Cover
Frank Berger, Christian Setzepfandt
101 Unorte in Frankfurt
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Alle Rechte vorbehalten • Societäts-Verlag
© 2011 Frankfurter Societäts-Medien GmbH
Umschlaggestaltung: Sebastian Sell und Daniel Günther, Frankfurt
Satz: Nicole Proba, Societäts-Verlag
eBook: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-7973-1248-8

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
1 Unterwegs Die Adlerwerke
2 Unbequem Die „Adorno-Ampel“
3 Unbeliebt Der AfE-Turm
4 Unterirdisch Der „Affenstein“
5 Unterschicht Ahornstraße, hohe Nummer 18
6 Unbenannt Das AIDS-Memorial „Verletzte Liebe“
7 Undemokratisch Alte Gasse
8 Unterhalt Bastionen im Anlagenring
9 Unwegsam Der Berger Hang, Frankfurts steilste Stelle
10 Unvergesslich Der Bethmannweiher
11 Unmöglich Das Bismarck-Denkmal in Höchst
12 Untersuchung Bordellmorde im Westend
13 Unaufschiebbar Das Buchmesse-Denkmal von Franz Mon
14 Unstern Die BUGA 1989
15 Ungestüm Der Carolusbrunnen
16 Unbegreiflich Der Darmstädter Hof im Stadtwald
17 Unsterblich „Don Alfredo“
18 Unvereinbar Eckermannstraße
19 Unglücklich Benno Elkan
20 Unverkennbar Fachwerkhaus Kl. Bockenheimer Straße 10
21 Unverdrossen Der Flugpionier August Euler
22 Unendlich Frau Schreiber und die Kleinmarkthalle
23 Ungebunden Die Friedenseiche von Sossenheim
24 Unterstand Garage Hersfelder Straße
25 Unruhig Die Geburtsstätte der DM
26 Unabsehbar Gemüsehalle – Kunsthalle
27 Ungereimt Goetheruh
28 Unweit Gogels Gut
29 Unscheinbar Das Grab von Sophie Cossaeus
30 Unglück Grabstätte für Menschen mit AIDS
31 Unfall Große Friedberger Straße
32 Unkraut Das Grüne-Soße-Denkmal
33 Unermüdlich Der Hafenarbeiter von Meunier
34 Unliebsam Der Hainer Hof
35 Unterhaltung Der Hans-Flesch-Platz
36 Unterricht Haus Buchenrode
37 Unansehnlich Das Heimchen-Haus
38 Ungesäuert Hinterhof Fischerfeld
39 Unbetreten Hinterhof Holzgraben
40 Untergrund Hofeckweg 2-4
41 Unterredung Hommage an Heidegger
42 Unfertig Die Honsell-Brücke
43 Unrussisch Ivan und Malakoff
44 Unfrankfurterisch Der Kaiser-Friedrich-Bau
45 Unerträglich Kaiserhofstraße 12
46 Untergegangen Der Kuhhirtenturm und Stadtmauerreste
47 Unterquerung Der Lachegraben
48 Unbekleidet Die Läuferin
49 Unwirtschaftlich Lucien Albert Hahn
50 Unschuldig Mahnmal Homosexuellenverfolgung
51 Unterbrechung Die Main-Staustufe von Griesheim
52 Unzucht Helga Matura
53 Ungewöhnlich Das Maurice-Rose-Army-Airfield
54 Unterholz Die Mendelssohnruhe
55 Unkenntlich Mittelursel
56 Untergang Der „Monte Scherbelino“
57 Unten Heiner Müllers Kanaldeckel
58 Unternehmen Die Neckermann-Zentrale
59 Unersättlich Die Ochsenküche auf dem Römerberg
60 Unbelebt Der Ostbahnhof
61 Unordentlich Der verlorene Park
62 Untereinander Parkhaus Hauptwache
63 Unbehaglich Paternoster im Bayerhaus
64 Unbemerkt Der Peterskirchhof
65 Unflat Pissoir, Waagenhäuschen und Kiosk am Osthafen
66 Unterstand Das hessische Pompeji
67 Unrecht „Zum Prinz Carl“, ein Renaissance-Treppenturm
68 Unsauber Das Pumpwerk Hinkelstein
69 Unentbehrlich Der Quirinsbrunnen
70 Ungemütlich Hoch auf dem Riedberg
71 Unwohl Riederhöfe
72 Unterliegen Das Riederwaldstadion
73 Universität Sankt Georgen
74 Unklar Der Sausee
75 Unbedeutend Das Schärfengässchen
76 Unbeirrt Schindlers Wohnung
77 Unfriede Die Schlacht von Bergen
78 Unauffällig Schloss Rödelheim
79 Unsichtbar Das „Schwarze Quadrat“
80 Unrecht Der Selbstmord des Bürgermeisters
81 Unterricht Der alte Sendesaal in der HfMDK
82 Unterfeld Das Sossenheimer
83 Unschätzbar Das Stadion am Brentanobad
84 Unbenutzbar Die Starkenburger Allee
85 Unerwünscht Zwei Stolpersteine
86 Unstet Der Sulzbach
87 Unterlassen Das Tabakgeschäft von Richard Herrmann
88 Ungeheizt Das Teehaus im Bethmannpark
89 Unzertrennlich Der Tierfriedhof
90 Untertan Totschlag in der Merianstraße
91 Unbemerkt U-Bahn-Station Römer
92 Unverändert Die Villa Mumm
93 Ungehalten Voltaire in Frankfurt
94 Untadelig „Wacker“ in Bornheim
95 Unscheinbar Der Wasserhof
96 Unterschätzt Der städtische Weinberg
97 Unterhaltung Die „Weiße Lilie“
98 Unheil Die Wörthspitze
99 Unentdeckt Ein gotischer Wohnturm
100 Unförmig Die „Zeppelinwurst“
101 Unschicklich „Zum Elch“
Literatur
Die Autoren

