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Angel Wagner, Revenge Angel

Jason M. Dragonblood - Teil 5

Acht Drachentöter und vier Dragaufrüster





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Ein Palast für den Friedenbringer

 

 

 

Ein eisiger Griff umklammerte seit vielen Tagen sein Herz.

Sehnsüchtig sah Jason über dem weiten Meer den Wolken hinterher, die so arglos davonzogen ... ohne ihn mitzunehmen.

Tief unter ihm schlug die Gischt an die kahlen steilen Felsen. Seine weißen Drachenschuppen richteten sich durch den kühlen Wind von hinten leicht auf. Der Windzug zerrte an seinen Flügeln.

Seit einer Woche war Skyla weg ... nur einen Abschiedsbrief hatte sie zurückgelassen …

 

Mein geliebter Jason,

verzeih mir, aber ich musste gehen! Ich konnte es dir nicht ins Gesicht sagen, denn du hättest mich nicht gehen lassen. Leider kann ich dir nicht sagen, wo ich bin, denn du würdest mich suchen. Mir wurde eine Hexenlehre angeboten, die ich annahm.

Unsere Beziehung ist so ehrlich, wie nichts auf dieser Welt, doch wir sind zu jung. Sicher will ich mich mein ganzes Leben an deiner Seite sehen, doch es ist zu früh. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, vielleicht kann ich es auch nicht verhindern, dir Signale zu schicken.

Um überhaupt die nächsten vier Jahre zu überstehen, werde ich mich in meine Lehre stürzen und jede Hexerei in mich aufsaugen. Mach dir keine Sorgen. Ich bin bei Hexen, die sehr gut auf mich achten werden. Such bitte nicht nach mir! Oh Jason, du fehlst mir jetzt schon unendlich ...

Ich liebe dich!‘

 

Deine Skyla

 

Sein Herzschlag hatte für einige Schläge ausgesetzt, als er den Brief vor zwei Wochen auf dem Tisch liegen sah. Er wusste sofort … sie war weg, fühlte er doch ihre Nähe nicht mehr.

Bleiern lagen seine Knochen auf den blanken Felsen. Tausendmal hatte Jason den Brief von ihr gelesen. Wieso konnte sie nicht bei ihm bleiben? 

Die Abendsonne senkte sich über dem weiten Horizont, färbt die dicken Wolken hinter den Felsen gelbbraun ein. Und das Grau des Himmels drückte auf sein Seelentief. Der kalte Wind wurde stärker, ließ seine Flügelhäute bläulich schimmern.

Seitdem Jason ihre Nachricht zum ersten Mal gelesen hatte, lebte er als Drache zurückgezogen in den kahlen Bergen von Dragotan. All seine Lieben waren hier, nur ‚sie‘ nicht und mit ihr flog seine Hoffnung und sein Mut von der Insel.

Monate hatte er nach ihr gerufen. Monate gehofft, sie würde ihn findet. Monate lang dem Tod ins Auge gesehen. Warum war sie nun wieder gegangen? 

Visionen, die ihn heimsuchten, blockte er konstant ab … alles war bedeutungslos. Sein Blick wanderte traurig an der Küste nach rechts entlang. Die Sehnsucht zerfraß ihn innerlich. Immer wieder spielte er mit dem Gedanken einen Seelenschrei zu entfesseln, doch sie war freiwillig gegangen - und er war nicht in Gefahr.

Die steilen Felsformationen dort rechts verschwammen vor seinen Augen. Tränen füllten seine Augen, er wischte sie fort. Eine Illusion? Ein verschwimmendes Trugbild - die Felsen wandelten sich vor seinem Blick. Erneut rieb er seine Augen.

Nein, es war keine Illusion!

Auf den steilen Felsenstücken, die oberhalb des Wassers nicht mit der Insel verbunden waren, ging etwas vor. Mitten auf den breiten mittleren Felsen formte sich ein Gebilde in den Himmel, schaffte Verbindungen zu den umliegenden steilen Klippen. Nur zur Insel bildete sich keine Brücke. Jason richtete sich langsam auf. Er suchte den Himmel nach Drachen oder Dragots ab, aber es war niemand in Sicht.

Woher kam die Kraft, die dort etwas erschuf?

