3| Judys Tagebuch 1958


Als ich dreizehn war, im Frühling 1951, heiratete meine Mutter ein zweites Mal. Sie hatte sich einen anderen Bohrarbeiter namens Douglas Bates geangelt, und so wurde aus Betty Cooper eine Betty Bates.

Von dem Moment an, als ich den Kerl zum ersten Mal sah, wusste ich, dass er Schwierigkeiten bedeuten würde.

Das war diese seltsame Intuition, die ich besaß. Er kam bei ihrem ersten Date durch die Tür, mit diesem schmierigen Lächeln im Gesicht und einem Funkeln in den Augen, von dem ich eine Gänsehaut bekam. Rückblickend denke ich, dass er mehr an mir als an meiner Mutter interessiert war. Er konnte es gar nicht erwarten, ein junges Teenager-Mädchen in die Finger zu bekommen, also heiratete er schnell eine Frau, die ihn eigentlich gar nicht interessierte, um so seine Beute einkreisen zu können.

Douglas war zehn Jahre älter als meine Mutter. Davor war er schon einmal verheiratet gewesen, dann geschieden, und hatte mit einer ganzen Reihe von Frauen angebändelt, bevor er schließlich in einer Bar meine Mutter traf. Ich kenne die Umstände seiner ersten Ehe nicht, aber ich gehe jede Wette ein, dass seine Frau ihn verlies. Höchstwahrscheinlich, weil er sie zusammengeschlagen hat. Denn das tat er auch gern mit meiner Mutter.

Oh, natürlich, zu Anfang war er freundlich und half im Haushalt. Meine Brüder schienen ihn von Anfang an zu mögen. Sie waren selten da, gingen zur High-School, und John würde im Mai seinen Abschluss machen. Meine Mutter schwärmte einfach nur für Douglas, weil er ein Mann war und sich für sie interessierte. Aber mich legte er keine Sekunde rein. Ich traute ihm nicht. Er war ein Lügner und ein Kriecher.

Da gab es dieses eine Wochenende, gleich als die Sommerferien begannen. Meine Mutter war auf Arbeit, putzte bei jemand das Haus, und meine Brüder waren irgendwo draußen unterwegs. Ich war allein in meinem Zimmer und las ein Buch. Ich dachte, ich hätte meine Ruhe. Aber der gute alte Douglas arbeitete an diesem Tag nicht, also klopfte er an meine Tür und wollte hereinkommen. Eigentlich wollte ich das nicht, aber er war mein Stiefvater, also ließ ich ihn herein. Zumindest war er sauber – er musste gebadet haben, bevor er anklopfte. Was aber auch bedeutete, dass er etwas vorhatte.

Er fing an, mir Komplimente zu machen, beinahe so wie meiner Mutter. Meinte, wie süß und schön ich doch sei und wie groß ich doch schon geworden war. Ja, genau. Wo er mich doch erst seit fünf Monaten kannte.

»Sieh mal, was ich habe«, sagte er. »Eine Überraschung!«

Und dann besaß er die Dreistigkeit, einen Flachmann mit Whiskey hervorzuholen! Dazu zauberte er zwei Plastikbecher hervor, goss in jeden ein wenig ein, und dann hielt er mir einen davon hin! Ich war dreizehn Jahre alt, Herrgott noch mal! Ich lehnte natürlich ab.

»Komm schon, Judy«, bettelte er. »Du wirst es mögen. Damit fühlt man sich gleich besser.«

Genau. Ich hatte gesehen, was das Zeug mit meiner Mutter anstellte.

»Wo liegt das Problem? Bist dir zu fein dafür, kleine Miss Saubermann?«

»Ich versuche, zu lesen. Lass mich bitte allein.«

Und dann sagte er: »Weißt du, Judy, du wirst jetzt erwachsen, und du wirst dich bald für Jungs interessieren. Und ich meine nicht, mit ihnen Fußball zu spielen. Du wirst wissen wollen, wie man das so macht.«

Ich sah ihn an, als wäre er einfach nur verrückt geworden. Aber er redete weiter.

»Ich will dir nur helfen, weißt du? Ich könnte dir ein paar – Sachen beibringen. Dinge, die dein Freund mögen wird. Was meinst du?«

»Nein. Verschwinde.«

»Nun, Judy …«

Und dann schrie ich ihn an. »Verschwinde! Lass mich in Ruhe!« Ich schnappte mir eines der Bücher und warf es nach ihm. Es traf ihn mitten im Gesicht. Junge, Junge, das machte ihn wütend. Er lief rot an und stürmte auf mich zu, als wollte er mich windelweich prügeln. Doch dann hörten wir, wie die Haustür zuschlug. Frank rief, um zu sehen, ob jemand zuhause war.

»Frankie!«, schrie ich.

Douglas zog sich in den Türrahmen zurück und versuchte, locker zu wirken. Frank erschien und fragte: »Was macht ihr hier?«

»Nichts«, antwortete Douglas. »Ich wollte nur nachsehen, ob deine Schwester etwas zu Essen haben will.«

»Nun, ich könnte was vertragen«, sagte Frank. Er schöpfte keinen Verdacht.

Douglas funkelte mich böse an und zog dann mit Frank von dannen. Ich schlug die Tür zu. Unglücklicherweise besaß die Tür kein Schloss, um sie zu verriegeln.

Von da an wurde Douglas unleidlich. Er schrie meine Mutter oft an, und die beiden stritten viel. Mom gab für gewöhnlich schnell nach, besonders dann, wenn er sie schlug. Einmal passierte das, als wir drei Geschwister dabei waren. Wir waren entsetzt, und John baute sich vor dem Widerling auf.

»Hör auf, meine Mutter zu schlagen!«, sagte er, so bedrohlich, wie man mit achtzehn Jahren nur sein konnte. John hätte einen beachtlichen Gegner abgegeben, aber mein Stiefvater war ein großer Mann. Er hatte mit Sicherheit mehr Erfahrung in handfesten Auseinandersetzungen als John.

Douglas sagte ihm nur, dass er die Klappe halten sollte, und verließ das Haus. Mom fing an zu weinen, und wir versuchten, sie zu trösten.

»Du solltest ihn verlassen«, riet ich ihr.

Sie sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Was fällt dir ein?«, fragte sie. »Wie könnte ich so etwas tun? Wovon sollen wir dann leben? Wo kommt dann Geld her? Wir haben gerade erst geheiratet. Ich kann keinen Mann verlassen, den ich gerade erst geheiratet habe.«

Ich zuckte als Antwort nur mit den Schultern und starrte meine Brüder an. Die Blicke, die wir austauschten, verrieten, dass sie meine Meinung teilten. Aber sie würden sich nicht zwischen Mom und unseren Stiefvater stellen.

John hatte Glück. Er verließ uns, sobald er die High-School beendet hatte. Wie mein Dad ging er zum Militär, nur dass er sich bei der Army und nicht in der Navy einschrieb. Lieber freiwillig melden als eingezogen werden, sagte er. Der Korea-Krieg tobte, und er wollte wirklich dorthin und seinem Land dienen. Mom wollte nicht, dass er geht – das wollte keiner von uns, außer Douglas. Der Bastard war froh, dass er das älteste Kind loswurde. Ein Hindernis weniger auf seinem Weg zum Ziel – mir. John kam ins Ausbildungslager und wurde wohl von da nach Korea geschickt. Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich keine Ahnung, was aus ihm geworden ist, ob er noch lebt oder nicht.

