Thom Delißen
TTIP/Ceta
Handelsabkommen
Themenzusammenfassung
Herausgeber:Peaceway
1. Auflage 06/2016
Verlag TD Textdesign
Inhalt
1. Transatlantisches Freihandelsabkommen
2. TTIP
3. Comprehensive Economic and Trade Agreement
4. Trade in Services Agreement
5. Anti-Counterfeiting Trade Agreement
6. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen
7. Welthandelsorganisation
8. Race to the bottom
9. Finanzkrise ab 2007
10.WikiLeaks
11.Veröffentlichungen von WikiLeaks
12.TTIP Leaks
13.Enthüllungsplattform
14.Cryptome
15.Medientransparenz
16.Weltsozialforum
17.Greenpeace
18.Campact
19.Europäische Bürgerinitiative
20.Umweltschutzorganisation
21.Rechtsbehelf
22.Souveränität
23.Rechtsstaat
24.E-Partizipation
25.Whistleblower
26.Informationsfreiheit
27.CL-Netz
28.Initiative Transparente Zivilgesellschaft
29.Streisand-Effekt
30.Electronic Frontier Foundation
31.Unterschriftensammlung
32.Unterschriftenaktion
33.Protest
34.OpenPetition
35.Amadeu Antonio Stiftung
36.Attac
37.Nichtregierungsorganisation
38.Centre for Economic Policy Research
39.Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
40.Wirtschaftliche Integration
41.Freihandelsabkommen
42.Tarifäres Handelshemmnis
43.Nichttarifäres Handelshemmnis
44.Kulturelle Ausnahme
45.Kapitalismus
46.Freiheit
47.Keynesianismus
48.Lobbyismus
49.Lobbypedia
50.Lobbyregister
51.Wettbewerb (Wirtschaft)
52.Interessenvertretung
53.Öffentliche Meinung
54.Öffentlichkeitsarbeit
55.Massenmedien
56.Interessenverband
57.Public Affairs
58.Politolinguistik
59.Politikberatung
60.Vierte Gewalt
61.Antichambrieren
62.Hofschranze
63.Stakeholder
64.Bestechung
65.Vereinigte Staaten
66.Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten
67.Transpazifische Partnerschaft
68.Außenpolitik der Vereinigten Staaten
69.Wirtschaft der Vereinigten Staaten
70.Bundesregierung (Vereinigte Staaten)
71.Politisches System der Vereinigten Staaten
72.Gesellschaftsrecht der Vereinigten Staaten
73.Pazifische Gemeinschaft
74.Amerikanische Freihandelszone
75.Nordamerikanisches Freihandelsabkommen
76.Handelsministerium der Vereinigten Staaten
77.Globalisierung
78.Globalisierungskritik
79.Paul Krugman
80.Joseph E. Stiglitz
81.Michael Froman
82.Richtlinie 2004/48/EG (Schutz der Rechte an geistigem Eigentum)
83.Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen
84.Turbokapitalismus
85.RCEP
86.ASEAN Freihandelszone
87.Asiatisch-pazifische Wirtschaftsgemeinschaft
88.Batam
89.Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit
90.Südasiatische Vereinigung für regionale Kooperation
91.Freihandelsabkommen der Europäischen Union
92.Europäische Identität
93.Europäische Union
94.Stabilisieungsabkommen
95.Mitteleuropäisches Freihandelsabkommen
96.Uruguay-Runde
97.Freihandelsabkommen der Europäischen Union
98.Erweiterung der Europäischen Union
99.Europäische Zollunion
100.Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
101.Gemeinsame Fischereipolitik
102.Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
103.Warenverkehrsfreiheit
104.Gemeinsame Handelspolitik
105.Fraktion im Europäischen Parlament
106.Präsident des Europäischen Parlamentes
107.Europawahl
108.Europäischer Rat
109.Europäischer Gerichtshof
110.Europäische Kommission
112.Gemeinschaft unabhängiger Staaten
113.Vertiefte und umfassende Freihandelszone
114.Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine
115.Regionaler Kooperationsrat
116.Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit
117.Europäische Freihandelsassoziation
118.Europäischer Wirtschaftsraum
119.Europäisches Parlament
120.Eurasische Wirtschafts-gemeinschaft
121.Freihandelszone Varaždin
122.Hoyvíker Abkommen
123.Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft
124.Südafrikanische Zollunion
125.Gemeinsamer Markt für das Östliche und Südliche Afrika
126.Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion
127.Gemeinschaft der Sahel-Sahara-Staaten
128.Greater Arab Free Trade Area
129.Dubai Healthcare City
130.Golf-Kooperationsrat
131.Arabischer Kooperationsrat
132.Mercosur
133.DR-CAFTA
134.Floridasur
135.Organisation Amerikanischer Staaten
136.Handelsvertrag der Völker
137.Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten
138.Union Südamerikanischer Nationen
139.Andengemeinschaft
140.Universidad Andina Simón Bolívar
141.Zentralamerikanischer gemeinsamer Markt
142.Gruppe der Drei
143.Bolivarianische Allianz für Amerika
144.Pazifik-Allianz
145.Doha-Runde
146.MAI.
147.Schiedsgerichtsbarkeit
148.Investor-state dispute settlement
149.Alternative Dispute Resolution
150.Floridasur
151.Währungsunion
152.Investitionsschutzabkommen
153.Völkerrechtlicher Vertrag
154.Ministerrat
155.Demokratie
156.Transparenz (Politik)
157.Zoll (Abgabe)
158.Umweltschutz
159.Verbraucherschutz
160.Sozialpolitik
161.Gesundheitspolitik
162.Ware
163.Dienstleistung
164.Kapital
165.Wirtschaftswachstum
166.Allgemeines Gleichgewichtsmodell
167.United Nations Global Policy Model
168.Öffentlicher Auftrag
169.Vorsorgeprinzip
170.Chilling effect
171.Außenhandel
172.Multinationales Unternehmen
173.Binnenmarkt
174.Welthandelsrunde
175.Protektionismus
176.Außenwirtschaftstheorie
177.Planetary Boundaries
178.Selbstbestimmungsrecht der Völker
179.Territoriale Integrität
180.Dekolonisation
181.Integrales und summatives Rechtsstaats-verständnis
182.Formeller und materieller Rechtsstaat
183.Produktbegleitende Dienstleistung
184.Agenda Setting
185.Drehtür-Effekt
186.Kommunikationspolitik
187.Parlamentarischer Abend
188.Spin-Doctor
189.Delaware-Effekt
190.Entschleunigung
191.Neoliberalismus
192.Washington Consensus
193.Cybergesellschaft
194.Internetrecht
195.Verwaltungsethik
196.California-Effekt
197.Arbeitsmigration
198.Braingain
199.Zwischenstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit
200.Zum ewigen Frieden
Transatlantisches Freihandelsabkommen
Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische
Handels- und Investitionspartnerschaft (englisch Transatlantic Trade and
Investment Partnership, TTIP, früher Trans-Atlantic Free Trade Agreement,
TAFTA), ist ein vorgeschlagenes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen
in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union
und den USA.¹ ² Die genauen Vertragsbedingungen werden seit Juni 2013³
ausgehandelt, dieser Prozess wird vielfach als intransparent kritisiert.⁴
Die Verhandlungspartner erhoffen sich einen Abschluss der Verhandlungen im
Laufe des Jahres 2016.⁵ ⁶
Als Vorläufer gilt das Multilaterale Investitionsabkommen (MIA), das in den
1990er Jahren auf erhebliche Widerstände von Aktivisten und NGOs stieß und
schließlich am Widerstand Frankreichs scheiterte. Als aktueller Testfall
für TTIP gilt das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), ein
schon 2014 ausverhandeltes, aber noch nicht ratifiziertes
kanadisch-europäisches Handelsabkommen, das ebenso wie TTIP umstritten ist.
