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Inhalt

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

Epilog

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2016 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-99048-131-8

ISBN e-book: 978-3-99048-132-5

Lektorat: Dr. Annette Debold

Umschlagfoto: Ljupco Smokovski | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

1. Kapitel

Bereits in vorweihnachtlicher Stimmung, schlenderte die neue Bürgermeisterin von Port Charlotte, Kirstin Sinclair-Martin, die Hauptstraße entlang. Begeistert betrachtete sie den Aufschwung der Fußgängerzone. Ihr Wahlversprechen, welches dazu beigetragen hatte, die Wahl zu gewinnen, wurde mit viel Elan umgesetzt. Verzückt blieb sie vor den Auslagen der alteingesessenen und kürzlich eröffneten Geschäfte stehen, und überlegte, welche Branchen noch in Planung waren. Sie freute sich auf jeden Neuzugang. Ihr Konzept hatte sich bewährt. Die Umgestaltung der Hauptstraße in eine Fußgängerzone hatte viele Bürger angezogen.

Überhaupt hatte sich im letzten Jahr viel in ihrem Heimatort verändert.

Genau genommen begann der Aufschwung vor drei Jahren, als ehemalige Schulfreundinnen ein zehnjähriges Klassentreffen organisierten. Viele Exschüler aus verschiedenen Bundesstaaten hatten daran teilgenommen, und einige waren sogar nach Port Charlotte zurückgekehrt.

Die Clique, bereits zu Schulzeiten beste Freunde, gründete damals die Stiftung The Magic Company, die ziemlich rasch kleine Veränderungen bewirkte.

Das erste Projekt der Organisation war der Kauf einer alten, nicht mehr genützten Orangenplantage mit sechs baufälligen Häusern und einem entlegenen Cottage. Vier der Bungalows waren mit Spenden und dem Erlös verschiedener Benefiz-Veranstaltungen renoviert und vermietet worden. Allerdings musste jeder der Mieter sich zu einem bestimmten Beitrag in Form einer Mithilfe verpflichten. Die Bewohner waren ein Mix aus Jung und Alt. Dieses Konzept funktionierte hervorragend, und in der Zwischenzeit konnte sich Sunshine-Manor alleine erhalten; es war sogar die Sanierung der restlichen zwei Häuser in Planung.

Das nächste Projekt war die Renovierung des örtlichen Waisenhauses gewesen. Zusätzlich unterstützte die Stiftung viele bedürftige Menschen.

Kirstin konnte mit gutem Recht behaupten, dass die Stadt Fortschritte aufzuweisen hatte, seit sie im Amt war. Viel verdankte sie den Stiftungsmitgliedern, die mit ihr an einem Strang zogen. Deshalb konnte sie sich voll und ganz auf ihr nächstes, mit einigen Bürgern von Port Charlotte beabsichtigtes Vorhaben, den Bau eines Hotelkomplexes, konzentrieren. Ein weiteres Projekt, der Bau eines Konferenzzentrums, musste leider noch warten. Aber es würde definitiv durchgeführt werden.

Gleich anschließend an ihren Bummel durch die Fußgängerzone machte sie sich auf den Weg nach Eden, wo sich heute endlich alle Interessenten und Investoren der Hotelanlage zu einer ersten Besprechung trafen, damit das Bauvorhaben schließlich umgesetzt werden konnte. Letztendlich war die Gemeinde Port Charlotte, dank Kirstins Wahlsieg, Teil dieses Kartells und somit Miteigentümer. Wenn die Investoren sich heute einig wurden, konnte der Bau zügig beginnen. Kirstin schritt schneller aus, damit sie eine der Ersten auf Eden war, um die neuen Finanzleute ungestört vorab in Augenschein nehmen zu können. Sie machte sich gerne in aller Ruhe ein Bild von den Menschen, mit denen sie in Zukunft zusammenarbeiten würde. Voller Tatendrang stieg sie auf dem Parkplatz am Ende der Fußgängerzone in ihr Auto.

Eines dieser Teammitglieder tigerte nervös im Hideout, einer Wellness-Anlage, auf und ab, und versicherte sich ständig, der Aufgabe gewachsen zu sein, die sein langjähriger Freund Carlo Daniels ihm trotz seiner Vergangenheit zutraute.

Erst vor einer Woche war er am Privatflughafen von Eden gelandet. Für Anthony Dexter bedeutete dieses Nachhausekommen eine Chance auf einen Neuanfang.

Als Carlo entschieden hatte, sich am Hotelkomplex zu beteiligen, beauftragte er einen weiteren Schulfreund, Cole Jameson, den Inhaber einer Privatdetektei, den Aufenthaltsort ihres gemeinsamen Jugendfreundes Anthony Dexter auszuforschen. Anthony war nach Problemen mit seiner Frau untergetaucht. Sobald Cole ihn gefunden hatte, flog Carlo zu Tony und hatte eine ernste Unterredung mit ihm. Carlo stelle ihm einen Job in Aussicht, sollte er sich entscheiden, sein Leben, mit Unterstützung seiner Freunde, wieder in den Griff zu bekommen. Kyle McBride, ein weiterer Kumpel aus der Clique, sagte zu, Anthony im Hideout, einer Wellness-Oase, aufzunehmen, und Christabel Wild, die Kurärztin, versprach, ihn während einer Entziehungskur zu betreuen. Carlo versicherte Tony, dass er für dieses Bauvorhaben gebraucht wurde, weil er genau der Richtige war. Er gehörte hier in seine Heimatstadt. Alle seine ehemaligen Schulkameraden würden ihn, ohne viele Fragen zu stellen, unterstützen. Er war immer noch ihr Freund, verbürgte sich Carlo.

Nach diesem ernsthaften, Mut machenden Gespräch verließ Carlo Tony wieder, denn er hatte zur Bedingung gemacht, dass Tony seine Entscheidung ganz alleine, ohne Beeinflussung treffen musste.

In einem hellen Moment war Tony endlich bereit gewesen, Hilfe anzunehmen. An diesen Flug erinnerte er sich wie an einen Meilenstein in seinem Leben. Er hatte neben Carlo, mit Grant Jameson als Pilot, in dessen Jet gesessen. Mit Unbehagen dachte er an das peinliche Wochenende, als Grant und Carlo ihn nach seinem Hilferuf in einem kleinen Nest in Louisiana, wo er sich verkrochen hatte, aufgelesen hatten. Nach einer furchtbaren Nacht war er noch nüchtern genug gewesen, um sich an Carlos Angebot zu erinnern. Er hatte endlich eingesehen, dass er dringend Hilfe benötigte. Er wollte so nicht weiterleben und rief Carlo an.

Und seine Freunde waren zur Stelle gewesen.