Wenn Douglas nicht gerade auf dem Ölfeld arbeitete oder meine Mom verprügelte, ballerte er draußen auf einem angrenzenden leeren Grundstück mit einem seiner Schießeisen herum. Er besaß mehrere Waffen – Pistolen und Gewehre – und er übte Zielschießen, relativ regelmäßig. Manchmal lief er mit einer Pistole ums Haus herum, tat so, als wäre er ein Cowboy und versuchte, die Waffe so schnell aus seinem alten Holster zu ziehen wie die Revolverhelden. Er vergötterte John Wayne und die anderen Cowboys aus den Filmen und hielt sich selbst für einen Gesetzlosen oder so etwas in der Art. Es machte mich krank.

Mit der Zeit machte Douglas meinem Bruder und mir das Leben zur Hölle. Wenn Mom nicht gerade als Prellbock für seine Aggressionen herhalten musste, dann war Frank an der Reihe. Mein Stiefvater behandelte ihn wie Dreck. Deshalb blieb Frank so oft und so lange es nur ging von zuhause weg. Er hatte in der High-School zu tun, hatte Freunde und einen Aushilfsjob im Drugstore. Wir bekamen Frank kaum zu Gesicht.

Als ich sie gebraucht hätte, war keiner meiner Brüder da, um mir zu helfen.

Es passierte schließlich in der Nacht an Halloween, 1951. Ich besuchte die achte Klasse der Odessa Junior High-School. Mein Geburtstag war nächste Woche, und ich hatte mich für eine Kostümparty, die ein paar Kids veranstalteten, als Hexe verkleidet. Es gab eine Kirmes, und da ging man eben hin. Ich hatte nicht wirklich Lust darauf, aber genauso wenig wollte ich daheim bleiben. Frank war mit seinen Freunden aus, also waren nur Mom und Douglas zuhause, als ich nach Mitternacht heimkam.

Mom schlief in ihrem Schlafzimmer. Wahrscheinlich im Vollrausch. Ich bemerkte die beinahe leere Flasche Jack Daniels auf der Küchenanrichte. Douglas saß im Wohnzimmersessel und tat nichts. Wir hatten keinen Fernseher. Niemand, den ich damals kannte, hatte einen Fernseher. Douglas war ebenfalls betrunken, aber zumindest noch so weit bei Verstand, um mir ein lüsternes Grinsen zuzuwerfen, als ich durch die Tür kam.

»Na, sieh mal einer an, wen wir da haben«, sagte er. »Die böse Hexe des Westens.«

Ich antwortete nicht. Ich wollte einfach nur auf mein Zimmer, dieses alberne Kostüm ausziehen und ins Bett gehen. Ich war müde, und in keiner guten Stimmung.

»Hast du Süßigkeiten für mich, Liebling?«, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf und ging zum Kühlschrank, um nachzusehen, ob da noch etwas anderes außer Wasser drin war. Während ich den Kopf hineinsteckte, merkte ich, wie er plötzlich hinter mir stand.

»Warst du nicht Sammeln?«

»Nein«, antwortete ich, mit dem Rücken zu ihm. »Ich war auf einer Party. Ich bin zu alt für Süßes oder Saures

»Oh, das glaube ich nicht. Du bist genau im richtigen Alter dafür. Dein Geburtstag ist doch nächste Woche, oder?«

Ich ignorierte ihn. Ich schloss die Kühlschranktür und versuchte, an ihm vorbeizukommen. Er versperrte den Weg aus der Küche.

»Ich würde gern auf mein Zimmer gehen, bitte«, sagte ich.

»Warte kurz, Süße. Wir spielen ein wenig Süßes oder Saures

Ich wollte etwas zu ihm sagen, dass ich von Kindern in der Schule gehört hatte. Du weißt schon, das F-Wort. Aber damals benutzte ich das Wort nicht. Ich schwieg lieber.

Dann streckte er den Arm aus und streichelte mit der Rückseite seiner knorrigen Hand meinen Hals.

Ich zuckte zurück und fauchte: »Fass mich nicht an!«

Da loderte ein Feuer in seinen Augen auf und er flüsterte: »Was fällt dir ein, so mit deinem Vater zu reden! Du hast gefälligst etwas Respekt zu zeigen, verstanden?«

»Du bist nicht mein Vater.«

»Ich bin dein Stiefvater. Das ist das Gleiche.«

»Nein, ist es nicht.«

Sein Gesicht bekam dieses widerwärtige Grinsen, und er leckte sich über die Lippen. »Sieh an, wir sind wohl von der temperamentvollen Sorte, wie? Ich merke schon, du und ich, wir werden viel Spaß miteinander haben, Schätzchen, jawohl!«

Douglas drückte mich gegen den Kühlschrank, und ich konnte nirgendwo hin. Ich konnte seinen widerlichen Whiskey-Atem riechen, und ich könnte schwören, dass ich hörte, wie sein Herz heftig in seiner Brust schlug. Es machte ihn an, über mich verfügen zu können.

Er packte mich an der Kehle und hielt mich fest – nicht so fest, um Abdrücke zu hinterlassen oder mich zu würgen, aber fest genug, um mich am Weglaufen zu hindern. Ich hatte Todesangst. Ich glaube, ich fing an zu weinen, aber ich bin nicht sicher. Verdammt noch mal, ich war dreizehn Jahre alt. Ich mochte ein zähes kleines Ding gewesen sein, aber einem erwachsenen Mann mit über 100 Kilo war ich nicht gewachsen.

»Du willst auf dein Zimmer? Dann gehen wir auf dein Zimmer!«

Mit diesen Worten zerrte er mich vom Kühlschrank weg, und mit seiner Hand, die immer noch meinen Hals umklammerte, marschierte er mit mir durch das Wohnzimmer und in den Flur. Ich wollte nach meiner Mom rufen, aber die Schlafzimmertür war geschlossen und ich wusste, dass sie einen tiefen Schlaf hatte. Ich konnte sie schnarchen hören. Ich betete, Frank möge nach Hause kommen, aber die Chancen, dass das passierte, waren gering. Es war hoffnungslos.

Als wir in meinem Zimmer ankamen, warf er mich aufs Bett und schloss die Tür. Douglas kam zu mir und fing an, mir das Kostüm auszuziehen. Dabei lachte er und begann »Süßes oder Saures, Süßes oder Saures« zu singen, so als ob das alles ein Spaß wäre – eine Art Spiel, welches wir beide genossen. Ich trat und schlug nach ihm, aber es war sinnlos. Er hielt mich fest und riss mir den Slip herunter. Dann schnallte er sich seine Hose auf.

Ich konnte ihn nicht aufhalten.

Als er fertig war, tätschelte er mein Gesicht, als hätte ich ihm eine Hausarbeit abgenommen. »Danke, Schätzchen, du warst wirklich gut«, sagte er. »Das war definitiv Süßes und nicht Saures.«

 

Ich weiß nicht mehr, ob ich geweint habe. Ich weiß nur, dass er mich verletzt hatte. Da war Blut auf meinem Bett, und ich fühlte mich, als wäre ich auseinandergerissen worden. Ich hatte ganz bestimmt einen Schock.

