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Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

Sicherheitstipps:

In diesem Buch finden Sie Fotos, die den Anschein erwecken, die Pferde würden ohne Seil oder nur mit Halsring in der freien Natur gearbeitet werden. Tatsächlich jedoch sind alle veröffentlichten Fotos in gesicherter Umgebung entstanden. Bitte vergessen Sie nicht, dass auch gut ausgebildete Pferde Fluchttiere sind und bei Gefahr instinktiv reagieren. Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Pferd und Unbeteiligte und arbeiten Sie niemals ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen.

Achten Sie beim Reiten bitte immer auf entsprechende Sicherheitsausrüstung: Reithelm, Reitstiefel/-schuhe, Reithandschuhe und gegebenenfalls eine Sicherheitsweste.

IMPRESSUM

Copyright © 2016 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Gestaltung und Satz: www.ravenstein2.de

Fotos: Nadine Golomb, Friederike Scheytt

Lektorat der Originalausgabe: Almut Schmidt

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6426-3

INHALT

Einleitung

Das Pferd als Partner

Lernverhalten verstehen

Wieso eigentlich lerntheoretisches Grundwissen?

Lernen dient der Optimierung des eigenen Zustands

Lernen durch Nachahmung und Stimmungsübertragung

Gewöhnung und Sensibilisierung

Gewöhnung

Sensibilisierung

Desensibilisierung in der Praxis

Unerwünschte Sensibilisierung und Gewöhnung

Klassische Konditionierung

Operante Konditionierung

Lernen mit Thorndike

Die fantastischen Vier – Was operante Konditionierung mit Mathe zu tun hat

Positive Verstärkung – Im Dialog mit dem Pferd

Negative Verstärkung – Jeder tut es, aber keiner nennt es gern beim Namen

Positive Strafe: Strafe muss sein – Muss Strafe sein?

Negative Strafe – „Auszeit“ für Pferde

Lernen am Erfolg

Crossover – Mischen von Methoden

Verstärker verstehen – Motivation durch Belohnung

Primäre Verstärker

Sekundäre Verstärker

Tertiäre Verstärker – Verlaufslob und Überbrückungssignale

Signale, Kommandos und wegweisende Hilfen

Einführen und Ändern von Signalen

Signalkontrolle

Positives Pferdetraining in der Praxis

Ein klares System – keine Belohnung ohne Leistung

Das Markersignal

Das richtige Belohnungsfutter

Der richtige Zeitpunkt

Die Ausrüstung

Die eigenen Fähigkeiten schulen

Verhalten erarbeiten

Shaping – Verhalten formen

Luring – Locken mit Futter

Targeting – Lernen mit Zielen

Free Shaping – Freies Formen

Modelling/Molding – Verhalten modellieren

Wegweisende Hilfen

Belohnungsrate und Belohnungsmodelle

Capturing und Prompting – Einfangen von Verhalten

Trainingseinstieg

Der Trick mit dem Stick – Einführung des Markersignals

Höflichkeit ist eine Tugend

Stress lass nach – Konzentration und Stress

3Mach mal Pause – Pausentraining und Entspannung

Übungen für einen erfolgreichen Einstieg

Der Halftergriff

Mach doch mal „nichts“ – Die Nullposition

Impulskontrolle

Kopf senken

Mattentraining

Die Matte konditionieren

Signalkontrolle

Handtarget – Das unsichtbare Band

Konditionierung auf das Handtarget

Es kommt Bewegung ins Spiel

Kommunikation am Boden

Die Position des Pferdes

Der eigene Körper im Fokus

Das Antreten – Bewegung erzeugen

Anhalten und Laufen – Stop and Go!

Langstreckenlauf – Auf Schritt und Tritt mit dem Pferd

Lauf mit mir, bleib bei mir – Das Lauftempo bestimmen

In die Gänge kommen – Wechsel der Gangarten

Rückwärtsrichten

Rückwärts neben dem Pferd

Rückwärts vor dem Pferd

Handwechsel

Herankommen – Der Appell

Das freie Stehen

Das Seil – Begrenzung erklären

Die Hinterhand bewegen

Stimmsignale in der Bodenarbeit

Den Alltag bewältigen

Aller Umstieg ist schwer – Den Druck loswerden

Wie Sie durch Managementmaßnahmen Führungsqualität beweisen

Defizite aufarbeiten – Eine Trainingsskizze machen

Verladen als Beispiel für kleinschrittiges Training

Wenn es mal nicht so gut läuft

Ungehorsam des Pferdes – Leben ohne „Mach es trotzdem!“

Umgang mit Problemverhalten

Und was ist mit Reiten?