Carlo zögerte nicht eine Sekunde seinen Freund nach Port Charlotte zu holen. Anthony Dexter war einmal ihrer aller Vorbild gewesen. Er war drei Schulklassen über ihnen zur Schule gegangen und hatte im Laufe der Jahre alle Auszeichnungen, die möglich waren, gewonnen. Ob schulische Diplome oder sportliche Trophäen, Tony hatte sie alle eingeheimst. Nach dem Studienabschluss mit summa cum laude wurde er einer der bestbezahlten und begehrtesten Architekten im Lande. Um sein Glück vollkommen zu machen, heiratete er bald nach dem Beginn seines Karriere-Booms eine texanische Ölprinzessin, und alle beneideten ihn um seine Karriere und seine Frau.

Leider war ihm das Glück nicht hold geblieben. Bis heute hatte Tony mit niemandem darüber gesprochen, was genau geschehen war. Bekannt waren jene Probleme zwischen ihm und seiner Frau, die in allen möglichen Zeitschriften breitgetreten wurden, gespickt mit entsprechenden Kommentaren seines Schwiegervaters, der auf den Ehemann seiner Tochter bitterböse war, als der nicht mehr nach seiner Pfeife tanzte. Anthony begann zu trinken, und seine Eskapaden wurden landesweit in den Medien erörtert. Schließlich warf seine Frau ihn aus ihrem Elternhaus, wo sie mit ihm und ihren beiden Kinder wohnte, hinaus, behielt die Kinder und drohte mit Scheidung.

Daraufhin tauchte er unter. Zuerst beabsichtigte er nur den Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, und später verhinderte er damit, dass ihm die Scheidungspapiere zugestellt werden konnten. Leider fiel er in ein tiefes schwarzes Loch und betäubte seinen Schmerz mit Alkohol.

Nachdem er um Hilfe gebeten hatte, war er gerührt gewesen, als Carlo mit Grant Jameson, dem Besitzer eines privaten Charterbetriebes, zu seiner Rettung nach Louisiana kam. An diese Begebenheit erinnerte er sich nur verschwommen. Sie trafen ihn völlig verwahrlost, übernächtigt und mit einem Kater in einer heruntergekommenen Absteige. Seine armseligen Sachen waren schnell zusammengepackt. Schwieriger war es, ihn auf die Beine zu bringen, doch mit einem ordentlichen Frühstück und einer Menge schwarzem Kaffee gelang es den beiden endlich, Tony ins Flugzeug zu verfrachten. Dort schlief er bis zur Landung, was bei dem Kaffeekonsum schon sehr verwunderlich war. Aber alles, was zählte, war, dass er sich entschieden hatte, ein neues Leben zu beginnen.

Froh, dass sich Tony endlich aufgerappelt und einem Entzug zugestimmt hatte, plante Carlo die nächsten Schritte. Auf jeden Fall würde Anthony im Wellness-Hideout die notwendige Hilfe erhalten. Nicht nur für Tony würden die nächsten Wochen anstrengend werden. Auch Carlo erwarteten turbulente und stressige Tage. Endlich trafen sich alle Interessenten auf De Angelos Eden zu einem ersten Kennenlerngespräch. Dominic, das Familienoberhaupt der De Angelos, hatte für ihr erstes Meeting mit dem Gremium sein Heim zur Verfügung gestellt. Carlo hatte bei seinem Interesse am Hotelprojekt gebeten, den Architekten, der die Planung übernahm, vorschlagen zu dürfen, ohne Anthonys Namen zu erwähnen. Er hoffte damals inständig, dass sein Freund sich bis dahin aufgerappelt hätte.

Seit diesem Gespräch hatte sich einiges verändert. Tony hatte sein sich gegebenes Versprechen gehalten und seither keinen Tropfen Alkohol angerührt. Natürlich war er nicht geheilt, aber er hatte derzeit einen klaren Kopf, und er hatte fleißig gearbeitet.

Anthony erinnerte sich an die Zweifel, die er damals Carlo und Grant gegenüber vorbrachte.

„Wenn ich mit dem Entzug beginne, werde ich zu nichts zu gebrauchen sein!“, gab er zu bedenken.

Selbstverständlich hatte Carlo Tonys Krankheit berücksichtigt.

„Deshalb schauen wir uns gleich morgen früh das Grundstück an“, entschied er. „Du bekommst einen Laptop mit den notwendigen Programmen und ein Handy. Wann immer dir danach ist, kannst du arbeiten, wenn du Ruhe möchtest, hänge das Schild ‚Bitte nicht stören‘ vor die Tür, und schalte das Telefon ab. Wenn du Gesellschaft möchtest, rufe einen von uns an, wenn du Hilfe brauchst, wird Christabel oder einer der Masseure immer für dich da sein. Auf Wunsch werden dir deine Lieblingsgerichte gekocht. David, der musikalische in der Clique, besorgt dir Musik, die dich entweder beruhigt, aufbaut oder beflügelt, was immer du brauchst. Und obendrauf werden die magischen Hände der Masseure deine Schmerzen wegzaubern. Brad Lewis steht dem Hideout als Psychologe zu Verfügung. Mit ihm kannst du jederzeit reden“, versicherte ihm Carlo.

„Danke von ganzem Herzen, das werde ich euch mein Leben lang nicht vergessen, und ich enttäusche euch bestimmt nicht.“

„Es ist nur wichtig für dich, dass du nicht scheiterst“, versicherte Carlo.

„Ich habe mir vorgenommen, einen Schritt nach dem anderen zu tun, von Tag zu Tag zu leben und nicht weiter vorauszuplanen. Ich bin überzeugt, dass ich es durchstehe.“

Ein unbändiger Wille hatte ihn trotz seiner Besorgnisse durchhalten lassen. Und heute war die Feuertaufe. Er würde der Investorengruppe seine Pläne vorlegen und war gespannt, ob sie zustimmen oder ablehnen würden. Obwohl ihm Carlo immer wieder versicherte, welch großartige Arbeit er geleistet hatte, fühlt er sich unsicher. Er wünschte sich so sehr einen Drink, dass es schmerzte. Zur Beruhigung machte er einige Atemübungen, die Christabel ihm beigebracht hatte. Es wird schon gut gehen, betete er wie ein Mantra vor sich hin. Viel Zeit zum Grübeln blieb ihm nicht, denn Carlo holte ihn bereits ab, um nach Eden zu fahren.

