Thom Delißen

 

 

Pforten zur Ewigkeit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag TD Textdesign

 

 

 

 

 

 

Zu den Personen:

 

 

1. Intro 

2. Colin 

3. Raphael 

4. Eskimos 

5. Richard Neveit 

6. Die Druiden 

7. Saskia 

8. Miguel Felice 

9. Pascale Delonge 

10.Margarete Dilown 

11.Charline 

12.Fernandez Solto 

13.Ranu.

14.Robert Matlock 

15.Won Hu Chan 

16.Arndt Schuber 

17.Alexey Stretzkow 

18.Weinende Taube 

19.Lucia Baretti 

 

 

Intro

 

"Es gibt sie nicht.

 Er räusperte sich.

"Und doch sind sie da."
Blinzeln.

„Hör zu“

sagte er.

Seine Hornbrille rutschte ein wenig nach unten.

„Mein Gedankenfreund. Du darfst das nicht falsch verstehen.. Wir sind Menschen eines modernen Zeitalters. Eigentlich, und das ist Tatsache, kann uns nichts mehr aufhalten. Wir haben alles im Griff.“

wieder räusperte er sich.

„fast alles.“

Um seine letzte Bemerkung zu unterstreichen, deutete er auf die Zeichnung des Teilchenbeschleunigers.

„Das ist ein Ding, dass uns dem Universum verdammt nahe bringt. Und glaubst du nicht, dass es gut ist, dem Universum nahe zu sein?“

Er, der zuhörte, schluckte.

Sie, die neben ihm stand, begriff nur das, was sie an der Uni gelernt hatte, und das war überhaupt nichts, im Vergleich zu dem, was sie jetzt zu verstehen genötigt war.

Der Mann mit der Hornbrille sagte:

"Das Universum ist nichts Anderes als eine Masse. Nicht? Masse ist Eigentlich und unEigentlich immer, irgendwie, oder aber auch verdammt nicht, dehnbar.

Also, simpel ausgedrückt, dehnen wir uns auch, oder nicht. Wie wir uns dehnen oder nicht dehnen, ist momentan, in unseren Zeitbegriffen völlig egal. Relevant ist die einfache Tatsache. Und so haben wir Ursache und Wirkung auf einen Punkt gebracht. Kapiert?“

„Na klar!“

sagte er, der lauschte. Und diese Worte kamen nicht aus seinem Kopf, sondern aus seiner Seele.

Sie versuchte irgendetwas zu sagen, doch so sehr sie es versuchte, es gelang ihr nicht.

Statt dessen verspürte sie ein unwiderstehliches Verlangen sich in ihrer Mitte zu schaben.

„Macht mich nicht lächerlich, und versteht das nicht!“

sagte der Mann mit der Hornbrille und er meinte es ernst.

„OK.“ Der Mann versuchte die Idee, die hinter dem Teilchenbeschleuniger stand, erneut zu verdeutlichen.

„Machen wir es einfach. Das Universum ist nichts als ein winzig kleiner Wind eines unendlich viel größeren Universums, dass wiederum aus der Blähung eines anderen Universums stammt und so weiter. Am Ende steht wohl irgendein etwas.“

Er brummte etwas unmutig.

„Und dieses etwas wollen wir finden.“
Er rückte seine Hornbrille zurecht.
" Und,“

fragte er, der zuhörte, um auf die Tatsachen zurück zu kommen, denn das Ganze wurde ihm ein wenig zu theoretisch:

„Woher kommen diese Steine?“

Die Frau meldete sich.

„Aus einem anderen Universum?“

Das war typisch für sie. Sie hatte die Schnauze voll. So ein Blödsinn. Atome, Teilchenbeschleuniger, andere unbekannte Universen, wo sollte man denn da hin geraten. ? Da hielt sie sich lieber an die Menhire, Stonehenge, die Bretagne, Inkas, Azteken.

Trotzdem, dachte sie, vielleicht ist mein Einfühlungsvermögen zu klein? Und ein wenig ergriff sie ein Gefühl der Beklemmung, - nicht Angst, nur etwas Unbeschreibliches, etwas nicht fassbares. Mit ein Grund, warum sie ihn, der zuhörte, in Gedanken drängte, das kleine Holzhüttchen zu verlassen.

Der Professor verbeugte sich endlich vor ihnen, mit einer tiefen, orientalisch, indisch anmutenden Bewegung, verbeugte beide Arme vor der Brust, senkte den Kopf, um dann zu sagen:

„Omani padme hum.“

Das Seltsame war, dass ihnen Beiden dieser Gruß, diese Verabschiedung, tief in ihrem Gedächtnis haften blieb, und einen nicht zu beschreibenden nachhaltigen Eindruck hinterließ.

Sie sollten den Professor nie wiedersehen.

 

Colin

 

Colin, alle nannten in Cole, und er hatte sich daran gewöhnt, war der Dorfidiot, und er wusste es.

Er wusste es ganz genau. Er war der Dorfidiot dieses kleinen irländischen Örtchens, in der Nähe von Athlone am Lough See. doch wie hätte er sich wehren können? Wenn er über eine Frage nachgedacht hatte, und eine Antwort formulierte, waren die anderen schon längst bei einem anderen Gesprächsthema. Versuchte er sich dann verständlich zu machen, erntete er meistens Gelächter oder verblüfftes Staunen.   

Fragte ihn zum Beispiel jemand:

„Na, Cole? Heute schon gevögelt?“

und er antwortete nach einer Weile, die anderen unterhielten sich mittlerweile über die neue Agrarsteuer, die eingeführt werden sollte...

„Nein, die Stare sind alle schon nach Süden gewandert.“

So erinnerte sich nur selten jemand an die Frage, die ihm gestellt worden war, und alle schlugen sich auf die Schenkel und verzogen ihre Gesichter zu seltsamen Grimassen.

Oh, er kannte sich aus mit Vögeln! Einmal hatte er ein kleines Küken, dass aus dem Nest gefallen war, bei sich zu Hause in einem Schuhkarton aufbewahrt, hatte versucht, es  mit Milch aufzuziehen. doch es wollte nicht trinken. Und dann, nach einer Woche etwa, hatte es seine Mutter entdeckt und ihm weggenommen.