Douglas stand auf, zog sich die Hose hoch und sagte: »Du wirst niemandem etwas darüber erzählen. Schließlich war es deine Schuld. Du hast mich angemacht. Wenn du herumläufst und erwachsene Männer anmachst, passiert so etwas eben. Wenn deine Mutter das herausfindet, würde es sie umbringen. Du willst doch deine Mutter nicht auf dem Gewissen haben, oder? Sie würde dich für den Rest deines Lebens hassen. Du würdest jede Menge Schwierigkeiten bekommen. Vielleicht schicken sie dich sogar in ein Erziehungsheim, verstehst du? Ein Gefängnis für böse Mädchen. Denn genau das bist du nämlich, Herzchen. Ein böses Mädchen. Haben wir uns verstanden?«

Ich sagte nichts.

»Haben wir uns verstanden?«

Ich nickte.

Dann verließ er den Raum.

An den Rest der Nacht erinnere ich mich nur noch undeutlich. Ich bin ziemlich sicher, dass ich Ewigkeiten in der Badewanne saß, und dann ins Bett gegangen bin und mich in den Schlaf weinte.

Unnötig zu erwähnen, dass mein vierzehnter Geburtstag der freudloseste Geburtstag in meinem Leben war.

In den nächsten Wochen hatte sich die Hölle, daheim zu wohnen, verzehnfacht. Ich hielt es dort nicht mehr aus. Ich ging lange spazieren, blieb bis spät weg – weshalb ich mir Ärger mit meiner Mom einhandelte – und verbrachte mehr Zeit in der Schule, als nötig gewesen wäre. Wann immer ich zuhause war, warf mir Douglas nur ein anzügliches Grinsen zu und leckte sich die Lippen. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er es wieder versuchen würde.

Ja, er plante es. Das konnte ich in seinem Gesicht und seinen Augen ablesen. Wieder diese Intuition. Der Instinkt des wilden Tieres, um sich selbst zu schützen.

Ich musste fliehen.

Ich hielt es noch weitere drei grauenvolle Monate unter dem gleichen Dach mit diesem bösen Mann aus. Ende Januar 1952 aber entschied ich, dass ich es nicht länger ertrug.

Ich ergatterte einen Busfahrplan. Fand heraus, wie man zur Haltestelle in Odessa kam und wie viel es kosten würde, ganz weit wegzufahren. Ich packte einen Rucksack mit ein paar Klamotten und Habseligkeiten. Dann, an einem Sonntagmorgen, als meine Mom und Douglas lange schliefen, schlich ich mich in ihr Schlafzimmer. Das konnte ich gut. Ich nannte es »Heimlichschleichen«. Ich konnte wie ein Katze Türen öffnen und in einen Raum hinein und hinaus huschen, ohne ein Geräusch zu machen.

Also heimlichschlich ich mich ins Zimmer und schnappte mir Douglas' Brieftasche, die auf dem Nachtschränkchen neben dem Bett lag. Am Freitag zuvor war Zahltag gewesen, und ich kannte seine Routine. Er ließ sich den Scheck stets komplett in bar auszahlen, ging in einem der Arbeiterlokale einen Trinken, und kam dann mit einem dicken Bündel Geldscheine in der Brieftasche nach Hause. Am Montag bezahlte er dann die Rechnungen, gab etwas davon meiner Mutter und brachte vielleicht noch etwas auf die Bank.

Aber es war Sonntag.

Ich zählte zweihundertzweiundfünfzig Dollar in seiner Brieftasche. Die nahm ich heraus und legte die Geldbörse wieder an ihren Platz. Weitere hundertfünfundzwanzig lagen in seiner Nachttischschublade. Ich hatte mir selbst noch einhundert Dollar zusammengespart, also dachte ich, ich wäre reich. Ich hatte ja keine Ahnung, wie schnell eine solche Summe Geld in der echten Welt ausgegeben war. Aber daran verschwendete ich keinen Gedanken, und selbst wenn, hätte es mich nicht von meinem Vorhaben abgehalten.

Ich nahm meinen Rucksack und verließ das Haus, erwischte den Bus an der nächsten Querstraße und fuhr in die Stadt. Ich hatte noch keine Idee, wohin ich von da aus fahren sollte, also studierte ich die große Anzeigetafel und die Namen der verschiedenen Städte. New York City hörte sich für mich am interessantesten an, also entschied ich mich dafür. Ich stieg in den nächstbesten Bus nach New York City und ließ mein Zuhause, meine Brüder, meine Mom, Texas und dieses kranke Arschloch Douglas Bates hinter mir.

Als ich auf meinem Sitz saß, schwor ich mir, dass ich mich eines Tages an diesem Bastard rächen würde für das, was er mir angetan hatte.

5| Judys Tagebuch


1958


Liebes Tagebuch, New York City hatte ich mir anders vorgestellt. Obwohl, so ganz stimmt das nicht. Sagen wir einfach, dass ich mir naiverweise dachte, es wäre leichter, sein Zuhause zu verlassen und in einer anderen Stadt neu anzufangen. New York war so gänzlich anders als Odessa, in jeder Hinsicht. New York – und alles, was ich da erlebte – erschien mir überaus fremd und wie ein anderer Planet. Überall waren Menschen, alle Sorten von Menschen, jede nur vorstellbare Nationalität. Autos und Busse und Lastwagen und Fahrräder und jede Menge Menschen. Und die Gebäude – wie Götter ragten sie riesengroß und überall um mich herum empor. Das war zu Anfang einfach überwältigend. Als ich am Port Authority aus dem Bus stieg, hatte ich nicht die leiseste Idee, was ich tun sollte.

Ich war vierzehn, allein und besaß nur wenig Geld. Was zur Hölle machte ich in dieser Stadt eigentlich?

Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass ich schnell und frühzeitig erwachsen werden musste. Ich weiß noch, dass ich in einer dieser Touristeninformationen an der Bushaltestelle stand und nach einem Hotel fragte. Für etwa eine Woche übernachtete ich in einer Absteige an der 42nd Street, erkundete die Stadt, und versuchte, das wenige Geld zusammenzuhalten, das ich besaß. Schließlich wagte ich mich weiter in die Innenstadt vor und trieb mich im östlichen Teil von Greenwich Village herum. Die unkonventionelle Art dieser Gegend gefiel mir. Ich gab mich als obdachlos aus, bekam eine Bleibe im YWCA am Broadway, dem Christlichen Verein für Junge Frauen, und machte mich auf die Suche nach einem Job. Da war ich bereits drei Wochen in New York und so gut wie blank. Dann sah ich eines Tages ein Schild im Fenster eines Restaurants an der Ecke der Second Avenue und East 4th Street, auf dem ›Aushilfe gesucht‹ stand. Der Laden hieß ›East Side Diner‹ und war eines jener Restaurants, die Frühstück, Mittag- und Abendessen anboten, zeitig öffneten und spät schlossen. Und ich dachte mir: Was soll's.

