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FREITAG • CAFÉ OLYMPIA

Das Erscheinen dieses Buches wurde ermöglicht
durch die Patenschaft von
Dr. Erich Schwarz
und
Gaisberg Consulting, Wien.
Der Verlag dankt sehr herzlich
und freut sich mit den Paten auf viele Leserinnen und Leser.

GÜNTHER FREITAG

Café Olympia

Erzählungen

 

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Die Herausgabe dieses Buches erfolgte
mit freundlicher Unterstützung
durch das Land Steiermark,
die Stadt Graz
und das Land Vorarlberg

 

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A-9020 Klagenfurt/Celovec, 8.-Mai-Straße 12
Tel. + 43(0)463 370 36, Fax + 43(0)463 376 35
office@wieser-verlag.com
www.wieser-verlag.com

Copyright © dieser Ausgabe 2015 bei Wieser Verlag GmbH,
Klagenfurt/Celovec
Alle Rechte vorbehalten
Fotografien: Günther Freitag
Lektorat: Gerhard Maierhofer
ISBN 978-3-99047-026-8

Sofort nach dem Aufwachen dachte Nikolas an sein Café auf der Esplanade und musste eine erste Tablette schlucken, damit sein angegriffenes Herz nicht bereits aus dem Rhythmus geriet, noch ehe er die Wohnung im Zentrum der Altstadt von Kerkyra verlassen hatte. In dem finsteren Loch lebte er seit der Kindheit mit seinem Vater und zog auch nach dessen Tod nicht um, obwohl er sich als Besitzer des traditionsreichsten Cafés der Insel jede andere Wohnung hätte leisten können.

An die Mutter, die schon gestorben war, bevor er noch zur Schule ging, erinnerte er sich nicht. Doch der alte Papafloratis verfolgte ihn sogar als Toter bis in seine Angstträume. Mehrmals schreckte er jede Nacht schweißgebadet hoch, wenn ihn der Vater wieder einmal mit seinen Vorwürfen gedemütigt hatte. Da half es ihm auch nicht, wenn er sofort das Licht auf seinem Nachttisch anmachte und die großformatige Todesanzeige fixierte, die er noch druckfrisch hatte rahmen und anstelle einer Ikone mit dem Abbild des heiligen Spiridon in seinem Schlafzimmer aufhängen lassen. Der Alte war tot, wusste er, und sein verschlafener Blick bewies es ihm, aber der Alte ließ ihn nicht los.

Jahrzehntelang hatte er ihn als Versager bezeichnet und schlechter als die Kellner im Café behandelt. Jeder Schafhirte aus Lefkimi besitze mehr Verstand und Geschäftssinn als er, hörte Nikolas von klein auf, und was für ein Unglück es sei, dass nicht er anstelle der Mutter gestorben sei. Sie habe die besten Mehlspeisen gebacken, bis nach Ioannina hätten sie die Kuchen und Torten der Mutter geliefert. Alle bedeutenden Familien hätten für Hochzeiten oder Taufen bei ihm bestellt, aber nach seiner Geburt habe die Mutter jedes Interesse am Geschäft verloren und ihre ganze Kraft an ihn vergeudet, was sie schließlich umgebracht habe. Ein Mörder sei er, nicht bloß ein Versager, das wäre ja noch zu ertragen, ein Schwerverbrecher, der im Gefängnis verfaulen sollte, aber er sei frei und denke bloß darüber nach, wie er ihn aus dem Café verdrängen könnte, um das Lokal in der kürzesten Zeit zu ruinieren. Aber diesen Gefallen werde er ihm nicht machen, bevor er das Olympia einem Versager wie ihm übergebe, werde er lieber hundert Jahre alt …

Dass er diese Drohung nicht wahr machen konnte und mit neunundachtzig nach einem Gehirnschlag tot von seinem Stuhl hinter der Registrierkasse im Café fiel, half Nikolas wenig, denn als er zum ersten Mal als Besitzer sein Lokal betrat, war er knapp sechzig und damit bereits in einem Alter, in dem die meisten Griechen schon jahrelang ihre Pension durch Schwarzarbeit aufbesserten.