„Das stinkt ja schon!“

hatte sie ausgerufen. Oh ja, er kannte sich mit Vögeln aus.

doch Mutter war jetzt tot. Sie hatten Erde über ihr angehäuft, und alle hatten ihm auf die Schulter geklopft. Das war schön gewesen, sonst klopfte ihm niemand auf die Schulter, höchstens einmal an den zwei Feiertagen, die er kannte. Weihnachten und Neujahr. Es war Schade, dass diese beiden Feiertage so eng beieinander lagen, er hätte es besser gefunden, wenn sich dieser seltene Beweis von Sympathie etwas über das Jahr verteilt hätte.

Sonst ließen sie ihn Eigentlich zufrieden, nur die kleinen Kinder, die ihm öfters nachliefen, störten ein wenig.

„Cole, Cole, ist da oben hohl!“

riefen sie. Und irgendwie verletzte ihn das.

Jeden Morgen gegen halb Fünf stand er auf und verließ die kleine Hütte, in der er früher mit seiner Mutter zusammen gewohnt hatte. dann ging er in die Hügel, streifte über das Land.

Manch einer der anderen Dorfbewohner hätte sich gewundert, welche Kilometerleistung Cole sich jeden Tag erlief.

doch er liebte diese Landschaft, das Auf und Ab, den weichen Grasboden, die kleinen Bäche, die Bäume.

Und die Steine. Diese seltsamen Steine, die er auf seinen Wanderungen immer wieder traf, fand. Manchmal waren sie umgekippt, manchmal standen sie aufrecht. doch jedesmal verharrte er vor ihnen, und eine Ehrfurcht, die Einzigartig war, in seinem Leben, ergriff ihn. fast, als ob die Steine mit ihm reden würden. doch das den anderen im Dorf mitzuteilen, obwohl er gerne darüber gesprochen hätte, fehlten ihm die Mittel.

Jeden Abend, wenn er heimkam, wartete eine Schüssel mit Essen auf dem groben Holztisch seiner Hütte, er wusste, das kam von der Frau seines Bruders, die auch ab und zu seine Hütte aufräumte.

Seine Mutter hatte ihm die ganzen 35 Jahre lang, die er mit ihr zusammenlebte, Reinlichkeit gepredigt, und er hielt sich peinlich genau an ihre Weisungen. Sie hatte ihm beigebracht, wie man die Hosen und Hemden in einem Zuber mit Seifenwasser schrubbt, dass man sich jeden Tag zu waschen habe, und schließlich hatte sie ihm auch gezeigt, wie man sich rasierte.
Das Rasieren war für ihn ein besonderes Ritual, das er mit Inbrunst pflegte. Jeden Morgen, bevor er das aufgeräumte Haus verließ, schabte er sich den Bart mit einem Rasiermesser, dass ihm seine Mutter geschenkt hatte. Sie hatte ihm auch gezeigt, wie man es an einem Lederriemen abzieht, doch als er sich einmal in den Finger geschnitten hatte, war es ihm anschließend gelungen, seiner Schwägerin klarzumachen, dass er das Messer geschliffen haben wollte. Seitdem kümmerte sie sich auch darum.

Seinen Vater hatte er nie gekannt. Er wusste auch nicht, dass so etwas nötig war, um auf die Welt zu kommen. Seine Welt war seine Mutter gewesen und jetzt waren es die Hügel, die Bäume, die Tiere, die Vögel und die Steine.

dass er reinlich war und immer freundlich, diesem Umstand verdankte er wohl, dass er gelitten war, auch wenn ab und an Stimmen laut wurden, von Dorfbewohnern, die ihn am Liebsten in einer geschlossenen Anstalt gesehen hätten.

Sein Garten, von der Fläche her etwa dreimal so groß wie die übrigen Gärten im Dorf, war ein wahres Wunder. Er wusste, dass er deswegen auch im Dorf ein gewisses Ansehen hatte, denn immer wieder brachten sie ihm Pflanzen, die er aufpäppeln sollte, wollten Ableger seiner Blumen, baten ihn um das eine oder andere Kraut. Er hatte eine grüne Hand, und wenn es um seine Pflanzen ging, verstand er auch.

Seine Hütte bestand aus einem großen Wohnraum, in der einen Ecke der Holztisch mit den grob gezimmerten Stühlen, in der anderen seine Schlafstatt. Er heizte mit Holz, - von jeder seiner Wanderungen brachte er ein wenig mit, dürre Äste, die er fand, ab und an auch einen gestürzten Baum, den er dann in stundenlanger Arbeit zerkleinerte.

Er war anspruchslos, und das Leben gefiel ihm, meistens.

Für die seltenen Stunden in denen er eine gewisse Melancholie empfand, auch wenn er es nie so ausgedrückt hätte, hatte ihm seine Mutter ein Pflänzlein gezeigt, von dessen getrockneten Blüten und Blättern er immer ein Beutelchen im Schrank hatte.  

dann machte er sich einen Tee, und die Schwermütigkeit verflog so schnell wie sie gekommen war.

Eines Abends einmal, warum, das wusste er heute nicht mehr, war er in das Haus im Dorf gegangen, in dem sich immer alle trafen, und mit roten Köpfen diskutierten. Er war hineingegangen, damals war es Winter und Drinnen war es warm.

Erst war er verwirrt, durch die vielen Stimmen und den Geruch, doch dann hatte ihm jemand auf die Schulter geklopft, und ihm ein Glas hingestellt. Unter dem Gejohle der Anderen hatte er es geleert, und auch das Nächste und das Nächste.

Als er am anderen Morgen aufgewacht war, hatte er unter einem Baum in der Nähe des Hauses seiner Mutter, dem Haus das jetzt ihm gehörte, gelegen. Seine Mutter hatte geschlagene 3 Wochen nicht mehr mit ihm geredet. Sogar das Essen hatte sie ihm verweigert.

Er hatte das damals zwar nicht ganz verstanden, aber dieses Haus hatte er seitdem gemieden.

dann, eines Morgens war er wieder zu einer seiner Wanderungen aufgebrochen. vielleicht 20 Kilometer hatte er in 3 Stunden hinter sich gebracht, als er den Hund sah.

Er lag da, eine Pfote in einem komischen Winkel von sich gestreckt und winselte. Als Cole näherkam, versuchte er aufzustehen, versuchte weg zu kriechen, doch anscheinend war er schon zu geschwächt.