Ich ging hinein. Der Laden war rappelvoll. Es war 11 Uhr morgens, deshalb saßen manche Gäste noch beim Frühstück, während andere bereits ihr Mittagessen vor sich hatten. Zwei Kellnerinnen rannten herum wie kopflose Hühner. Sie bedienten die Gäste, während sie pausenlos Bestellungen an den Koch in die Küche riefen. »Wo bleiben meine Spiegeleier!« – »Cheeseburger ohne Mayo.« – »Darf's noch etwas sein, Mister?« – »Nein, tut mir leid, meine Beine stehen nicht auf der Speisekarte.« Solche Dinge. Es gab dort sogar eine dieser neuen Jukeboxen, was für ein Diner und New York ziemlich ungewöhnlich war, wie ich später herausfand. Ich hatte vorher noch keine gesehen oder gehört und erinnere mich noch an den Song, der lief, als ich hineinkam – es war »Cry« von Johnnie Ray and the Four Lads.

Eine der Kellnerinnen, eine hübsche Frau mit blonden Haaren und einer umwerfenden Figur, sah mich an der Tür stehen. Sie war vielleicht einundzwanzig oder so.

»Willst du nicht reinkommen, Schätzchen?«, fragte sie.

»Ich wollte mich um den Job bewerben.« Ich deutete auf das Schild im Fenster.

»Oh, Süße, wir sind gerade ziemlich beschäftigt. Kannst du nach dem Andrang noch mal vorbeikommen? Sagen wir gegen Zwei?«

»Klar.«

»Ich bin Lucy. Wie heißt du, Schätzchen?«

»Judy.«

»Okay, Judy, dann bis nachher.«

Ich war aufgeregt. Vielleicht wurde ich eingestellt, und konnte mir etwas Geld verdienen. Ich mochte Lucy sofort. Sie hatte einen breiten New Yorker Akzent, der sich für mich lustig anhörte. Auf eine gute Art lustig. Lucy schien nicht bemerkt zu haben, dass ich eigentlich noch zu jung war, um zu arbeiten. Ich sah älter aus. Ich denke, liebes Tagebuch, dass das ein guter Zeitpunkt ist, dir zu beschreiben, wie ich aussehe. Ich war – und bin es immer noch – unverschämt groß, gerade für eine Vierzehnjährige. Ich kann nicht genau sagen, wie groß ich damals war, aber heute, mit Zwanzig, bin ich einen Meter Achtzig. Von daher, ja, ich sah älter aus. Ich habe dunkle Haare, beinahe schwarz, die mir etwa bis auf die Schultern reichen. Meine Augen sind braun, mit grünen Sprenkeln. Ich bin ein blasser Typ und kriege schnell einen Sonnenbrand. Meine Beine sind lang, und natürlich bin ich gut in Form, da ich viel Sport getrieben habe. Durch das Turnen bin ich ziemlich durchtrainiert. Meine Brüste wuchsen damals schnell und waren bereits in einer Größe, dass die Männer sie anstarrten. Heute sind sie hübsch groß und füllen ein 36C-Körbchen. Viele Männer sagen mir, ich sei attraktiv. Manche sagen, ich sei wunderschön. Das ist gut, glaube ich. Um ehrlich zu sein, ist es mir etwas unangenehm. Der Zwischenfall mit Douglas nahm mir für einige Zeit die Lust am männlichen Geschlecht. Aber das sollte sich ändern.

Ich schlug die Zeit tot, indem ich in der Nachbarschaft herumbummelte. Zwei Häuser weiter, auf der Second Avenue, war ein Boxklub. Nannte sich das Second Avenue Gym. Neugierig wie ich war, öffnete ich die Tür und spähte hinein. Ein Boxring stand in der Mitte der Halle, und drumherum befanden sich alle Arten von Trainingsgeräten – Sandsäcke, Krafttrainer, Rudermaschinen und solche Dinge. Ein paar Männer trieben sich in dem Studio herum, zwei von ihnen waren beim Sparring im Ring, die anderen trainierten. Weiße, Schwarze, Latinos. Ich hatte noch nie zuvor Farbige und Weiße in einem Raum zusammen trainieren sehen. Das war überraschend. Ein paar Minuten stand ich da, sah zu und war fasziniert davon, wie sie mit ihren verschwitzten, muskulösen Körpern gegeneinander kämpften.

Wie auch immer, um vierzehn Uhr kehrte ich ins Diner zurück. Dort ging es bedeutend ruhiger zu. Nur noch wenige Gäste saßen in den Nischen. Lucy stand an der Theke, studierte einen Stapel Bestellungen und schien nach etwas zu suchen. Sie sah auf und lächelte.

»Hi, Judy. Da bist du ja wieder. Das Gedrängel zur Mittagszeit hat dich nicht verschreckt?«

»Nope.«

Sie klopfte mit der Hand auf einen der Drehhocker an der Theke. »Setz' dich.«

»Bist du der Boss?«, fragte ich.

»Nein, nein. Ich bin die Chefkellnerin. Der Boss kommt gegen Abend, sein Name ist Manny. Er ist ein netter Kerl, aber er ist streng und duldet keine Faulheit oder Fehler. Das sollte aber kein Problem sein, oder Judy?«

»Nein!«

»Gut.«

Die nächste halbe Stunde unterhielten wir uns über das Diner, woher ich kam, und dass ich von Zuhause weggelaufen war. Ich war absolut ehrlich. Dann runzelte sie die Stirn und flüsterte: »Wie alt bist du, Schätzchen?«

Ich senkte den Blick und sagte ihr die Wahrheit. Lucy atmete tief durch und schürzte die Lippen. »Ich denke, wir behaupten einfach, dass du sechzehn bist, okay?«

»Danke.«

Sie händigte mir einen Bewerbungsbogen und einen Bleistift aus und riet mir beim Ausfüllen, zwei Jahre von meinem Geburtsjahr abzuziehen. Lucy ließ mich allein, damit ich die persönlichen Angaben ausfüllen konnte. Als Wohnsitz gab ich das YWCA an.

Nun, ich bekam den Job. Ich wurde Kellnerin im East Side Diner und arbeitete mich ein. Ich entwickelte ein Gefühl dafür, wann es in Ordnung war, mit den Gästen zu flirten, um ein besseres Trinkgeld zu bekommen, und wann ich schnippisch werden durfte, wenn sie sich daneben benahmen. Irgendwann konnte ich die Speisekarte im Schlaf aufsagen. Es dauerte nicht lange, da war ich so gut wie die anderen Damen, die hier arbeiteten. Und Lucy – sie hieß Lucy Dempsey mit vollem Namen – wurde meine beste Freundin. Sie nahm mich unter ihre Fittiche, sozusagen. Sie wohnte allein in einem Appartement auf dem St. Marks Place und hatte einen Freund namens Sam, der hin und wieder im Diner vorbeikam. Ich konnte Sam nicht leiden. In seiner Gegenwart fühlte mich ähnlich unwohl wie bei Douglas. Sam war eingebildet und nahm sich ungeheuer wichtig. Er kommandierte Lucy herum und tat so, als wäre sie sein Eigentum. Ich wusste, dass sie sich für sein Auftreten schämte, aber es war offensichtlich, dass sie ihn wirklich mochte, auch wenn ich nicht verstand, warum. Eines Tages im Sommer weihte sie mich ein. Ich lebte da seit einem halben Jahr in New York und hauste immer noch im YWCA, aber die Stadt fühlte sich bereits mehr nach meinem Zuhause an, als es Odessa jemals getan hatte. Wie auch immer, Lucy und ich hatten an jenem Sonntag frei und wir spazierten im Village herum. Sie erzählte mir, dass Sam manchmal recht boshaft werden konnte und sie schlug. Ich erklärte ihr, dass sie das nicht einfach hinnehmen dürfe. Lucy zuckte nur mit den Schultern und sagte: »Er ist mein Mann. Ich liebe ihn.«

»Er hat kein Recht, dich zu schlagen«, sagte ich. »Das darfst du nicht zulassen. Wenn er es wieder tut, dann gib mir Bescheid, und ich trete ihm in den Hintern.«

Sie lachte. »Du? Judy, wie willst du ihm denn in den Hintern treten?«

»Ich bin zäher, als ich aussehe.« Und das brachte mich auf eine Idee. »He, weißt du, wo ich Boxen lernen könnte?«

»Was?«

»Du weißt schon, Boxen.« Ich hob meine beiden Fäuste und täuschte ein paar Schläge an.