„Na, Frau Bürgermeisterin“, begrüßte Dominic De Angelos, der Hausherr von Eden, Kirstin. „Ich habe mir schon gedacht, dass du überpünktlich sein wirst.“

„Bin ich so leicht zu durchschauen?“, grinste diese. „Immerhin habe ich lange auf den Moment hingearbeitet. Fast zweifle ich daran, dass wir endlich loslegen können. Wenn ich mit meinen eigenen Augen alle Investoren gesehen habe, fällt mir ein Stein vom Herzen. Verrätst du mir endlich, wer sich angesagt hat und ob auch wirklich alle hier sind?“

„Na gut, damit du dich beruhigst. Mein Sohn Travis als Schirmherr und Vertreter der De Angelos und natürlich Cade Jameson, der Carlos Hotels leiten würde“, begann er aufzuzählen. „Carlo bringt Anthony Dexter mit, und auf einige warten wir noch.“

Dominic geleitete Kirstin ins Haus. Nach einer allgemeinen Begrüßung seufzte Kirstin. „Mein Gott, ich flippe gleich aus, wenn die angesagten Interessenten nicht bald auftauchen!“

Dominic schaute sie lächelnd an. So war Kirstin eben, ein Hansdampf in allen Gassen. Kirstin trat auf die Terrasse, von welcher die Zufahrt überblickbar war. Suchend schirmte sie mit ihrer Hand ihre Augen ab. Nach einer gefühlten Ewigkeit stieg ein attraktiver Mann mit einer jungen Lady im Schlepptau aus einem Auto aus, gleichzeitig trafen auch Carlo und Anthony ein.

„Du zerspringst gleich vor Neugierde“, zog Dominic sie auf. „Das ist Charles McGrawth“, deutete er auf den Ankömmling. „Die junge Dame kenne ich nicht. Die weiteren Interessenten, Amandas Internatsfreundinnen, sind schon gestern angekommen. Ich habe sie zwar noch nicht getroffen, aber gehört. Sie befinden sich oben in den Gästezimmern. Wahrscheinlich quetscht meine Tochter sie aus wie eine Zitrone. Ich werde sie holen, bevor du noch hyperventilierst“, lachte Dominic. Kurz abgelenkt durch das Erscheinen von Mr McGrawth wartete er ab.

„Entschuldigen Sie unsere Verspätung. Irgendwie hat sich seit unserer Kindheit vieles verändert, und wir haben uns verfahren“, gab Charles unbefangen zu und streckte Dominic zum Gruß die Hand entgegen. „Aber nun bin ich bereit, mich ganz den Geschäften zu widmen. Lady, Gentleman, darf ich Ihnen meine Schwester Mathilde, sie bevorzugt es aber, Mattie gerufen zu werden, vorstellen? Sie hat vor, sich indirekt am Hotelprojekt zu beteiligen. Ihre Absicht wird sie Ihnen zu gegebener Zeit gerne erklären.“

„Nett, sie beide kennenzulernen, folgen Sie mir bitte in mein Arbeitszimmer, wir warten noch auf eine junge Lady“, wies Dominic ihnen den Weg.

Da kam auch schon Amanda, Dominics Tochter, mit zwei ihrer langjährigen Freundinnen, Zimmergenossinnen aus dem Schweizer Internat, auf sie zu. „Kirstin“, nickte sie der Bürgermeisterin zu. Dann wandte sie sich an ihren Vater: „Dad, du erinnerst dich noch an meine Freundinnen Tara Hutton und Kate Midway?“

„Natürlich, aus den kleinen Mädchen sind aber wunderschöne junge Damen geworden. Wie meine Amanda auch“, schmeichelte er den Mädchen. „Welche der beiden Damen möchte nun bei unserem Hotelprojekt mitmachen?“

„Ich habe meine Absicht geändert, aber das ist ein klein wenig kompliziert“, erklärte Kate. „Wir haben beide“, sie deutete auf Tara und sich, „einen großen Scheck mitgebracht, wobei ich auf der Fahrt vom Flughafen durch Ihre wunderschöne Landschaft, Mr De Angelos, meine Meinung geändert und umdisponiert habe. Ich möchte mir einen anderen Traum erfüllen. Aber Tara will in das Hotelprojekt einsteigen.“

„Und was haben die De Angelos und Port Charlotte mit dem Meinungsumschwung zu tun?“, fragte Dominic neugierig.

„Das besprechen wir in Ruhe ein anderes Mal“, schlug Kate vor. „Wenn mein Großvater auch noch nicht weiß, dass ich sein Geschenk nicht in das Hotelprojekt investieren werde.“

„Kate, ich darf doch noch Kate sagen?“, erkundigte sich Dominic. „Gerne höre ich mir deine Idee an. Heute aber kümmern wir uns um das Hotelprojekt. Tara, ich darf dich doch noch Tara nennen?“, wandte er sich nun an die zweite Freundin von Amanda. „Herzlich willkommen. Ich überlasse es dir, dich selbst vorzustellen und die Anwesenden zu überzeugen, dass du die richtige Geschäftspartnerin bist.“

Selbstbewusst betrat Tara den Raum, neigte huldvoll den Kopf und setzte sich auf einen freien Stuhl. Ganz Südstaatenschönheit, entschied Carlo für sich. Nicht schlecht.

„Da wir vollzählig sind“, bemerkte Travis, „beginnen wir.“

„Endlich“, murmelte Kirstin vor sich hin.

„Ich schlage vor, obwohl einige von uns sich bereits kennen, stellen wir uns den anderen vor. Jeder erzählt einfach, warum er bei diesem Projekt mitmachen will und was seine Vorstellungen sind. Danach erklärt uns Carlo das Konzept, und wenn alle mit diesen Bedingungen einverstanden sind, können wir die nächsten Schritte festlegen“, schlug er vor.

„Gestatten Sie, dass ich Ihnen eine Frage stelle?“, warf Tara ein. „Mr De Angelos …“

„Travis“, unterbrach er sie. „Bitte nennen Sie mich Travis.“

„Travis, wir durften gestern Ihr Imperium besichtigen. Ihr Bruder stellt sich der Wahl zum Gouverneur von Florida, Sie besitzen eine Internetfirma, Ihr Bruder Rick ist Tierarzt und Ihr Bruder Lucas betreibt einen Teil der Farm. Warum haben Sie Interesse an einem Hotelprojekt, welches weder Sie noch ein anderes Mitglied Ihrer Familie leiten möchte?“

„Erstens“, antwortete Travis, „gehört, wie gesagt, ein Teil des Landes, auf dem die Hotels errichtet werden, meiner Familie, und wir sehen es als unsere Pflicht an, sicherzustellen, dass es nach unseren Vorstellungen bebaut wird. Zweitens haben wir großes Interesse an unserer Heimatstadt und sind dagegen, dass große Konzerne mit riesigen Glashochhäusern unsere Landschaft verschandeln, und drittens gefällt uns das Konzept von Carlo ausgezeichnet. Es ist einmal etwas anderes, Neues auszuprobieren und für die Bürger in Port Charlotte Arbeitsplätze zu schaffen und gleichzeitig unsere Stadt für den Fremdenverkehr attraktiv zu machen, jedoch nicht für den Massentourismus“, schwächte er ab. „Noch Fragen?“

„Nein, danke.“ Mit einem unnachahmlichen Kopfnicken fühlte Travis sich wie ein Untergebener entlassen. Er lächelte in sich hinein. Diese Schönheit war für allerhand Überraschungen gut.