Trotzdem zeigte er die Zähne und knurrte, als Cole auf ihn zuging.

Cole blieb stehen, murmelte beruhigende Worte, doch der Hund, es war ein Hund, (oder war es ein Wolf?) hörte nicht auf zu knurren. schließlich setzte sich Cole einfach nieder, ständig in einem tiefen Baß beruhigende Worte murmelnd.

Dieses Tier hatte Schwierigkeiten, ihm mußte geholfen werden. bestimmt hatte es Hunger.

doch er hatte, wie immer, absolut nichts dabei. nur eine kleine Plastikflasche mit Wasser. vielleicht hatte es auch Durst?

Cole rutschte langsam näher. Wie sonst sollte er dem Tier zu trinken geben, oder ihm helfen?

schließlich schüttete er ein wenig Wasser in die hohle Hand, und bat es dem immer noch knurrenden Tier an.

Anstatt ihn zu beißen, hörte der Hund auf zu knurren, schnüffelte, und schlabberte schließlich gierig das Wasser.

Etwa 5 Stunden saß Cole bei dem Hund, redete auf ihn ein, gab ihm Wasser, wagte endlich sogar ihn zu streicheln.

Der Hund ließ es geschehen.

Es war klar, soviel konnte Cole erkennen, der Hund hatte sich, wie auch immer, seinen rechten vorderen Lauf, kurz über dem Gelenk, gebrochen.

Was tun?

 Das Tier war nicht groß, nicht so groß wie ein Mensch. Also versuchte sich Cole dem anzupassen, und legte sich auf den Boden. Cole tat das mit einem naturgegebenen Instinkt, und es ist Tatsache, dass Tiere von größeren Tieren einfach Angst haben. Er kroch neben das mißtrauische Tier.

dann brachte er seinen Kopf neben den Kopf des Hundes, und der leckte ihm das Gesicht.

Gewonnen.

schließlich, mit unendlicher Vorsicht gelang es ihm, den Hund auf seinen Nacken zu legen, den Bauch auf seinem Genick, ohne den verletzten Lauf zu belasten.

Das Tier ließ es geschehen.

Er brauchte eine lange Zeit, um nach Hause zu kommen, doch das war egal. Er konnte helfen, dessen war er gewiß.

Er schiente den Lauf, besorgte Milch und feste Nahrung und der Hund genas.

Cole hatte einen wirklichen Freund gewonnen.

Irgendwann später in irgendeiner Nacht wachte Cole auf, weil der Hund neben ihm sich unruhig bewegte und ein kurzes Wuff hören ließ.

Er vernahm ein seltsames Summen, es wurde lauter, immer lauter, tat weh.

Der Hund hatte den Schwanz eingezogen, winselte leise.

Damm sah Cole das Licht. nur kurz, aber er sah es. Das Summen hörte auf. Cole war an Erscheinungen und Dinge, die er nicht verstand gewöhnt, bald schlief er wieder ein.

Am Morgen, als er den Hund gefüttert hatte, auch für das Futter sorgte jetzt seine Schwägerin, und aus der Tür trat, sah er, im hinteren Viertel seines Gartens einen Kreis aus verbranntem Gras, einen Durchmesser von etwa 1 Meter..

Und in der Mitte einen Stein.

Spitz.

Endlich wusste er, woher die Steine kamen.

Sie wuchsen.

 

Raphael

 

Wozu bin ich auf dieser Welt?
Diese Frage hatte er sich schon oft gestellt.
Die einzige unter den vielen Antworten, die er gefunden hatte und die ihn einigermaßen befriedigte, war:
Um zu wissen.
Um Wissen und Erfahrung zu sammeln.
Ganz bestimmt war er nicht geboren worden um Reichtümer, Macht irgendeiner Art anzusammeln.
Und auch nicht um für ein System irgendeiner Art zu arbeiten.
Waren es Kinder, Nachkommen, die von ihm verlangt wurden?
Ging es um das schlichte Überleben?
Darum, gegen die in immensen Tempo voranschreitende Zerstörung von Mutter Erde zu kämpfen?
War letzten Endes Alles nur grausamer Zufall?
War es ganz einfach sinnlos?
Er war sich sicher, dass auch Religion nicht die Lösung auf diese quälende Frage nach dem Wesen des Sinns war.
Er war immer wieder, sich wirbelnd im Kreise drehend auf diese eine Antwort gekommen:
"Wissen."
Und er hatte erkannt, dass es einem das Leben verdammt schwer machte, auch nur den winzigsten Teil davon zu erhalten.
immer schon hatte er sich gefangen gefühlt, in Konventionen, Gesetzen, Notwendigkeiten.
aber auch sein eigener Wille und Geist machten die Suche nach diesem Wissen immer wieder unmöglich.
Da waren die Wollust, geistige Wollust, da waren Bedürfnisse, die er so schmerzhaft empfand, dass er ihnen schließlich nachgab.
Es war ein Taumeln, einmal in diese Richtung, das nächste Mal in jene, es war die Verzweiflung vor einer unüberwindlichen Mauer von Meinungen, Vorurteilen, Ängsten und Mächten.

Er hatte sich der Gesellschaft angepaßt. nun nicht ganz, - das konnte man auf den ersten Blick sehen.

Man mußte nur sein Äußeres anblicken, die verwaschenen, zerfetzten Jeans, die langen Haare, die vielen Armreifen und Halsbänder, die Ohrringe, der Ring durch seine Nase. auch seine Wohnung zeugte von seiner Unangepasstheit. Es war ein ausrangierter Eisenbahnwaggon, der auf einem kleinen verwilderten Grundstück stand, das er geerbt hatte. aber sonst war er angepaßt, hatte die wilden Jahre hinter sich. Er ging arbeiten, verdiente sein Geld, lebte sein ruhiges Leben. Soweit man ihn ließ.

Es war nicht einfach, in einem Waggon zu leben, immer hatte irgend jemand etwas dagegen. Entweder war es die Stadt, das Gesundheitsamt, das Wohnungsamt, das Landratsamt, ein Nachbar, die Drogenfahndung, oder die Polizei im Allgemeinen. Jedenfalls immer irgend jemand, der ihn stören wollte.