»Wieso solltest du so etwas lernen wollen?«

»Als Selbstverteidigung. Würdest du nicht auch wissen wollen, wie du dich verteidigen kannst, wenn Sam dich das nächste Mal verprügelt?«

»Du meinst, gegen ihn kämpfen

»Klar doch.«

»Um Himmels willen, nein. Er würde die Scheiße aus mir rausprügeln.«

»Aber das ist doch der Punkt! Du könntest dann womöglich aus ihm die Scheiße rausprügeln!« Ich war nicht so geübt darin, Sachen wie »Scheiße« zu sagen – aber Lucy benutzte solche Worte die ganze Zeit über.

»Judy, du bist verrückt. Frauen boxen nicht.«

»Wieso nicht?«

»Keine Ahnung. Sie tun's einfach nicht.«

»Weißt du irgendwas über den Boxklub, ein paar Straßen südlich vom Diner?«

»Das Second Avenue Gym?«

»Genau das.«

»Nicht wirklich. Ich kenne den Typen, dem es gehört. Er kommt manchmal im Diner vorbei. Hast ihn auch schon gesehen. Er heißt Freddie. Freddie Barnes. Mann mittleren Alters, Ende Vierzig, schätze ich. War früher selbst mal Boxer. Hat dunkle gelockte Haare mit ein paar grauen Stellen. Buschige Augenbrauen.«

»Ah, ja.« Ich erinnerte mich an den Typen. Er gehörte zu den netteren Gästen, der Hallo sagte, wenn er den Laden betrat und ein anständiges Trinkgeld gab. »Lassen die Mädchen hinein?«

»Ich weiß nicht, bezweifle es aber. Ein Boxklub ist ein Ort, an den Männer gehen.«

»Nun, das werden wir ja sehen«, entgegnete ich.

 

Ich brauchte ein paar Monate, um den Mut aufzubringen, ins Second Avenue Gym zu gehen. In der Zwischenzeit arbeitete ich im Diner, wohnte weiterhin im YWCA und erkundete die Stadt. New York war ein faszinierender Ort. In Odessa aufzuwachsen war wie in einem Vakuum gelebt zu haben. In Manhattan lag mir die ganze Welt zu Füßen. Die Stadt war aufregend und pulsierte. Zum ersten Mal fühlte ich mich so richtig lebendig.

Als sie herausfanden, dass ich einen Ganztagsjob hatte, musste ich das YWCA verlassen. Ich fand eine Einzimmerwohnung an der 8th Street in der Nähe der Sixth Avenue, aber eigentlich konnte ich mir die Miete dort nicht leisten. Meine Nachbarn waren laut, und nachts konnte ich ihnen beim Sex zuhören. Das machte mich wahnsinnig. Ich wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis ich wieder umziehen musste, aber ich versuchte, mich für den Moment damit zu arrangieren.

Es war im September 1952, als ich schließlich ins Second Avenue Gym ging. Ich sah Freddie Barnes mit ein paar jungen Kerlen im Boxring stehen. Freddie trainierte sie und gab den Ringrichter. Ich lehnte mich gegen eine Wand, stand einfach nur da, sah zu und versuchte, mich unauffällig zu verhalten. Trotzdem starrten mich alle Männer an. Damals trug ich ganz normale Jungenhosen, die Blusen, die ich auch im Lokal anhatte, vielleicht noch eine Jacke oder einen Pullover, wenn es draußen kalt war, und eine Baseballkappe. Wären meine langen Haare nicht gewesen, wäre ich durch meine Größe und Statur vielleicht als Kerl durchgegangen.

Aber ich war ganz offensichtlich ein Mädchen.

Doch niemand sprach mich an. Vielleicht dachten sie, ich sei die Freundin von jemandem. Die Männer am Rand fuhren damit fort, Seil zu springen, auf den Rudergeräten zu trainieren, die Armmuskeln an den Krafttrainern zu stärken, gegen die schweren Sandsäcke zu prügeln, die von der Decke hingen oder gegen die Speedballs zu schlagen. Es war laut und roch nach Schweiß. Ich mochte es.

Schließlich war der Sparringkampf vorüber. Freddie sah mich und machte ein spöttisches Gesicht, so als wollte er sagen: »Was machst du denn hier?« Nachdem er zwei der Athleten ein paar Anweisungen gegeben hatte, kletterte er durch die Seile und sprang auf den Boden.

»Hi«, sagte er. »Judy, richtig?«

»Ja. Hi, Freddie.«

»Arbeitest du heute gar nicht im Diner?« Freddie hatte einen breiten Brooklyner Akzent.

»Ich hab die Spätschicht heute.«

»Was kann ich für dich tun?«

»Ich möchte lernen, wie man boxt.«

»Du willst was

Ich wiederholte meinen Satz. Freddie schüttelte den Kopf. »Warum?«

»Damit ich jeden, der mich belästigt, krankenhausreif prügeln kann.«

Freddie sagte für ein paar Sekunden gar nichts, dann lachte er. Ich wusste nicht, was daran witzig sein sollte, und das schien er zu bemerken. »Tut mir leid, Judy, aber Mädchen lernen nicht boxen. Wie alt bist du überhaupt?«

»Siebzehn«, log ich.

»Nein, bist du nicht. Ich hab Lucy mal nach dir gefragt. Sie hat mir verraten, dass du eigentlich noch nicht alt genug bist, um im Diner zu arbeiten, aber dass sie Manny nichts verraten hat. Du bist … wie alt? Fünfzehn?«

Ich sagte ihm die Wahrheit. »Ich werde im November fünfzehn. Sieh mal, Freddie, ich denke, du könntest hier etwas Hilfe gebrauchen.« Ich machte eine ausladende Handbewegung, die den gesamten Klub einschloss. »Hier müsste mal sauber gemacht werden. Und ich weiß, wie man eine Kasse bedient. Ich könnte hinter dem Tresen stehen und die Seife verkaufen und die Handtücher vermieten und den ganzen Kram. Und wieso sollten Mädchen nicht lernen dürfen, wie man boxt? Wer sagt das? Ich bin eine gute Sportlerin. Ich war eine Zeit lang in der Turnmannschaft an unserer Schule.«

Er schüttelte wieder den Kopf. »Judy, ich kann dich hier nicht arbeiten lassen. Das ist ein Ort für Männer. Ungeschriebenes Gesetz. Wahrscheinlich gibt's aber sogar ein richtiges Gesetz dafür.«

»Das glaube ich nicht, Freddie. Es ist nur so, dass die Leute daran gewöhnt sind, so über Mädchen zu denken. Nicht jede von uns ist der Typ Frau, der heiraten, zuhause bleiben und Kinder groß ziehen will.«

»Das kann gut sein, Judy, aber es geht trotzdem nicht. Tut mir leid.«

Ich war enttäuscht, versuchte aber, es mir nicht anmerken zu lassen. »Okay, Freddie. Aber ich komme wieder. Du wirst deine Meinung schon noch ändern«, sagte ich zuversichtlich und ging.