Beide Abkommen werden auch mit dem internationalen Anti-Counterfeiting
Trade Agreement (ACTA) in Zusammenhang gebracht,⁷ das 2012 an Protesten in
EU-Ländern und den USA scheiterte.
Zusammenfassung
Das Ziel von TTIP ist laut den Verhandlungspartnern der Abbau von tarifären
und nichttarifären Handelshemmnissen zwischen den USA und der EU. Besonders
der Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse fördere das
Wirtschaftswachstum in den beteiligten Ländern erheblich, indem es Kosten
für exportierende Unternehmen in der EU und den USA senke und damit das
Außenhandelsvolumen vergrößere. Allerdings ist stark umstritten, wie
positiv oder negativ die jeweiligen wirtschaftlichen Effekte insgesamt und
für einzelne Länder ausfallen könnten. Auch die Effekte auf den Weltmarkt
und Länder der Dritten Welt werden diskutiert. Strittig ist auch, ob und
inwieweit auch Arbeitnehmer und Verbraucher oder lediglich
Kapitalinteressen von Großkonzernen von den prognostizierten Effekten
profitieren würden.
Einige Auftragsstudien von EU-Kommission oder Regierungen sehen in ihren
optimistischsten Prognosen positive Auswirkungen auf das
Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt in den meisten der beteiligten
Länder. Diese Studien werden von Teilen der Wirtschaft, der Politik und der
Wissenschaft als unrealistisch kritisiert. Kritische Studien kommen zu dem
Schluss, bei Zunahme des transatlantischen Handels könnte der
innereuropäische Handel sogar abnehmen. Zudem werden eine gesteigerte
makroökonomische Instabilität, ein negativer Einfluss auf das
Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt sowie eine sinkende Lohnquote
prognostiziert. Auch die Effekte für die Handelsbeziehungen mit Ländern
außerhalb von TTIP wie Russland, China, die BRICS-Staaten insgesamt und die
Entwicklungsländer werden von Kritikern, aber zum Teil auch von
Befürwortern, eher negativ veranschlagt.
Zudem weisen Kritiker darauf hin, dass nicht nur Industriestandards wie
DIN-Normen, sondern auch gesetzliche Standards in den Bereichen
Umweltschutz, Verbraucherschutz, Gesundheit, Arbeit und Soziales als
nichttarifäre Handelshemmnisse eingestuft würden. Es müsse daher damit
gerechnet werden, dass TTIP zu einer Schwächung, Deckelung oder teilweisen
Beseitigung solcher Standards führen könnte, was nicht im Interesse der
Mehrheit der Bürger sei.
Außerdem wird die geplante Einführung von internationalen,
nicht-staatlichen Schiedsgerichten kritisiert. Diese privaten
Schiedsgerichte sollen im Rahmen der Vertragsbestimmungen zum
Investitionsschutz ohne die Möglichkeit einer unabhängigen staatlichen
gerichtlichen Überprüfung über Schadensersatzansprüche von Unternehmen
gegen die Vertragsstaaten entscheiden können. Im Grundsatz, aber auch
angesichts der Höhe zu erwartender Schadensersatzforderungen von Investoren
sehen verschiedene Kritiker und Parteien dies als Gefahr für oder Angriff
auf die Souveränität der Einzelstaaten, die Prinzipien der Demokratie und
die Rechtsstaatlichkeit an.
Des Weiteren wird der als intransparent beurteilte Verhandlungsprozess
kritisiert. Schon die Veröffentlichung des Verhandlungsmandats,⁸ also des
grundlegenden Auftrags des Europäischen Rats an die EU-Kommission im Juni
2013, erfolgte nach öffentlichen Protesten erst im Oktober 2014.⁹ Zwar
veröffentlichte die EU-Kommission in der Zwischenzeit einen allgemeinen
Bericht zum Stand der Verhandlungen,⁴ ¹⁰ die konkret ausgehandelten
Vertragsbedingungen sind aber weiterhin geheim; auch EU-Parlamentarier,
nationale Regierungen und Parlamentarier der nationalen Parlamente erhalten
nur beschränkt und mit der Verpflichtung zur Geheimhaltung Einblick in
konkrete Textpassagen. Mittlerweile wurden unautorisiert mehrere interne
Positionspapiere aufgrund von Informationsleaks im Internet veröffentlicht.
Die bekannt gewordenen Inhalte haben nicht zu einer Beruhigung der Kritik
geführt.
Problematik des Ratifizierungsverfahrens
Nach Darstellung von foodwatch ist unklar, ob die nationalen Parlamente das
Abkommen tatsächlich ratifizieren müssen: „Die Ratifizierung durch die
nationalen Parlamente ist dann erforderlich, wenn es sich tatsächlich um
ein ‚gemischtes' – und damit um ein durch die EU-Mitgliedsstaaten zu
ratifizierendes – Abkommen handelt. Dies kann jedoch erst festgestellt
werden, wenn der fertige Vertragstext vorliegt. Im Streitfall obliegt die
Feststellung, ob es sich um ein ‚gemischtes Abkommen' handelt, allein dem
Europäischen Gerichtshof, nicht der Bundesregierung."¹¹ ¹²
Eckpunkte des geplanten Abkommens
Laut Europäischer Kommission und US-Handelsministerium geht es im Abkommen
um Marktzugang (Zollabbau, öffentliche Aufträge), regulatorische
Zusammenarbeit und die globale Regelentwicklung.¹³ ¹⁴ Obwohl zahlreiche
tarifäre (= Zoll-)Barrieren sowie Mengenbeschränkungen bestehen, die
vollständig abgebaut werden sollen, überqueren Waren, Dienstleistungen und
Kapital den Atlantik bereits ohne größere Reibungsverluste. Das
durchschnittliche Zollniveau beträgt fünf bis sieben Prozent.¹⁵ ¹⁶ Bei TTIP
geht es daher insbesondere um den Abbau von nichttarifären
Handelsbeschränkungen, also beispielsweise die Gleichbehandlung bei
öffentlichen Aufträgen, die Angleichung bzw. laut Kritikern den Abbau von
Gesundheitsstandards und Lebensmittelgesetzen, Umweltstandards und
ähnlichem.¹⁷
Nach den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union und des Europäischen
Parlaments sind im Zuge der sogenannten Kulturellen Ausnahme audiovisuelle
Medien und Kunst ausdrücklich nicht Teil des Verhandlungsmandats der
Europäischen Kommission.