Zum ersten Mal seit diesen zwei Wochen, ließ seine Sehnsucht nach. Seine natürliche Neugier war geweckt. Zögernd erhob er sich. Er konnte sandfarbene Türme erkennen, die alle eine Verbindung mit einem sehr schlanken Schloss eingingen. Vielleicht waren es Brücken, möglicherweise auch geschlossene Wände, das konnte er von hier nicht ausmachen. Zögernd schlug er seine abgekühlten steifen Flügel aus, musste das Blut in ihnen vorantreiben.

Eigentlich passierte hier auf der Insel nichts, das Bilwer entging, doch auch weiterhin war keine Seele in Sicht. Jason streckte seine kalten, steifen Knochen aus, er fühlte wie sich sein Blut aufheizte. Sein Flügelschlag wurde fester.

Über dem Hauptgebäude flimmerte die Luft rötlich. Jason breitete seine Flügel vollends aus, hob ab und flog an der Steilküste über dem Meer seinem Ziel entgegen.

Auf halber Strecke verließ ihn die Energie, seinen Flügelschlag konstant kraftvoll auszuführen. Die ganze Woche hatte er kaum etwas zu sich genommen, was sich jetzt in seiner vollen Drachenwandlung bemerkbar machte. Er musste landen.

Um überhaupt noch einen Meter voran zu kommen, wandelte er sich zum Dragot und ging zu Fuß weiter.

Am Wegesrand wuchsen einigen Stäuchern, die leckere Beeren an sich trugen. Jason pflückte ein paar und schob sie sich, während er weiterging, einzeln in den Mund.

Die Früchte waren schnell verputzt, doch die seltsamen Türme sowie das Hauptschloss kamen im Verhältnis nicht wirklich näher. Wenn er also auf seinem Weg nicht eines armseligen Hungertodes sterben wollte, musste er wieder fliegen. Ohne sein Drachengewicht käme er hoffentlich schneller voran, Jason hob erneut ab. 

Endlich landete er auf den Steilklippen vor dem Hauptschloss. Unschlüssig suchte Jason abermals den Himmel und die Umgebung ab. Natürlich rechnete er immer noch damit, dass Bilwer aufkreuzen würde. Doch der Himmel blieb, bis auf die Wolken, leer. Gut, wenn er erst später mehr über das Erscheinen dieses seltsamen Gebäudes erfahren würde, dann konnte er es sich jetzt auch genauer ansehen. Sein Blick wanderte zu dem großen Torbogen des Hauptschlosses. Es war schlicht und doch so groß, dass er mühelos als Drache hindurch fliegen könnte, ohne seine Flügel komplett einfahren zu müssen.

So aus der Nähe betrachtet, war jetzt auch klar zu erkennen … acht Verbindungsbrücken führten zu den dazugehörigen Türmen auf den einzelnen Klippenstücken.

Bisher gab es keine Brücke, die ihn direkt hinüberlaufen ließ, aber das änderte sich gerade, denn vor ihm bildete sich ein Übergang ... Stein für Stein.

Mal sehen, ob ihm seine Fantasie doch einen Streich spielte und er gleich in den Abgrund stürzen würde ... Jason setzte vorsichtig einen Fuß auf die Hauptbrücken. Tja, die Brücke war echt ... oder er träumte den wildesten aller Träume. 

Von seiner Neugier gepackt, saugte Jason alle Einzelheiten mit seinen Augen auf. Jeder der acht Übergange war aus einem anderen Material gefertigt - jedenfalls sah es so aus. Auch waren einige geschlossen, andere Überdacht und doch offen, und ein paar waren frei. Eine der Brücken war sogar so gebaut, dass es weder ein Geländer noch sonst eine Stütze gab, die vor einem Absturz schützte.

Ebenso waren die Türme verschieden gebaut, manche roh und klobig, manche altertümlich, doch alle hatten einen gleichen Blickfang … der Jason nicht entging. Alle trugen ein Dach, das spitz zulief und in der Breite weit über jeden Turm hinaus ragte. Auch hatten alle Türme nur wenige Fenster. Das Hauptschloss kam wieder in sein Blickfeld ... und irgendwie überkam Jason das Gefühl nicht mehr allein zu sein.

Zögernd schaute er im Wechsel von den einzelnen Türmen zum Schloss. Sollte er es wagen ein Gebäude zu betreten, das vor einer Stunde noch nicht hier stand?

Damals nach der Entstehung des Tempels waren innerhalb einer kurzen Zeitspanne beinahe alle Dragots anwesend. Hier stand er allein da.

Aus seinem Augenwinkel blitzte etwas Weißes im Torbogen auf. Jason schaute genauer hin, doch es war wohl nur eine Lichtspiegelung.