Das lief so ungefähr nach dem Motto:

"Entweder Du paßt Dich ganz an, oder Du lässt es bleiben."

Er war immer wieder nahe daran zu resignieren, sein altes Leben als Wohnsitzloser, Reisender, als Penner, -  wieder aufzunehmen. doch irgendwie fühlte er, dass er davon schon zu weit entfernt war, schon zu sehr in die bequeme Gelähmtheit der Gesellschaft geraten war. Und so kämpfte er eben seine kleinen Kriege mit den Behörden und den Menschen, und freute sich über jede Minute, die sie ihm schenkten.

Er hatte Arbeit in einer Mercedes-Werkstätte gefunden, in der er das Ersatzteillager verwaltete. Das hatte für ihn den Vorteil, dass er billiger an Ersatzteile für seinen alten 190‘er Benz herankam, der in einer Garage stand, die er mit Freunden zusammen gemietet hatte, und in der er viel seiner Freizeit verbrachte, ihn wieder herzurichten.

noch hatte er seinen Führerschein nicht wieder, doch die ersten Fahrstunden waren schon bezahlt.

Damals, als er den Führerschein verloren hatte, als Folge eines Autounfalles, bei dem er mit 120 Sachen gegen einen Baum gerauscht war, mit etlichen Bier zuviel im Blut, hatte er sich Eigentlich geschworen, sich nie mehr hinter das Steuer eines Autos zu setzen. doch die Zeiten ändern sich, und manche Meinungen sind überholt.

Außerdem, so hatte er überlegt, ist so ein alter 190er ja auch etwas anderes als der hochgezüchtete Sportwagen, der damals an dem Baum sein Ende gefunden hatte.

Und außerdem, - er trank nicht mehr.

So viel.

Eine andere Überlegung war gewesen, dass so ein Auto ja auch zur Anpassung dazugehört, ja ein wichtiger Bestandteil der Stellung in der menschlichen Gesellschaft ist, vor allem in den westlichen Industrieländern. In  eines von diesen Industrieländern war er nun einmal durch seine Geburt hinein katapultiert worden. Und auch seine freie Entscheidung hatte dazu beigetragen, dass er nun hier lebte.

Und, abgesehen von Allem, es war einfach ein geiles Gefühl, in so einer alten Kutsche zu sitzen, mobil zu sein, nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. auch wenn das im Moment noch ein wenig Zukunftsmusik war.

Er war ein wenig stolz darauf, ein Außenseiter in diesem kleinen bayerischen Dorf zu sein, nicht mit der Masse mitzulaufen, auch wenn sich das in letzten Jahren sehr verflacht hatte. Seit er hier wohnte, hatte sich das anfängliche Mißtrauen und vielleicht sogar Übelwollen zum größten Teil, in eine Art Respekt, Ehrerbietung, sogar ein wenig Ehrfurcht gewandelt. Wahrscheinlich aber beruhte das eher auf einer unbestimmten Art von Angst, die die Dorfbewohner empfanden. Einer, der so lebte konnte ja schließlich nicht ganz normal sein. wusste man, was er unter Umständen noch in der Hinterhand hatte? Außerdem, - er ging ja arbeiten. Das war jedem bekannt und damit war schon die Hälfte der Miete bezahlt. Nicht wahr?

Raphael, so nannten ihn seine Freunde von der Garage, keiner wusste weswegen, und wenn ihn irgend jemand fragte, dann nannte er ihn  auch, diesen Namen, hatte keine feste Freundin, das war ihm einfach zu anstrengend, doch über einen sexuellen Notstand konnte er nicht klagen. Konnte sein, die Mädels, besser gesagt die Frauen, fanden es irgendwie anregend ihren Gelüsten in einem alten Eisenbahnwaggon nachzugehen.

Diesen Eisenbahnwaggon, zweiter Klasse, Nichtraucher, in den Garten zu bringen, war eine gewaltige Aktion gewesen und reichlich teuer. doch schließlich stand er, von einem Sattelschlepper gebracht, auf dem Grundstück, dass er von seiner Großmutter geerbt hatte. Eine unverrückbare Tatsache, sozusagen. Der Transport hatte weit mehr gekostet als der Waggon selber, den er fast geschenkt bekommen hatte.

Er hatte ihn mit Ölheizung und sanitären Anlagen ausgerüstet, an das Stromnetz anschließen lassen, und, welcher Luxus, er besaß sogar einen eigenen TelefonanSchluss.

Wenn ihn jemand anrief, schrillte ein Feldtelefon aus der Zeit des zweiten Weltkrieges, es war jedoch von einem befreundeten Telefontechniker umgebaut worden und das Innere war endeffekterweise ein hochmodernes, schnurloses Digitalgerät. Er hatte deswegen kein schlechtes Gewissen. Er hatte in diesem Fall nach dem intuitiven Motto: „Wer arbeitet soll auch essen.“ gehandelt.

Das Innere des Waggons war mit weichen Teppichen ausgelegt, Geschenke seines Vaters, der leidenschaftlich gerne knüpfte. So hatte die winterliche Kälte, auch Dank einer zusätzlichen Isolierung aus Styropor und Holzdielen, keine Chance, von unten her einzudringen.

An den Wänden hingen handgeknüpfte Wandteppiche, doch der unbestreitbare Mittelpunkt an den Wänden der kleinen Wohnung war ein gerahmtes, nachträglich koloriertes Poster. Es zeigte ein bekanntes Motiv der 70 ziger Jahre, den Soldaten, der von einer Kugel getroffen fällt, darunter in großen schwarzen Buchstaben die Frage: „Why?“

Er hatte keinen Sessel in dem Eisenbahnwagen, das Leben spielte sich auf den Teppichen ab, beziehungsweise auf einigen Polstern, die um eine Eichenholzplatte herum, die als Tisch diente, arrangiert waren.

Der Waggon war nicht allzu geräumig, doch er war zufrieden.

fast jeden Abend zog ein verführerischer Duft aus der Öffnung an der Außenseite, die mit dem Dunstabzug in der kleinen Küche verbunden war. Dieses Loch in das Metall zu bekommen, war eine äußerst schwierige Angelegenheit gewesen, die Stahlplatte war erstaunlich dick gewesen.