Öffentliche Aufträge
Eine Gleichstellung der Wirtschaftssubjekte würde im jeweils anderen
Wirtschaftsraum beispielsweise einer lettischen Baufirma gegenüber einer
kalifornischen die gleichen einklagbaren Chancen bringen, den Bauauftrag
für eine Brücke in Los Angeles zu erhalten. Nach Aussage von Sigmar Gabriel
vor der 13. Verhandlungsrunde im April 2016 könnte TTIP an dieser Frage
scheitern: Die Amerikaner wollten an der „Buy-American"-Regel (wörtlich
„Kaufe amerikanisch") festhalten, was die europäische Seite nicht
akzeptieren könne.¹⁸
Lebensmittelgesetze und Gesundheitsstandards
Während in Europa beispielsweise genveränderte Lebensmittel gekennzeichnet
werden müssen und weitläufig verboten sind, verhält es sich in den USA
völlig anders; 90 Prozent des verwendeten Mais, der Sojabohnen und der
Zuckerrüben sind gentechnisch verändert.¹⁹ In Amerika gibt es keine
Kennzeichnungspflichten. Umgekehrt unterliegen in Europa verbreitete und
nicht besonders gekennzeichnete Produkte in den USA Beschränkungen. So wird
etwa der französische Roquefort-Käse aus Rohmilch von den
US-Gesundheitsbehörden als bedenklich eingestuft. In den USA dauert der
Zulassungsprozess für Grüne Gentechnik durchschnittlich 15 Monate, in der
EU 40.²⁰ Für die Unterschiede zwischen den USA und der EU bei der
Regulierung der Grünen Gentechnik gibt es unterschiedliche
Erklärungsansätze. Einige gehen davon aus, dass die Konsumenten in der EU
der Gentechnik gegenüber negativer eingestellt wären als US-Konsumenten,
dass Lebensmittelskandale (z. B. BSE oder Dioxin) in den 1990er Jahren
stärkere Regulierung zur Folge hatten oder dass das Vertrauen der
Konsumenten in die Regulierungsbehörden in der EU niedriger ist. Andere
Forscher argumentieren, dass die Regulierung in den USA deswegen weniger
strikt ist, weil die dortigen Landwirte aus der Grünen Gentechnik einen
größeren Nutzen ziehen könnten als EU-Landwirte.²¹
Die Pharmaindustrie erhofft sich Erleichterungen bei der Zulassung von
Medikamenten, die bisher nach unterschiedlichen Verfahren in Deutschland
und den USA geprüft werden müssen. Nach Ansicht des Vorstandsmitglied der
E. Merck KG, Karl-Ludwig Kley, könnten die Verbraucher von niedrigeren
Preisen profitieren. Kritiker bezweifeln diese Vorteile.²²
Umweltstandards
Die Umweltstandards in den USA und in Europa haben unterschiedliche
Ansätze. In der EU gilt das Vorsorgeprinzip, in den USA dagegen „kann ein
Stoff so lange verwendet werden, bis eine von ihm ausgehende beträchtliche
Gefahr nachgewiesen ist."²³
Im Dezember 2013 war Fracking in den nicht-öffentlichen Verhandlungen zu
TTIP Verhandlungsgegenstand.²⁴
Deregulierung des Finanzsektors
Als Reaktion auf die Finanzkrise ab 2007 hatten die USA in den vergangenen
Jahren schärfere Regeln im Finanz- und Bankensektor durchgesetzt. Dazu
gehört etwa die Reglementierung und das teilweise Verbot riskanter
Finanzprodukte, die weithin als einer der Auslöser der Krise angesehen
werden. Ein Verhandlungsgegenstand von TTIP ist die Rücknahme von
Kontrollen und einschränkenden Regeln für den Finanzsektor.²⁵ Der Ökonom
Michael R. Krätke schrieb dazu:
„Die Ironie der Geschichte: In den USA gelten im Moment noch striktere
Finanzmarktregeln als in Europa. Wenn alle Dienstleistungssektoren
‚liberalisiert' werden sollen, gilt das selbstverständlich auch für die
Finanzdienstleistungen. Folglich steht uns eine seltsame Allianz der
Finanzmarktderegulierer ins Haus, die die gerade erst begonnene
Reregulierung von Banken und Finanzmärkten mit Elan wieder zurückdrehen
werden – die Lobbyisten der britischen ‚Finanzindustrie' an der Spitze
der Bewegung."²⁶
Industriestandards
Zwischen der EU und den USA gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher
Produktnormen, etwa in der Chemie-, Metall-, und Pharmaindustrie. Bei den
Zulassungsverfahren müssen Fahrzeuge beispielsweise ganz unterschiedliche
Crashtests absolvieren. Eine Angleichung durch TTIP könnte nach Ansicht der
EU-Kommission den transatlantischen Handel ausweiten.²⁷
Wirtschaftlicher und politischer Hintergrund
Durch die große wirtschaftliche Bedeutung der Europäischen Union und der
USA (50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts) würde TTIP potenziell
die weltgrößte Freihandelszone bilden. Der Handel der Europäischen Union
und der USA umfasst rund ein Drittel des weltweiten Handelsvolumens.²⁸ Im
Folgenden werden die transatlantischen Handelsströme für Güter und
Dienstleistungen für das Jahr 2013 dargestellt:²⁸
Eine derartige Freihandelszone wurde seit etwa dem Beginn der 1990er Jahre
diskutiert, auch unter dem Namen Wirtschafts-NATO.²⁹ ³⁰ Nach offiziellen
Stellungnahmen soll durch das Abkommen unter anderem das
Wirtschaftswachstum in den Teilnehmerstaaten belebt, die Arbeitslosigkeit
gesenkt und das Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer erhöht werden.
Spitzenvertreter der Europäischen Union wie José Manuel Barroso,
EU-Handelskommissar Karel De Gucht, die deutsche Bundeskanzlerin Angela
Merkel und zahlreiche weitere europäische Spitzenpolitiker sowie auch
US-Präsident Obama haben Notwendigkeit und positive Effekte des Abkommens
vielfach betont. Merkel meinte im Februar 2013: „Nichts wünschen wir uns
mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Vereinigten
Staaten."³¹ ³² ³³ ³⁴ Im Koalitionsvertrag von 2013 betonen die regierenden
Parteien, dass sie zum Vertrag stehen. Sie bekennen sich zur
parlamentarischen Kontrolle und schreiben, sie werden auf die Sicherung der
herrschenden Schutzstandards Wert legen, insbesondere „im Bereich des
Datenschutzes, der europäischen Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelstandards
sowie auf den Schutz von Verbraucherrechten und öffentlicher
Daseinsvorsorge sowie von Kultur und Medien".³⁵
Das geplante Abkommen wird von Teilen der Politik, Journalisten,
Verbraucherschutz- und Umweltschutzorganisationen sowie
Nichtregierungsorganisationen massiv kritisiert. So werde es von
Lobby-Vertretern der Industrie unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne
tatsächliche parlamentarische Kontrolle der nationalen Parlamente oder des
EU-Parlaments und damit faktisch ohne demokratische Kontrolle verhandelt.