Das Zusammenleben mit dem tyrannischen Vater hatte ihm jedes Selbstvertrauen geraubt, das wussten auch die acht Kellner, die sich vorgenommen hatten, nach dem alten Papafloratis keinen Herrn mehr über sich zu dulden. Und schon gar nicht einen, der jedes Mal zusammenzuckte, wenn sie ihn anredeten. Alle Kellner sind heimtückische Diebe, dachte der Alte und sagte das seinen Angestellten immer wieder, die sich hüteten, ihn auch nur um einen Cappuccinaki zu betrügen, wenn er seinen Platz hinter der Registrierkasse für ein paar Augenblicke verlassen musste. Nicht einmal ein Glas Wasser wagten sie auf eigene Rechnung zu verkaufen, weil sie wussten, Papafloratis würde sie, entdeckte er den Betrug, sofort entlassen und mit den anderen Lokalbesitzern sprechen, von denen sie danach keiner mehr einstellen würde, nicht einmal dann, wenn sie freiwillig auf einen Teil ihres Lohns verzichteten. Seine Meinung galt viel unter den Geschäftsleuten in der Altstadt, nicht dass sie ihn schätzten oder sich freiwillig mit ihm auf einen Ouzo zusammensetzten, sie respektierten ihn, weil er es verstanden hatte, Unsummen mit dem Olympia zu verdienen. Auch seinen Umgang mit den Politikern und Behörden bewunderten sie. Alle Politiker sind eitle Kriecher, verkündete er, wenn wieder einmal einer dieser Gauner seinen Kaffee nicht bezahlt und angekündigt hatte, er werde sich dafür einsetzen, dass die Stadt den Platz vor dem Café neu pflastern oder die Kanalisation des Lokals sanieren lasse. Versprich ihnen deine Stimme bei den nächsten Wahlen, und sie tanzen nach deiner Pfeife, sagte Papafloratis. Dann stolzieren sie wie die Pfauenmännchen im Achillion durch die Stadt und freuen sich darauf, die nächsten Jahre im Parlament in Athen schlafen und ein paar unsaubere Geschäfte abwickeln zu können. Von den Politikern hielten die Geschäftsleute wie alle Übrigen nicht viel, in diesem Punkt gab es kaum Unterschiede zwischen Arm und Reich. Die Meinung über die eigenen Politiker verwischte alle Unterschiede und hätte, glaubte man den Fantasten der KKE, den Beginn einer klassenlosen Gesellschaft markieren können, was aber bloß als Denkmodell in schnauzbärtigen Diskussionsrunden funktionierte, denn die kommunistischen Politiker unterschieden sich nur äußerlich von jenen der Nea Dimokratia und der Sozialisten, die sich nach dem Sturz der Generäle das Land untereinander aufgeteilt hatten.

Legendär wurde jener Auftritt des Alten mit einem Finanzbeamten, der damit geendet hatte, dass der Mann aus dem Olympia ins Krankenhaus eingeliefert und erst nach einigen Tagen entlassen wurde.

Den jungen Mann, der in die besonderen Verhältnisse auf der Insel nicht eingeweiht war, weil er aus Ioannina stammte, hatte der Leiter des Finanzamts wohl zu Papafloratis geschickt, um ihn nach dem Abschluss seiner theoretischen Ausbildung mit der Wirklichkeit vertraut zu machen. Er sollte nach der Finanzprüfung das Olympia mit einem geschärften Blick für die Realität verlassen und auch über die praktische Anwendung von Gesetzen philosophiert haben. Erst dann würde er in der Lage sein, sich ohne Probleme in die Hierarchie der Behörde einzugliedern. Dass er den Jungen unvorbereitet zu Papafloratis hatte gehen lassen, sei im Nachhinein betrachtet ein Fehler gewesen, aber er habe sich an das Prinzip Learning by Doing gehalten. Der Finanzamtsleiter liebte es, englische Begriffe in seine Sätze einfließen zu lassen, weil das seiner Meinung nach einen Fachmann internationaler Prägung ausmache, als den ihn seine Untergebenen akzeptieren sollten.

Der Beamte kam ins Lokal und wurde von einem Kellner sofort zur Registrierkasse geführt, hinter der Papafloratis mit versteinerter Miene thronte und ihn lange schweigend betrachtete.