Der Platz vor dem Tor wäre auch ausreichend, um darauf als ausgewachsener Drache zu landen. Wofür war dann die Hauptbrücke überhaupt entstanden?

Wieder blitzte etwas auf und ein Drachenkopf lugte aus dem Tor. Über Jasons Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Es war Zolmer, der Himmelsdrache.

Damals hatte Jason ihn über seine drei Töchter kennengelernt. Bei Zolmer hatte er seine Dragdaan-Ausbildung beendet.

Jason hob ab, landete vor den Bogen. „Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?“

Zolmer lächelte Jason breit an. „Es mangelt wie immer an deiner Erziehung.“

Natürlich wusste Jason sofort, was der weiße Drache meinte und korrigierte sich. „Seit gegrüßt, Zolmer.“

„Sei gegrüßt, Jason. Komm herein, ich führe dich durch deinen Palast.“ Zolmer machte eine einladende Geste, doch Jason zog seine Brauen zusammen.

„Meinen Palast?“, fragte er überrascht.

Zolmer ignorierte seine Frage und schritt ins Innere des schmalen Schlosses. Jason folgte ihm. 

Nach ein paar Stufen hatte Zolmer den Hauptraum erreicht und blieb in der Mitte stehen, drehte sich zu Jason um. „Warum verdrängst du deine Visionen? Skyla ist in Sicherheit. Sie hat sich für ihre Ausbildung entschieden, ehe sie an deiner Seite leben wird. Also füge dich deinem Schicksal.“

Unvermittelt richtete Zolmer seine Zeigekralle auf die Körpermitte des jungen Dragots aus, ebenso abrupt drehte sich Jasons Magen und ein Krampf schüttelte ihn durch.

„Ich verdränge nichts. Ich lasse es nur nicht zu!“, knurrte Jason und unterdrückte eine aufkeimende Vision, die Zolmer in ihm aktiviert hatte, während er sich gleichzeitig krümmte.

„Das bringt dich aber nicht weiter.“

„Ach ... und wer sagt, dass ich weiter will?“

„Oh, du brauchst einen Grund? Deine kleine Freundin geht ihren vorbestimmten Weg und du bläst Trübsal. Ist das dein Ziel?“

„Ich habe monatelang auf sie gewartet und dann blieb sie nur drei Wochen.“

Zolmer atmete schwer ein und zog seine Kralle zurück. „Und das empfindest du natürlich als ungerecht.“

Jason richtete sich auf, schaute Zolmer missmutig an, bis dieser seine Vermutung bestätigt sah. „Jason, ich weiß, dein geistiger Horizont ist noch nicht offen genug, um zu erkennen, was vorrangig ist. Und doch musst du dein egoistisches Getue ablegen.“

„Wozu? Habe ich noch nicht genug durchgemacht?“

„Manche Leben verlaufen ereignislos - manche sind dazu bestimmt, das Weltgeschehen mit dem darin bestehenden Leben zu retten.“

„Und ich gehe davon aus, dass ich zu den Letzteren gehöre“, kommentierte Jason.

Zolmer nickte und ein breites Schmunzeln legte sich um sein Maul.

„Und wenn ich einfach nicht mehr will? Wer will mich zu meinem Schicksal zwingen?“

Zolmer antwortete nicht, er schob Jason in die Mitte des Raumes.

Warum auch immer … Jason starrte auf den Boden.

Unter seinen Füßen war ein Pentagramm in den Marmorstein eingearbeitet. Zwischen den Spitzen des Pentagramms waren Bilder zu sehen. Jason erkannte einen Bogen mit Pfeilen. Auf der nächsten Abbildung war ein Drachenfläschchen, in dem eine leuchtende Flüssigkeit war. Das dritte Bild zeigte eine weißblaue Drachenschuppe. Auf dem vierten war eine schwarze Drachenkralle, die Jason von irgendwoher kannte …

Schlagartig fielen ihm die Zusammenhänge ein. Damals auf dem Schiff nach Dragonrock schmiss ihm einer der Drachen diese Kralle ins Rettungsboot. Und als er sie unter seine Zunge gelegt hatte, nahmen die Schmerzen seiner Wandlung ab.

Der junge Dragot blickte zu Zolmer hoch und wieder auf das letzte Bild, es zeigte sich unscharf und doch glaubte Jason einen jugendlichen Drachenwandler in einem Mantel zu erkennen.

„Das Bild stellt dich da. In einem Jahr ist es schon lange Vergangenheit.“

Jason hörte zwar, was Zolmer sagte, sah sich aber kommentarlos weiter um.

