkeit keine besonderen Fähigkeiten – doch genau hier liegt der Haken. Lucra zu töten verlangt einen hohen TeBat-Einsatz. Einen großen Energieverlust.

Der Bischof will mich schwächen … und dann fertigmachen.

Der erste Bodyguard hat Victor erreicht und holt zum Schlag aus, eine rasche, aber durchschaubare Bewegung. Victor taucht unter der rechten Geraden hinweg, verpasst seinem Gegner einen Handkantenschlag gegen die Halsschlagader. Der Mann geht zu Boden, während der andere Victor von hinten um den Hals packt. Victor fällt in die Hocke, und schleudert dem Mann am Arm über die Schulter.

Während die Bodyguards sich hochrappeln, fällt Victors Blick auf die Wand zwischen zwei der mannshohen Kerzenständer. Er konzentriert sich auf den groben Verputz, den Rücken zu den beiden Männern. Die Situation ist für die Lucra unwiderstehlich, und Victor hört, wie sie von hinten auf ihn zu rennen, in der klaren Absicht, ihn Kopf voran gegen die Mauer zu rammen. Im perfekten Moment dreht er sich um, packt je einen Arm seiner Angreifer und wirbelt sie herum. Von ihrem eigenen Schwung getragen prallen die Männer rücklings gegen die Wand. Ein nasses Klatschen, als die Männer in die plötzlich zähflüssige Wand sinken. Victor sieht ihren verdatterten Gesichtsausdruck und lässt gleichzeitig die verflüssigte Wand wieder steinhart werden. Von den Männern schauen nur die Gesichter, Hände und Füße aus der Wand.

Victor verharrt in Kampfstellung und fühlt die Umgebung ab. Nichts. Kein TeBat-Angriff der Lucra. Keine weiteren Wachen.

Zu einfach.

Der Kampf war kurz, aber bei weitem nicht geräuschlos. Im vollen Bewusstsein, dass der Bischof ihn erwartet, geht Victor die breite Marmortreppe hinauf in den ersten Stock, wappnet sich für die Begegnung mit dem Überfeind. Das Zimmer, aus dem das flackernde Licht gekommen war, befindet sich oben auf der Südseite. Die Tür steht einen spaltweit offen. Victor nähert sich, alle Sinne geschärft.

Eine Stimme aus dem Zimmer, alt und gütig.

„Komm herein, mein Junge.“