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Vorwort

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2016 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-903067-66-0

ISBN e-book: 978-3-903067-67-7

Lektorat: Mag. Nicole Schlaffer

Umschlagfoto: Mrhighsky | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum Verlag

www.novumverlag.com

Vorwort

*

Wie fast alles im Leben, hat die Geschichte von William, die ich eigentlich erzählen möchte, viel früher begonnen. Mit der Geschichte von Michi und Peter nämlich.

1

Ein Pfeil im Köcher

*

Es war am Mittwochnachmittag vor Ostern. Das Programm hatte Tradition: Vorlesen einer Geschichte und Austeilen der Zeugnisse. Herr Steiner, der liebevoll Steini genannte Lehrer, pünktlich wie immer, warf die ungewöhnlich pralle Mappe so abgemessen auf sein Pult, dass sie knapp am Rande liegen blieb. Steini griff im Bücherregal nach einem Heftchen, las den Titel »Der Untergang der Titanic«. Peter, der in der vordersten Reihe rechts saß, wo er auch sitzen bleiben würde, solange er sich weigerte, das Rennen der Burschen um die hintersten Plätze mitzumachen, gähnte und belehrte Steini, wie man Titanic richtig ausspricht. Steini las lächelnd falsch weiter; er hatte noch einen Pfeil im Köcher und als ihn Peter belehrte, die Geschichte von „Näher, mein Gott, zu Dir“ hätte sich in den Zeugenaussagen längst als Märchen erwiesen, sagte er nur: „Ich lese nicht aus einem Geschichtsbuch.“

Das Zeugnis schob Peter ungeöffnet wie eine kalte Suppe vor sich hin. Etwa der Dritte, schätzte er, wie immer, nie der Erste wie Michi.

Als Steini die Schüler mit guten Osterwünschen entliess, rief er Peter beim Ausgang zurück und übergab ihm ein zweites Zeugnis. „Michi ist krank. Bring es ihm.“

„Warum ich?“

„Vielleicht lernst du drüben bessere Manieren.“

„Warum kommen Sie nicht mit?“

„Du bist der frechste Bengel, den ich je hatte. Ich werde mit deinem Vater reden.“

2

Faustdick gelogen

*

Um 18 Uhr stand Peter am See neben dem Bootshaus und suchte eine Rufsäule. Aber von der Insel her kam ihm schon ein junger Mann am Stehruder entgegen und deutete ihm einzusteigen.

Auf der Wiese vor dem Schloss lag ein Teich, dessen linke Seite mit rund geschliffenem Marmor eingefasst war, während der Teich rechts in eine Art Biotop auslief, mit Binsen, Seegras, jungem Schilf, einem Block Seerosen, belebt von kleinen Entchen und Krötenpärchen. Im linken Gewässer schwammen Goldfische. Aus dem Dachgiebel des Haupthauses flatschten im Minutenabstand Wasserstösse in den Teich, die Peter an das Swarovski-Museum erinnerten. Böse Zungen meinten im Umkleideraum, Michi spritze den ganzen Tag ab.

Die schwarze Dame im Fauteuil sagte: „Du bringst das Zeugnis. Michi wartet schon. Er wird sich freuen.“ Dann beugte sie sich vor, drückte auf dem Tischchen den Knopf der silbernen Serviceglocke und glitt in den Fauteuil zurück.

Eine Dame mit Häubchen begleitete Peter in die linke Zimmerflucht, öffnete Michis grosses Zimmer mit weiss-rosa Stuckaturen, und zog die Türe gleich wieder zu. Links neben Peter stand ein leeres Bett, Michi saß am Pult gegenüber am Fester zum See, ein Schreibzeug in der Hand, ein Blatt vor sich, schrieb aber nicht und sah sich nicht um.

Es ist ja schliesslich unser Michi, sagte sich Peter, ging zu ihm, tippte mit dem Zeugnis sanft auf das blonde Haar und legte das Zeugnis hin.

