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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Leserkontaktseite

Kommentar

Glossar

Risszeichnung Urlauber-Space-Jet (Touri-Jet)

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2775

 

Stadt der Kelosker

 

Perry Rhodan bei den Unendlich-Denkern – er trifft auf einen einfältigen Mathematiker

 

Oliver Fröhlich

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde. Auf diese Weise zementiert das Tribunal in der Milchstraße seinen Machtanspruch, während der Widerstand dagegen massiv aufrüstet.

Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI haben in der fernen Galaxis Larhatoon in Erfahrung gebracht, dass das eigentliche Reich der Richter die Jenzeitigen Lande seien. Um dorthin zu gelangen, braucht es aber Atlan als Piloten und ein Richterschiff als Transportmittel.

Ein solches zu besorgen, ist die aktuelle Mission des Terraners.

Möglicherweise ist es auf der Zentralwelt des Kristallinen Richters zu finden, allerdings befindet sich dort auch eine STADT DER KELOSKER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner rechnet mit Hilfe.

Velleshy Pattoshar – Die Onryonin rechnet nicht mit einem Geschenk.

Gholdorodyn – Der Kelosker rechnet bestenfalls fünfdimensional.

1.

Subtraktion

VOOTHOY, 24. März 1517 NGZ

 

Velleshy Pattoshar wusste, dass sie träumte, aber das machte es nicht besser.

Sie sah das Bild auf dem Holoschirm der SAASHYA so deutlich und detailreich vor sich, als hätte sie ihren Sohn damals nach Alliaresh auf der Zentralwelt der Sticzer begleitet: eine gigantische Waldfläche von mindestens zwei Millionen Quadratkilometern.

Baumriesen reckten ihr die mächtigen kristallen erscheinenden Äste entgegen, an denen Energieentladungen hin- und herzuckten, sie umspielten, erloschen, erneut aufflammten und auf benachbarte Bäume übersprangen. Obwohl die SAASHYA über die Nachtseite von Sticpunt flog, glitzerte das Funkenmeer in Abermilliarden Lichtblitzen. Ein majestätischer Anblick, aber einer, den man besser nur nachts genoss, wenn man am Leben hing.

Ja, sie wusste, dass sie träumte. Aber sie fühlte sich so hilflos und verzweifelt, wie sie sich damals gefühlt hatte. Vor dreißig Jahren.

»Die Revolte ist niedergeschlagen, Terron.« Ihr Traum-Ich bemühte sich um Ruhe in der Stimme, versuchte, das gelbe Flackern des Emots zu unterdrücken. Trotzdem konnte sie die Sorge vor ihrem Sohn nicht verbergen. Dafür kannte er sie zu gut. »Die Sticzer haben die Atopische Ordo angegriffen, aber nun sitzen sie in Haft und werden für ihr Verbrechen bezahlen. Sie stellen keine Gefahr mehr dar. Warum also musst du einen Einsatz auf Sticpunt leiten? Und dann ausgerechnet in den Funkenwäldern von Alliaresh!«

Terron Pattoshar behielt den Holoschirm in der Zentrale des Einsatzschiffs fest im Blick. Seine Mutter sah er nicht an. Warum sollte er auch? Schließlich befand sie sich in Wirklichkeit nicht an Bord des Oberflächenschwebers, sondern wälzte sich auf ihrem Schlaflager und erlebte mit, was ihr träumender Geist aus dem letzten Gespräch mit Terron, dem Einsatzabschlussbericht der Domänenwacht und der eigenen Phantasie konstruierte.

»Deshalb findet der Einsatz nicht bei Tag statt, Mutter«, sprach Terron die Worte, die er kurz vor dem Aufbruch im Hauptquartier tatsächlich zu ihr gesagt hatte. »Weil es nur bei Helligkeit zu den Eruptionen kommt, die du so fürchtest.«

»Trotzdem. Ist das Waffenlager der Aufständischen das Risiko denn wert? Warum schickt die Domänenwacht keine Neypashi oder Roboter?«

»Weil Hoonushur es für unnötig hält. Er sagt, wir hätten der Revolte den Kopf abgeschlagen. Die restlichen Glieder würden von allein sterben.«

Obwohl Velleshy Pattoshar die Diskussion in ihren Schlafbildern so oft mit Terron geführt hatte, dass sie jedes Wort auswendig kannte, konnte ihr geträumtes Selbst das flackernde Gelb des Emots nicht länger unterdrücken. Sie spürte das Entsetzen bis in den Schlaf. »Du handelst gegen die Anweisung des Kommandanten?«