„Carlo, möchtest du weitermachen?“, übergab Travis das Wort an Carlo.

„Gerne, ich bin Carlo Daniels von Daniels Industries. Ich bin hier in Port Charlotte aufgewachsen, lebte aber mehr als zehn Jahre in Italien und leitete von dort aus auch mein amerikanisches Unternehmen. Bis jetzt hat Daniels Industries noch nicht in Hotels investiert. Schon als ich auf The Magic Company aufmerksam wurde, bekam ich wieder an meiner Heimatstadt Interesse. In der Zwischenzeit habe ich hier einen Wohnsitz und pendle mit meiner Familie zwischen Italien und Port Charlotte hin und her. Als uns Kirstin von ihrer Wahlkampfidee erzählte, überlegte ich mir ein Konzept und beschloss, falls dieses Gefallen findet, einzusteigen. Ich werde keines dieser Hotels leiten. Dafür habe ich Cade Jameson anwerben können. Er ist der Fachmann. Überdies gehört Anthony Dexter zu meinem Team, er ist der Architekt, der meine Ideen umsetzen wird. Und somit gebe ich das Wort an Cade weiter.“

„Carlo hat mich ja schon vorgestellt. Ich habe bis jetzt ein Hotel auf den Bahamas geleitet. Da aber Port Charlotte auch meine Heimatstadt ist, haben mich meine Brüder über dieses Konzept informiert und mich überredet hier mitzumachen. Ich werde Carlos Hotels leiten. Ehrlich gesagt ist einer der Hauptgründe, Carlos Angebot anzunehmen, dass meine Frau schon vor mir nach Port Charlotte zurückgekehrt ist und wieder hier leben möchte. Ausschlaggebend war aber Carlos Konzept. Es hat mich felsenfest überzeugt, dass hier meine Zukunft liegt. Ich freue mich auch schon auf eine Zusammenarbeit mit Tony.“

„Ich nehme an, das war mein Stichwort“, meldete sich nun Tony. „Welcher Zufall, dass auch ich ursprünglich aus Port Charlotte stamme; ich lebte aber nach Beendigung meiner Ausbildung als Architekt in Dallas.“ Nervös schaute er in Taras und Charles Richtung. „Ich möchte zu Ihnen allen vollkommen ehrlich sein. Ich habe mein Unternehmen in Dallas verwirtschaftet und bin noch dazu alkoholabhängig. Ich bin aufgrund von Carlos Angebot, aber auf eigenen Wunsch hier, um in meiner Heimat nochmals von vorne zu beginnen. Ich bin überzeugt, dass ich gute Arbeit leisten kann. Ich habe bereits alle nötigen Vorbereitungen getroffen. Wenn alle Ideen abgewogen und angenommen sind, werde ich für die Umsetzung wieder fit und voll einsatzfähig sein. In meinem Kopf und Laptop sind schon konkrete Entwürfe entstanden. Ich bin überzeugt, dass hier unter so vielen Freunden, die mir das Gefühl geben, dazuzugehören, meine Kreativität zurückkehrt. Mir ist auch bewusst, dass es nicht einfach sein wird, aber ich bin fest entschlossen, mein Leben zu ändern.“

„Sollte ich mich entschließen mitzumachen, haben Sie meine Stimme“, sagte Tara laut und deutlich. Die Lady weiß, was sie will, war Travis angenehm überrascht.

„Danke“, sagte Anthony zu Tara. „Nun sind Sie an der Reihe uns zu überzeugen.“

„Mein Name ist Tara Hutton. Ich habe durch meine Freundin Amanda De Angelos von diesen Plänen erfahren. Ich möchte niemanden überzeugen“, stellte Tara richtig. „Ich bin hier, weil ich an einem guten Konzept interessiert bin und die finanzielle Grundlage mitbringe. Es liegt an Ihnen zu entscheiden, ob Sie mich als Partner akzeptieren, sollte ich noch immer der gleichen Meinung sein, nachdem ich Ihren ungewöhnlichen Entwurf kennengelernt habe.“

„Würden Sie uns trotzdem Ihre Beweggründe wissen lassen?“, fragte Carlo höflich.

„Meine Familie, Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten besitzen in Louisiana und Carolina eine Kette von Bed-and-Breakfast-Motels. Einerseits gefällt mir, wie diese in alter Tradition geführt werden, andererseits ist meine Familie nicht für moderne Änderungen offen. Deshalb suche ich eine Möglichkeit, meine eigenen Vorstellungen umzusetzen. Als ich durch Amanda von diesem Hotelprojekt erfuhr, dachte ich, da könnte ich dazu passen.“

„Und was genau sind Ihre Absichten?“, fragte Travis nach.

„Ich möchte ein Südstaatenhotel, wo noch traditionelle Gastfreundschaft gepflegt wird. Wo gestresste Menschen sich bei unserer legendären Gastlichkeit erholen können, jedoch nicht auf moderne Bequemlichkeiten verzichten müssen. Ich habe Pläne mit für ein mittelgroßes Hotel, das ich selber leiten möchte.“ Danach sah Tara sich um, ob es noch weitere Fragen gab.

Nachdem die Anwesenden zustimmend nickten, war Charles an der Reihe. „Noch eine sonderbarere Fügung“, lächelte er. „Mathilde und Charles McGrawth. Auch wir sind in Port Charlotte aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach dem Tod unserer Eltern haben uns unsere Großeltern zu sich nach England genommen, um uns unsere Eltern zu ersetzen und streng über unsere Ausbildung zu wachen.“

Nun fuhr Mattie fort: „Unser Großvater besitzt in England einige Hotels im Stil eines englischen Landhauses. Nachdem wir schon als Teenager in den Ferien mitarbeiten mussten, haben wir beide natürlich das Hotelgewerbe von der Pike auf gelernt.“