Die zu erwartenden positiven wirtschaftlichen Effekte für die Bevölkerung
der Teilnehmerstaaten seien sehr gering und würden von zahlreichen
gravierenden Nachteilen begleitet. So würden durch das Abkommen Umwelt- und
Gesundheitsstandards untergraben und Arbeitnehmerrechte aufgeweicht. Die
angestrebte „Harmonisierung" von Standards orientiere sich laut Kritikern
an den Interessen der Konzerne und Finanz-Investoren, weil Harmonisierung
bedeute, dass tendenziell der jeweils niedrigste bzw.
wirtschaftsfreundlichste Standard aller Einzelstaaten als Basis für die
verbindliche Norm des Vertrags dienen werde. Das dadurch ausgelöste Race to
the bottom führe zu weiteren negativen Globalisierungseffekten. Die
Europäische Kommission und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
verweisen darauf, dass eine Senkung von Standards nicht beabsichtigt sei
und eine Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung nur auf der Basis
bestehender hoher europäischer Standards erfolgen solle.³⁶
Kritiker des geplanten Abkommens fürchten, dass Unternehmen bei Verstößen
gegen die Vertragsregeln „gigantische Entschädigungen" durchsetzen könnten.
Sie verweisen auf schon bestehende Handelsabkommen, auf deren Grundlage
Konzerne etwa gegen ein Moratorium vorgehen, das die Gasförderung mittels
Fracking aussetzt, oder auf Entschädigung wegen des Atomausstiegs in
Deutschland pochen. Im Zuge des geplanten Transatlantischen
Freihandelsabkommens würden Konzerne anstreben, Kennzeichnungspflichten für
gentechnisch veränderte Lebensmittel und das Verbot von unter Einsatz von
Hormonen erzeugtem Fleisch zu kippen.²⁵ ³⁷ Die Europäische Kommission hat
hingegen erklärt, dass bestehende nationale oder europäische Gesetze nicht
vor einem Schiedsgericht angegriffen werden können, sofern sie nicht
diskriminierend angewendet werden.³⁶
Die Vorteile, die das Abkommen den Unternehmen bieten soll, wären zudem
bindend, dauerhaft und praktisch nicht mehr veränderbar – weil jede
einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten
geändert werden könnte, sobald der Vertrag in Kraft getreten sei.²⁵ Das
Abkommen wurde als „undemokratisch", als „unvereinbar mit demokratischen
Prinzipien" und als „Unterwerfung" der Teilnehmerstaaten unter
Konzerninteressen bezeichnet.²⁵ ³⁸
Prognosen der wirtschaftlichen Effekte
Befürworter
Studie des CEPR
Die EU-Kommission hatte im Vorfeld der Verhandlungen eine Studie beim
Londoner Centre for Economic Policy Research (CEPR) in Auftrag gegeben. Die
Studie mit dem Titel „Abbau der Hindernisse für den transatlantischen
Handel"³⁹ ⁴⁰ skizzierte dabei die wirtschaftlichen Auswirkungen und
Folgeabschätzungen eines Freihandelsabkommens für die EU und die USA. Das
Forschungsinstitut befürwortete danach ein Freihandelsabkommen und sah für
die EU-Wirtschaft ein Potential von rund 119 Milliarden Euro (ungefähr 233
Euro pro EU-Bürger). Die US-Wirtschaft wiederum habe ein maximales
Potential aus dem Freihandelsabkommen in Höhe von 95 Milliarden Euro. Das
CEPR kommt zu dem Ergebnis, dass ein kontinuierlich um rund 0,5 Prozent
höheres Bruttoinlandsprodukt (entspräche etwa 65 Milliarden Euro) durch ein
Freihandelsabkommen möglich sei. Nach der Analyse von Sabine Stephan⁴¹ der
Hans Böckler Stiftung besagt die Studie des CEPR, dass bei einem
umfassenden Freihandelsabkommen das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU
im Jahr 2027 um 0,48 Prozent und das der USA um 0,39 Prozent höher wäre als
ohne Freihandelsabkommen. Diese Zahlen gäben den Gesamteffekt an. Dieser
beziffert die ökonomischen Effekte des Abkommens am Ende einer
Anpassungsphase von etwa 10 bis 20 Jahren, also auf lange Sicht.⁴² Diese
Einschätzung wird in der „Erläuterung der wirtschaftlichen Analyse" der
Europäischen Kommission bestätigt: „Diese wirtschaftlichen Gewinne
entsprächen in der EU und den USA einem – gegenüber dem Szenario ohne TTIP
– zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,5 % bzw. 0,4 % des BIP bis
2027."⁴³ Auch der BDI korrigierte seine früher fälschlicherweise als
jährliches Wachstum interpretierte Aussagen zu den Wachstumseffekten.⁴⁴
Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung (17. Juni
2013)⁴⁵
Zwei Szenarien wurden simuliert. Die Abschaffung der Zölle allein wäre fast
wirkungslos. Der Abbau zollfremder Maßnahmen wie Qualitätsstandards,
Verpackungs- und Bezeichnungsvorschriften oder Herkunftsangaben sowie
technische oder rechtliche Anforderungen an importierte Produkte, der Abbau
von Förderungen der eigenen Exporte durch Steuervorteile oder finanzielle
Förderungen führt in Szenario 2 jedoch zu Wachstumsimpulsen. Das
Handelsvolumen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik
würde sich verdoppeln (dafür gäbe das Volumen mit den südlichen
Euro-Ländern um 30 Prozent nach), zwei Millionen neue Arbeitsstellen in den
OECD-Staaten würden geschaffen, davon 1,1 Millionen in den Vereinigten
Staaten sowie 181.000 in Deutschland. Geschwächt würden traditionelle
Handelspartner der USA wie Kanada (−9,5 Prozent), Mexiko (−7,2 Prozent) und
Japan (−6 Prozent). „Weitere Verlierer wären die Entwicklungsländer, vor
allem in Afrika und Zentralasien."
Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Bundesregierung 21. Januar 2015⁴⁶
Nach den Modellannahmen rechnet die Studie im Auftrag der Bundesregierung
damit, dass TTIP in Europa bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze schaffen kann,
100.000 davon in Deutschland. TTIP hätte direkte Effekte auf circa 45
Prozent der Weltwertschöpfung und 30 Prozent des Welthandels. Für
Deutschland schätzt das ifo-Institut in München einen dauerhaften Zuwachs
des realen Pro-Kopf-Einkommens von bis zu 3,5 Prozent. Negative Effekte für
die Länder der Dritten Welt gebe es nicht oder nur in geringem Maße.