Er hatte schon immer gern gekocht, und wie bereits erwähnt, nur wer ißt kann auch arbeiten. Natürlich war er in seiner Oase selten allein, die Beschwerden der Dorfbewohner über die, meistens nicht sehr leisen Gäste, waren zur Routine geworden.

Eigentliches Ärgernis war nur der direkte Nachbar, der öfters auch einmal gerne die Polizei holte. Ein weiterer Auslöser für die vielen Schwierigkeiten, die er mit den Behörden hatte.

Wehrdienstverweigerer? auch das.

Raphael hatte dieses Problem damals auf recht subtile Weise gelöst. Er hatte sich untauglich schreiben lassen. Das ging einfacher als er gedacht hatte, eine Reise nach Indien hatte ihm den richtigen Background gegeben, über alles weitere wollen wir das Mäntelchen des Schweigens decken.

Es ging ihm damals weniger um den Dienst an der Waffe, den er nicht ausüben wollte, sondern vielmehr ganz einfach um die Tatsache, dass ein System ihn zwingen wollte, sich systembedingten Normen zu unterwerfen. Das konnte er nicht mit sich selbst vereinbaren, mit seinem Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. nun gut, man hatte ihn seit damals nicht mehr belästigt, vielleicht stand er auf irgendeiner schwarzen Liste, doch so lange sie ihn in Ruhe ließen, störte ihn das nicht.

Was wollten sie, - er arbeitete, überfiel keine Banken, raubte keine Tankstellen aus, Eigentlich war er ein ruhiger Bürger. Abgesehen von seinem Äußeren und seiner Behausung.

Raphael saß in seinem Wohnwagen, vor sich auf der Holzplatte eine Dose Bier, gerade hatte er sich eine Zigarette gedreht. Versonnen blies er den Rauch über die Flamme der Kerze, die in einem Windzug flatterte, - er hatte immer noch nicht herausgefunden, woher die Zugluft stammte. Der Rauch stieg, von der Wärme getragen rasch nach oben, füllte die gläserne Halbkugel der Lampe, die dort unter der Decke hing.

5 Jahre war es nun her, seit seine Großmutter gestorben war, und ihm dieses kleine Grundstück vererbt hatte.

Großmutter. Ja. Sie hatte ihn immer verstanden, hatte so gut wie alles von ihm gewußt, ihr hatte er auch so gut wie jedes wichtige Detail seines Lebens geschildert. Sie war eine weise, verständnisvolle Frau gewesen, warmherzig und ein wenig ironisch, fast zynisch. doch immer mit einem Lächeln auf den welken Lippen.

So hatte sie auch dem Tod entgegengesehen, von dem sie wusste, dass er vor der Haustüre stand.

Zynisch und mit einem Lächeln.

Etwa 2 Monate, bevor sie in „das andere Blau“ ging, wie sie diesen Zustand beschrieb, hatte sie ihn zu sich gerufen.

„Hör zu Kilian!“

hatte sie gesagt, denn so hieß er wirklich, und sie hatte sich nie an seinen Spitznamen gewöhnen können.

„Hör zu! Du brauchst etwas, was Dir gehört, ich meine ein Haus, eine Wohnung, einen Stützpunkt. Du bist lange genug herumgezogen, schaffe Dir etwas, an dem Du Dich festhalten kannst. Ich werde Dir die Basis dafür schenken. Du kannst daraus machen was Du willst. Ich habe vor vielen Jahren, als Ablösung einer alten Schuld,“

als sie das sagte, hatte sie gelächelt, ein hintergründiges Lächeln, als ob die Erinnerung sie amüsierte,

„ein Grundstück erhalten. Nicht groß. aber es ist Baugrund, Du könntest Dir ein kleines Häuschen darauf bauen. Ich habe nicht mehr lange auf dieser Erde. In dieser Person. Ich werde es Dir vererben aber Du kannst Dich jetzt schon um das Häuschen kümmern. doch, und bitte hör mir jetzt gut zu, es ist nicht einfach irgendso ein Grundstück. Es hat etwas für sich. Ich weiß nicht genau was, aber es hat etwas für sich. etwas, was außerhalb des Alltäglichen liegt. Glaube mir! Denke nicht das sei das Gerede einer alten Frau. , die langsam verkalkt. So ist es nicht. Es hat etwas. etwas Anderes, dieses Stückchen Land. So wie Du. Du bist auch anders. Irgendwie anders. Deshalb gebe ich es Dir.“

Als sie das gesagt hatte, war sie wieder in ihre Versunkenheit zurückgekehrt, die in der letzten Zeit immer mehr von ihr Besitz ergriffen hatte. doch er erinnerte sich an jedes Wort. Er hatte sich damals um den Waggon gekümmert, und kurze Zeit später war sie gestorben, ohne dass er nochmals ein vernünftiges Gespräch mit ihr hätte führen können  

Sie war damals schon zu weit weg gewesen, schon halb in diesem undefinierbaren „anderen Blau“. doch die Worte waren haften geblieben.

„Du bist auch anders. Irgendwie anders.“

Das stimmte, und er hatte es schon immer gewußt. Die Worte der alten Frau hatten es ihm damals nur, fast schmerzhaft, erneut klargemacht.

Er nahm einen tiefen Schluck aus der Bierdose, der Ersten und Letzten Dose, die er Heute trinken würde.

nun, damit konnte er leben, dass er anders war. Eigentlich, Eigentlich waren sie doch alle anders. Jeder für sich ein Individuum. nur ein paar waren eben individueller als die anderen. Das erinnerte ihn an Orwells Geschichte vom Aufstand der Tiere. Alle Tiere sind gleich. nur manche eben gleicher. Er mußte lachen.

doch was war mit dem Grundstück? Was unterschied dieses Stück Land von den anderen? Er hatte es noch nicht herausgefunden, und langsam neigte er auch dazu, diesen orakelhaften Worten der Großmutter weniger und weniger Wert beizumessen.

 

 

Eskimos

 

Das Erwachen glich einer eher unerfreulichen Situation.
Schwarzer, schleimiger Schlamm, für die empfindlichen Nasen der "eskimos", der einzigen, wahren Menschen, duftend, riechend, stinkend, nach Zivilisation, nach Untergang, nach Verderben, drang durch die Nähte des Zeltes. Ein unvorstellbares Ereignis für die Eingeborenen des Schnees, - Schwarz.