„Nun, unser Großvater, der eher im Alter so mancher Väter ist, fühlt sich noch zu jung, um in den Ruhestand zu treten.“ Charles dachte mit Freude an seinen Großvater und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Er meint, seine Urenkel haben da mehr Chancen als wir, einmal sein Imperium zu übernehmen. Daher gab er uns genügend Startkapital und schickte uns in die weite Welt. Er verlangt nur, dass wir umsetzen, was wir bei ihm gelernt haben. Im Internet bin ich schon auf das Wellness-Hideout neugierig geworden. Als ich aber dann über Freunde von diesem Hotelprojekt erfuhr, beschlossen wir, mit Mr De Angelos in Kontakt zu treten. Ich habe Pläne für ein englisches Landhaus mit all seinem Charme mitgebracht, das auch ich gerne leiten würde.“

„Und was würde Ihre Aufgabe sein, Mathilde?“, fragte Travis. „Möchten Sie noch ein zweites Hotel leiten?“

„Nein“, beteuerte Mattie. „Ich habe zwar auch in den Ferien vom Geschirrspülen bis zum Reservierungsschreibtisch alles durchgemacht, jedoch nicht die Hotelfachschule besucht. Ich bin Schmuckdesignerin, eine sehr gute. Charles würde mir in seinem Hotel eine kleine Boutique einrichten, denn ich bin voller Ideen und Energie, den amerikanischen Markt zu erobern.“

Kirstin vibrierte nur so vor Energie. Diese Menschen entsprachen genau ihrer Vorstellung. Junge, unternehmungsfreudige Unternehmer, voller Tatendrang, die bereits viele gute Ideen hatten. Es war an der Zeit, dass sie nun das Wort ergriff.

Lächelnd blickte sie in die Runde. „Wie Sie höchstwahr­scheinlich bereits erraten haben, bin ich Kirstin Sinclair-Martin, die Bürgermeisterin. Dieses und ein weiteres Konzept, dessen Umsetzung noch warten muss, waren Teil meiner Wahlkampagne. Ich bin so froh, dass wir das Hotelprojekt endlich angehen können. Also ich vertrete die Gemeinde, die ein Teil der Eigentümergemeinschaft ist. Demgemäß auf gute Zusammenarbeit, denn ich bin überzeugt, dass wir hier alle am gleichen Strang ziehen.“

„Um allen eine Entscheidung zu erleichtern, wird Travis nun die Idee dahinter vorstellen. Danach kann jeder seine noch offenen Fragen an jeden von uns richten. Ich bitte Sie aber, heute noch keine Entscheidung zu treffen. Schlafen Sie wenigstens eine Nacht darüber. Danach treffen wir uns wieder und konkretisieren das Unternehmen.“ Auffordernd nickte Dominic seinem Sohn zu.

„Diesen Entwurf haben Carlo und ich ausgearbeitet. Wie schon erwähnt, wird der Hotelkomplex auf einem Teil unseres Landes gebaut. Ein Stück Grund gehört Carlo, eine Parzelle unserem abgetretenem Bürgermeister privat, und einige Hundert Hektar des benötigten Landes besitzt unsere Gemeinde. Dadurch, dass Kirstin die Bürgermeisterwahl gewonnen hat, hat sie wie angekündigt entschieden, dass die Gemeinde Miteigentümer bleibt und den Grund in die Holding einbringt.“

„Entschuldige, wenn ich dich unterbreche. Mir fällt nur gerade ein, meine Frau hat bereits den perfekten Namen vorgeschlagen“, meldete sich Cade. „Jedermann-Resort!“

„Das passt“, stimmte Dominic zu.

„Ich suche mir für mein Hotel einen eigenen Namen aus“, warf Tara ein.

„Das können Sie gerne“, stimmte Travis zu. „Jedoch wird es kein Südstaatenanwesen geben, das alleine Tara Hutton gehört“, informierte sie Travis.

Tara wollte sich erheben.

„Ich denke, Sie sollten so lange sitzen bleiben, bis Sie den gesamten Entwurf gehört haben, oder haben Sie so rasch Ihr Interesse verloren?“, fragte Carlo.

Wortlos setzte sich Tara. Ein Blick zu den McGrawth-Geschwistern versicherte Carlo, dass beide sehr gespannt waren. „Die Holding plant derzeit vier Hotels. Zwei, die Carlo einbringt und Cade leitet. Ihre beiden“, wandte er sich an Tara und Charles „können problemlos integriert werden. Eines davon wird ein familienfreundliches Anwesen. Dazu kommt ein romantischer italienischer Palazzo für Flitterwochenpaare. Zwei der Hotels werden durch eine Einkaufsstraße verbunden. Dort bringen wir Geschäfte, wie Ihren Schmuckladen, Mattie, unter. Derzeit gibt es schon Anfragen einer Boutique und ein kleines Reisebüro, spezialisiert auf Familienausflüge und romantische Trips. Diese Geschäfte sind auch von der Straße aus zugängig.“ Carlo konnte seine Begeisterung nicht mehr zügeln. „In der Mitte werden die Hotels durch eine Gartenanlage verbunden. Wie würde Ihnen ein Pool mit Wasserfall oder ein Seerosenteich zu Ihrer südstaatlichen Gastfreundschaft gefallen, Ms Hutton?“, neckte er Tara.

„Darf ich weitererklären?“, bat Kirstin. „Das Anwesen, hier übernehme ich gleich mal den Namen Jedermann-Resort, gehört einer Holding. Jeder Investor erhält berechnet nach seiner Einlage Anteile des Gesamtprojektes und dementsprechende Ausschüttung. Ein noch zu vereinbarender Gewinnanteil geht an die Stiftung, The Magic Company, ein Teil an die Angestellten, bis zum letzten Glied in der Kette. Vom Manager bis zur Reinigungskraft, jeder wird beteiligt. Das sichert uns eine Zusammenarbeit aller, es gibt keine Konkurrenz im eigenen Unternehmen.

„Nun, Ms Hutton, noch interessiert?“, fragte Travis.

„Ihr Entwurf gefällt mir, Master De Angelos“, spottete sie in breitestem Südstaatendialekt. Damit war der Bann gebrochen. „Ich muss mich nur erst daran gewöhnen, dass ich Teilbesitzerin eines Hotelkomplexes sein werde, statt nur ein einfaches Südstaatenlandhaus zu besitzen.“ Sofort verbesserte sie sich. „Gentlemen, Sie werden meine Antwort wie versprochen beim nächsten Treffen erhalten. Sagen Sie mir nur wo und wann, und ich werde da sein.“

Carlo schaute zu den beiden Engländern. Die Geschwister hatten ein richtiges Pokergesicht aufgesetzt. „Auch wir halten uns an die Abmachung und teilen Ihnen unseren Entschluss zum vereinbarten Termin mit“, sagte Charles würdevoll. Doch die Art, wie seine Schwester aufgeregt seine Hand drückte, verriet ihre Begeisterung. Travis und Carlo waren überzeugt, dass sie die richtigen Teilhaber gefunden hatten. Sie waren jung, dynamisch, mit einschlägiger Erfahrung und genug Tatendrang und Fantasie, Neues auszuprobieren. Und das Wichtigste, alle verfügten über das nötige Kleingeld.