Energiewirtschaftliche Optionen
Die unter dem Einfluss des Krieges in der Ukraine seit 2014 stehende EU
könnte durch den Abbau von Handelsbarrieren Energie günstiger aus den USA
importieren, um in diesem Bezug unabhängiger von Russland zu sein. Dazu bot
Obama schon zu Beginn des Konflikts im März 2014 die USA als Gaslieferanten
an.⁴⁷ Für kleine und mittlere Unternehmen, denen der Markt jenseits des
Atlantiks bisher zu undurchsichtig oder unrentabel war, biete TTIP
beträchtliche Expansionsmöglichkeiten. Verbraucher könnten von einer
größeren Produktauswahl und geringeren Preisen profitieren und Unternehmen
in den USA und der EU könnten leichter miteinander kooperieren.⁴⁸
Regionale Vorteile für Bundesländer
Auf Länderebene tritt die hessische Landesministerin für Bundes- und
Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich (CDU), für das TTIP ein und sieht mit
ihm „eine große Chance … für die hessische Wirtschaft".⁴⁹
Geopolitische Optionen
Neben der wachstumsorientierten Argumentation argumentieren viele
Befürworter des Abkommens auch machtpolitisch: Durch TTIP entstehe ein
geopolitischer Block, der auf Jahrzehnte die Produktstandards und
Konditionen des Welthandels diktieren könnte, was Ängste bei China und
Indien auslöst, über diese nahezu globalen Standards nicht mitverhandeln zu
können.⁵⁰ Aber auch ordnungspolitische Argumente finden sich; sie zielen
auf die Herstellung von mehr Chancengleichheit im transatlantischen
Handel.⁵¹
Kritiker
Kritiker führen an, dass das TTIP-Projekt die von Befürwortern genannten
positiven Effekte nicht erreichen werde bzw. dass die positiven Effekte im
kaum oder nicht messbaren Bereich lägen, selbst bei wohlwollender
Betrachtungsweise. Zu diesen Kritikern gehören auch die
Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman und Joseph E. Stiglitz.⁵²
Beim „Forum Wirtschaft" waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion –
Bernhard Mattes, Vorstandsvorsitzender Ford Deutschland und Präsident der
American Chamber of Commerce in Germany, Reinhard Bütikofer, MdEP und
Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, Prof. Irwin Collier,
Wirtschaftswissenschaftler und Vorsitzender des John-F.-Kennedy-Instituts
an der Freien Universität Berlin, sowie Jackson Janes, Präsident des
American Institute for Contemporary German Studies an der
Johns-Hopkins-Universität in Washington, D.C. – einig, dass das
Freihandelsabkommen netto nicht zu mehr Arbeitsplätzen führen werde.⁵³
Die amerikanische Handelsrechtsexpertin und Aktivistin Lori Wallach
schrieb:
„Eine Studie des Tafta-freundlichen European Centre for International
Political Economy kommt zu dem Befund, dass das BIP der USA wie der EU –
selbst unter extrem blauäugigen Annahmen – allenfalls um ein paar
Promille wachsen würde, und das ab 2029. Den meisten bisherigen Prognosen
liegt die Annahme zugrunde, dass Zollsenkungen stets eine starke
Wirtschaftsdynamik auslösten – was empirisch längst widerlegt ist.
Verzichtet man auf diese dubiose Annahme, dann – räumen die Autoren der
Studie ein – schrumpft der potenzielle BIP-Zuwachs auf statistisch
irrelevante 0,06 Prozent."²⁵
Die von der EU-Kommission selbst in der Öffentlichkeit angegebenen Zahlen
seien nicht das wahrscheinlichste, sondern das optimistischste Szenario,
und zwar über einen Zeitraum von zehn Jahren. So soll sich durch TTIP laut
EU-Kommission das Einkommen einer vierköpfigen Familie pro Jahr
durchschnittlich um 545 Euro erhöhen.⁵⁴ Auf der Website der Arbeitsgruppe
Alternative Wirtschaftspolitik schreibt der Sozialwissenschaftler⁵⁵ Tobias
Kröll dazu:
„Es geht hier um eine Wirtschaftsunion mit 28 Mitgliedsstaaten mit
jeweils unterschiedlichster Bevölkerungs-, Wirtschafts- und
Sozialstruktur, sowie unterschiedlichsten Tarifstrukturen. Innerhalb der
Staaten gibt es dazu noch jeweils unterschiedlichste Regionen. Es ist
schon sehr gewagt, auf dieser Basis mit dem Betrag von 545 Euro in
Verbindung mit einer ‚durchschnittlichen vierköpfigen Familie' für das
Freihandels-Abkommen zu werben. Damit wird nun langsam deutlich, dass es
(auch ohne TTIP-Abkommen) in der Wirtschaft in erster Linie um die
Verteilung des jeweils erwirtschafteten Reichtums geht."⁵⁶
Die angegebenen zwei Millionen neue Arbeitsplätze beziehen sich auf den
gesamten Freihandelsraum mit über 800 Millionen Menschen. Eine von
TTIP-Befürwortern häufig zitierte Studie der Bertelsmann Stiftung geht von
einem Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland um insgesamt 0,11
Prozent aus.⁵⁷ Grundsätzliche Kritik hinsichtlich des Aufbaus und der
neoklassischen Annahmen der Studien wurde vom Psychologen Jascha Jaworski
geäußert.⁵⁸
Nach dem Diskussionspapier eines Doktoranden⁵⁹ des Global Development and
Environment Institute der US-amerikanischen Tufts University⁶⁰ würde die
Zunahme des transatlantischen Handels durch eine Abnahme des
innereuropäischen Handels kompensiert. Durch die TTIP würden 600.000
Arbeitsplätze in Europa verloren gehen und es zu einem Einkommensverlust
von 165 bis zu 5.000 Euro pro Person und Jahr kommen. Zudem werden eine
gesteigerte makroökonomische Instabilität, ein negativer Einfluss auf das
Wirtschaftswachstum und eine sinkende Lohnquote prognostiziert. Der
methodische Unterschied zu anderen Studien beruht darin, dass nicht ein
Allgemeines Gleichgewichtsmodell, sondern das United Nations Global Policy
Model verwandt wurde.⁶¹ ⁶² ⁶³ ⁶⁴ ⁶⁰ ⁶⁵ Der Autor der Studie empfiehlt für
den Aspekt der Investitionen weitere Untersuchungen der finanziellen
Auswirkungen von TTIP, da nach der Studie eine höhere finanzielle
Instabilität zu erwarten ist.⁶⁰
Zu einer moderaten Kritik kommt Gabriel Felbermayr, der als Leiter des
Zentrums für Außenwirtschaft des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung die
Auswirkungen des transatlantischen Freihandelsabkommens erforscht. Er
erwartet für den Verbraucher sinkende Preise, jedoch einen erhöhten
Konkurrenzdruck für die Unternehmen, von denen manche vom Abkommen
profitieren könnten, andere jedoch nicht.⁶⁶
Historie
Der Weg zum Transatlantic Economic Council
Die Idee eines umfangreichen Freihandelsabkommens zwischen den USA und den
EU-Staaten wurde in Deutschland erstmals durch den damaligen
Bundesaußenminister Kinkel 1995 „prominent bekannt gemacht".⁶⁷
Transatlantische Erklärung 1990
Schon 1990 hatten die exekutiven Organe der Europäischen Gemeinschaft und
der USA die transatlantische Erklärung zur Zusammenarbeit und zum Dialog
verabschiedet und den „transatlantischen Dialog" als Institution gegründet,
der seither auf verschiedenen Ebenen stattfand.