Die Farbe dessen, das die Schmerzen bedeutet, die man, ob seiner Taten auf dem Erdenball, ob seiner Lernfähigkeit, ob seines Charakters, ob seiner Vergangenheit und Zukunft erleben kann.

Zu sehen war eine riesige Fontäne...der Geruch machte klar, was es war.
Öl.

Gift.

Gift für die Tierwelt.

Gift für die Erde.

Und doch, - in seiner ursprünglichen Form, - das Leben.
Vernichtet totes Leben lebendiges Leben?

Soll man hier die Duplizität Gut und Böse ansetzen?

Genug.

Das Öl drang ein, unaufhaltsam, von einer gigantischen, von Menschenhand geschaffenen Quelle gespeist.

Es regnete Asphalt. Flüssigen Asphalt.

"Name" wickelte sich aus den Fellen, das blanke Entsetzen stand in seinen Augen geschrieben.

dann stand er draußen vor der Unterkunft, hielt ein Fell schützend über sich, prasselnd die Bleischweren Tropfen auf der Haut.
Es war entsetzlich.

Das Meer kochte, brodelte.
Weit, ganz weit, dort hinten, dem Horizont zu, eine gewaltige Fontäne, nur schwer zu erkennen.
doch dann, urplötzlich, veränderte sich die Farbe, der Pilz schien ins Gigantische zu wachsen, es schimmerte grün, war dann wieder schwarz, und jetzt, - orange, rot. Wirbelnd, reißend, tobend explodierend.

Ein gewaltiger, nachhaltiger Donner war zu hören, ein Grollen zuerst, dann bebte die Erde, das Eis, ein Urton, grausam, allumfassend, alles Leid der Welt beinhaltend ließ die Natur in ihren Grundfesten erschüttert sein. .
 

Raphael

 

 Der gedämpfte Ton des Dreiklanggonges, der neben der vorderen Eingangstür hing, die andere Tür hatte er zugeschweißt, störte seine Gedanken. Er erhob sich aus dem Schneidersitz, griff nach der Bierdose, leerte sie vollends, schmiß sie in den Abfalleimer und öffnete.

Es war Japo mit seiner Frau.

Japo war ein alter Freund Raphaels, den er noch vom Kindergarten her kannte. dann, in den wilden Zeiten, hatten sie ihre erste Zigarette zusammen geraucht, in einer Kiesgrube, die nun schon lange nicht mehr existierte, hatten ihr erstes Gras im Jugendzentrum der Kreisstadt erstanden, zusammen die verruchten Kneipen der Umgebung erkundet.

Japo war, wie immer, in braunes Leder gekleidet. Braune Lederhose mit Fransen, eine braune Lederjacke, Bikerboots.

Seine Halbglatze, ein Zeichen von Intelligenz, wie er immer wieder betonte, wenn ihn jemand darauf ansprach, unter einem zerknautschten Filzhut versteckt.

Er war ziemlich klein, etwa 1,50 m, doch das machte er durch seine breiten Schultern wett.

Seine Frau, blond und hochgewachsen, stellte den absoluten Kontrast zu seiner Statur da. Sie kam aus dem hohen Norden, und das merkte man auch. Alles, ihre Gebärdensprache, ihre Haltung, ihr Humor, ihre Beiträge zu Gesprächen, ihr Verständnis oder Unverständnis der Dinge, trug zu diesem Bild bei.

doch es paßte, dieses Bild. Der Gegensatz führte den Kontrast ad Absurdum. Faszinierend.

„Hi Alter! Hab‘ gedacht, ich schaue mal eben vorbei! Müssen unbedingt mal über die Destille reden! Hast Du noch ein Bier da?“

„No Sir. Tut mir traurig. aber ich kann einen feinen Tee machen. Kommt nur rein!“

Japo erklomm die Stufen zum Eingang, hinter ihm kletterte Frauke hoch. Frauke ist Eigentlich ein Männername, das glaubte Raphael wenigstens, doch jeder nannte sie so, seit sie in dieser südlichen Gegend aufgetaucht war, und sich Japo geschnappt hatte. Eigentlich hatte sich Raphael nie vorstellen können, Japo einmal als verheirateten Vater mit zwei Kindern zu sehen, doch Frauke hatte es geschafft.

Sie ließen sich beide auf die Polster nieder, Japo mit einem gewaltigen Seufzer.

„Kannst Du Dir nicht einmal vernünftige Möbel anschaffen? Ich könnte Dir da ein Sofa besorgen. fast umsonst. Steht bei Ösi in der Garage.“

„Nein. Merci Dir. Du mußt wieder mal ein wenig Sport treiben, Mann. Du wirst einfach zu fett! Schau Dir doch mal Deinen Bauch an! Stimmt’s, Frauke?“

„Das sage ich ihm ja auch immer. vielleicht schenke ich ihm zu Weihnachten ein Mountain-Bike. He? Das wär’s doch was, Japo?“

Sie stieß ihn mit der Schulter an.

„Yeah. Das verscherbel ich dann und kauf mir eine Harley dafür.“

„Ja, ja. Und dann den ganzen Tag nur noch auf dem Ding sitzen, herumfahren, oder etwas reparieren. Kann ich mir schon vorstellen.“

„Ich kann ja einen Beiwagen dranbauen, für die Kinder.“     

 „Und ich?“

„Ja für Dich ist dann leider kein Platz mehr.“

„Ja, ist schon gut. Da hörst Du es Raphael. Der liebende Ehemann.“

„vielleicht kannst Du ihn überreden, und er baut eine größere Sitzbank drauf. Wärst Du ihr schon schuldig, Mann!“

„Mal sehen,“

sagte Japo.

„wenn sie mich schön bittet.“

„dann wäre das ja auch geklärt. Ich mach jetzt mal einen guten Tee. Afghanisch, marokkanisch oder libanesisch? Oder können wir bayerischen machen?“

Japo kramte aus seiner Lederjacke eine Plastiktüte hervor und gab sie Raphael.

„Probier’s mal damit!“

„Alles?“

Klar Mann, wir haben doch genug!“

Er lachte

auch Raphael grinste.