»Natürlich nicht. Ich habe Hoonushur trotz seiner Einschätzung gebeten, einen Einsatz planen und leiten zu dürfen. Er hat zugestimmt.«

»Ich frage noch einmal: Ist es das Risiko wirklich wert?«

»Die Verteidigung der Atopischen Ordo ist jedes Risiko wert. Denk weiter, Mutter! Alle Sticzer müssen begreifen, dass es keine andere Lebensweise als die der Ordo geben kann. Die Rebellen haben Onryonen getötet, Hetzschriften und -holos gegen den Kristallinen Richter verbreitet, zum gewaltsamen Widerstand aufgerufen.

Hoonushur mag das anders sehen, aber wer weiß, wie viele Sympathisanten es in der Bevölkerung gibt? In ihnen steckt die Keimzelle der nächsten Revolte. Es wäre leichtfertig, diesen Keim überleben zu lassen, nur weil wir die Rädelsführer festgesetzt haben. Wir müssen ein Zeichen setzen. Und in erster Linie dürfen wir nicht zulassen, dass die Waffen der Rebellen in die falschen Hände geraten. Allem gegenüber, was die Atopische Ordo auch nur im Ansatz gefährden könnte, ist Nachsicht absolut unangebracht.«

Denk weiter, Mutter! Wie oft hatte er diesen Satz benutzt? Oft genug, dass er während der letzten dreißig Jahre fester Bestandteil ihres eigenen Sprachschatzes geworden war.

Die Zentrale der SAASHYA verblasste im Traum, und plötzlich stand Velleshy Pattoshar an der Seite ihres Sohnes zwischen den gewaltigen Funkenbäumen von Alliaresh. Sie wusste, dass der Schweber auf einer Lichtung hinter ihnen gelandet war und den Einsatztrupp ausgespuckt hatte. Keiner von Terrons Männern hatte es bisher geschafft, in den Schlafbildern aufzutauchen, und diesmal war es nicht anders. Sie war allein mit ihrem einzigen Kind.

Nein!, flehte sie. Ich will das nicht sehen.

Ein fortwährendes Summen und Knistern erfüllte die Luft. Funkensinfonie nannten die Sticzer das Geräusch. Velleshy wäre froh gewesen, es nicht hören zu müssen.

Ich will aufwachen!

Manchmal reichte der bloße Wunsch, den geträumten Erinnerungen zu entfliehen. Meistens aber – so wie diesmal – nicht.

»Hier entlang«, sagte Terron. »Bald erreichen wir das Lager.«

Velleshy folgte ihm. Der Weg führte über verbrannte Erde, aus der sich die Baumstämme in die Höhe schoben. An der wie zerknittertes Metall aussehenden Rinde klebten Harztropfen in Rot, Gelb und Türkis, von den Energieeruptionen, die tagsüber den Wald erschütterten, zu schimmernden Kristallen verschmolzen. Gelegentlich zuckten Funken von den Ästen und hinterließen schmerzende Striemen auf Velleshys Haut.

Eine unwirkliche Welt.

»Woher weißt du von dem Waffenlager?«, fragte sie.

»Einer der gefangenen Rebellen hat mir beim Verhör davon erzählt.«

»Und wenn er gelogen hat?«

»Dann kehren wir mit einem Misserfolg zurück ins Hauptquartier, und der Uralte Hoonushur behält recht. Aber der Rebell hat nicht gelogen.« Terron deutete nach links. »Dort!«

Zwischen den Bäumen bemerkte Velleshy einen Bunker. Die Wände und das kuppelförmige Dach bestanden aus unzähligen spiegelnden Elementen.

»Dort drin liegt der Einstieg zum Waffenlager«, sagte Terron Pattoshar.

»Wozu die verspiegelten Mauern?«

»Vermutlich zum Schutz vor den Eruptionen. – Analyse?«, fragte er einen Mann aus dem Trupp, der für Velleshys Traum verborgen blieb.

Die Antwort hörte sie dennoch. »Die Messungen zeigen keine Energiesignaturen von versteckten Waffensystemen, Sprengfallen oder sonstigen Schutzeinrichtungen.«

»Sehr gut. Lasst uns zusehen, dass wir den Eingang finden.«

Plötzlich meldete sich eine Stimme aus dem Nichts. »Bitte Autorisierungskennwort nennen.«

Velleshy sah ihren Sohn an.