Transatlantische Agenda 1995
1995 beschlossen die EU und die USA die Wirtschaftsbeziehungen weiter
auszubauen. Während des EU-USA-Gipfeltreffens am 3. Dezember 1995 in Madrid
wurde die Erklärung durch die Neue Transatlantische Agenda (NTA) ersetzt.
Absicht des 150 Einzel-Ziele umfassenden Aktionsplans war die engere
politische, militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die
grundsätzlichen Ziele waren nach wie vor die Sicherung von Frieden und
Stabilität, wobei der NATO eine herausragende Rolle zukam. Außerdem wurden
die Bewältigung globaler Herausforderungen, die Vertiefung der
Wirtschaftsbeziehungen, die Förderung des Welthandels und auch eine
transatlantische Brückenbildung im gesellschaftlichen Bereich genannt. Die
Europäische Gemeinschaft und USA vereinbarten eine Vertiefung ihrer
Handelspartnerschaft durch eine Freihandelszone.⁶⁸ ⁶⁹ ⁶⁹
Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft 1998
1998 wurde die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft beschlossen, die
auf dem Transatlantischen Aktionsplan basierte. Gemeinsame Maßnahmen in den
Bereichen Handel und Investitionen wurden angestrebt.⁷⁰
Transatlantischer Wirtschaftsrat 2007, Rahmenvereinbarung zur
transatlantischen Wirtschaftsintegration
Am 30. April 2007 wurde die Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der
transatlantischen Wirtschaftsintegration zwischen der Europäischen Union
und den USA unterzeichnet.⁷¹ Der daraufhin gegründete Transatlantische
Wirtschaftsrat (TEC) befasste sich fünf Jahre lang mit den Hürden, die
einer Einigung voraussichtlich im Wege stehen würden.⁷² In der
Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der transatlantischen
Wirtschaftsintegration heißt es: „Wir bekennen uns zum Abbau von Hemmnissen
im transatlantischen Handel, …zum Herbeiführen einer wirksameren,
systematischeren und transparenteren regulatorischen Zusammenarbeit…, zur
Beseitigung unnötiger Unterschiede zwischen unseren
Regulierungssystemen…".⁶⁹ Als Berater werden unter anderem Mitglieder der
amerikanischen Handelskammer, der europäische Arbeitgeberverband
Businesseurope und die Bertelsmann Stiftung eingesetzt.⁶⁹ Seit 2009 wurde
mit den Verhandlungen zu CETA (EU-Kanada-Freihandelsabkommen) eine Art
Blaupause zum Handelsabkommen zwischen den USA und der EU entwickelt.⁷³ ⁷⁴
Vorbereitung durch die High Level Working Group
Auf dem EU-US-Gipfeltreffen am 28. November 2011 setzten der US-Präsident
Barack Obama und der Präsident des europäischen Rates, Herman van Rompuy,
im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats (TEC) die Gründung einer
High-Level Working Group on Jobs and Growth ein, deren Mitglieder lange
geheim blieben, bis sie auf Druck der NGO Corporate Europe Observatory
veröffentlicht wurden.⁷⁵ Diesem Beratungsgremium, das zuerst am 23. April
2012 tagte, gehörten nach Ansicht der Nichtregierungsorganisation attac vor
allem liberale Technokraten (u. a. Vertreter von Businesseurope und der
Bertelsmann-Stiftung) an, von denen keiner ein demokratisches Mandat
besitze.⁷⁶ Geführt wurde diese Arbeitsgruppe durch den Handelsvertreter der
Vereinigten Staaten (USTR) Ron Kirk und den europäischen Kommissar für
Handel Karel De Gucht.
Obama, EU-Kommissionspräsident Barroso und Herman Van Rompuy⁷⁷ sprachen
sich am 13. Februar 2013 in einer gemeinsamen Erklärung für eine
Freihandelszone ihrer beiden Wirtschaftsblöcke aus.⁷⁸ ⁷⁹
Beginn der Verhandlungen
Im Juni 2013 einigten sich die EU-Handelsminister auf ein
Verhandlungsmandat für die Verhandlungen des Freihandelsabkommens mit den
Vereinigten Staaten. Der audiovisuelle Wirtschaftsbereich (Film- und
Musikproduktionen) wurde von den Verhandlungen auf Wunsch Frankreichs
vorerst ausgeklammert.⁸⁰
Die Aufnahme der Verhandlungen wurde am 17. Juni 2013 vom Präsidenten der
EU-Kommission José Manuel Barroso zusammen mit US-Präsident Barack Obama,
Präsident des Europäischen Rates Herman Van Rompuy und dem britischen
Premierminister David Cameron auf einer Pressekonferenz am Rande des
G8-Gipfeltreffens in Nordirland verkündet als „machtvolle Demonstration der
Absicht, eine freie, offene und auf vereinbarten Regeln beruhende Welt zu
formen".⁸¹
Die Verhandlungen führt auf europäischer Seite die Europäische Kommission.
Nachdem Ende Juni 2013 bekannt geworden war, dass die NSA unter anderem
auch EU-Vertretungen abgehört hat,⁸² drohten einzelne Mitglieder wie
Justizkommissarin Viviane Reding im Zug der Überwachungs- und
Spionageaffäre 2013 damit, sich für ein Ruhen der Gespräche auszusprechen:
„Partner spionieren einander nicht aus. Wir können nicht über einen großen
transatlantischen Markt verhandeln, wenn der leiseste Verdacht besteht,
dass unsere Partner die Büros unserer Verhandlungsführer ausspionieren."⁸³
Verhandlungsführer seit Dezember 2013 sind auf EU-Seite der Spanier Ignacio
Bercero aus der Generaldirektion Handel bei der EU-Kommission und für die
USA Dan Mullaney.