„Wir treffen uns dann am besten in ein paar Tagen zum Lunch im Country Club. Sollten Sie zusagen, begegnen Ihnen dort weitere Mitwirkende.“

Dominic gefielen die jungen Leute äußerst gut.

Die Familie De Angelos saß mit ihren Gästen gemütlich um den Küchentisch beim Abendessen. Die Unterhaltung drehte sich, wie nicht anders zu erwarten war, um das heutige Meeting. Tara hatte Kate gerade von den Geschwistern McGrawth erzählt. Wie sympathisch die beiden wirkten. „Du hättest ruhig an dem Treffen teilnehmen können“, war ihre Meinung. „Es waren faszinierende Personen anwesend.“ Dabei guckte sie unbemerkt zu Travis De Angelos.

„Ich weiß nicht“, murmelte Kate. „Ich wollte mich nicht vorstellen. Es wirkt stets so, als würde ich mit meiner Familie angeben. Es gefällt mir nicht, nach den Erfolgen und Besitztümern meiner Verwandtschaft gemessen zu werden.“

„Du hast aber wirklich keinen Grund, dich deiner Familie zu schämen“, meinte Dominic.

„Nicht im negativen Sinne. Ich bin sehr stolz eine Midway zu sein. Nur möchte ich nicht mit jedem meiner Geschwister über einen Kamm geschoren werden. Als ich mit Amanda, Tara und Sophie ein Zimmer im Internat teilte, hatten wir alle vier schon mit elf Jahren konkrete Vorstellungen von unserer Zukunft. Amanda wollte fliegen, Tara wollte ein eigenes Südstaatenhotel, wo sie das Sagen hatte, und Sophie wollte die Zeitung ihres Großvaters übernehmen. Das Unternehmen meiner Familie hat mich nie interessiert.“

„Und was wolltest du, Kate?“

„Ich wollte auch ein Hotel, aber ein Hotel für Kinder, wo Erwachsene nichts zu sagen haben. Ein Hotel, wo es nur Hamburger, Hot Dogs, Spaghetti, Donuts und Eiscreme zu essen gibt. Wo Pferde, Hunde und Katzen erlaubt sind, wo man in einem Garten die Blumen und Pflanzen anbauen darf, die man selber aussucht. Wo man die Schlafenszeit selber bestimmen darf. Wo Tanzen und dabei die Musik so laut aufzudrehen, wie man will, erlaubt ist, ohne dass man ermahnt wird. Eben ein Kinderparadies!“, schwärmte sie.

Schweigend schaute Kate von der Veranda über den Rosengarten. Dahinter schimmerte das blitzblaue Wasser eines Pools. Über das eine Ende führte eine weiße Brücke zu einem weißen Sommerpavillon. Weiter schweifte der Blick über blühende Wiesen, hinter denen man die Obsthaine nur erahnen konnte.

„Als ich gestern über euer wunderschönes Land ritt, erinnerte ich mich so stark an diesen Traum aus meiner Jugendzeit, dass ich es als einen Wink des Schicksals ansah. Die Umgebung und die Informationen, die ich erhielt, als ich Erkundigungen über The Magic Company eingeholt habe, weil Amanda mich ständig mit Lobeshymnen über die Stiftung bombardierte, haben mich neugierig gemacht. Ich bin überzeugt, Eden ist genau der richtige Platz für mein Kindercamp. Mr De Angelos, Dominic“, verbesserte sie sich nach seinem strafenden Blick, „ich möchte hier eine Ferienranch für Kinder eröffnen. Die Führung durch Ihren wunderbaren Besitz hat mir unbeschreibliche Möglichkeiten eröffnet. Ich hoffe aber sehr, dass du mir erlaubst, euch allen meine Idee professionell schmackhaft zu machen. Ich werde so lange wie nötig bleiben. Und Dominic, ich versichere dir, ich habe auch das nötige Kapital dazu.“ Verschmitzt lächelte sie Amanda und Tara an. „Das hier wäre genau der Ort, so ein Kinderparadies zu bauen. Ein großes, zweistöckiges Ranch-Haus mit kleinen Cottages, Ställe mit Pferden, einen Gemüse- und Blumengarten, all das sehe ich bereits vor mir. Am Fluss, der gemächlich dahinplätschert, stelle ich mir ein Seil an einem dicken Ast eines riesigen alten Baums hängend vor. Kinder, die daran schwingend, unter Lachen und Scherzen in den Fluss springen. Ich sehe Ausflüge ans Meer vor mir, Lagerfeuer, Ausritte am Strand und Tanzabende. Ich überlege mir aber auch, welche Pflichten die Kinder auf der Plantage übernehmen könnten. Zum Beispiel bei der Pflege der Tiere, in Ricks Zoo helfen oder Unterrichtsstunden bei Lucas auf seiner Kräuterfarm nehmen.“ Kate sprudelte nur so über vor Einfällen. „Deine Söhne würden doch mitmachen?“, fragte sie hoffnungsvoll.

„Langsam, Fräulein“, ermahnte Dominic. „Du hast ja bereits meine halbe Familie mit hineingezogen.“

Vor lauter Begeisterung ließ Kate sich nicht von ihren Aufzählungen abbringen. „Ich habe den Scheck, den mein Großvater mir mitgab, gestern eingelöst und ein Konto bei der hiesigen Bank eröffnet. Irgendwie werde ich ihm das schon erklären. Ich konnte ihn bis jetzt immer noch um meinen kleinen Finger wickeln“, gab sie beschämt zu. „Außerdem habe ich noch eine kleine Erbschaft von meiner Großmutter väterlicherseits. Wenn Sie also für Ihr Land einen annehmbaren Preis verlangen, könnte ich das Camp finanzieren“, redete sie aufgeregt weiter. Sie war nicht mehr zu bremsen. „Es gefällt mir, was ich über eure Stiftung gelesen habe. Sagen wir mal, ich würde immer ein paar Kinder kostenlos aufnehmen, so nach dem Robin-Hood-Prinzip, die Reichen zahlen für die Armen, damit engagiere ich mich doch in eurer Gemeinde!“ Kate breitete ihre Arme aus, als wollte sie die ganze Welt umarmen.

Um Kate vom Thema abzulenken, fragte Dominic: „Wo ist übrigens eure Vierte des vierblättrigen Kleeblattes, Sophie?“

„Das ist eine traurige Geschichte, die erzähle ich ein anderes Mal. Ich habe stark gehofft, sie hier bei ihren Großeltern zu treffen“, berichtete Kate.