Ungebunden

Das Vorwort

Wie oft bei schrägen Projekten, begann alles mit einem Glas Wein. Dabei hatten die Autoren die Idee, sich mit eher unbekannten Orten Frankfurts zu beschäftigen. Hier ist das Ergebnis.
Es hat Spaß gemacht, Frankfurter „Un-Orte“ zu definieren und zu kommentieren. Dabei ging es uns um unbekannte und nicht uninteressante Orte. Wirklich „böse“ Orte sind nur wenige dabei. Umso mehr unbekannte und abseitige. Zu allen Orten gibt es etwas zu erzählen. Hier und da dient die Beschreibung sogar der Belehrung des geneigten Lesepublikums.
Allseits bekannte Orte sollen nicht das Thema sein. Jeder in Frankfurt kennt – hoffentlich – Rosemarie Nitribitt, den Römer, das Goethehaus, die Alte Brücke, den Kaiserdom, die Justinuskirche, den Eschenheimer Turm, die Alte Oper, die Börse, den Saalhof, die Staufermauer, die Ratgeb-Wandgemälde, das Haus Wertheim, den Hauptbahnhof, das IG-Farben-Hochhaus, die Großmarkthalle, das Karmeliterkloster, das Waldstadion und die vielen Museen.
Die Auswahl der Unorte ist unausgewogen. Sie will auch nicht politisch korrekt sein. Eher unvorsichtig, respektlos und entdeckend. Sie lädt ein zum Nachforschen, gerne zu Fuß in der Innenstadt oder mit dem Fahrrad in den Stadtteilen.
Die Verfasser stehen für alle Artikel gemeinsam gerade. Gleiches gilt für die Abbildungen. Gegenseitig wurde einiges ergänzt, mehr noch gestrichen. Jeder hätte alleine schon 100 Ideen zu Frankfurter Unorten gehabt. Daher bleiben sie auch weiter nicht untätig.