Die Verhandlungsrunden
Im Juli 2013 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Reihe von
Positionspapieren zu verschiedenen Aspekten der Verhandlungen. Sie wurden
den US-Vertretern bei der ersten Verhandlungsrunde vorgelegt.⁸⁵
Nach der sechsten Verhandlungsrunde veröffentlichte die Europäische
Kommission ein Papier mit dem aktuellen Stand der Verhandlungen.⁸⁶ ⁸⁷
In der siebten Verhandlungsrunde wurde über die Vereinheitlichung der
Vorschriften für Technik und Sicherheit für Kraftfahrzeuge verhandelt. Man
beschloss, dass öffentliche Dienstleistungen, Wasserversorgung und Bildung
bei TTIP außen vor bleiben sollen. Die Regeln für Chemikalien sollen nicht
harmonisiert oder gegenseitig anerkannt werden, lediglich bessere
Klassifizierungen sollen verhandelt werden.⁸⁸
Die achte Verhandlungsrunde wollte über Regulierungen und Standards in
folgenden Bereichen verhandeln:⁸⁹ ⁹⁰ Investitionsschutz (Schiedsgerichte),
Lebensmittel, Nachhaltigkeit, Energie und Rohstoffe, Pharmabranche,⁹¹
Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen, Zollabbau, geografisch
geschützte Angaben, Handelshemmnisse etwa durch unterschiedliche technische
Standards.⁹¹
Nach der achten Verhandlungsrunde „lobten die Unterhändler der EU und der
USA die erzielten Fortschritte. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Das
umstrittene Thema Investitionsschutz blieb bei den Gesprächen weiterhin
ausgeklammert. US-Vizepräsident Biden sagte, man müsse das amerikanische
Volk davon überzeugen, dass Europa sich für das Abkommen ebenso
interessiere wie die USA. Weitere Verhandlungsrunden folgen im April und im
Juni. Die Beratungen sollen Ende 2015 abgeschlossen werden."⁹¹
In der zehnten Runde ging es um die Absenkung von Zöllen, eine Annäherung
von Standards im Maschinen- und Anlagenbau, Energie- und Rohstofffragen,
Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen und den Schutz von
Herkunftskennzeichnungen im Agrarsektor. Ca. 312 Lobbygruppen, darunter ca.
ein Dutzend Nicht-Wirtschafts-NGOs, konnten am 15. Juli ihre Stellungnahmen
abgeben.⁹²
In der elften Runde verhandelten die über 120 Unterhändler im relativ
unstrittigen Kapitel Warenhandel und Zölle darüber, möglichst 97 Prozent
aller Zölle – z. T. nach Übergangsfristen – abzuschaffen; Experten beider
Seiten werden die Details der vorliegenden Vorschläge abgleichen. Beim
umstrittenen Thema regulatorische Zusammenarbeit, einer zukünftigen
möglichst weitgehenden Harmonisierung von Normen und Vorschriften, wurden
Vorschläge diskutiert zu Pharmaprodukten und medizinischen Geräten,
Textilien und Kraftfahrzeugen, Chemikalien und Pestiziden sowie neuerdings
auch Energie, Rohstoffen und Finanzdienstleistungen.⁹³
EU-Verhandlungsführer Ignacio Bercero forderte, die nationalen Parlamente
in die Expertenräte dieser regulatorischen Kooperation einzubinden.⁹⁴
Interessensgegensätze gab es laut Garcia beim Schutz von
Herkunftsbezeichnungen. Während die EU Bezeichnungen wie Böhmisches Glas,
Carrara-Marmor oder Meissener Porzellan geschützt lassen will, wollen die
USA Produkte eher durch Marken und Warenzeichen schützen und es
US-Produzenten erlauben, Waren wie Camembert-Käse oder Parma-Schinken in
die EU zu verkaufen.⁵ Für die Liberalisierung von Dienstleistungen werde es
bald einen ersten gemeinsamen Textentwurf geben. Der Vorschlag der
EU-Kommission über Investitionsschutz und die Schaffung eines unabhängigen
Investitionsgerichts vom 16. September 2015⁹⁵ wurde erst im November 2015
und damit nach Abschluss der 11. Runde an die USA übermittelt.⁹⁶
In der 12. Runde in Brüssel vom 22. bis zum 26. Februar 2016 ging es um den
Investitionsschutz (Schiedsgerichte), die regulatorische Kooperation,
Nachhaltigkeit und öffentliche Auftragsvergabe.⁹⁷ ⁹⁸
Nach der 13. Runde vom 25. bis 29. April 2016 in New York, in der es um
Marktzugang und Regulierungsfragen ging,⁹⁹ gaben sich die beiden
Chefunterhändler optimistisch: Sie hätten in allen Bereichen „significant
progress" gemacht „to consolidate as many texts as we can."¹⁰⁰ Strittig
bleiben außer dem Agrarbereich das Thema öffentliche Ausschreibungen und
das protektionistische „Buy American"; doch die Einigungen sind „marginal
angesichts all der ausstehenden Fragen, etwa beim Marktzugang europäischer
Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen auf amerikanischen Märkten.
Oder bei Arbeitnehmerrechten, dem Investitionsschutz oder
Herkunftsbezeichnungen".¹⁰¹
Kritische Positionen aus der Zivilgesellschaft
Initiative „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen TTIP" Juli 2014
Die Initiative „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen TTIP"¹⁰² mit
mehr als 80 Professorinnen und Professoren, gegründet vom Mediziner
Karl-Franz Kaltenborn, forderte am 17. Juli 2014 in einem offenen Brief an
die Bundeskanzlerin den Stopp der Verhandlungen über das
Freihandelsabkommen sowie eine verantwortungsvolle Politik für eine
nachhaltige und zukunftsfähige Gesellschaft.¹⁰³ Auf ihrer Website
kritisiert die Initiative neben TTIP auch CETA.¹⁰⁴
Gemeinsame Erklärung von Wissenschaftlern an der Universität Kent Juli 2014
Mehr als hundert Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben in einer
gemeinsamen Erklärung zum Freihandelsabkommen TTIP auf der Website der Kent
Law School ihre tiefe Besorgnis ausgedrückt und insbesondere die geplanten
Bestimmungen über Investitionsschutz und Investor-Staat-Gerichtsbarkeit
(ISDS) kritisiert.¹⁰⁵
Offener Brief von Rechtswissenschaftlern in den USA März 2015
In den USA haben mehr als 100 Rechtswissenschaftler Kongress und Regierung
aufgefordert, die Demokratie und Souveränität in den US-Handelsabkommen zu
schützen und widersprechen möglichen Vereinbarungen in den Handelsabkommen,
die es multinationalen Unternehmen erlauben würden, mittels
Investor-Staat-Gerichtsbarkeit US-Gerichte auf unverifizierbare Weise zu
umgehen.¹⁰⁶
Offener Brief von 40 Organisationen März 2015
In einem offenen Brief an den US-Handelsbeauftragten fordern mehr als 40
Organisationen, darunter Bürgerrechtsbewegungen, Naturschutzbünde und
mehrere Kirchen, eine Streichung des Investitionsschutzes aus den
Verhandlungen. Sie bemängeln, die Regierung könne in einem Schiedsverfahren
ausschließlich die Rolle des Beklagten einnehmen und dass selbst im
Gewinnfall die durchschnittlichen Prozesskosten in Höhe von acht Millionen
Dollar auf die Steuerzahler entfielen.¹⁰⁷ ¹⁰⁸
Öffentliche Stellungnahme des deutschen Richterbundes Februar 2016
Der Deutsche Richterbund lehnte im Februar 2016 das im Herbst 2015 von der
EU-Kommission vorgeschlagene internationale Investitionsgericht ab. Die
Richter sehen „weder eine Rechtsgrundlage noch eine Notwendigkeit für ein
solches Gericht", „die Schaffung von Sondergerichten für einzelne Gruppen
von Rechtsuchenden" sei der falsche Weg. Ein öffentlicher Gerichtshof für
Investoren werde die Rechtssetzungsbefugnis der Mitgliedsstaaten und der
Union zu stark beschränken. Es fehle ihm zudem die nötige Rechtsgrundlage.