„Ich habe schon eine Ewigkeit nichts von Sophie gehört“, wunderte sich Tara.

„Nun, ihr Großvater ist bereits vor einigen Jahren gestorben, und ihre Großmutter wohnt mit ihrer Schwester in Sunshine-Manor, nachdem David Day das Thornton-Anwesen gekauft hat.“

„Dominic, wie kann ich dich von meiner Idee überzeugen?“ Kate blieb hartnäckig bei ihrem Vorhaben.

Dominic tätschelte ihre Hand. „Warten wir erst mal ab, wie die Entscheidung für das Hotelprojekt ausfällt. Wie viel meines Landes ich dort investieren muss. Danach erläuterst du uns deinen Plan nochmals bei einer der nächsten Zusammenkünfte von The Magic Company. Natürlich müssen meine Familie und ich uns noch beraten, aber ich denke, eine Verbündete wirst du sofort haben, nämlich Lucy, unsere Jüngste. Wenn sie von deinem Camp hört, wird sie sofort dort einziehen wollen.“

„Nun, dann muss ich mich wohl an Lucy halten und sie als Erste bezirzen. Wo ist sie überhaupt?“

„Bei Freunden. Und Kate, untersteh dich, ihr Flausen in den Kopf zu setzen. Sie ist so schon schwerer als ein Sack Flöhe zu hüten; wenn sie auch noch spürt, dass sie uns zu etwas überreden soll, wird es gar nicht mehr mit ihr auszuhalten sein.“

„Ich verspreche Lucy nicht zu beeinflussen, wenn du versprichst, dir alles ernsthaft zu überlegen. Allerdings“, schränkte sie ein, „werde ich Amanda beknien.“ Sie zwinkerte ihrer Freundin verschwörerisch zu, bevor sie aufstand und davontänzelte.

Travis beobachtete Tara, die sich mit seiner Schwester Amanda unterhielt. Sie gefiel ihm immer besser, je öfters er mit ihr debattierte und je länger er sie betrachtete. Er bewunderte ihren Geschäftssinn und freute sich über ihre Unvoreingenommenheit Anthony gegenüber. Er sah ihre Lebensfreude und bewunderte ihren sprichwörtlichen Südstaatencharme, obwohl sie sich alle Mühe gab, vornehm und gelassen zu wirken.

Schon immer war Travis von Anthonys Bauten begeistert. „Ich freue mich auf Tonys Vorschläge“, meinte er. „Er ist ein Toparchitekt.“

„Ja, als Anthony noch einen Namen in der Branche hatte vielleicht. Aber jetzt?“, zweifelte Amanda.

„Carlo weiß, was er tut. Er schätzt Anthonys Können und Kreativität, und das hat Tony ja nicht verlernt. Nein, die Zusammenarbeit wird erfolgreich sein.“ Travis war überzeugt, dass Verlass auf Tony war. Er würde ihn in jeder Weise unterstützen.

Auch in Lewis Coffeeshop wurde hitzig über die neuen Investoren diskutiert.

„Es scheint, als hätten sich die Finanzleute beim Hotelprojekt geeinigt“, erzählte Justin Calabrio. Er war der Bauunternehmer und deshalb bestens informiert. „Travis und Carlo glauben fest daran, dass Tara Hutton und Charles McGrawth sich beteiligen werden. Einen stillen Teilhaber konnten sie auch noch ins Boot holen. Aber das Beste ist, Anthony hat die Pläne fast fertig.“

„Moment“, unterbrach Ryan Lewis, einer der Gründungsmitglieder von The Magic Company. „Wer macht noch mit? Wie heißt der Interessent?“, fragte Ryan Lewis, der Älteste der Lewis-Geschwister überrascht. „Charles McGrawth?“

„Ja! Kennst du ihn?“, erkundigte sich Justin. „Er soll auch hier aufgewachsen sein, ist aber einige Jahre jünger als wir.“

„Mir bleibt nichts erspart“, stöhnte Ryan und rieb sich die Schläfen, als ob er Kopfschmerzen hätte.

„Was ist, Schatz?“, wollte seine Frau wissen.

„Ich kenne ihn. Vor vielen Jahren bin ich ihm schon mal begegnet, in einer unangenehmen Situation. Seid mir bitte nicht böse, ich möchte nicht darüber sprechen. Es betrifft eine meiner Schwestern“, bat Ryan.

„Nachdem deine Schwester Michelle mit Carlo verheiratet ist, kann es sich nur um Lori handeln. Oder hast du noch mehr Schwestern?“, neckte ihn Justin. „Aber keine Sorge, ich bohre nicht weiter nach. Ich respektiere deinen Wunsch. Es geht mich sowieso nichts an. Ich wundere mich nur, das ist alles.“

„Er ist mit Lori zur Schule gegangen. Ich glaube, er ist zwei Jahre älter als sie. Seine Eltern sind damals tödlich verunglückt, und seine Großeltern haben ihn und seine Schwester nach England geholt“, erzählte Ryan.

„Und nun ist er wieder hier“, lächelte Kathrin, seine Frau „Wie Carlo auch. Du hast ein schweres Los als Bruder“, tröstete sie ihn. „Erst kommt Carlo, und es stellt sich heraus, dass er der Vater von Michelles Tochter Suzy ist. Zu seinem Glück hat Carlo deine Schwester geheiratet. Und nun taucht ein Mann aus Loris Vergangenheit auf. Lass Lori in Ruhe, sie ist alt genug, um ihre Angelegenheiten selber zu regeln. Ein großer Bruder hilft nur, wenn er darum gebeten wird“, ermahnte sie ihn. „Die Sorge um Michelle hat dir dein Freund Carlo ja abgenommen“, blinzelte sie Justin zu.

„Schon gut, ich habe verstanden und werde mich nicht einmischen“, versprach Ryan, was ihm niemand abnahm. Ryan hatte in seiner Familie den Spitznamen Ryan der Tyrann.

„Wie geht es mit dem Hotelprojekt voran?“, leitete er auf ein anderes Thema über.

„Anthony hat versprochen die Pläne für die Hotelanlage bei der nächsten Zusammenkunft vorzulegen. Ich hoffe, er hält sein Wort.“ Ryan hatte noch Bedenken.