Warum schickt man mir ein Kind?, fragte er nach einer Weile, und der Junge bekam vor Aufregung und Verlegenheit rote Flecken im Gesicht. Bist du krank?, fragte Papafloratis und begann so laut zu lachen, dass alle Kellner zusammenliefen. Wenn du dich nicht wohlfühlst, solltest du dich ins Bett legen!

Der Junge begann in seiner Aktentasche zu kramen und fand endlich das Papier mit der Anordnung zur Finanzprüfung, das er dem Alten reichte. Papafloratis zerknüllte das Formular und warf es in den Korb mit den gebrauchten Servietten. Als der Beamte die Unterlagen des vergangenen Jahres verlangte, fasste der Alte unter das Pult und warf dem Finanzbeamten eine Plastiktüte zu. Such dir einen ruhigen Platz und melde dich, wenn du deine Schnüffelei beendet hast!

Stunden verbrachte der Junge an einem Ecktisch. Wann immer ein Kellner nach seinen Wünschen fragte, bat er bloß um ein Glas Wasser. Als ihm Papafloratis einen Imbiss und ein Glas Wein bringen ließ, schickte er das Tablett zurück, er habe nichts bestellt und wolle sich von seiner Arbeit nicht ablenken lassen. Am späten Nachmittag schloss er seine Prüfung ab und bat Papafloratis zu sich, um ihm das Ergebnis mitzuteilen.

Bevor er seinen Platz hinter der Registrierkasse verließ, steckte sich Papafloratis eine dicke Zigarre an und stapfte dann gereizt in den Nebenraum. Eine Weile stand er vor dem Tisch des Finanzbeamten und blies ihm den Rauch ins Gesicht, worauf der Junge zu husten begann, kein Wort herausbrachte und nur durch Handzeichen den Alten zum Platznehmen auffordern konnte. Der aber blieb stehen, paffte seine stinkenden Rauchwolken dem Hustenden ins Gesicht, der nur mehr wie durch eine dichte Nebelwand den massigen Körper seines Klienten wahrnahm.

Aber das habe dem Bürschchen aus Ioannina nicht genügt, erzählte Papafloratis später immer wieder, wenn sich einer der Geschäftsmänner bei ihm über die Höhe der festgesetzten Steuern beklagte. Der Festlandidiot habe wohl gemeint, er könne mit ihm so verfahren, wie er es in seinen Lehrbüchern gelesen habe. Den jungen Leuten mangle es nicht bloß an Respekt, in ihrem übereifrigen Größenwahn meinten sie, ihre fehlende Erfahrung dadurch wettmachen zu können, dass sie sich stur an Paragrafen klammerten. Aber die könne er zu dem wertlosen Papier in seine Aktentasche stecken, habe er dem Beamten sofort gesagt, nachdem dieser endlich zu husten aufgehört und schon in seinem ersten gestotterten Satz auf einen Paragrafen verwiesen habe. Mittlerweile sei seine Geduld mit dem Anfänger erschöpft gewesen, und er habe gehofft, der hätte endlich begriffen, mit wem er es zu tun habe. Das hier sei die Wirklichkeit und nicht eine Unterrichtsstunde für angehende Finanzbeamte, habe er ihm eine Brücke gebaut, über die zu gehen der Größenwahnsinnige jedoch abgelehnt habe. Jedem Kellner, der ihm so unverschämt gekommen wäre, hätte er das Kreuz gebrochen, aber an einem blassen Beamten, der zwei Köpfe kleiner gewesen sei als er, habe er sich nicht vergriffen. Die Beharrlichkeit des Jungen habe ihn amüsiert, das sei auch der Grund dafür gewesen, dass er ihn ausreden lassen und nicht zu seinen Notizen in die Aktentasche gesteckt habe. Der Mann sei verrückt, habe er gewusst und einen Lachkrampf bekommen, als der ihm einen Zettel mit der geforderten Summe zugeschoben habe.