Von dem Fleck aus - auf dem er stand - gingen zehn Türen ab, wobei er den Ausgang wieder abzog, also neun.

Jeder Durchgang führte zu einem der Türme. „Ich habe von draußen nur acht Türme gezählt“, stellte er mehr für sich selber fest.

„Der neunte Turm erscheint erst, wenn du die acht anderen Angelegenheiten geregelt hast.“

Nun sah Jason Zolmer fest an. „Acht Angelegenheiten? Kannst du mir das genauer erklären?“

„Nein, das ist allein deine Angelegenheit. Aber ich kann dir sagen, im neunten Turm werden deine Ängste und Sorgen warten. Sobald du diese bezwingst, nimmt dein Schicksal seinen Lauf.“

Jasons Augen funkelten. „Und wenn ich keinen der Türme betrete?“

Das Lächeln um Zolmers Maul erstarb. „Du kannst die Zeit nicht anhalten“, brummte er Jason zu und fixierte ihn.

Ob er wollte oder nicht, stand nicht zur Debatte, Jason brach unter seinem durchdringenden Blick zusammen und landete auf seinen Knien. Seine Nase begann zu bluten. Jede Faser seines Körpers weigerte sich gegen die aufkommende Vision, er wollte nicht, nein!

Die Vision drückte ihn zu Boden.

„NEIN, ICH WILL NICHT! MACH, DASS ES AUFHÖRT!“ Jason wollte sich aufrichten, doch die Bilder vor ihm zwangen ihn stillzuhalten.

„Füge dich!“, flüsterte Zolmer.

Jason jagten, angesichts der Bilder vor seinem inneren Auge, etliche Schauer über den Rücken. Immer wieder schrie er zwischen den grauenhaften Bildern. Das Blut rann aus seiner Nase, bis die Vision ausklang. Erschöpft kauerte er sich auf dem kalten Marmorboden zusammen.

Zolmer reichte ihm ein schwarzes Tuch, das nach Jasmin duftete. „Wisch dir das Blut damit aus deinem Gesicht.“

Jason kniete sich hin, rieb sein Blut weg. „Ich kann doch eh nicht ändern, was geschehen wird. Wozu die Visionen?“

Zolmer atmete geräuschvoll ein und prustete seinen schwefeligen Atem in Jasons Gesicht. Jason hielt seinem stinkendem Atem stand, sah den Drachen verächtlich an. „Ich kann sein Blut nicht aus ihren Adern filtern. Und wenn sie nicht mehr da ist, dann kannst du mich vergessen!“, knurrte Jason böse.

„Warum hast du deine Visionen? Warum bist du ein Seher?“, fragte Zolmer seelenruhig.

„Was weiß ich?“, grollte Jason.

„Hat dir das Jahr der Beherrschung deinen Kopf gelöscht? Denk nach!“

Jason stand auf und kratzte sich über die Schläfen. „Die Zukunft ist nicht unabdingbar.“

Zolmer nickte. „Richtig, und was heißt das für dich?“

„Ich kann sie ändern und abwenden?“

„Richtig!“

Jason drückte das schwarze Tuch zwischen seinen Händen. „Und wie soll ich das machen? Es geschieht in wenigen Stunden!“

„Weiß ich nicht, das ist deine Aufgabe“, antwortete Zolmer mit einem Drachenseufzer.

„Aber du wusstest es, sonst hättest du mir doch das Schloss hier nicht gebaut, um mich abzulenken und auf meinen Weg zu bringen.“

Zolmer lächelte weise. „Das Schloss wäre so oder so in wenigen Tagen erschienen. Ich habe es nur ein wenig beschleunigt, da ich ein aufkeimendes Knurren in meinem Magen verspürte.“

Jetzt wusste Jason gar nicht mehr, was er denken sollte und sagte das erste, was ihm in den Kopf schoss. „Und wenn du nur Hunger hattest?“

Nett, dieser kleine unwissende Drachenscheißer, Zolmer grinste belustigt. „Junger Mann, das Essen gehört schon seit unzähligen Jahrtausenden nicht mehr zu meinem Dasein. Nein, ich muss mich korrigieren, ich habe nie Nahrungsmittel zu mir genommen. Brauche ich ja auch nicht.“

„Das wusste ich nicht, entschuldige.“

„Wofür entschuldigst du dich? Treffe lieber eine Entscheidung, sonst stirbt ihre Hexenkraft und sie verwandelte sich in einen Dämon.“