„Ja, nichts besser als Homegrown, was?“

Er ging zu der kleinen Kochnische und sagte über die Schulter:

„Legt euch irgendeinen guten Sound auf, habe heute ne alte Mothers Finest beim Müller gekauft. Kommt echt gut.“

„Was? Gut, gut.“

Japo beschäftigte sich mit der Stereoanlage.

Raphael setzte einen Kessel mit Wasser auf den zweiflammigen Gaskocher und entzündete dann eine Flamme mit einem überdimensionalen Streichholz, wie man sie für Ölöfen benutzt. dann nahm er eine Teekanne aus Regal, gab zwei Löffel schwarzen Tees und den Inhalt des Plastikbeutels hinein.

„Erzähl mal.“

Raphael hatte sich den Beiden gegenüber wieder an der Holzplatte niedergesetzt.

„Was ist mit der Destille? Seid ihr weitergekommen?“

Japo hatte vom Onkel seiner Frau die exakte Beschreibung einer Schnapsdestille erhalten, und nun waren er und ein paar Kumpel seit Tagen dabei, ein solches Ding zu bauen.

„Yeah!“

Japo richtete sich zu seiner ganzen beeindruckenden Größe auf und sagte dann:

„Wir haben es. Morgen ist der erste Probelauf. Ich habe mich schlau gemacht. viel Lektüre studiert, kann gar nichts schief gehen. Wir haben 30 Liter Apfelwein vom Schwaigerbauern, der hat ohnehin schon fast 15%. Mal sehen, was wir raus bekommen. Werden schon so 70 % sein.“

„Hoho. Das ist ja tödlich! Muß man verdünnen, mit destilliertem Wasser oder so.“

„Siehst Du Japo, das habe ich Dir ja auch gesagt, Du hast schon recht Raphael, aber die wollen sich ja sowieso umbringen.“

Frauke hatte sich eingemischt.

Japo zog seine Stirne kraus, wie immer in solchen Situationen, und meinte dann:

„Na klar. Wenn das zuviel wird, dann verdünnen wir es. Kein Problem. Wir können ja den Alkoholgrad messen. Was die Schadstoffe und dergleichen anbelangt, wir müssen eben einfach die ersten paar Gläser wegschütten. Die schlauen Bücher sagen, dass da alles drinsteckt. Methyl und solche Scherze.“

Raphael blickte erstaunt auf.

„Wo hast Du denn Eigentlich die Bücher her?“

Japo grinste stolz.

"Kenn da so eine Maus in einer Buchhandlung. Hat mir alles besorgt.“

Frauke stieß ihn erneut an.

„Hey! Wirst Du mir untreu?“

„Arbeit ist Arbeit, und Schnaps ist Schnaps.“

Raphael lächelte über die zweideutige Bemerkung.

"Und warum hast Du sie Dir nicht einfach in einer Bibliothek ausgeliehen? Wäre billiger gewesen.“

Japos Grinsen verschwand, er machte ein nachdenkliches Gesicht.

„Ja, das wäre natürlich auch möglich gewesen. aber,“,

 er zögerte auf der Suche nach einer glaubhaften Erklärung:

„Geschäftsunkosten. Außerdem muß man ja immer mal wieder nachlesen.“

„Und Kopien?“

Frauke griff sich an die Stirn.

Das wäre ja wesentlich billiger gewesen, hätten wir die Öllampe doch kaufen können. Japo, Du bist echt ein Hirni.“

Der wand sich und rutschte unruhig auf dem Polster herum.

Im Hintergrund pfiff der Teekessel.

Ein willkommenes Geräusch für Japo, eine Gelegenheit, aus der unangenehmen Situation zu entkommen.

„Das Teewasser ist fertig.“

Raphael stand auf und fragte:

„Kandis, Würfelzucker oder Süßstoff?“

„Kandis.“

„Zucker.“

Raphael schüttete das kochende Wasser in die Kanne, ein aromatischer Duft nach Gras und Tee stieg auf.

Am Morgen wachte Raphael zu gewohnten Zeit, kurz vor 7 Uhr auf, und räkelte sich unter den zusammengenähten Schafsfellen, die als Decke benützte.

Die vergangene Nacht ging ihm durch den Kopf.

Gegen 1.00 Uhr morgens hatten sie, Japo, Frauke und er, alle zur selben Zeit, es war also keine Phantasie, kein Traum, hervorgerufen durch das THC im Tee gewesen, ein eigenartiges Summen gehört. Es war stärker geworden, lauter, war dann fast verstummt, um sogleich wieder an Lautstärke zuzunehmen. dann war vor den Fenstern des Waggons ein greller Lichtblitz zu sehen gewesen, nur für einen kurzen Augenblick. So, als ob jemand direkt vor dem Wagen eine Leuchtrakete in den Nachthimmel gejagt hätte.

Das war Eigentlich Alles gewesen.

Als Raphael Japo und Frauke an der Tür des Eisenbahnwaggons verabschiedete, hatten sie nichts ungewöhnliches mehr entdecken können.

Raphael stand von der Matratze auf, die durch ein Strohrollo vom Rest der Behausung abgetrennt war, setzte seine gewohnte Menge Frühstückskaffee, 6 Tassen, auf und ging unter die Dusche. Er frühstückte, immer noch ein wenig betäubt von dem Grastee und der letzten Nacht, dann zog er sich seinen Trachtenjanker über und verließ den Waggon. Draußen war alles wie immer.

In Erinnerung an die letzte Nacht sah er sich besonders gründlich um. War wirklich alles wie immer?

Dort drüben, bei dem Rosenbusch, was war das?

Neugierig ging er näher.

Ein Kreis von ungefähr einem Meter Durchmesser war bar jeder Vegetation. Verbrannt. Kein Gras, keine Blumen, überhaupt keine Pflanzen.

Hatte ein mißliebiger Nachbar einen Feuerwerkskörper in seinen Urwald geworfen?

Eigentlich fast nicht zu glauben. So laut war man doch gestern gar nicht gewesen.

Und da!

In der Mitte des Kreises sah er, wie die Kappe eines Pilzes aus dem Boden stoßend, ein graues etwas.

War es wirklich ein Pilz?

Er ging näher, schob sich durch das Wachstum rings um den Kreis, knickte einige Pflanzen ab. Er bückte sich, berührte vorsichtig das seltsame Ding.

Es war Stein.

Stein.

Ein spitzer Stein, der aus dem Boden ragte, vielleicht 2 Zentimeter hoch.