»Davon hat der Rebell nichts erwähnt«, sagte er. Sein Emot färbte sich pastellgrün. Der stechende Essiggeruch der Überraschung umgab ihn.

Nur Augenblicke später musste der Einsatztrupp feststellen, dass die Spiegelwände nicht – oder nicht nur – zum Schutz vor Energieeruptionen dienten, sondern auch zu dem vor Feinden. Wozu bedurfte es Verteidigungsanlagen, wenn der ganze Wald eine Waffe darstellte?

Urplötzlich erstrahlte der Bunker in einem so grellen Strahlen, dass Velleshy Pattoshar aufschrie.

Bei den Atopen! Die Mauern bestanden nicht aus Spiegeln, sondern aus reflektierenden Hochleistungslampen.

Das Summen und Knistern der Funkensinfonie schwoll zu ohrenbetäubendem Dröhnen an. Es knackte und krachte und brummte, als sich die Bäume im vermeintlichen Tageslicht aufluden.

Terrons Kampfanzug schloss sich und verdunkelte das Visier.

»Tu doch etwas!«, schrie Velleshy.

Ihr Sohn hob den Strahler und feuerte auf den Bunker. Vereinzelte Spiegelelemente erloschen, aber nicht annähernd genug.

»Verteilt euch um das Haus!«, rief er. »Schießt von allen Seiten auf die Wände! Sorgt für Dunkelheit!«

Doch es war zu spät. Die umstehenden Bäume entließen die aufgestaute Energie in einer gewaltigen Entladung. Die Hitze Tausender Sonnen hüllte Velleshy Pattoshar ein, verwandelte den Boden in brodelndes Magma, durchbrach in Sekundenschnelle den Schutzschirm, der sich um Terrons Anzug aufgebaut hatte.

Sie schrie ihr Entsetzen heraus, doch ihre Stimme ging in dem energetischen Chaos unter.

Sieben Sekunden. So lange dauerte eine Eruption der Funkenwälder stets.

Sieben Sekunden. Eine Ewigkeit aus Schmerz, Fassungslosigkeit, Schrecken.

Als sie verstrichen waren, lag vor Velleshy Pattoshars Füßen ein zur Unkenntlichkeit verkohlter Körper, der im sich langsam verfestigenden Boden versank.

Das Licht der verspiegelten Bunkerwände erlosch. Die Funkensinfonie ebbte zu ihrem nächtlichen Summen und Knistern ab.

Terrons Leiche öffnete die Augen und ...

... normalerweise wäre das der Moment gewesen, in dem Velleshy erwachte. Nicht so dieses Mal.

Drei Bäume schoben sich aufeinander zu, bis sie einander berührten, und verwandelten sich in die Dreigestalt des Kristallinen Richters. In seinem Inneren stoben Funken umher. Oder tobte dort ein Schneesturm?

Velleshy Pattoshar sah an sich hinab. Terrons Leiche zu ihren Füßen war verschwunden. Stattdessen lag dort der tote Körper des Onryonen, der ihr über den Verlust des Sohnes hinweggeholfen und der in gewissem Maße seine Stelle eingenommen hatte.

Clocc Otym.

Ein Metallsplitter hatte ihn beim Angriff feindlicher Bestien durchbohrt.

»Bitte, inspiriere ihn!«, sagte Velleshy zu den vereinten Funkenbäumen. »Erfülle ihn mit Leben. Gib ihn mir zurück.«

Die Kristalline Wesenheit verweigerte ihr den Wunsch. Ein Lachen ertönte, angefüllt mit boshafter Häme und Spott. Es breitete sich aus, hüllte Velleshy ein wie zuvor die Hitze der Eruption, bis schließlich der gesamte Funkenwald sie auslachte.

Schmerz und Hilflosigkeit wüteten in ihrem Körper, einem Sturm aus Eiskristallen gleich. Welchen Sinn besaß das Leben, wenn sie nach dem Sohn auch den Ziehsohn verloren hatte?

Von einem Moment auf den nächsten hielt sie einen Strahler in der Hand. Der Ausweg aus aller Verzweiflung.