Freiwillig – Darf’s noch etwas mehr sein?

Danksagung

EINLEITUNG

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Achtung und Respekt durch positives Pferdetraining. (Foto: Nadine Golomb)

Im Ausbildungs- und Methodendschungel der Pferdewelt fällt es uns manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Es tummeln sich jede Menge Trainer, die jeweils ihr eigenes Konzept propagieren und lehren. Nach dem Motto „Wer heilt, hat recht“, wird die Anwendung von Druck in der Pferdeausbildung meist damit begründet, dass die Methode doch funktioniert und das Pferd mehr oder weniger schnell lernt, ein gewünschtes Verhalten zu zeigen. Die Frage, warum etwas funktioniert, bleibt häufig auf der Strecke. Dabei ist gerade diese Frage eine der wichtigsten, wenn es darum geht, Pferde artgerecht auszubilden. Würde man das Pferd fragen: „Warum reagierst du so?“, würde man bei konventionellen Ausbildungsmethoden über Druck wohl meist: „Weil mir nichts anderes übrig bleibt“ als Antwort erhalten.

Trainer, die sich auf „natürliche“ Ausbildungsmethoden berufen, gehen häufig davon aus, dass sich Pferde untereinander nicht belohnen und es daher nicht natürlich sei und nicht funktionieren würde, ein Pferd über Belohnung zu trainieren. Aus diesem Grund arbeiten sie überwiegend über den Aufbau von Druck, der bei gewünschter Reaktion des Pferdes nachlässt. Das Pferd soll lernen, den natürlichen Oppositionsreflex (Druck erzeugt Gegendruck) zu überwinden. Reagiert das Pferd nicht wie gewünscht, wird der Druck aufrechterhalten oder in der Regel sogar erhöht, bis das Pferd reagiert. Das Pferd lernt, dass es die Situation nur beenden kann, indem es eine entsprechende Reaktion zeigt. Üblich ist auch der Gedanke, der Mensch müsse eine ranghöhere Position einnehmen, damit das Pferd ihm respekt- und vertrauensvoll folgen könne.

Auch in der klassischen, konventionellen Ausbildung geht man davon aus, dass man zunächst einen entsprechenden (unangenehmen) Reiz setzen muss, damit das Pferd überhaupt eine Reaktion zeigt. Die häufigste Lösung bei Nichtreagieren des Pferdes ist noch immer das Anwenden von Druck oder sogar Strafe, um das Pferd zu einer Reaktion zu veranlassen.

Mit dem wachsenden Interesse an alternativen Ausbildungsmethoden hat erfreulicherweise auch das Interesse an Hintergrundinformationen zugenommen. Während insbesondere im Hundesport Trainingsmethoden, die auf dem natürlichen Lernverhalten der Tiere basieren, fast schon gang und gäbe sind, steckt die Entwicklung in der Pferdewelt noch immer in den Kinderschuhen. Das Umdenken zu einer neuen, positiveren Form des Trainings fällt uns im traditionsreichen Pferdesport offenbar schwer.

Dabei geht es nicht darum, das Trainieren über Druck als nicht artgerecht zu verteufeln. Es ist keineswegs unnatürlich, doch dies hat zunächst nichts damit zu tun, wie sich Pferde untereinander verhalten. Die negative Verstärkung (Entfernen von Druck, wenn sich das Pferd entsprechend verhält) wird vom Pferd ebenso natürlich verstanden wie die positive Verstärkung, also das Hinzufügen einer Belohnung bei richtiger Reaktion. Grundlegend unterschiedlich ist jedoch die Motivation des Pferdes, mit der es die Lektionen ausführt. Während es im ersten Fall reagiert, weil es die als unangenehm empfundene Situation beenden will, reagiert es im Fall der positiven Verstärkung, weil es eine Belohnung für seine Bemühungen erwartet. Mit entsprechendem Training lässt sich jedoch auch moderater Druck zu einer für das Pferd verwertbaren Information ausbauen, ohne dass es diese als unangenehm empfindet. Durch logischen und strukturierten Trainingsaufbau und unter Einsatz von Belohnung lernt das Pferd, (physischen) Druck nicht mit Zwang gleichzusetzen, sondern als Information oder Signal zu erkennen. Wie bereits Paracelsus erkannte, trifft auch hier der Satz „Die Dosis macht das Gift“ absolut zu.

