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Fachbereich
WISSENSCHAFTSGESCHICHTE

Albert Einstein

Von Prof. Ernst Peter Fischer

„Der Alte würfelt nicht”

Albert Einstein gehört zu den ganz wenigen Naturwissenschaftlern, die man eigentlich überhaupt nicht vorzustellen braucht. Jeder hat seinen Namen gehört. Jeder hat sein Gesicht schon einmal in irgendeinem Zusammenhang gesehen. Als Postkarte wird Albert Einstein mit heraus gestreckter Zunge angeboten. Das ist an seinem 72. Geburtstag fotografiert worden. Das Bild hat ihm so gut gefallen, dass er selbst eine Postkarte anfertigen ließ, um sie in alle Welt zu verschicken.

Jeder kennt Albert Einsteins berühmte Gleichung, E=mc2.

Und jeder kennt zumindest ein berühmtes Zitat von ihm. Nämlich jenen Satz, in dem er dem lieben Gott unterstellt, dass er nicht würfelt. Dieser Satz lautete, als er zum ersten Mal gefallen ist, wie folgt: „Die Quantentheorie ist sehr Achtung gebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns doch nicht näher. Jedenfalls bin ich überzeugt davon, dass der nicht würfelt.”

Dieses Zitat zeigt sehr schön, wie locker und leicht Einstein mit der Sprache umgeht: der wahre Jakob, der Alte, der würfelt. Die Frage ist natürlich, ob er recht hat.

Man hat den Eindruck, dass Einstein damit eine tiefe Wahrheit gesagt hat, aber das hat er eigentlich nicht. Er führt uns damit in die Irre. Das ist ein häufiges Problem bei Albert Einstein. Er hat so leichte, feine Sätzchen, die wunderbar daherkommen und trotzdem vom eigentlichen Thema ablenken. Das Würfeln ist ein Vorgang, der vollständig kausal funktioniert.

Die Quantenmechanik also die Quantentheorie, die Beschreibung der Atome, auf die Einstein anspielt, handelt ja gerade davon, dass es Dinge gibt, die keiner Kausalität unterliegen. Und da möchte er nicht mitmachen. Das ist aber eine andere, spannende Geschichte, auf die wir noch kommen.

Einstein, wie gesagt, ist in aller Welt berühmt durch die Formal E=mc2, welche die Energie, die man freisetzen kann, mit der Masse, die aus der Energie kommt, und der Lichtgeschwindigkeit verbindet. c = Lichtgeschwindigkeit, m = Masse und die Energie ist E.

Einstein und die Bombe

Einstein hat diese Formel bereits 1905 als kleiner Angestellter am Patentamt in Bern aus ganz freien Stücken abgeleitet. Heute weiß man, dass E=mc2 gewissermaßen die Erläuterung und die Begründung dafür liefert, dass Atombomben gebaut werden können. Denn in der Masse, die wir zur Verfügung haben, in der Materie steckt so viel Energie, dass, wenn man sie nur raffiniert genug freisetzt, diese ungeheure explosive Energiemenge erzeugt werden kann, wie wir sie 1945 und später erlebt haben. Wer weiß, dass diese Gleichung den Weg zur Atombombe bereitet, kann sich jetzt die berühmte Frage stellen, ob man jemals hätte verhindern können, dass diese Gedanken freigesetzt werden. Denn als Albert Einstein im Patentamt saß und über E und m und c nachdachte, hatte er so etwas wie die Anwendung in einer Bombe überhaupt nicht im Sinn. Er folgte einfach seinem freiem Gedankenspiel und stellte sich die Frage, ob die Energie eines Körpers etwas mit seiner Trägheit zu tun hat oder seine Trägheit, also die Masse, die er hat, etwas mit seiner Energie. Er hat das in völlig freiem Nachdenken gefunden und jeder, der sich über die Verantwortung des Forschers Gedanken macht, sollte sich darüber klar sein, dass die Grundformel, welche die Energie erläutert, die bei der Atombombe befreit wird, nicht von einem Mann gefunden wurde, der konkretes, zielgerichtetes Denken praktiziert hat, sondern der sich dem freien Gedankenspiel – Verbindungen zwischen den Größen, welche die Physik kennt – hingegeben hat.

Trotzdem hat natürlich Einstein später, als es dann soweit war, als man sehen konnte, dass seine Formel benutzt werden konnte, sich Gedanken darüber gemacht. Er hat ja auch ganz konkret den Weg frei gemacht, um die Atombombe, die dann E=mc2 in die Tat umgesetzt hat, verwirklichen zu können. Er hat das Ganze durch einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt in Gang gesetzt, den er im Jahre 1939 geschrieben hat.