Das Verfahren zur Ernennung der Richter genüge nicht den internationalen
Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten. Bei den Mitgliedstaaten
handele es sich um Rechtsstaaten, welche allen Rechtsuchenden den Zugang
zum Recht über die staatliche Gerichtsbarkeit eröffnen und garantieren. Es
sei Aufgabe der Mitgliedstaaten, den Zugang zum Recht für alle
sicherzustellen und durch die entsprechende Ausstattung der Gerichte dafür
zu sorgen, dass der Zugang auch für ausländische Investoren gangbar ist.
Die Einrichtung eines internationalen Investitionsgerichts sei daher „der
falsche Weg, Rechtssicherheit zu gewährleisten". Auch die Unabhängigkeit
der Richter in einem Sondergericht sei fraglich. Der Deutsche Richterbund
forderte den deutschen und den europäischen Gesetzgeber des Weiteren auf,
den Rückgriff auf Schiedsverfahren im Bereich des internationalen
Investorenschutzes weitgehend einzudämmen.¹⁰⁹ ¹¹⁰
Reaktion der Verhandlungspartner
Eines der in der öffentlichen Diskussion kontroversesten Elemente des
geplanten Abkommens ist die Einbeziehung von Klauseln zum
Investitionsschutz, bei deren Verletzung Investoren gegen den verletzenden
Staat vor Schiedsgerichten auf Schadensersatz klagen könnten
(Investitionsschiedsverfahren).
In den Verhandlungen mit den USA wurde das Thema seit März 2014 nicht mehr
behandelt.⁹⁶ Die Europäische Kommission führte seitdem eine „Öffentliche
Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der
Investor-Staat-Streitbeilegung im Rahmen der TTIP"¹¹¹ durch. Mit einem
Fragebogen konnten Unternehmen und Privatpersonen bis zum 6. Juli 2014 ihre
Ansicht dazu äußern.
Das EU-Parlament hat bereits im April 2014 gegen die Stimmen von Grünen und
Linken einer Regelung der finanziellen Verantwortlichkeit bei
Investor-Staats-Schiedsverfahren zugestimmt.¹¹² ¹¹³ In der Presse wurde
dies als „Absegnen" des Investitionsschutzes in TTIP aufgefasst.¹¹⁴
Nach den politischen Leitlinien des neuen Kommissionspräsidenten Jean
Claude Juncker vom 15. Juli 2014 war geplant, die Position der EU zum
Investitionsschutz zu überdenken und die Verhandlungen transparenter zu
gestalten: „Allerdings werde ich als Kommissionspräsident auch
unmissverständlich klarstellen, dass ich nicht bereit bin, europäische
Standards im Bereich Sicherheit, Gesundheit, Soziales, Datenschutz oder
unsere kulturelle Vielfalt auf dem Altar des Freihandels zu opfern.
Insbesondere die Sicherheit unserer Lebensmittel und der Schutz
personenbezogener Daten der EU-Bürgerinnen und -Bürger sind für mich als
Kommissionspräsident nicht verhandelbar. Ebenso wenig werde ich
akzeptieren, dass die Rechtsprechung der Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten
durch Sonderregelungen für Investorenklagen eingeschränkt wird.
Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz müssen auch in diesem
Kontext gelten." (S. 9)¹¹⁵
Dass es „zwischen entwickelten Rechtssystemen" auch ohne
Investitionsschutzklauseln gehe, zeigten laut einer Rede von Sigmar Gabriel
am 25. September 2014 im Bundestag die Freihandelsabkommen der USA und
Kanada mit Singapur und Israel.¹¹⁶ Allerdings gebe es auch Mitgliedstaaten
der Europäischen Union, in denen die Unternehmen nicht immer vor Willkür
geschützt seien. Das Verhandlungsmandat für TTIP sehe aber keinen
Automatismus zur Einrichtung von Investor-Staat-Schiedsverfahren vor.
Deswegen sei es gut, dass die EU-Kommission die Verhandlungen darüber
ausgesetzt habe und ein Konsultationsverfahren durchführt.¹¹⁶
Während der 7. Verhandlungsrunde bis 3. Oktober 2014 wurde nicht weiter
über Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren verhandelt: Die Europäer
überdenken ihre Position neu, die USA halten weiter daran fest. Am 5.
Februar 2015 wurde vom Ausschuss für internationalen Handel des
Europäischen Parlaments ein Entwurf eines Berichts mit den Empfehlungen des
Europäischen Parlaments an die Kommission zu den Verhandlungen über die
transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)
veröffentlicht.¹¹⁷ Der Bericht wurde auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 der
Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments erstellt.¹¹⁸ Gemäß diesem
Bericht ist der Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus (ISDS) „im
TTIP-Abkommen aufgrund der hochentwickelten Rechtssysteme der EU und der
USA nicht notwendig".¹¹⁹
Im Herbst 2015 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine
grundsätzliche Reform des ISDS-Systems vorgelegt.¹²⁰ Statt Schiedsgerichten
soll demnach ein öffentlicher Investitionsgerichtshof über Klagen wegen der
Verletzung von Investorenrechten entscheiden. Dieser soll aus einem Gericht
erster Instanz und einem Berufungsgericht bestehen, Urteile sollen von
öffentlich ernannten Richtern mit hoher Qualifikation gefällt werden, die
vergleichbar ist mit der von Mitgliedern anderer ständiger internationaler
Gerichte wie des Internationalen Gerichtshofs und des
WTO-Berufungsgremiums, die Möglichkeiten von Investoren, einen Fall vor das
Gericht zu bringen soll genau definiert werden und die möglichen
Klagegründe auf Fälle wie gezielte Diskriminierung wegen Geschlecht, Rasse
oder Religion, Staatsangehörigkeit, Enteignung ohne Entschädigung oder
formelle Rechtsverweigerung festgelegt werden.¹²⁰ Das Recht der Regierungen
auf Regulierung soll in den Bestimmungen der Handels- und
Investitionsabkommen garantiert werden.¹²⁰ Die Kommission wollte den
Vorschlag anschließend mit dem Rat und Europäischen Parlament diskutieren.
Anschließend sollte der Entwurf als EU-Vorschlag in die Handelsgespräche
mit den USA eingehen und auch bei anderen laufenden und künftigen
Verhandlungen als Verhandlungsbasis dienen.¹²⁰ Am 12. November 2015 gab die
Kommission bekannt, dass der Vorschlag der US-Delegation in den