Gerade weil weder die eine noch die andere Lernvariante unnatürlich ist, hängt es von Ihrer Einstellung ab, welche Sie wählen. Wie wichtig ist Ihnen die zuvor gestellte Frage nach dem „Warum?“.

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Mit positiver Verstärkung artgerecht trainieren – nicht immer einfach, aber ehrlich! (Foto: Nadine Golomb)

Stellt man die Frage nach der Motivation des Pferdes, wird man schnell merken, dass Pferde besonders engagiert sind, wenn man sie für ihre Leistung belohnt. In diesem Punkt unterscheiden sie sich wenig von uns Menschen. Und was böte sich im Fall der Pferde mehr an, als ihr immerwährendes natürliches Bedürfnis nach Fressen als Anreiz zu nutzen? Futter ist eine großartige Motivation für ein Pferd, uns unsere Wünsche schier von den Augen abzulesen. Doch zu seinem Leidwesen musste auch schon manch ein Pferdebesitzer feststellen, dass das Arbeiten mit Futterbelohnung alles andere als einfach ist. Nur allzu schnell wird Futter im Training zu einem stark unterschätzten Stressfaktor, wenn das Pferd sich nicht mehr konzentriert, den Menschen permanent nach Futter absucht oder gar anfängt zu beißen und aggressiv die Belohnung einfordert.

Dies sind ausdrücklich keine Nachteile der Arbeit mit Futterbelohnung, sondern vermeidbare Nebenerzeugnisse, die sich durch gutes Training beheben lassen. Schlechtes Verhalten hat als Ursache immer „Fehler im System“, denn Lernverhalten ist wie Schwerkraft ein Gesetz und keine Methode. Trainiere ich das Pferd korrekt, achte ich auf alle Details und baue das Training logisch auf, dann funktioniert das Arbeiten über Futter problemlos und mit all seinen positiven Effekten. Stellen Sie sich vor, wie großartig es ist, wenn das zunächst unhöfliche, bettelnde Pferd durch wenige Trainingsschritte dazu motiviert wird, Ihre Fragen mit „Ja“ zu beantworten.

Zugegeben, artgerechtes Training ist eine Wissenschaft für sich, denn dafür bedarf es solider theoretischer Kenntnisse und entsprechender Vorbereitung. Ich möchte Ihnen nicht versprechen, dass dies alles kinderleicht sei, denn dieses Versprechen werde ich nicht halten können. Ohne sich mit den Hintergründen auseinanderzusetzen, werden Sie nicht dauerhaft zu einem entspannten, freudvollen Miteinander mit Ihrem Pferd gelangen.

Wenn Sie ein guter Trainer/eine gute Trainerin (im Folgenden beschränke ich mich aufgrund der besseren Lesbarkeit auf eine Form, gemeint sind aber stets Frauen und Männer!) für Ihr Pferd werden wollen, müssen Sie an sich arbeiten und Ihr Verhalten fortwährend reflektieren. Der Lohn für die Mühe ist jedoch unbezahlbar, denn ein zufriedenes, motiviertes Pferd, das mit uns in partnerschaftlicher Verbindung steht, ist schließlich das Ziel eines jeden verantwortungsvollen Pferdebesitzers.

Mit diesem Buch möchte ich Ihr Verständnis für einen guten Trainingsaufbau schulen und Ihnen die Werkzeuge für ein positives Pferdetraining an die Hand geben. Ich wünsche mir, dass Sie nicht nur bestimmte Übungen nachmachen, sondern das dahinterstehende Konzept in Ihren gesamten (Trainings-) Alltag integrieren. Denn Horsemanship bedeutet nicht, eine bestimmte Technik oder Methode anzuwenden, sondern das Lernverhalten des Pferdes zu verstehen und anzuerkennen und das Training gemäß seiner natürlichen Bedürfnisse zu gestalten; frei nach meinem Motto: „Ehrlich motiviert!“

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Die Arbeit mit dem Pferd ist vor allem Arbeit an sich selbst. (Foto: Nadine Golomb)

Das Pferd
ALS PARTNER

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(Foto: Nadine Golomb)

Als ich vor vielen Jahren anfing, mich mit Pferden auf eine andere Art und Weise zu beschäftigen, war das „alternative Bild“ geprägt von dem Gedanken, das Pferd müsse sich dem Menschen unterordnen. Es solle den Menschen als Ranghöheren akzeptieren, nur dann könne dieser dem Pferd umgekehrt Sicherheit und somit Wohlgefühl vermitteln. Schließlich brauche ein Herdentier einen Anführer, um artgerecht behandelt und trainiert zu werden.