1.  Unterwegs

Die Adlerwerke

Kleyerstraße 15-31
Ein alter Fabrikbau von 1898/1912, jetzt ohne Produktion, aufwändig saniert, ein Kulturdenkmal. Das Summen der PC-Ventilatoren und das Klappern der Tastatur haben den Maschinenlärm ersetzt. Dienstleistung statt Industrieproduktion. Eine gewaltige Fabrik mit großer Backsteinfassade, streng wie eine Kaserne, doch auch mit Zinnen wie eine italienische Burg. Das sind die Adlerwerke in der Kleyerstraße 15-31.
Der Ingenieur Heinrich Kleyer war bei einer Amerikareise in Boston Zuschauer eines Radrennens. Dabei kam er auf die Idee, das Fahrrad in Deutschland ebenso populär zu machen wie in den Staaten. 1886 begann er mit einer eigenen Fahrradproduktion. Drei Jahre später beschäftigte er bereits 600 Arbeitskräfte. Die technische Innovation des pneumatischen Reifens durch Dunlop bescherte den „Adler-Fahrradwerken“ einen ständig steigenden Verkaufserfolg. 1898 begann Kleyer auch mit der Produktion von Schreibmaschinen, die unter dem Namen „Triumph-Adler“ Weltruhm erlangten.
Damit nicht genug. 1899 begann das Unternehmen auch noch mit der Herstellung von Motorwagen, und 1901 kamen die Motorräder hinzu. Jeder fünfte deutsche Personenkraftwagen vor dem Ersten Weltkrieg war ein „Adler“. Der 1932 vorgestellte „Adler Triumph“ zeichnete sich schon durch Frontantrieb und Einzelradaufhängung aus. Höhepunkt der Entwicklung war der „Adler Autobahnwagen“ mit einer elegant stromlinienförmigen Karosserie. Insgesamt stellten die Adlerwerke 210.000 Autos her. Im Zweiten Weltkrieg wurden Zwangsarbeiter eingesetzt. Später beschränkte sich die Produktion auf Fahrräder, Motorräder und Büromaschinen.
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2.  Unbequem

Die „Adorno-Ampel“

Westend, Dantestraße/Ecke Senckenberganlage
Das neue Institut für Sozialforschung an der Senckenberganlage konnte 1951 eröffnet werden. Neben dem Hausherrn Horkheimer wirkte hier Theodor W. Adorno als Professor für Philosophie und Soziologie. Beide waren 1949 aus dem Exil in den USA zurückgekehrt. Vor dem Haus verlief mit der Senckenberganlage eine der großen städtischen Ringstraßen.
Adorno sorgte sich um das körperliche Wohl seiner Studenten ebenso wie um deren Ankunft zum pünktlichen Vorlesungsbeginn. Voller Sorge wandte er sich in einem Schreiben an den Rektor: „Wenn ein Student, wie es doch schließlich sein Recht sein sollte, in Gedanken über die Straße geht, ist er der unmittelbarsten Lebensgefahr ausgesetzt.“ Daher befürwortete er die Aufstellung von „Verkehrslichtern“, heute Ampeln genannt. Jedoch wurde im Frühjahr 1959 nur ein Zebrastreifen angelegt.
Im Sommer 1962 kam, was kommen musste. Zuerst verunglückte ein Passant an dieser Stelle tödlich, und wenige Tage später wurde eine Sekretärin des Instituts für Sozialforschung angefahren und schwer verletzt. In einem Leserbrief der FAZ wies Adorno darauf hin, dass Automobilisten Fußgänger als störende Objekte betrachteten und nur durch polizeiliche Maßnahmen anderen Sinnes würden. Er sollte die Erfüllung seines Wunsches nicht mehr erleben. Adorno starb 1969. Jürgen Habermas forderte 1985 erneut eine Anlage, die bereits „Adorno-Ampel“ genannt wurde. Endlich, im Frühjahr 1987, konnte Institutsdirektor Ludwig von Friedeburg die Errichtung der „Adorno-Ampel“ von seinen Diensträumen aus beobachten.
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3.  Unbeliebt