„Der Steini schickt mich … Willst du es nicht öffnen?“

„Ich weiss es schon …“

„Warum hat er mich dann hergeschickt?“

„Ich muss es ja zum Schulbeginn unterschrieben zurückbringen, … wenn …“

„Wie hast du mich hierher geschleust?“

„So was besorgt Noah, der Fährmann. Er hat Steini gesagt, ich müsse dich treffen. Schliesslich seien wir Freunde.“

„Das ist ja faustdick gelogen. Du hast mich die ganzen Jahre kaum je angeschaut.“

„Und du mich ebenso wenig.“

„Ja.“ (Das stimmte nun allerdings nicht ganz. Er hatte seiner üblen Gewohnheit gefrönt, die Reife der Burschen im Umkleideraum und beim Duschen geprüft und nach den Weihnachtsferien festgestellt, dass Michi ihn überholt hatte.)

Nun deutete Michi auf das Sofa, setzte sich hin und lud ihn mit einer Geste ein.

„Gerade so krank siehst du gar nicht aus.“

„Im Spital reden sie mich krank und wissen nicht weiter. Darum brauche ich dich hier.“

In diesem Moment rollte die Krankenschwester den Serviceboy mit dem Abendessen herein.

„Heute gibt es nur eine Portion, doch für morgen Abend habe ich zwei bestellt. Du musst morgen nochmal kommen; wir müssen über unsere Freundschaft und meine Krankheit reden.“

„Nun mal schön langsam. So geht das nicht. Steini hat gesagt, er schickt mich her, damit ich hier Manieren lerne. Aber Manieren habe ich umsonst erwartet. Der Bursche war bisher der freundlichste. Ich wurde herumgeschickt, kaum begrüsst, kein Schluck Wasser, und nun kommst du: ‚Heute ist nichts; du musst morgen kommen, ich brauche dich, wir müssen …‘ So geht das nicht.“

„Aber morgen kommst du nochmals. Dann gibt’s zu essen, und wir können Krankheit und Freundschaft klären.“

„Gut. Morgen.“

(Beinahe wäre ihm ein „Dir zuliebe“ entfahren.)

„Ruf mich an, wann ich kommen soll. Und organisiere jetzt meine Heimfahrt.“

3

Kopf klären

*

Peter ging daheim zuerst in sein Zimmer. Das Zeugnis war schon unterschrieben. Also kein Gesprächsthema beim Essen. Aber Sigi konnte auf seine Boshaftigkeiten nicht verzichten: „Das bessere Zeugnis hast du wohl drüben gelassen … dafür bewegen wir uns jetzt in besseren Kreisen.“

2 zu 0 für Sigi. Schweigen.

Peter ging früh zu Bett. Der Besuch drüben zwang ihn zu einer Klärung. Er drehte sich nach rechts und zog die Decke über den Kopf.

Michi hat gelogen. Das war nicht seine Art. Der Vorwand war ihm zu wichtig.

Was konnte ich mit Michis Krankheit zu tun haben?

Wenn meine Rolle wichtig wäre, hätten sie mich anders empfangen. Nicht wie einen Sklaven. Aber Michi sollte aufpassen: Gute Sklaven sind rar und gefährlich. Morgen Abend weiss ich schon zu viel.

Er spürte plötzlich so etwas wie Macht: Niemand konnte ihn drüben zwingen, am wenigsten zur Hilfeleistung.

Die Mutter kam zum Gutenachtkuss, setzte sich auf den Bettrand und zog die Decke leicht zurück. „Du sahst heute nicht besonders glücklich aus. Dabei ist dein Zeugnis gut. Fast zu gut, wenn ich bedenke, wie wenig du für die Schule tust. Mit diesen Noten kannst du prüfungslos ins Gymi.“

„Nie würde ich in die gleiche Schule wie Sigi gehen.“

„Sparen wir das für später. Was hat Michi?“

„Er hat dem Steini vorgelogen, er brauche mich als Freund. Und mir sagt er, er benötige meine Hilfe. Aber der Empfang war kalt, nicht einmal ein Glas Wasser; für das Abendessen morgen hat er mich hingebeten. Dann will er mir seine Geschichte erzählen.“

„Bleibe drüben freundlich und hilfsbereit. Wenn du nicht kannst, magst oder ihm misstraust, sage Nein.“

„Das ist das Wort, das ihr mich nie gelehrt habt.“

„Nun schlaf mal ruhig!“

Er zog die Decke vor und schniefte.

4

Der kleine Exhibitionist

*

Nach dem Mittagessen rief Michi an und bat Peter, schon um 15 Uhr zu kommen. Der Vater sei aus Südafrika gekommen und sie hätten eine Sitzung mit dem Hausarzt.