Heute vertreten Wissenschaftler und Ethnologen die Auffassung, dass eine Rangordnung zwischen Pferd und Mensch nicht existiert, da es diese nur innerhalb einer Tierart gibt. Und selbst die Hierarchie innerhalb einer Herde ist längst nicht so linear wie angenommen. Vielmehr geht es um die Verteidigung von Ressourcen, wenn es zu Auseinandersetzungen innerhalb der Herde kommt. Aber selbst hier gibt es selten ernsthafte Konsequenzen, denn grundsätzlich sind Pferde eher friedliebend und auf Harmonie innerhalb der Gemeinschaft bedacht. Natürlich gibt es auch bei Pferden eher „dominante“, selbstsichere Typen, oder aber solche, die sich eher unterordnen. Dies kann sich durchaus im Training mit ihnen widerspiegeln. Doch auch bei den Aufmüpfigen gilt, sie nicht durch mehr Druck zur Mitarbeit zu zwingen, sondern ihr Bedürfnis nach Verständnis zu berücksichtigen und ihnen Sicherheit vorzuleben. Sicherheit definiert sich nicht dadurch, dass Sie stets „das letzte Wort“ haben, sondern dass Sie vorausschauend und souverän die richtigen Entscheidungen treffen. Wenn Sie Ihr Training kleinschrittig genug aufbauen, sodass das Pferd die Teilschritte versteht, wird es keine Notwendigkeit sehen, Ihre Entscheidungen zu hinterfragen. Es lohnt sich schließlich viel mehr, Ihre Ideen aufzugreifen und mitzuarbeiten, und es hat sich bewährt, auf Ihre souveräne, friedliche Führung zu vertrauen, selbst dann, wenn es einmal schwierig wird. Trotzdem ist das Wort „Dominanz“ bis heute aus unserem Sprachgebrauch im Umgang mit dem Pferd nicht wegzudenken. Häufig hört man es dann, wenn ein Pferd nicht „funktioniert“ oder sich widersetzt. Doch ein dominant wirkendes Pferd ist letztlich auch nur ein Pferd, das sich nicht wie gewünscht verhält – ein „unerzogenes“ Pferd, das (noch) nicht gelernt hat, sich richtig zu verhalten.

Zwar ist das Pferd als Fluchttier für Körperspannung und -sprache empfänglich, diese jedoch wie gewünscht umzusetzen ist nicht angeboren, sondern wird erst durch entsprechendes Training erlernt. Das Pferd im Umgang mit uns zu schulen, ihm zu erklären, wie es sich uns gegenüber verhalten soll, ist stets Aufgabe des Menschen und sollte losgelöst von einer Rangordnungstheorie betrachtet werden. Zu häufig wird ausreichend Zeit, ein logischer Trainingsaufbau, gutes Timing und Belohnung durch die pauschale Anwendung von Druck ersetzt, statt an seinen Qualitäten als Trainer zu arbeiten. Dabei sind genau dies wichtige Voraussetzungen, um eine gute Beziehung zu seinem Pferd herzustellen. Wer hier nicht an seinen Fähigkeiten arbeitet, dem bleibt letztlich nur die Anwendung von Druck, um ein gewünschtes Verhalten zu erzielen.

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Training mit positiver Verstärkung ist frei von Rangordnungstheorien und Dominanzgedanken. (Foto: Friederike Scheytt)

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(Foto: Nadine Golomb)

Lernverhalten
VERSTEHEN

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(Foto: Nadine Golomb)

Wieso eigentlich lerntheoretisches Grundwissen?