„Sie stirbt nicht wirklich? Sie wandelte sich in einen Dämon?“

Irritiert schaute Zolmer Jason an. „Ist diese Wandlung nicht so schlimm, und ihr wie Dasein als Dämon wäre dir recht? Nur sterben dürfte sie nicht?“

„Ist es meine Bestimmung ihr Leben zu retten?“

Zolmer zog seine Brauen zusammen. „Jason, hör auf! Ich hätte warten können, aber dann hätte ich nur noch schwieriger zu dir gefunden. Tu, was du für richtig hältst. Wir sehen uns wieder, wenn du die acht Angelegenheiten bewältigt hast.“ Zolmer öffnete ein Tor in seine Dimension und machte sich behände auf den Weg.

„Warte!“, rief Jason ihm hinterher. „Muss ich da allein durch?“

„Nein, die acht Angelegenheiten musst du nicht allein bewältigen. Aber egal, wen du mitreisen lässt, keiner von euch darf hexen oder andere überirdische Kräfte anwenden. Auch wandeln ist strengstens untersagt!“

Hätte er das nicht schon vorher sagen können? Jasons Augen weiteten sich. „WIE SOLLTE ICH DAS SCHAFFEN?“, brüllte er, doch Zolmer hörte schon gar nichts mehr zu, denn das Tor schloss sich bereits.

 

Wie ein begossener Pudel stand Jason da und starrte auf den Fleck, wo Zolmer verschwand.

„Und nun?“, murmelte er und knetete das superweiche Tuch wieder.

Zum ersten Mal sah er sich den schwarzen Lappen genauer an, entknüllte ihn und hielt das Stoffstück hoch.

Eine tiefrote pentagrammähnliche Abbildung war darin eingebrannt. Jason zählte aber nur vier spitz zulaufende Enden.

Und egal wie lange er es in seinen Händen rieb, das Gewebe gab sein Blut nicht mehr her. Eigentlich war es viel zu dünn, um Blut aufzusaugen. Jason hielt es unter seine Nase, es roch auch nicht nach Blut. Nur der Duft, den er schon zuvor wahrnahm hafte an ihm. Jason schnüffelte genauer, meinte den Geruch einer Blumenwiese zu erkennen. Er atmete den Duft tief ein, wickelte es danach an seinen Oberarm und verknotete es. Entnervt von den vielen Visionen, die ihn heimgesucht hatte, strich er fahrig mit seinen Händen durch sein Haar. „Der verdammte Pony nervt!“

Sobald sich die Gelegenheit bot, würde er sich eine neue Frisur zulegen. Gedankenverloren drehte Jason sich in der Mitte des Raumes und blieb vor dem neunten Durchgang stehen. Wie von selbst setzten sich seine Füße in Bewegung.

Erneut bekam Jason Magenschmerzen und einen Schweißausbruch, aber er ging unverdrossen auf die Brücke zu.

Kurz bevor er die Überführung erreichte, fiel mit einem lauten Scheppern ein eisernes Gitter davor herunter …

… und hinter ihm kreischte etwas.

Jason fuhr herum und erblickte seine Töchter, die wie irre schreiend im Kreis rannten.

Was es auslöste, ob es ihre Schreie waren oder hier eh etwas Neues entstehen sollte, wusste Jason nicht, aber in ihrer Mitte schob sich ein schwarzer Marmoraltar aus dem Boden. An jeder Ecke des Opfertisches drehten sich zwei gewundene Säulen aus dem Boden, die ebenso schwarz waren und bis zur Decke reichten.

Jetzt blieben die Drachenmädchen stehen und sahen zu Jason. Der kam dazu und blieb vor dem Marmorblock stehen. Seine Finger streiften über das warme Gestein. Ähnlich, wie sein Hexenbesen auf seine Berührung mit einem Farbspiel seine Gefühle widerspiegelte, reagierte auch der Marmor unter seinen Fingern. Jason schaute über den Altar zu seinen Töchtern, die nebeneinander saßen und auf irgendwas zu warten schienen.

„Und nun?“, fragte Jason die Mädchen und wanderte ihre Augen ab.

Kaja setzte sich in Bewegung und ging rechts an Altar vorbei. Suja links und Elja sprang mit einem Satz mitten auf den Marmorblock.

„Weihe ihn!“ Sprachen alle drei wie aus einem Mund, was Jason unfreiwillig in einen Trancezustand gleiten ließ.