Es wird manchmal gemunkelt, dass Einstein gewissermaßen nur dazu verführt worden sei, diesen Brief zu unterschreiben. Aber ich glaube, er hat konkret und aktiv selbst betrieben, dass dieser Brief geschrieben worden ist und der wesentliche Text darin lautet wie folgt:

„Einige mir im Manuskript vorliegende, neue Arbeiten lassen mich annehmen, dass das Element Uran in eine neue, wichtige Energiequelle verwandelt werden könnte. Im Laufe der letzten vier Monate wurde die Möglichkeit geschaffen, in einer großen Uranmenge atomare Kettenreaktionen zu erzeugen, wodurch gewaltige Energiemengen ausgelöst würden. Das neue Phänomen würde auch zum Bau von Bomben führen. Und es ist denkbar, obwohl weniger sicher, dass auf diesem Wege neuartige Bomben von höchster Detonationsgewalt hergestellt werden können. Eine einzige Bombe dieser Art, auf einem Schiff befördert oder in einem Hafen explodiert, könnte unter Umständen den ganzen Hafen und Teile der umliegenden Gebiete völlig vernichten. Möglicherweise würden solche Bomben in Folge ihres Gewichtes den Transport auf dem Luftweg ausschließen. Im Hinblick auf diese Situation mögen Sie es für wünschenswert erachten, dass ein ständiger Kontakt zwischen der Regierung und der Gruppe von Physikern in Amerika hergestellt wird, die an dem Zustandekommen der Kettenreaktion arbeiten. Ihr sehr ergebener Albert Einstein.”

Einstein hat nicht nur dafür gesorgt, dass die amerikanische Regierung bescheid weiß über die Möglichkeit, aus Uran Atombomben zu bauen, sondern er hat sich auch noch überlegt, wie es eigentlich gelingen kann, den Brief an den amerikanischen Präsidenten konkret unterzubringen. Denn wenn sie einen Brief an den amerikanischen Präsidenten schreiben und ihn in einen Briefkasten stecken, dann wissen sie gar nicht, wo er landet. Bei irgendeinem Unterstaatssekretär oder in irgendeinem Vorzimmer.

Einstein kannte einen Bankier, von dem er wusste, dass er bei Roosevelt zu Gast war. Der hat den Brief dann persönlich als Gruß von Professor Einstein an Roosevelt überreicht. Damit war sicher gestellt, dass diese Warnung und der Hinweis, dass man sich über die Möglichkeiten der Atombomben im Klaren sein sollte, beim Präsidenten ankamen. Die Konsequenzen sind uns alle als „Manhattan-Projekt“ bekannt.

Einstein hat später in einem Text genauer begründet, was er sich eigentlich dabei gedacht hat. Das ist in seinem wunderschönen Buch „Mein Weltbild“ nachzulesen, das es heute noch als Taschenbuch zu kaufen gibt und das ich jedem empfehle, der Einstein im Original lesen möchte.

Jetzt hören wir seine Begründung, wie er sich gefühlt hat, als er den Brief an Roosevelt schrieb: „Meine Beteiligung bei der Erzeugung der Atombombe bestand in einer einzigen Handlung. Ich unterzeichnete einen Brief an Präsident Roosevelt, indem die Notwendigkeit betont wurde, Experimente im Großen anzustellen zur Untersuchung der Möglichkeit der Herstellung einer Atombombe. Ich war mir der furchtbaren Gefahr wohl bewusst, die das Gelingen dieses Unternehmens für die Menschheit bedeutete. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Deutschen am selben Problem mit Aussicht auf Erfolg arbeiten dürften, hat mich zu diesem Schritt gezwungen. Es blieb mir nichts anderes übrig, obwohl ich stets ein überzeugter Pazifist gewesen bin. Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewöhnlicher Mord. Solange aber die Nationen nicht dazu entschlossen sind, durch gemeinsame Aktionen den Krieg abzuschaffen und durch friedliche Entscheidungen auf gesetzlicher Basis ihre Konflikte zu lösen und ihre Interessen zu schützen, sehen sie sich genötigt, sich auf den Krieg vorzubereiten. Sie sehen sich dann genötigt, alle, auch die verabscheuungswürdigsten Mittel vorzubereiten um im allgemeinen Wettrüsten nicht überflügelt zu werden. Dieser Weg führt mit Notwendigkeit zum Krieg, der unter den heutigen Verhältnissen allgemeine Vernichtung bedeutet. Unter diesen Umständen hat die Bekämpfung der Mittel keine Aussicht auf Erfolg. Nur die radikale Abschaffung der Kriege und der Kriegsgefahr kann helfen. Dafür sollte man arbeiten und dazu entschlossen sein, sich nicht zu Handlungen zwingen zu lassen, die diesem Ziel zuwider laufen. Dies ist eine harte Forderung an das Individuum, das sich seiner sozialen Abhängigkeit bewusst ist. Aber es ist keine unerfüllbare Forderung.”

In dem Text wird deutlich, dass Einstein Erfahrungen aus dem 1. Weltkrieg noch gut in Erinnerung hatte. Die Erfahrung aus dem ersten Krieg, an dem die Wissenschaft aktiv beteiligt war, zeigte, dass sobald die Möglichkeit besteht, wissenschaftliche Erkenntnisse in Waffen umzuwandeln, die Wissenschaftler darauf springen. Das waren die Franzosen. Das waren die Engländer. Das waren die Deutschen. Nur Einsteins Erfahrung zeigte ihm, dass die Deutschen das am Besten konnten.