Wollen wir unsere Pferde artgerecht trainieren, müssen wir uns zunächst einmal bewusst machen, wie Pferde lernen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Lernen nicht erst beginnt, wenn wir entscheiden, dass wir trainieren. Lernen beginnt in dem Moment, in dem wir mit dem Pferd kommunizieren – also schon bei der ersten Begegnung im Stall oder auf der Weide. Nimmt das Pferd beim Anblick des Menschen mit dem Halfter Reißaus, hat es schon etwas (Negatives) gelernt, obwohl die wenigsten dies bereits als Trainingssituation ansehen würden.

Der Psychologe Paul Watzlawick definierte einst Grundsätze, die im Umgang mit Lebewesen gelten. Sie besagen, dass ein Lebewesen nicht nichtkommunizieren, sich nicht nichtverhalten und nicht nichtlernen kann. Wer kommuniziert, verhält sich; wer sich verhält, der lernt auch. Selbstverständlich kann ich ein Pferd auch trainieren, ohne über Hintergrundinformationen zu verfügen. Schließlich hat jeder aufgrund seines eigenen Verhaltens zumindest rudimentäre Kenntnisse über das Lernen. Doch zu wissen, wie ein Pferd lernt, hat viele Vorteile.

Wer weiß, wie er das Training pferdegerecht gestalten kann, trainiert effektiver. Er wird bessere und nachhaltigere Ergebnisse in kürzerer Zeit erreichen, ohne dass dies zulasten des Pferdes geht.

Zu verstehen, wie Motivation funktioniert und wie man mittels Belohnung das Training beeinflussen kann, ist nicht nur für das Pferd positiv, sondern auch für den Menschen, da er durch den Lernerfolg des Pferdes eine direkte Rückmeldung über seine Ausbilderqualitäten bekommt.

Frustration spielt häufig eine Rolle, wenn Mensch und Pferd ins Stocken geraten.

Wenn man verstanden hat, wie Lernen funktioniert, kann man das eigene Vorgehen immer wieder überprüfen und optimieren, sodass man sich beständig weiterentwickelt. Und nicht zuletzt wird klar, wie unerwünschtes Verhalten entsteht und wie man es vermeiden kann. So gebe ich dem Pferd die Möglichkeit, fehlerfrei zu lernen, und fordere und fördere es gemäß seinen natürlichen Fähigkeiten.

Wer weiß, wie Pferde lernen, übernimmt Verantwortung für die Ausbildung seines Vierbeiners. Denn wer verstanden hat, wie es funktioniert, wird den Trainingsalltag entsprechend gestalten und nichts mehr unbewusst „falsch“ machen. Auch wenn es anfangs schwerfällt, ist es wie beim Fahrradoder Autofahren: Am Anfang muss man über alle Vorgänge noch viel nachdenken und braucht seine Zeit, doch irgendwann wird es zur Routine und gutes Training zur Selbstverständlichkeit.

Lernen dient der Optimierung des eigenen Zustands

Für das Pferd ist Lernen überlebenswichtig, denn Lernen dient stets der Optimierung des eigenen Zustands. Auch wenn uns die Vorstellung schmeichelt, das Pferd täte dieses oder jenes, um uns zu gefallen, so sind dies doch in erster Linie menschliche Vorstellungen. Das Pferd handelt ressourcenorientiert, denn in freier Wildbahn gilt es, keine Energie zu verschwenden. Macht ein Pferd also immer wieder den gleichen „Fehler“, hat dies einen Grund und das Verhalten „lohnt“ sich für das Pferd – das Pferd tut es keineswegs, um Sie zu ärgern.

Ein Pferd lernt sein ganzes Leben lang. Es nimmt mit seinen Sinnesorganen permanent die unterschiedlichsten Reize wahr. Diese werden im Gehirn verarbeitet, und dort wird auch über eine entsprechende Reaktion entschieden. Während wir Menschen dazu fähig sind, insbesondere in unbekannten Situationen zu „abstrahieren“, also bereits Gelerntes mit Neuem zu verknüpfen und abzuwägen, „um die Ecke“ zu denken, so wird das Verhalten des Pferdes überwiegend durch Instinkt, vorherige Gewöhnung oder Konditionierung bestimmt.

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Gutes Training ist keiner bestimmten Rasse vorbehalten und macht auch aus kleinen Pferden große Stars. (Foto: Nadine Golomb)

Durch entsprechendes Training sind jedoch auch Pferde zu erstaunlichen Leistungen fähig. Gutes, pferdegerechtes Training macht Pferde cleverer und leistungsbereiter und lässt sie selbst komplexere Zusammenhänge verstehen. Pferde wachsen ebenso wie wir mit ihren Aufgaben.