Der AfE-Turm

Bockenheim, Robert-Mayer-Straße 1-15
Der AfE-Turm („Abteilung für Erziehungswissenschaften“) ist eines der vielen Hochhäuser in Frankfurt. Und er war bei einer Höhe von 116 Metern eine kurze Zeit lang sogar das höchste Gebäude der Stadt. Seine Konstruktion erfolgte in Stahlbeton-Skelettbauweise auf einem quadratischen Grundriss von 33,40 Metern Seitenlänge. Die Abteilung für Erziehungswissenschaften bezog aber nie das 1970 bis 1972 erbaute Hochhaus, weil sie vor Eröffnung geschlossen wurde. In ihm befinden sich stattdessen Büros und Seminarräume einiger Gesellschaftswissenschaften.
Höchst eigenartig ist die Etagenanordnung zwischen Nord- und Südseite des Gebäudes. Die Nordseite hat anderthalbfache Etagenhöhe mit 29 Geschossen. Die Folge ist ein interessantes System von Zwischenetagen und Halbtreppen, für dessen Verständnis man mit dem Haus sehr vertraut sein sollte.
In der ursprünglichen Planung sollten im AfE-Turm 300 Angestellte und 2500 Studenten tätig sein. Von Anbeginn an war die Zahl der Studenten aber eine mehrfache. Die Wartezeiten an den Aufzügen dehnten sich bis zu 15 Minuten aus. Auf der Nordseite sind die Seminarräume oberhalb des 11. Stocks für Veranstaltungen gesperrt. Die Südseite wird dennoch bis zum 38. Stock voll genutzt.
Bedingt durch die Studienfächer, beherbergte der Turm ein besonders kritisches Potential an Studenten. Folge waren Turmbesetzungen. Dem kam entgegen, dass der Turm wegen seiner wenigen Zugänge sehr effizient abgeriegelt werden kann. Ein Abriss dieses bedeutenden Gebäudes der Frankfurter Studentenbewegung ist vorgesehen.
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4.  Unterirdisch

Der „Affenstein“

Westend, Hansaallee, Lübecker Straße
Es überrascht wenig, wenn man bei Bauarbeiten auf Relikte früherer Tage stößt. So geschehen, als auf dem Gelände des Neubaus der Frankfurter Universität Bauarbeiter auf einen Turmstumpf stießen. Zwei Deutungen schienen möglich. Die eine: Dieser sei ein Eiskeller aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die andere: Der Turm gehörte zur ersten Frankfurter Landwehr aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.
„Affenstein“? Woher kommt das Wort? Gab es in Frankfurt Affen? – Nun! Auch im alten Frankfurt war man schnell mit Verballhornungen von Namen bei der Hand. Den Frankfurter Katholiken war verwehrt, in der Stadt zu beten. Vor den Toren allerdings gab es Marienstandbilder aus Stein, an denen das „Ave Maria“ gebetet werden durfte. Aus dem „Ave-Stein“ wurde im Laufe der Zeit der „Affenstein“.
Dass der Turmrest zur ersten Landwehr gehörte, scheint aus den Putzresten und den Gründungspfählen belegt. Sicher ist, dass es um Frankfurt herum zwei aus unterschiedlichen Zeiten stammende Landwehre gab. Die erste, die sich auf die Staufermauer (um 1150) bezog, und eine zweite, die zur Stadtmauer des 14. Jahrhunderts gehörte.
Der Turm stand an einer strategisch günstigen Stelle. Nach Süden fällt das Gelände steil zur Stadt hin ab. Wahrscheinlich wurde der Turm nach der Stadterweiterung nicht mehr gebraucht. Er diente dann als Windmühle und später als Eiskeller der Nervenheilanstalt (ab 1864) Heinrich Hoffmanns. Im Neubau des Universitätsinstitutes bleibt der „Affenstein“ nun auch wieder unsichtbar.
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5.  Unterschicht

Ahornstraße, hohe Nummer

Griesheim, Ahornstraße
Droht Frankfurt einmal ein „Paris-Szenario“? Dazu bedarf es einer Mischung von Perspektivlosigkeit, sozialer Benachteiligung, Migrantenfamilien, Langeweile, ethnischer Konkurrenz, Jugendarbeitslosigkeit und Gewalt. Manche Namen werden in diesem Zusammenhang genannt: Sossenheim, Frankfurter Berg, Ben-Gurion-Ring, die Mainfeldsiedlung in Niederrad und „Im Heisenrath“ in Goldstein.
Als die „Bronx von Frankfurt“ galt lange Zeit die Ahornstraße in Griesheim. Dies war einer hohen Konzentration von Problemfamilien und Intensivtätern zu verdanken. Viele bestritten ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich durch Straftaten. 1988 etwa registrierte die Feuerwehr eine größere Serie von Brandstiftungen in sechs verschiedenen Häusern. Polizei und Feuerwehr wurden Opfer von Angriffen. Die „Ahorn-Boys“ errichteten Straßensperren und forderten Wegezoll. Ein Kultobjekt dieser Szene, wie auch anderer Gesellschaftsschichten, ist das Auto. Es dient zu wilden Verfolgungsfahrten. Autos der Gegner werden gerne schon einmal schrottreif geschlagen. Firmen für Autozubehör waren deshalb ein beliebtes Objekt von Einbrüchen. 1993 gab es den ersten Toten, das Opfer eines Bandenkrieges, erschossen mit einer Kleinkaliberwaffe. Der Tote hieß Kai Uwe Gärtner. In diesem Jahr erhielt der Stadtteil den Namen „Frankfurter Bronx“.
Das Quartier war zwar auf dem Weg, die „Frankfurter Bronx“ zu werden, doch ist es heute dort recht friedlich. Gelbe Häuserblocks reihen sich unspektakulär aneinander. Balkone stehen in der Sonne, verziert mit Satellitenschüsseln, Markisen und Sonnenschirmen.
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6.  Unbenannt