Bereits am darauffolgenden Tag kam ich wieder. Freddie trainierte ein paar andere Kerle im Ring. Er sah mich – und ignorierte mich. Ich aber blieb und schaute zu. Bei meinem dritten Besuch in dem Boxklub schaute ich bei einem Kampf zu und sah dann in einer Ecke einen Mop und einen Eimer stehen. Ich ging hinüber, schnappte mir den Mop und begann in den Bereichen zu wischen, die gerade nicht benutzt wurden. Freddie bemerkte mich, sagte aber wieder nichts. In die Bereiche, wo die Männer trainierten, kam ich nicht. Stattdessen fand ich ein Handtuch und begann damit, alle Tresen und einen Glaskasten, der ein paar Pokale enthielt, zu putzen.

Einer der jüngeren Boxer, ein Teenager von vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahren, sagte zu mir: »Hey, Baby, ich wüsste noch was, dass du polieren kannst.« Ich ignorierte ihn und machte weiter. Ich hatte den Jungen schon zuvor hier im Klub gesehen, tatsächlich war er einer der Schüler, die im Ring kämpften, als ich das erste Mal hier war. Er hörte nicht auf, mich zu belästigen. »Wie heißt du, Süße? Wieso tust du das? Du bist echt hübsch. Wollen wir mal ausgehen? Wie wär's, wenn wir nach hinten gehen und gemeinsam duschen? Was meinst du?«

Als er mich anpacken wollte, wirbelte ich herum und gab ihm Saures. Ich schlug ihm direkt auf die Nase und er knallte auf den Boden. Freddie unterbrach sein Training mit zwei Kerlen und sah auf. Der Teenager, dem ich eins übergebraten hatte, war stinksauer, seine Nase blutete. Trotzdem saß er nur da, mit verletztem Stolz. Plötzlich begannen all die anderen Männer ihn auszulachen. »Oh je, Mack, lässt dir von einem Mädchen eine verpassen?« – »Was ist passiert, Mack, war sie zu stark für dich?«

Freddie kam herunter und half dem Jungen auf die Beine. Sein Gesicht begann anzuschwellen, überall war Blut. Freddie gab ihm ein paar Handtücher und wies ihn an, sich zu waschen. Mack warf mir den giftigsten Blick zu, den man sich vorstellen konnte, als er an mir vorüberging – aber lustig war die Tatsache, dass ich nicht dieses kribbelnde Gefühl empfand, das ich sonst hatte, wenn mir Gefahr drohte. Du weißt schon, dieser animalische Instinkt. Mir wurde klar, dass Mack nicht gefährlich war. Er war einfach nur ein Angeber.

Freddie schlängelte sich zu mir durch. »Judy, du hast ihm die Nase gebrochen.«

»Wirklich? Oh, tut mir leid.«

»Wieso hast du das getan?«

»Er wurde aufdringlich und frech.«

Freddie schaute zu dem Mop und den Handtüchern hinüber, die ich benutzt hatte.

»Was machst du hier, Judy?«

»Hab ich dir doch gesagt. Du könntest Hilfe brauchen. Und ich will lernen, wie man boxt.«

Dieses Mal kicherte er. »Also, ich denke, das weißt du bereits.«

Und mehr brauchte es nicht. Freddie ließ mich ein paar Mal in der Woche in den Boxklub kommen, damit ich ihm beim Saubermachen half. Er zeigte mir, was ich zu tun hatte, und ich stellte mich besser an, als er es erwartet hatte. Meistens arbeitete ich in der Nacht, nachdem das Gym geschlossen war. Nach einem Monat ließ er mich an der Kasse arbeiten und gab mir die Aufsicht über die Wäsche. Er zeigte mir, wie man die Geräte wartete, besonders die Sandsäcke. Freddie erklärte mir die Unterschiede der verschiedenen Arten – Speed Bags waren die kleinen Modelle, gegen die die Boxer für gewöhnlich in einem konstanten Rhythmus schlugen; Heavy Bags hießen die großen zylindrischen Sandsäcke, die von der Decke hingen und an denen man Schläge trainierte und der Double-End-Sack, der so rund wie ein Basketball war und sowohl an der Decke als auch am Boden befestigt wurde.

Und dann, manchmal nach Ladenschluss, gab Freddie mir etwas Unterricht. Zuerst nur sporadisch, aber nachdem ich im November fünfzehn geworden war, machten wir daraus eine regelmäßige Sache. Er bezahlte mir nicht viel für meine Arbeit – wir hatten ausgemacht, dass der Großteil meiner Bezahlung als Trainingsstunden abgegolten wurde.

Bis Weihnachten arbeitete ich weiter im Diner. Freddie und ich waren inzwischen gute Freunde geworden. Er mochte mich – nicht auf sexuelle Art, da bin ich sicher. Es war mehr so ein Vater-Tochter-Ding. Freddie erzählte mir, dass er sich wünschte, er hätte geheiratet, aber das hatte er nicht. Vielleicht war ich für ihn so etwas wie der Sohn, den er nie hatte, haha. Jedenfalls gab er mir eine Gehaltserhöhung und ich kündigte den Job im Diner. Mit Lucy blieb ich gut befreundet und schaute weiterhin zu den Mahlzeiten dort vorbei.

Dann, kurz nachdem das Jahr 1953 begonnen hatte, jammerte ich Freddie die Ohren über mein Appartement voll, und wie widerlich und laut meine Nachbarn waren. Er sagte nur: »Komm mal mit.« Und so folgte ich ihm zu der Stahltür, die zu seinem Wohnbereich führte. Ich wusste, dass Freddie in einem Appartement über dem Gym wohnte, aber ich war noch nie bei ihm oben gewesen. Hinter der Tür befand sich eine Treppe mit zwei Absätzen, um die Höhe des Klubs auszugleichen, und führte dann in die eigentlich dritte Etage. Freddie führte mich zu einer Tür, die er öffnete. Da war ein großes, geräumiges Zimmer mit einem Doppelbett, einem Tisch, einer Kommode und einem angrenzenden Badezimmer.

»Willst du hier wohnen?«, fragte er. »Das Schlafzimmer ist noch übrig, und ich habe keine Verwendung dafür.«

Ich quietschte vor Freude und klatschte wie ein Schulmädchen in die Hände. Dann gab ich ihm eine dicke Umarmung.

Und so, liebes Tagebuch, kam es, dass ich über dem Second Avenue Gym wohnte und stellvertretende Leiterin des Ladens wurde.