An dieser Stelle seines Berichts legte Papafloratis immer eine Kunstpause ein, um die Spannung zu steigern und den Kellnern die Möglichkeit zu geben, Bestellungen der Zuhörer aufzunehmen. Erst nachdem sein Publikum mit Getränken und Mehlspeisen versorgt war, setzte er seine Erzählung fort. Mit einem Verrückten kann man nicht diskutieren; lebt ein Mensch in einer Fantasiewelt, darf man ihm nicht mit der Wirklichkeit kommen. Ich habe zwei Kellner mit einem Tablett Schokoladewürfel und einer Schale Sahne an den Tisch gerufen und den Beamten aufgefordert zuzugreifen, da er nun ja seine Arbeit beendet hatte. Die Überraschung ist mir gelungen, denn gewiss hatte er mit einem Einspruch gerechnet, nicht jedoch damit, eingeladen zu werden. Schon nach wenigen Bissen habe ich gesehen, der Junge denkt nicht nur wie ein Kind, er isst auch wie ein Säugling, und ihm einen zweiten Löffel Sahne auf den Teller gekippt. Um die seiner Meinung nach gute Stimmung nicht zu gefährden, hat er aufgegessen, stöhnend zwar schon bei den letzten Gabeln, aber dann hat er mich erleichtert angelächelt und wieder auf seine Berechnung gezeigt.

Die Serviette meinst du?, habe ich gefragt, das Papier zerknüllt und ihm zugeschoben. Damit kannst du dir die Sahne aus den Mundwinkeln wischen!

Und nun hat er mich angesehen wie der Held in einer klassischen Tragödie, dem mit einem Schlag bewusst wird, dass sein Untergang unausweichlich ist. Eine bessere Mimik lernt man auch an den ersten Schauspielschulen nicht, vielleicht sollten unsere angehenden Heldendarsteller ein Semester an der Schule für Finanzbeamte belegen, brüllte Papafloratis stets, bevor er eine letzte Pause einlegte und die Kellner rasch neue Bestellungen notierten.

Was mag dem Jungen in diesem Augenblick wohl durch den Kopf gegangen sein?, leitete Papafloratis das Ende seines Berichts mit einer rhetorischen Frage ein und brachte durch einen vorwurfsvollen Blick sofort jene zum Schweigen, die seine Geschichte bereits kannten und antworten wollten. Vielleicht hatten sie den rhetorischen Charakter der Frage nicht erkannt, wahrscheinlicher war jedoch, dass sie sich einfach wichtig machen wollten oder mit ihrer Rolle als Zuhörer nicht mehr zufrieden waren. Aber in diesem Punkt verstand der Alte keinen Spaß. War er am Wort, hatten alle Übrigen zu schweigen, auch wenn dies die landesübliche Gesprächskultur konterkarierte, die darin bestand, dass auf eine gestellte Frage alle durcheinander antworteten, Anekdoten aus ihren Familien ausbreiteten und am Ende keiner mehr wusste, worauf sie eine Antwort gesucht hatten.

Mein Cousin in Strinilas besitzt die größte Schafherde, sagte einer, worauf der Nächste über die Qualität des Käses redete, für die der Mann seiner Nichte in Lefkimi berühmt sei. Ein Dritter erinnerte sich an die Hochzeit dieses Cousins, sprach jedoch, nachdem er das Essen bei der Hochzeitstafel gelobt hatte, über die Verlobung seiner Tochter, die einen Deutschen heiraten wolle, aber noch bevor er etwas über seinen zukünftigen Schwiegersohn hätte berichten können, beklagte sich ein anderer über das Essen, das man ihm auf seiner Deutschlandreise serviert hatte. Vielleicht sind sie nicht die besten Köche, urteilte sein Gegenüber, als Griechen seien sie verwöhnt, weil man nirgendwo auf der Welt zu kochen verstehe wie hier, aber von Organisation verstünden sie am meisten. Außerdem bauen sie die besten Autos, meldete sich ein schmächtiger Junge, und alle stimmten ihm zu. Dann bestellten sie eine Runde Ouzo, zur Belohnung für seine kluge Wortmeldung durfte auch der Kleine am Schnaps nippen, sie prosteten einander zu und hatten den Anlass für ihre Besprechung längst vergessen. Grüße an Verwandte und Bekannte wurden ausgetauscht, wonach alle den Tisch in dem Gefühl verließen, wieder einmal in der kürzesten Zeit ein Problem gelöst zu haben.

Gespräche dieser Art duldete Papafloratis nicht, ein zustimmendes Kopfnicken war die einzige Äußerung, die er seinen Zuhörern gestattete. Dann war er wieder bei dem blassen Finanzbeamten aus Ioannina und den Schokoladewürfeln. Der Junge wollte aufstehen, aber ein Blick des Alten genügte, und die Kellner drückten ihn auf seinen Stuhl nieder.