Das AIDS–Memorial „Verletzte Liebe“

Innenstadt, Peterskirchhof, Bleichstraße, Stephanstraße
Ein Barbesitzer, ein Flugbegleiter und ein Mann aus Darmstadt waren 1982 die ersten namentlich Bekannten, die in Frankfurt an AIDS starben. Menschen, die an AIDS starben, wurden lange Zeit häufig von ihren Familien ohne jeden Bezug zu ihrem bisherigen Leben eilig verscharrt oder bestenfalls ohne Aufsehen beerdigt. Der Trauer und dem Gedenken einen Ort mitten in Frankfurt zu geben, war das Ziel einer Initiative, die den Künstler Tom Fecht 1994 mit der Gestaltung der Gedenkstätte auf dem Peterskirchhof beauftragte. Das dortige Gräberfeld ist einer der ältesten in Frankfurt existierenden Friedhöfe. In der Mitte der Stadt entstand schließlich der Gedenkort „AIDS-Memorial – Verletzte Liebe“.
In die Stützmauer der Peterskirche wurden 1994 575 Nägel in Erinnerung an die bisher an AIDS gestorbenen Frauen und Männer eingelassen. Jedes Jahr zum Welt-AIDS-Tag, am 1. Dezember, werden weitere Nägel für die im Jahr zuvor Verstorbenen in die Wand geschlagen. Die unterschiedlich gestalteten Nägel sollen etwas von der Individualität der Verstorben aufscheinen lassen. Inzwischen sind über 1000 Nägel in diese Wand des Todes eingelassen, die jeweils für einen Menschen stehen, der in Frankfurt an AIDS gestorben ist.
Der Nagel wurde von dem Künstler gewählt, weil er Verletzung und Hinrichtung symbolisiert. Die Kreuzigung war die Strafe für eine andere religiöse, weltanschauliche oder politische Lebensführung und Gesinnung. Ein Nagel hinterlässt am Körper eines Menschen ein Wundmal oder Stigma. Die Nägel sind „unbenannt“.
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7.  Undemokratisch

Alte Gasse

Innenstadt, Alte Gasse
In der Alten Gasse 24 gelegen, ist die „Krawall-Schachtel“ aus dem Jahre 1546 eines der alten Fachwerkhäuser Frankfurts. Schon immer beherbergte es eine Gaststätte. Das kleine Gebäude war Herberge der in Frankfurt absteigenden Fuhrleute. Die Alte Gasse war der letzte Teil der innerstädtischen nordsüdlichen Durchfahrt, die von der Alten Brücke in die Fahrgasse, über die Konstablerwache, die Große Friedberger Straße und die Alte Gasse zum Friedberger Tor aus der Stadt herausführte.
Den Namen „Krawall-Schachtel“ erhielt das Gebäude in den 1830er Jahren, als sich hier die Krawaller des Vormärz trafen. Demokratisch gesonnene Studenten und Arbeiter planten, die beiden Frankfurter Wachen zu stürmen, um sich dort zu bewaffnen. Dann wollten sie die Gesandten der deutschen Fürsten, die im Palais Thurn und Taxis tagten, festnehmen. Dies sollte das Signal einer demokratischen Erhebung in ganz Deutschland werden. Der Plan wurde verraten und scheiterte. Die Studenten hatten neun Tote zu beklagen.