Sie hob die Waffe, aktivierte sie, presste sie sich gegen die Schläfe und drückte ab. Doch sie starb nicht. Der Kristalline Richter hatte etwas dagegen.

Sein Lachen schwoll zu einem Orkan an. »Du nicht, Velleshy Pattoshar. Du nicht!«

»Warum?«, schrie sie.

»Weil diese Zeit und dieser Raum noch nicht zur Herberge für die wahre Gerechtigkeit taugen.«

Ihr Schrei steigerte sich zu einem Kreischen und ...

... endlich entließ der Traum sie aus seinen Fängen. Sie schlug die Augen auf und erwachte in einer Welt, in der Terron und Clocc nicht leben, sie hingegen nicht sterben durfte.

Velleshy Pattoshar richtete sich auf und fand sich in ihrer Kabine an Bord des Raumvaters VOOTHOY wieder. Weit entfernt von ihrem Schlafrudel, so allein und einsam im Schlaf, wie sie es im Leben war.

Jahrelang hatte der Traum vom Tod ihres Sohnes sie gequält. Er war erst verschwunden, als sie Clocc Otym an Terrons statt aufgenommen hatte. Nun war er zurückgekehrt. Zum dritten Mal bereits. Und er plagte sie mit dem neu dazugekommenen Detail von Cloccs Leiche. Ein Detail, das sie jedes Mal schreiend aus dem Schlaf aufschrecken ließ. Das konnte und wollte sie dem Schlafrudel nicht zumuten.

Selbstverständlich wusste sie nicht, was sich in den Funkenwäldern von Alliaresh tatsächlich abgespielt hatte. Kein Mitglied des Einsatztrupps hatte die Energieeruption überlebt, um davon zu berichten. Das hinderte ihr Unterbewusstsein aber nicht daran, ihr in den Träumen Variationen des Hinterhalts vorzuführen, in den Terron geraten war.

Die Stimme der Bordpositronik erklang aus einem Akustikfeld. »Loitmahd und der Uralte Hoonushur sind eingetroffen.«

Richtig, die Konferenz. Velleshy Pattoshar hätte sie beinahe vergessen.

Sie wartete ein paar Sekunden ab, bis sich ihr Emot beruhigt hatte und sie nicht länger den feuchten, erdigen Geruch der Verzweiflung verströmte.

»Ich bin unterwegs.«

 

*

 

RAS TSCHUBAI

 

»Eine Gefängniszelle bleibt eine Gefängniszelle, selbst wenn man sie mit einem weichen Bett, einer Luxushygienekabine, einer hervorragend sortierten Bibliothek und erstklassigem Essen ausstattet und sie Quarantänestation nennt.« Baucis Fender stand mit in die Hüften gestemmten Händen jenseits des leicht flimmernden Prallschirms und funkelte Tacitus Drake aus meergrünen Augen an. »Versucht nicht, mich zum Narren zu halten.«

Perry Rhodan spürte, wie unwohl sich der Oxtorner fühlte, weil die stellvertretende Leiterin des Venus-Teams ihre Wut ausgerechnet auf ihn niederprasseln ließ.

Drake sah verlegen zu Boden. In dem uralten kanadischen Holzfällerhemd und mit der Baseballkappe auf dem Kopf wirkte er mit seinem wettergegerbten Gesicht und dem muskulösen Körper wie der Typ »derber Naturbursche«. Im Augenblick jedoch erinnerte er mehr an ein geknicktes Sensibelchen. »Wir halten dich nicht zum Narren.«

»Ist das so? Und warum stehe ich dann unter Quarantäne? Meine Wunden sind verheilt, ich bin fit, gesund und sprühe vor Tatendrang. Ich werde wahnsinnig, wenn ich hier herumsitzen muss, ohne etwas tun zu können.«

»Du hast recht«, lenkte Rhodan Fenders Aufmerksamkeit auf sich. »Deine Wunden sind verheilt – auf eine Art und Weise, die unsere Medizin-Experten vor ein Rätsel stellt. Was ist geschehen, als die Kristalline Wesenheit dich inspiriert hat? Solange wir das nicht hundertprozentig verstehen, dürfen wir nichts riskieren.«

Baucis Fender wandte sich ab, ging zu einem Tischchen, kramte ein paar getrocknete Bananenscheiben aus einer Schüssel und warf sie sich in den Mund.