 

Das Jahr 1953 verging wie im Flug. Ich war fünfzehn und seit mehr als einem Jahr aus Texas fort. Liebes Tagebuch, ich würde an dieser Stelle gern etwas festhalten wollen. Ich schreibe diese Zeilen 1958, und bin nun schon über fünf Jahre von zuhause weg. Du wirst denken, dass es furchtbar gewesen war, einfach so wegzulaufen, ohne jemanden etwas davon zu erzählen. Ich denke oft an meine Mom und meine Brüder, und ich träume von ihnen. Hin und wieder plagen mich Schuldgefühle, weil ich meiner Mutter nichts von meinem Plan, wegzulaufen, erzählt hatte. Wahrscheinlich war sie krank vor Sorge um mich. Ich wette, dass sie die Polizei nach mir suchen ließ. Wahrscheinlich hatten sie mich für tot erklärt. Aber darüber darf ich nicht allzu sehr nachdenken. Ich hoffe, dass es meiner Mom gut geht, und dass sie vielleicht von Douglas weggekommen ist. Dieser Mistkerl geht mir nicht aus dem Sinn. Der Schwur, den ich gab, als ich Odessa hinter mir ließ, hat für mich immer noch Bedeutung. Ich weiß, eines Tages werde ich zurückkehren, und er wird seine Strafe erhalten.

Tut mir leid, liebes Tagebuch, aber ich musste ein paar Tränen verdrücken.

Okay, zurück ins Jahr 1953. Ich trainierte das Boxen. Freddie war großartig. Er nahm mich hart ran, nachdem ich ihm sagte, dass er mich nicht wie ein Mädchen behandeln soll. Schnell wurde ihm klar, dass ich ziemlich zäh war, ganz gut einstecken und mindestens so gut austeilen konnte. Er brachte mir alles über Körperhaltung, die verschiedenen Schlagarten, Gegenangriffe und Deckung bei. Meine langen Beine waren beim »Tanz« im Ring von Vorteil. Schließlich entwickelte ich meinen ganz eigenen Box-Stil, und Freddie meinte, ich sei ein klassischer Distanzboxer.

Das bedeutete, dass ich einen ordentlichen Abstand zu meinem Gegner halten und mit schnelleren Schlägen aus der Distanz angreifen konnte. Freddie erklärte mir, dass Gene Tunney, Billy Conn und Willie Prep ebenfalls Distanzboxer waren. Willie Prep war damals ein bekannter Profiboxer gewesen. Egal, wenn ich »meine Gegner« schreibe, dann war das zumeist Freddie selbst, haha. Es gab sonst niemanden, mit dem ich hätte kämpfen können. Er ließ mich nicht gegen andere Boxer im Studio antreten. Tatsächlich hielt er es geheim, dass er mich trainierte. Wahrscheinlich wollte er es sich ersparen, zum Gespött zu werden.

Ich trainierte tagsüber, wenn ich nicht arbeitete. Hauptsächlich an dem Speed Bag, und kam an einen Punkt, wo ich verdammt gut war. Manchmal versammelte sich ein Publikum aus Kerlen, die um mich herum standen und mir für eine halbe Stunde oder so dabei zusahen. Sie pfiffen oder buhten mich aus. Für gewöhnlich ignorierte ich sie, aber ein Teil von mir genoss die Aufmerksamkeit. Hin und wieder trainierte ich an der Rudermaschine oder an den Krafttrainern, aber die meiste Zeit verbrachte ich mit Seilspringen. Ich war ziemlich gut darin, trotz meiner langen Beine.

Die Männer zogen mich auf, und manchmal wurden sie direkt beleidigend, nur weil ich als Frau ihnen ihr Gebiet streitig machte. Aber als sie schließlich sahen, wie gut ich tatsächlich war, ließen sie mich in Ruhe. Hin und wieder beobachtete mich einer von ihnen, wenn ich am Sandsack trainierte. Wenn ich zusammen mit den Männern trainierte, trug ich lange Herrenhosen, ein Poloshirt und Tennisschuhe. Meine Haare band ich zu einem Pferdeschwanz zusammen. Wenn ich abends allein im Studio war, trug ich eng anliegende Sachen wie Strumpfhosen, um mich einfach besser bewegen zu können. Aber damit konnte ich unmöglich vor den Männern herumturnen, das wäre zu viel für sie gewesen, haha!

Gelegentlich gab es Annäherungsversuche. Denn es wusste ja kaum jemand, wie alt ich wirklich war. Einige fragten mich, ob ich mit ihnen ausgehen würde, aber ich lehnte immer ab. Und dann war da Mack, der Teenager, dem ich die Nase gebrochen hatte. Von jenem Tag an war er so nett zu mir, wie man nur sein konnte. Er versuchte, mit mir ins Gespräch zu kommen, und nicht selten lud er mich zu einem Kaffee ein. Mack hatte sich als Boxer verbessert und war nun einer von Freddies vielversprechendsten Schützlingen. Ich hatte ihn einige Kämpfe gewinnen sehen.

Am 4. November 1953, dem Tag, an dem ich Sechzehn wurde, nahm ich sein Angebot endlich an. Wir gingen auf einen Kaffee ins East Side Diner. Er spielte sogar ein Lied für mich auf der Jukebox, »I'm Walking Behind You« von Eddie Fisher. Das war noch bevor das mit Rock'n Roll richtig losging, und ich mich für Musik interessierte. Lucy arbeitete an dem Tag und winkte mir zu, so als hätte ich eine Art Eroberung gemacht. Es war ziemlich offensichtlich, dass Mack auf mich stand. Schon witzig, dass ich ihm erst die Nase brechen musste, damit er mich respektierte.

Von da an waren wir zusammen. Er war in Manhattan geboren und aufgewachsen und – wie ich schätzte – neunzehn Jahre alt. Ich verriet ihm mein wirkliches Alter nicht. Mack wollte natürlich Boxer werden. Wie ich schon sagte, er war wirklich gut im Ring geworden, nachdem ich ihm die Nase zertrümmert hatte. Und, um ehrlich zu sein – die gebrochene Nase ließ ihn besser aussehen. Zum ersten Mal in meinem Leben begann ich, mich für jemanden des anderen Geschlechts zu interessieren. Auf gewisse Weise war ich erleichtert – die Erfahrung mit Douglas hatte mich also nicht komplett ruiniert.

An Thanksgiving durfte er mich das erste Mal küssen. Freddie kochte ein großes Abendessen und ich half ihm dabei. Freddie war ein ziemlich guter Koch, aber ich war noch besser. Schätze, dass ein paar Eigenschaften meiner Mutter auf mich abgefärbt haben. Jedenfalls luden wir ein paar enge Freunde aus dem Studio ein, darunter auch Mack, sowie Lucy und Sam.

Es war ein großartiger Tag, und wir stopften uns alle bis oben hin voll. Als schließlich alle satt und zufrieden herumsaßen, half mir Mack, die Küche aufzuräumen. Ich wollte gerade einen Topf abstellen, drehte mich um, und da war er. Er schlang seine Arme um mich, beugte sich vor und küsste mich. Ich hielt noch den Topf in der Hand! Tja, aber es war schön, also stellte ich den Topf ab und legte meine Arme um ihn. Ich hatte noch nie jemand auf diese Art geküsst, auf den Mund und … na du weißt schon … mit Zunge und so, und genoss es sehr. Den Rest des Abends taten wir dann nichts anderes als herumzuknutschen.

Ich schätze, von da an waren wir ein Liebespaar. Ein paar Mal gingen wir zusammen mit Lucy und Sam aus. Ich mochte Sam noch immer nicht. Er war ein Prolet. Er flirtete hinter Lucys Rücken mit mir. Einmal fragte ich ihn: »Ist Lucy nicht deine Freundin?« Er antwortete: »Ja, na klar, aber das heißt ja nicht, dass ich nicht noch andere Gerichte auf der Speisekarte haben kann.« Zu gern hätte ich auch ihm die Nase gebrochen. Ich war drauf und dran, Lucy zu erzählen, was er so trieb, aber das hätte sie nur verletzt. Dafür liebte sie ihn zu sehr, obwohl ich noch immer nicht verstand, warum.