Unfähig es selber zu steuern, führte Jason seine Hände flach zusammen und hielt beide Daumen unter sein Kinn. Elja sprintete von dem Altar. Jason begann in einer Sprache zu sprechen, die er nie gehört, noch deren Sinn er erahnen konnte.

Aus den vier Säulen des Altars entströmte eine Hitzewelle, die den Stein anheizte. Irgendwie wurde der Marmor flüssig, verformte sich zu einem rohen unbearbeiteten Steinblock und erstarrte wieder. Jason legte seine Hände auf den glühenden Stein und dieser erkaltete.

„Wakur mento“, flüsterte Jason und der Altar war geweiht.

Die Drachenmädchen trennten die geistige Hochverbindung zu ihrem Vater und lächelten ihn an. „Wir schützen deinen Palast und werden unser Leben für seine Unberührtheit geben. Niemand, den du nicht einlädst, darf ihn betreten, dafür sorgen wir“, bekundete Kaja ehrfürchtig.

„Ist es so wichtig, dass niemand hierher kommt?“, fragte Jason neugierig.

„Ja, dieser Palast ist ein Haupttor zu acht Welten, die niemand außer dir betreten darf“, antwortete Elja ehrfürchtig.

„Und die Person, die ich einlade!“, fügte Jason hinzu, worauf Elja heftig nickte.

„Die Einladung gilt aber nur solange, bis du sie widerrufst oder die eingeladene Person dieses Schloss verlässt“, gab Suja an.

Jason tippte sich an die Wange. „Auch Charlyn darf als Herrscherin hier nicht ohne meine Zustimmung rein?“

Suja sprang an seine Brust. „Nur wir dürfen ohne deine Einladung hier sein.“

Jason nahm Suja in den Arm und sie wandelte sich dabei zur kleinen Dragotin. „Unsere primäre Aufgabe ist, die allmächtigen Tore vor unbefugtem Zugang zu schützen. Auch du darfst in der ersten Phase nur die vier Tore durchschreiten, die deinem Geist angepasst sind.“ Kaum hatte sie ausgesprochen, wozu sie hier waren, rannten Elja und Kaja auf einige Tore zu und versiegeln vier von ihnen. Jason schaute ihnen dabei zu.

„Davon hat Zolmer aber nichts gesagt.“

Suja wandte sich in seinen Armen und schaute ihn liebevoll an. „Zolmer kennt deine Kräfte, weiß wie stark du bist ... doch wir wissen es besser. Du musst mit vier leichten Aufgaben beginnen, dann gelingen dir die anderen schneller. Was für deinen Zukunft sicherer ist und besser vorbereitet.“

„Hat es was mit den hohen Acht zu tun?“

Nun schwieg Suja, auch die beiden anderen sagten keinen Mucksen mehr.

„Ich hatte eine Vision, als ich Axa auf ihren Planeten geschickt habe.“

Die Mädchen kicherten. Ja, Jason hatte so seine eigene Art, Axa in die Wüste zu schicken.

„Visionen sind sehr wichtig und du wirst deinen Weg gehen“, bemerkte Suja und sprang aus seinem Arm.

Alle drei setzten sich vor Jason und neigten ihre Köpfe.

Nur Elja sah ihm direkt in die Seele. „Nun hilf. Ihr Blut musste gereinigt werden.“

„Schaff ich das?“

Seine Töchter neigten ihre Köpfe.

Rapide fiel sein Blutdruck ab und mit ihm erkalteten seine Hände. „Heißt das … nein?“

Kaja verzog betrübt ihr Drachenmäulchen. „Es liegt in deiner Hand und in deiner Entscheidung. Du kannst sie solange nicht wiederbeleben, wie sein Blut in ihr ist. Wenn sie sterben sollte, dann wird sie zum Dämon ... ohne Wiederkehr.“

Da alle ihn irgendwie vermittelt hatten, dass die Zeit drängte, wandte Jason sich dem Ausgang zu und drehte sich kurz vor ihm um. „Schlaft ihr hier auch?“

Alle drei nickten.

„Sollte ich euch Vorräte bringen oder erledigt ihr das selber?“

„Kümmre dich um deinen Weg, wir regeln alles andere allein.“

„Mein Vater wird durchdrehen, wenn sie es nicht schafft.“

Die Mädchen nickten bedrückt und kehrten zum Altar zurück. Elja drehte sich ein letztes Mal zu Jason um. ‚Er ist schon jetzt ratlos und am Ende.‘