Du willst mich doch nicht beleidigen, indem du aufstehst, ohne gegessen zu haben, zischte ihm Papafloratis zu, und der Finanzbeamte quälte sich mit einem zweiten Würfel ab, bis es dem Alten zu langsam ging, er ihm die Gabel aus der Hand nahm und ihn fütterte. Willenlos öffnete der Beamte seinen Mund, kaute und schluckte, bis sich seine Wangen gelb färbten und Papafloratis zwei Kellnern befahl, ihn auf die Toilette zu schaffen, bevor er im Lokal eine Schweinerei anrichtete. Dort sei er zusammengebrochen und auch nicht zu sich gekommen, nachdem sie seinen Kopf mehrmals in einen Eimer mit kaltem Wasser getaucht hätten, meldeten die Kellner, und Papafloratis telefonierte nach der Rettung, die den Finanzbeamten ins Krankenhaus fuhr, wo er sich erst nach Tagen von seiner ersten Finanzprüfung erholt hatte. Dass er sich ein paar Tage später mit dem Vorgesetzten des Jungen getroffen und rasch auf eine Weise geeinigt habe, die für beide von Vorteil gewesen sei, verstehe sich wohl von selbst, schloss der Alte stets seine Lieblingserzählung und genoss die Komplimente für sein Geschick im Umgang mit Behörden.

Nikolas hatte sich sein ganzes Leben lang wie der Junge aus Ioannina gefühlt, weil der Vater keine Gelegenheit ausgelassen hatte, ihm sein Versagen vorzuhalten, was er auch als Toter noch schaffte. Oft hatte Nikolas überlegt, das Olympia zu verkaufen, die Insel zu verlassen und irgendwo zu leben, wo ihn kein Mensch kannte. Aber meist hatte er dieses Gedankenspiel bereits abgebrochen, noch ehe er sich für einen Ort entschieden hatte. Der Alte würde ihm folgen, selbst wenn er das Land verließe.

Bevor er das Olympia übernommen hatte, waren nur in den Mittagsstunden ein paar Plätze frei gewesen, nun blieben die meisten Tische selbst am Abend leer. Alle Restaurantbesitzer und Hoteliers jammerten am Ende der Saison über die gesunkenen Einnahmen, Jahr für Jahr mussten Betriebe schließen, weil die Touristen ausblieben. Dass diese Entwicklung auch ihn nicht verschonte, störte Nikolas nicht. Er hatte genug zum Leben, konnte seine Kellner bezahlen, obwohl die jede Möglichkeit nutzten, ihn um ein paar Euro zu betrügen. Auch dass es unter ihnen einen Wettbewerb gab, bei dem täglich jener zum Sieger gekürt wurde, der die größte Summe unterschlagen hatte, wusste Nikolas und ließ sie gewähren. Was er fürchtete, war jener Augenblick, in dem er aus der schmalen Seitengasse auf die Esplanade trat und die leeren Tische in seinem Café sah. Dann war der Alte wieder neben ihm, nannte ihn einen Versager, der sein Lebenswerk heruntergewirtschaftet habe.

Nun hörte er sie wieder, die Sätze über Berühmtheiten aus aller Welt, die im Olympia ihren Espresso getrunken hätten, die Namen von Schauspielern und Musikern hörte er und schließlich die Worte, mit denen Mikis Theodorakis ein paar Wochen nach seiner Rückkehr aus dem französischen Exil seine Obsttorte gelobt hatte. Nirgendwo auf der Welt habe man ihm eine solche Torte serviert …

Meist benötigte Nikolas ein paar Minuten, bevor er seinen Weg fortsetzen konnte und kurz darauf hinter der Registrierkasse saß. Doch diesmal verschwammen die Bilder vor seinen Augen, er hatte doch seine Herztabletten geschluckt, dachte er und musste sich an einem Arkadenbogen abstützen. Wenn ihn nur der Alte nicht in dieser Verfassung entdeckt, hoffte er und begann zu schwitzen. Bevor er stürzte, sah er, wie der alte Papafloratis mit Theodorakis und Melina Mercouri aus dem Olympia kam.

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