»Es sind gerade einmal drei Tage seit deiner Befreiung von dem Spochanenschiff vergangen«, fuhr Rhodan fort. »Gedulde dich bitte. Dein nächster Einsatz wird kommen. Aber erst, wenn die Ärzte zustimmen.«

»Geht es wirklich nur darum? Um ein Übermaß an Rücksichtnahme?«

Rhodan zögerte. Dann entschloss er sich, die Wahrheit zu sagen. Baucis war eine kluge Frau, deren Intelligenz er nicht mit einer Lüge beleidigen wollte. »Zum Großteil, aber nicht nur. Wir glauben es zwar nicht, aber wir können nicht ausschließen, dass der Kristalline Richter dich mit der Heilung ...nun, verändert hat.«

Er musste an Gucky denken. Der Ilt hatte in Fenders Geistesbildern zwar keinen Hinweis darauf gefunden, dass sich die Kristalline Wesenheit mit der Inspiration Gefolgsleute erschuf, dennoch hatte er etwas in ihr entdeckt, das er einen matten, mentalen Glanz nannte, eine Art erfrischte Farbintensität. Was auch immer er damit sagen wollte.

»Ihr glaubt, ich sei eine Spionin?« Baucis Fender klang empört.

»Das glauben wir nicht«, wiederholte Drake Rhodans Worte. »Aber wir können uns nicht sicher sein.«

»Ihr spinnt! Dieses Spochanenmonstrum hat Patrick getötet! Ich will meinen Teil dazu beitragen, seinem Tod einen Sinn zu geben. Und ihr hindert mich daran, weil ich das Glück hatte, nicht an meinen Verletzungen zu sterben?«

»Nicht deshalb«, sagte Rhodan. »Sondern weil es der Feind war, dem du das zu verdanken hast. Bitte, Baucis, hab Verständnis für unsere Situation. Bald wird sich die Vorsicht als unnötig herausstellen, und dann bist du wieder voll dabei. Aber bis dahin ...«

Fender wandte den Blick von Rhodan ab und sah Tacitus Drake an. »Ihr geht in einen Einsatz«, stellte sie mit tonloser Stimme fest.

Der Oxtorner schwieg.

»Warum seid ihr überhaupt vorbeigekommen, wenn ihr mir ohnehin nichts verratet?«

»Ich wollte mich von dir verabschieden«, antwortete Drake. »Seit der letzten Mission wissen wir nur allzu gut, wie schnell es gehen kann, dass man sich nie wiedersieht.«

Baucis Fender winkte ab. »Erspar mir diesen sentimentalen Unsinn. Wenn ihr euch entschlossen habt, mich hier rauszulassen, dürft ihr wiederkommen. Aber bitte nicht vorher.«

Sie drehte sich um, stopfte sich eine weitere Bananenscheibe in den Mund und warf sich aufs Bett.

Rhodan und Drake verließen die Quarantänestation.

»Sie wird sich wieder einkriegen.« Drake nickte auf dem Weg nach draußen und spielte an seiner Baseballkappe herum. »Das hat sie bisher immer getan.«

Für Rhodan klang es so, als versuche der Oxtorner damit weniger ihn als sich selbst zu beruhigen.

2.

Addition

VOOTHOY

 

Normalerweise stellte ein Hangar nicht den geeignetsten Ort für eine Konferenz dar. Wenn allerdings ein Spochane daran teilnahm, gab es kaum eine Alternative.

Zur letzten Besprechung hatte Loitmahd, einer der Quartiermeister des Kristallinen Richters, Velleshy Pattoshar noch an Bord seines Schiffs STAULCETT zitiert, weil er die VOOTHOY als nicht geräumig genug ansah. Eine zutreffende Einschätzung. Der onryonische Raumvater war für Wesen von maximal zwei Meter Größe ausgelegt, Spochanen erreichten jedoch zuweilen das Fünffache.

Einerseits war Velleshy Pattoshar froh, dass ihr der Gang auf das Spochanenschiff erspart blieb. Sie fühlte sich in den fremdartigen Raumern klein, bedeutungslos und einfach unwohl. Andererseits zeigten sich die riesigen Wesen nur Schwächeren gegenüber nachsichtig, sanft, ja, fürsorglich. Sollte sie sich also nicht noch kleiner fühlen, als sie es auf der STAULCETT getan hätte? Schließlich kam Loitmahds Vorschlag, in einem Hangar der VOOTHOY zu konferieren, gewiss nicht von ungefähr.