In der Silvesternacht zum Jahr 1954 verlor ich meine Unschuld. Na ja, technisch gesehen verlor ich sie bereits an Douglas, diesen Bastard, aber das erste Mal, dass ich es auch tun wollte, war nach der Feier, die wir ihm Boxklub veranstaltet hatten. Wie schon an Thanksgiving schmissen Freddie und ich eine kleine Party, hatten ein tolles Essen, viele Drinks – eigentlich war ich immer noch zu jung, um trinken zu dürfen, aber ich tat es trotzdem – und Champagner. Ich war also schon ziemlich hacke, als ich Mack mit auf mein Zimmer nahm. Aber ich wusste sehr genau, was ich tat. Ich wollte es – na ja, und er sowieso. In meiner Erinnerung war es nicht so großartig, wie ich es mir erhofft hatte. Aber es war okay. Ich denke, ich genoss die Intimität und Nähe weitaus mehr als den Akt als solchen.

Und dann geschah etwas Seltsames.

Mack tauchte nicht mehr auf. Er rief auch nicht an. Und ob du's glaubst oder nicht – ich hatte seine Telefonnummer nicht. Und die Nummer, die Freddie von ihm hatte, funktionierte nicht mehr. Ich konnte ihn nicht anrufen. Ich wusste ja noch nicht einmal, wo er wohnte, nur dass es irgendwo stadtauswärts in den East Twenties war. Ob er sich verletzt hatte? Oder krank war? Was zur Hölle war da los? Er schien unsere gemeinsame Nacht an Silvester genossen zu haben, also konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum er mich plötzlich nicht mehr mögen sollte. Ich heulte mich bei Lucy aus, und sie sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Mack würde wieder auftauchen. Vielleicht hatte er die Stadt verlassen müssen und fand keine Möglichkeit, sich bei mir zu melden.

Wie auch immer, über zwei Monate lang hörte ich nichts von ihm. Ich war verletzt und wütend, aber schließlich kam ich über ihn hinweg. Ich kümmerte mich um meinen Kram, arbeitete im Boxklub, trainierte, und versuchte, Spaß zu haben. Mit anderen traf ich mich nicht.

Und dann, im März, tauchte Mack wieder auf. Er spazierte in den Laden, als wäre er nie weg gewesen, bearbeitete den Speed Bag und ignorierte mich. Ich konnte es nicht fassen. Ich hörte, wie ein paar Jungs ihn fragten, wo er die ganze Zeit gesteckt hatte, und Mack erklärte ihnen, dass er umgezogen und ihm einfach nicht danach war, vorbei zu kommen. Da jeder wusste, dass wir beide zusammen gewesen waren, dachten sie natürlich, dass es an mir gelegen haben musste. Ich war stinksauer. Das berühmt-berüchtigte Temperament der Judy Cooper zeigte sein hässliches Antlitz.

Ich lief zu ihm rüber und verlangte eine Erklärung, warum er mich nicht angerufen oder mich besucht hatte. Mack zuckte nur mit den Schultern und meinte, er hatte einfach keine Lust.

»Wieso nicht?«, fragte ich. Ich hätte heulen können. »Ich dachte, du magst mich!«

Er sah mich mit einem Gesichtsausdruck an, den ich einfach nur mit Ekel beschreiben kann, und sagte: »Nicht nach dieser Nacht.«

Und dann stolzierte er davon.

Ich hätte ihn umbringen können.

Stattdessen ging ich an eines der Regale, wo wir die Boxhandschuhe zum Ausleihen aufbewahrten. Ich zog sie an und fragte Jimmy, einem von meinen Freunden im Klub, ob er sie mir zubinden könnte. Jimmy war ein riesiger Schwarzer, der nicht viel erzählte, aber er fragte mich: »Was hast du vor, Judy?«

»Sieh einfach zu«, antwortete ich.

Ich stieg durch die Seile und sprang in den Ring. Dann stellte ich mich in die Mitte und rief Mack zu: »Komm hier rauf, du Mistkerl.«

Mack aber lachte nur.

»Was ist los? Hast du Angst, von einem Mädchen verprügelt zu werden?«, spottete ich.

Das saß. Ein paar der Jungs drängten ihn, zu mir in den Ring zu kommen und sich mir zu stellen.

»Was ist? Hast du Angst?«, reizte ich ihn weiter.

Da kam Freddie herein. »Judy! Komm da runter!«

»Nein, Freddie. Das geht nur Mack und mich etwas an.«

Ich schätze, zu diesem Zeitpunkt kannte er mich gut genug, um zu wissen, dass ich ziemlich sturköpfig sein konnte. Ich würde den Ring nicht verlassen.

Schließlich ertrug Mack die Sticheleien der anderen nicht mehr. Er zog ein paar Handschuhe an und stieg zu mir in den Ring. Freddie kletterte ebenfalls hinein, als Ringrichter.

»Ich will einen echten Kampf«, sagte ich zu Mack. »Keine halben Sachen, nur weil ich ein Mädchen bin. Ich meine es ernst, und du solltest es besser auch ernst nehmen.« Dann drehte ich mich zu Freddie. »Du hast mich gehört.«

»Judy, bist du dir sicher?«, fragte er.

»Absolut. Ich werd' diesem Feigling eine Lektion erteilen.«

Damit stachelte ich Mack nur noch mehr an. »Meinetwegen«, sagte er. »Dir kleinen Schlampe werd' ich in den Arsch treten.«

Ich konnte nicht fassen, dass er mich so genannt hatte. Fast hätte ich mich sofort auf ihn gestürzt, aber Freddie ging dazwischen. Er schob mich in meine Ecke und wartete, bis Mack in seiner war. Dann begann der Kampf.

Runde Eins.

Ich stürmte in die Mitte des Rings und traf dort auf Mack. Er holte zu einem harten Schwinger aus und traf mich damit seitlich am Kopf. Ich spürte den Treffer, aber er hinderte mich nicht daran, einen mächtigen rechten Haken auszuteilen – direkt gegen seine Nase! Mack taumelte zurück, aber ich bewegte mich weiter vor. Eine kurze Gerade, ein Cross, eine Gerade, noch ein Cross. Alle vier Treffer. Auf dieses Trommelfeuer ließ ich einen Aufwärtshaken folgen, und danach einen Schlag in die Magengrube, auf den er nicht gefasst war.

Er zog sich zurück, und die Überraschung und der Schock standen ihm ins Gesicht geschrieben. Wir tänzelten ein paar Sekunden im Ring herum, und dann ging ich in die Offensive. Ich bewegte mich nah an ihn heran, verpasste ihm einen harten rechten Haken und eine Gerade hinterher. Mack holte nach mir aus, aber ich parierte den Schlag, duckte mich und traf ihn mit einem weiteren Kinnhaken. Auf diesen ließ ich noch zwei weitere Gerade und einen derben Cross folgen.

Mack ging zu Boden und stand nicht mehr auf. Der Kampf war noch vor Runde Zwei beendet.