Anthony Dexter fühlte sich weit besser als erwartet. Er hatte die Nacht durchgearbeitet. Sich auf die Pläne zu konzentrieren hielt ihn davon ab, über sein Alkoholproblem nachzudenken. Beschwingt betrat er den Konferenzraum im Country Club. Staunend sah er die vielen Menschen, die interessiert auf seine Entwürfe warteten. Travis und Carlo begrüßten ihn herzlich. Außer den Geschwistern McGrawth und Tara Hutton waren noch Pat Jameson, eine Werbefachfrau, Romy Prentis, die Sekretärin der Stiftung, Dominic, Justin Calabrio, ein Bauunternehmer, Cade und seine Frau Amy, die Journalistin Lindsay Reardon, anwesend. Weiters Kirstin, Jason van Dorren, der örtliche Bankdirektor, Storm Sheridan, der Besitzer eines Gartencenters, sowie einige Mitglieder der Stiftung und Shane Jameson, der Anwalt der Stiftung. Das Konferenzzimmer war fast zu klein. Mit Mühe und Not fanden alle um den ovalen Tisch Platz.

: Jedermann-Resort

Kirstin schlug vor, einen Informationsabend in der Gemeinde abzuhalten, um jeden Bürger von Port Charlotte über das Bauvorhaben zu informieren.

„Das ist eine gute Idee“, lobte Travis.

„Pat?“, wunderte sich Carlo. „Von dir habe ich noch gar nichts gehört. Pat betreibt eine Werbeagentur“, erklärte er Anthony.

„Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf, ich eile gleich in mein Büro und fange an, eine Kampagne zu entwerfen.“

„Und ich, den Vertrag für die Teilhaber aufzusetzen“, sagte Shane, der Anwalt.

„Haben Sie schon die Holding gegründet?“, fragte Charles.

„Ist alles am Laufen“, bestätigte Shane.

„Nun, Ms Hutton“, wandte Travis sich an Tara. „Gefällt Ihnen der Plan? Sie sind so still.“

„Tara“, verbesserte sie ihn automatisch. „Ich bin deshalb sprachlos, weil ich begeistert bin und bereits die fertigen Anwesen vor mir sehe. Tony, Sie haben uns ihre Vorstellungen so anschaulich geschildert, dass ich das Gefühl habe, darin herumzuspazieren.“

Nun schaute sie Anthony fest an. „Tony“, lobte sie. „Ihre Ideen sind weitaus besser, als ich mir je vorgestellt habe. Sie übertreffen meine Erwartungen bei Weitem. Sie machen Ihrem Namen alle Ehre. Ich hoffe, Sie bringen Ihre Kreativität auch bei weiteren Vorhaben ein.“

Die Lady hat Stil, bemerkte Travis wieder einmal, der Tara versonnen beobachtete. Sie gefiel ihm immer besser. Er nahm sich vor, sie heute Abend zum Essen einzuladen und schick auszuführen.

Tara unterbrach seine Gedanken. „Besonders angetan hat es mir ihr Glaskuppel-Pavillon, Tony“, begann sie nochmals. „Ich wünsche, wir könnten unsere Eröffnung in diesem Glaspalast mit einem Maskenball feiern.“

Travis war sofort begeistert. „Das werden wir, Tara. Zugunsten der Stiftung organisieren wir einen großen Maskenball. Warten Sie ab, bis die weiblichen Mitglieder der Stiftung von dieser Idee hören. Sie werden sicher anbieten, bei der Organisation zu helfen.“

„Wie geht es jetzt mit dem Bau weiter?“, erkundigte sich Charles.

„Der Ordnung halber bitte ich Sie um eine bindende, schriftliche Zusage“, erinnerte Shane in seiner Funktion als Anwalt.

„Wo sollen wir unterschreiben?“, grinste Charles.

„Ich bin auf jeden Fall dabei“, versicherte Tara.

„Tony wird mit jedem Einzelnen an der Aufteilung der Innenräume arbeiten“, schlug Travis vor. „Überlegt euch bis zum nächsten Meeting, ob wir einen Innenarchitekten benötigen, oder habt ihr bereits eigene Pläne?“, wandte er sich an Tara, Charles und Cade.

„Ich habe schon konkrete Vorstellungen“, meldete sich Tara. „Aber natürlich benötige ich professionelle Hilfe bei der Umsetzung.“

„Ich habe jemanden im Sinn, der genau richtig dafür ist. Ich muss die junge Dame nur dafür begeistern. Es dauert ja noch eine Weile, also hab ich Zeit, Überzeugungsarbeit zu leisten.“ Carlo war sicher, seine Schwägerin Lori für diese Aufgabe gewinnen zu können. Außerdem würde sie bestimmt nicht abgeneigt sein, wenn er ihr ein angemessenes Honorar in Aussicht stellte.

„Cade?“, wandte Amy sich an ihren Mann. „Was möchtest du?“

„Ich überlasse Carlo die Entscheidung. Schließlich bin ich kein Innenarchitekt, ich bin ein Hotelmanager, und jeder sollte das tun, was er am besten kann. Was nicht bedeutet, dass ich nicht Ideen beisteuern möchte. Und wegen der Küche muss ich mich mit unserem Küchenchef beraten.“

„Sehr vernünftig“, lobten Carlo und Travis. „Wenn Lori nicht zusagt, werden wir ein lokales Unternehmen damit beauftragen. Justin kann uns sicher jemanden empfehlen.“

„Wie willst du all diese Arbeiten gleichzeitig durchführen und beaufsichtigen?“, fragte Anthony Justin, den Bauunternehmer. „Du brauchst dazu sehr viele Mitarbeiter. Hast du so eine große Crew?“

„Nein, habe ich nicht“, bestätigte Justin. „Aber ich habe eine Geheimwaffe“, machte er Anthony neugierig. „Die Wahrheit ist, ich habe einen guten Koordinator und Verträge mit vielen Handwerksfirmen in der Umgebung, die einen soliden Ruf besitzen. Peter Romero beschafft die nötigen Kleinunternehmer und organisiert den gesamten Ablauf. Sobald feststeht, was hier zu tun ist, wird Peter Angebote einholen, und wir entscheiden gemeinsam, mit welchen Firmen wir zusammenarbeiten. Somit sind viele der Kleinbetriebe in der Lage, an einem Großprojekt mitzuarbeiten.“

„Das ist eine ausgezeichnete Idee. Hat sie sich auch schon bewährt?“

„Bei kleineren Bauvorhaben. Aber diesmal werden wir die Feuerprobe bestehen. Viele heimische Handwerker möchten gerne an der Gestaltung ihrer Heimatstadt mitarbeiten. Es haben uns sogar schon freiwillige Helfer kontaktiert, die wir auf das Konferenzzentrum vertröstet haben.“

„Das gefällt uns“, stimmten alle zu.

Danach beschlossen sie, gemeinsam ins Bistro auf ein kühles Bier, ein gutes Glas Wein oder ein alkoholfreies Getränk zu gehen. Das Bistro hatte einen Aufschwung erlebt, seit die Hauptstraße wieder mehr belebt war und das Hideout zu einer Wellness-Oase umfunktioniert worden war.