Sie aktivierte den Gravo-Pak ihres Anzugs und stieg in eine Höhe von sieben Metern auf, vorbei an den langen dreigelenkigen Spochanenbeinen, den zwei Armen, die aus dem spitz zulaufenden Unterleib wuchsen, dem nackten – oder von einem unsichtbaren Schutzanzug umhüllten – graublauen Körper.

Die Quartiermeister trugen niemals Kleidung, jedenfalls keine, die man als solche erkannte. Kleidung insgesamt hielten sie, wie es hieß, für respektlos. Glücklicherweise bedeutet dies nicht, dass sie von ihren Gesprächspartnern ebenfalls Nacktheit erwarten, dachte Pattoshar.

Knapp unterhalb des schwarzen Kopfes mit den riesigen, seitlich ausragenden waagrechten Antennen verharrte sie. Dort, wo auch der Uralte Hoonushur schwebte: in Höhe der kopfgroßen mundartigen Einstülpung im Leib des Spochanen.

Ein Ort, der Pattoshars Unwohlsein noch steigerte.

»Mögen die Wasser des Seins dich stärken«, begrüßte Loitmahd sie.

»So auch dich. Willkommen an Bord der VOOTHOY.« Sie wandte sich dem neben ihr schwebenden Onryonen zu, dessen schwarze Haut einige weiße Altersflecke aufwies. In der Hand hielt er einen roten gegabelten Stock, den er üblicherweise benutzte, um sich darauf zu stützen. In der Schwerelosigkeit der Gravo-Paks wirkte die Gehhilfe hingegen albern. »Sei gegrüßt, Hoonushur.«

»Ich habe euch um diese Konferenz gebeten«, sagte der Kommandant der Domänenwacht, ohne den Gruß zu erwidern, »um die Vorfälle auf der STAULCETT und unser weiteres Vorgehen zu besprechen.«

Pattoshar musterte ihn. Hoonushurs Emot zeigte keine Regung. Ein Zeichen, dass ihn die Situation in der Domäne Shyoricc nicht beunruhigte? Oder nur dafür, dass er es ausgezeichnet verstand, seine Gefühle zu verbergen?

»Ich sehe mich in meinem Verdacht bestätigt«, sagte sie. »Etwas – jemand! – ist durch den Repulsorwall eingedrungen. Jemand, der uns gefährlich werden könnte. Und diese Macht ist weiterhin aktiv, wie die Entführung der Gefangenen aus der STAULCETT zeigt. Wir dürfen den Gegner keinesfalls unterschätzen.«

»Ich pflichte dem bei.« Loitmahds Stimme schien von überallher zu kommen. »Ein Angriff auf ein Spochanenschiff ist gleichbedeutend mit einem Angriff auf die gesamte Domänenwacht. Das können wir nicht dulden. Wir müssen die Eindringlinge finden und hart und unnachgiebig bestrafen.«

»Ich verstehe eure Erregung«, sagte Hoonushur. »Dennoch rate ich zur Besonnenheit. Unüberlegtes und überstürztes Handeln wird uns mehr schaden, als es uns hilft. Der Feind hält sich in unserem ureigensten Gebiet auf. Bei den Völkern von Shyoricc wird er keine Unterstützung finden. Ohne Hilfe wird er sich auf Dauer nicht vor uns verbergen können. Ich bin sicher, dass er uns in absehbarer Zeit von selbst in die Hände fällt.«

Die gleiche Ansicht hast du nach der Sticzer-Revolte vertreten, ging es Pattoshar durch den Kopf. Mein Sohn ist tot, weil du vor dreißig Jahren die falsche Entscheidung getroffen hast.

So tröstlich es sein mochte, die Schuld an Terrons Tod dem Kommandanten der Domänenwacht anzulasten, so ungerecht war dieser Gedanke. Wenn jemand dafür verantwortlich war, dann Terron selbst, indem er entgegen Hoonushurs Einschätzung auf einen Einsatz gedrängt hatte. Unüberlegtes und überstürztes Handeln war ihm zum Verhängnis geworden. Genau das, vor dem der Uralte nun erneut warnte.

»Besonnenheit?«, wiederholte Loitmahd. »Fremde sind in mein Schiff eingedrungen, haben mich verletzt und eine Gefangene befreit. Diese Ungeheuerlichkeit kann ich nicht auf sich beruhen lassen.«

»Eine!