Auch bei Tieren gibt es eine Reihe von Lernformen, die wir kennen sollten, da sie uns in der Kommunikation mit dem Pferd unterstützen.

Lernen durch Nachahmung und Stimmungsübertragung

Das Lernen durch Nachahmung wird oft auch als „Lernen durch Beobachten“ beschrieben. Hierbei lernt das Pferd etwas Neues, indem es sich das Verhalten eines anderen Pferdes „abguckt“. Die Voraussetzung dafür ist, dass mindestens ein weiteres Tier das erwünschte Verhalten bereits zeigt.

Dies funktioniert besonders gut, wenn die Pferde untereinander bekannt sind und die Lernsituation häufig wiederholt wird. Grundsätzlich ist zwar jedes Pferd dazu in der Lage, durch Nachahmung zu lernen, doch in der Praxis bietet sich diese Möglichkeit eher selten an.

Während sich das Lernen durch Nachahmung auf neue Verhaltensweisen bezieht, geht es bei der Stimmungsübertragung um bereits bekanntes Verhaltensrepertoire.

Es ist bekannt, dass sich Angst oder Stress von einem Tier auf das andere überträgt. In freier Natur bedeutet dies, dass ein hektisches, angsterfülltes Kopfheben eines Pferdes eine ganze Herde zur Flucht veranlassen kann. Dieser Instinkt ist für das Pferd überlebenswichtig. Daher ist es wichtig, dass wir unsere Emotionen im Training gut kontrollieren können und dem Pferd durch unser souveränes Auftreten Sicherheit vermitteln, gerade wenn es einmal brenzlig wird. Pferde sind sehr feinsinnige Tiere und reagieren sensibel auf Stimmungen, insbesondere, wenn sie den Menschen an ihrer Seite gut kennen und gelernt haben, ihn einzuschätzen.

Gewöhnung und Sensibilisierung

Gewöhnung und Sensibilisierung spielen in unserem Alltag eine wichtige Rolle, sowohl in neuen als auch in altbekannten Situationen, zum Beispiel beim Einsprühen des Pferdes mit der Sprühflasche, beim Hängerfahren, selbst bei der (mangelnden) Reaktion auf Reiterhilfen ist das Prinzip von Gewöhnung und Sensibilisierung beteiligt.

GEWÖHNUNG

Gewöhnung, oder auch Desensibilisierung, ist eine schlaue Einrichtung der Natur. Hierbei lernt das Pferd, sein Verhalten auf einen wiederkehrenden Reiz zu ändern. Würde das Pferd ständig erschrecken, hätte es im Ernstfall keine Energiereserven mehr für die Flucht. Auch für uns ist es wichtig, das Pferd an unterschiedliche Situationen und Reize zu gewöhnen, denn je mehr das Pferd kennenlernt, desto gelassener wird es seinen Alltag meistern und desto besser kann es sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren.

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Vorausschauendes Training schützt vor „bösen Überraschungen“. (Foto: Friederike Scheytt)

Eine Gewöhnung stellt sich naturgemäß eher gegenüber schwachen oder neutralen Reizen ein. Das bedeutet, dass sich ein Pferd eher an Dinge gewöhnt, mit denen es noch keine besonderen und insbesondere unangenehmen Erfahrungen verknüpft, oder an Reize, die es zwar zunächst als tendenziell unangenehm, aber nicht als fluchtrelevant einstuft.

Gewöhnung ist darüber hinaus reizspezifisch. Das bedeutet, dass das Pferd nach einem erfolgreichen Gewöhnungsprozess zunächst nur gegenüber identischen Reizen keine Reaktion zeigt, bei ähnlichen Reizen jedoch wie vorher reagiert. Gewöhnen Sie Ihr Pferd also an eine blaue Plastiktüte, wird es möglicherweise vor einer roten Plastiktüte ebenso erschrecken wie anfangs noch vor der blauen. Aber: Je mehr Plastiktüten es kennt, desto weniger werden auch ähnliche Reize später ein Problem darstellen. Nach und nach findet eine Generalisierung statt, die dafür sorgt, dass Ihr Pferd auch ähnlichen Gefahrenquellen gelassen gegenübersteht.

Eine weitere Eigenschaft von Gewöhnung ist Reversibilität. Was kompliziert klingt, ist eigentlich ganz einfach: Wird die Erfahrung nicht regelmäßig aufgefrischt, stellt sich nach und nach die ursprüngliche Reaktion wieder ein. Es reicht nicht, das Pferd einmalig an einen Reiz zu gewöhnen, sondern es erfordert regelmäßiges Training, um die Gewöhnung aufrechtzuerhalten.

Schlechte Erfahrungen durch Schmerz oder Angst führen sogar schon einmalig dazu, die ursprüngliche Reaktion wiederherzustellen. Im schlimmsten Fall wird der Reiz nicht nur neutralisiert, sondern als unangenehm abgespeichert, sodass das Pferd in Zukunft auf diesen Reiz sensibilisiert ist. Dies lässt sich nur durch erneuten Trainingsaufwand beheben.

SENSIBILISIERUNG

Während das Pferd bei der Gewöhnung die Reaktion auf einen Reiz quasi „verlernt“, wird es bei der Sensibilisierung empfänglicher für einen Reiz. Ein bisher eher unbedeutender Reiz erhält somit eine Bedeutung.

Ein solcher Sensibilisierungsprozess ist meist eine unbeabsichtigte, spontane Angelegenheit. Stellen Sie sich vor, Sie trainieren mit Ihrem Pferd in der Reithalle. Als Sie am Hallentor vorbeireiten, wird dieses geöffnet und eine am Tor liegende Decke fällt herunter. Ihr Pferd – und auch Sie – erschrickt ganz fürchterlich, Ihr Pferd springt zur Seite.

Weil Sie reflexartig die Zügel aufnehmen, bekommt Ihr Pferd noch einen schmerzhaften Ruck im Maul. „Dumm gelaufen!“, denken Sie sich, während die Sache für Ihr Pferd noch längst nicht abgeschlossen ist.

In den folgenden Einheiten ist es in der Halle angespannt, und plötzlich hat es Angst, wenn die Tür sich öffnet oder Dinge über der Bande hängen. Durch die unangenehme, angsterfüllte Erfahrung und den schmerzhaften Ruck im Maul hat Ihr Pferd all diese vorher harmlosen Umgebungsreize als „potenziell gefährlich“ eingestuft. In diesem Fall kann man fast von Glück sprechen, dass nur die Umgebung als solche eingestuft wurde. Grundsätzlich können wir nämlich nicht beeinflussen, welche Reize bei einer solch unvorhergesehenen Sensibilisierung unangenehm belegt werden. Das Pferd könnte ebenso uns, eine andere Person, das Gerittenwerden, die Ausrüstungsgegenstände oder andere Dinge als unangenehm oder gefährlich einstufen.

In der Regel erledigt sich ein solches Problem innerhalb einiger Trainingseinheiten, weil das Pferd feststellt, dass von den Dingen keine Gefahr (mehr) ausgeht. Das Pferd gewöhnt sich daran. (Na? Erkennen Sie den Zusammenhang zwischen Gewöhnung und Sensibilisierung?)

Während eines Sensibilisierungsprozesses steigt der Erregungslevel des Pferdes, Adrenalin wird freigesetzt, das Pferd ist gestresst. Dadurch wird es auch für Reize empfänglicher, die bisher unproblematisch waren. Das Frühwarnsystem des Pferdes ist aktiv und warnt es vor jeder noch so kleinen Gefahrenquelle.

Sensibilisierungsprozesse sind nicht willentlich beeinflussbar. Das Einzige, was in einer solchen Situation hilft, ist Ruhe bewahren und dem Pferd durch die vermeintliche Gefahrensituation helfen. Dazu ist es gut, wenn man auf gelerntes Verhalten zurückgreifen kann, das man unter Signalkontrolle gestellt hat (zum Beispiel das Kopfsenken oder das Berühren der „Gefahr“). Insbesondere positiv konditionierte Signale eignen sich wunderbar, um das Pferd in solchen Situationen wieder „zurückzuholen“. Lernen an sich ist in einer Stresssituation nur sehr eingeschränkt möglich, da das Gehirn in einem solchen Moment auf instinktive Verhaltensprogramme fokussiert ist.

DESENSIBILISIERUNG IN DER PRAXIS