Können Steine wachsen?

 

Richard Neveit

 

Richard Neveit war ein typischer Durchschnittsfranzose.

Er aß gern und reichlich, fuhr einen Mittelklassepeugot und besaß ein kleines Einfamilienhaus mit Garten in der Nähe von Morlaix, in der Bretagne.

Er war sich seines Durchschnitts bewußt, doch fand er die Bezeichnung nicht abwertend, obwohl er durchaus Ambitionen hatte, sich vom Durchschnitt abzusetzen.

Sei es durch ein größeres Auto, feinere Kleidung oder teurere Möbel.

auch seine Frau Christine, eine Amerikanerin mit französischen Eltern, war bestrebt, sich aus der Mittelklasse zu lösen.

Die Neveits wohnten noch nicht lange in Morlaix, das Grundstück hatten sie vor

11 Jahren gekauft, ein Jahr darauf das Haus gebaut. nun war dieser Hausbau ein zweischneidiges Ding, denn auf der einen Seite hatten sie sich dadurch aus der Schicht der Miete zahlenden entfernt, auf der anderen Seite aber mußten sie die nicht gerade geringen Raten für Haus und Grundstück aufbringen und waren an das Haus gefesselt.

Sehr geholfen hatten ihnen die Eltern von Christine, die eine gutgehende Buchhandlung in Nantes besaßen, und bestimmt die Hälfte der Kosten übernommen hatten. Trotzdem gingen sie beide arbeiten, ihre beiden Kinder waren Ganztags in einem Kinderhort untergebracht.

Außerdem, und auch das war etwas Besonderes, leisteten sie sich ein Hausmädchen, Au Pair, aus Deutschland, das momentan jedoch Urlaub hatte.

Das Bestreben, etwas darzustellen, war also nicht nur latent vorhanden.   

Er hatte damals, als sie das Haus bauten, per Zufall eine Arbeit bei der Stadt gefunden, war also Beamter, sie arbeitete als Verkäuferin in einer Modeboutique.

Das Haus war relativ geräumig, fast 300 Quadratmeter, und in einem sehr offenen Stil gebaut. Es gab nur wenige Türen, das Erdgeschoß war Eigentlich ein einziger großer Raum, in dem Küche, Eßzimmer und Wohnzimmer untergebracht waren.

Oben, die Wendeltreppe hinauf lagen das Schlafzimmer und die beiden Kinderzimmer.

Der Dachboden sollte zum Büro ausgebaut werden.

dann waren da noch ein Hobbyraum und ein Fitneßcenter für die Familie im Keller.

Auf Fitneß legten die beiden gesteigerten Wert, sie hatten das Rauchen aufgegeben, joggten jeden Tag. Richard hatte sich vor kurzem ein Mountain Bike gekauft, auf dem er nun die Waldwege der Umgebung erkundete.  Allein, ohne Frau. Er war froh über diesen Freiraum, denn in der letzten Zeit ging ihm die Familie ein wenig auf den Geist.

Wenn er so die einsamen Waldwege entlang radelte, auf denen er nur ab und zu einem anderen Fahrradfahrer oder Fußgänger begegnete, ging er wieder und wieder sein Leben durch, stellt sich „Wenn“ Fragen.

dass ihn das nicht sonderlich weiter brachte, war ihm durchaus bewußt, doch irgendwie befriedigte er damit wohl eine masochistische Ader. Jedenfalls fühlte er sich nach einer ausgedehnten Tour wesentlich besser, und das war schließlich die Hauptsache.

Objektiv betrachtet konnte er ja zufrieden sein, und er war auch jedesmal ein wenig stolz, wenn er, nach der letzten Kurve, sein Grundstück mit dem Haus stehen sah.  

Das Stück Land hatte er damals zu einem sensationellen Preis gekauft, der Mann, der es vorher besessen hatte, konnte es gar nicht schnell genug loswerden.

Er hatte natürlich nicht preisgegeben, weswegen er das Grundstück so schnell verkaufen wollte, doch Richard hatte schlicht finanzielle Schwierigkeiten als Grund dafür angenommen. Erst später hatte er diese seltsamen Geschichten gehört.

Da war von einer heiligen Stätte der Kelten die Rede, die vor Hunderten von Jahren hier ihren Platz gehabt haben sollte, von seltsamen nächtlichen Lichterscheinungen.

Richard Neveit glaubte nicht an solchen Unfug, er hielt sich für einen Realisten, und ihm war auch nie irgend etwas aufgefallen, in den letzten 10 Jahren.

allerdings hatte er diese Geschichten vor Christine verheimlicht, die er für leichtgläubig hielt, er wollte die Idylle, die sie sich in ihren Köpfen errichtet hatten, nicht stören. Seine neueste Errungenschaft war ein vorgefertigtes Gartenhäuschen aus Holz, dass er beim Liquidationsverkauf einer Gartenbaufirma erstanden hatte.

Neben diesem Häuschen hatte er einen Fahnenmast errichtet, auf dem die selbst entworfene Familienflagge flatterte.

Seine Frau hatte ein Faible für Schildkröten, nahezu alle ihre Kleidungsstücke waren auf die eine oder andere Art mit einer oder mehreren Schildkröten versehen. Lampen, Tische, Geschirr, Eigentlich alles im Haus, dass sich irgendwie in Schildkrötenform bringen ließ, hatte auch diese Form.

So war natürlich der Mittelpunkt der Stickerei auf der Flagge eine Schildkröte.

Dabei konnte man nicht behaupten, dass die Schildkröte und ihre defensive Lebensart irgend etwas mit Christines Charakter zu tun habe, ganz im Gegenteil. aber irgendwie hatte sie an diesen Tieren einen Narren gefressen. Richard war an diesem Abend an der Reihe gewesen, die beiden Kinder, Vincent und Madeleine, ins Bett zu bringen, und er hatte seine Aufgabe, die ihm jeden zweiten Abend zufiel, wie immer mit Bravour gemeistert.

nun setzte er sich zu seiner Frau auf die schwarze Kunstledercouch und schenkte sich aus einem Steinkrug den abendlichen Landwein in seinen Zinnkelch. Der Wein war aus ästhetischen Gründen in einem Steinkrug, - es sah immer so billig aus, ihn aus einem Karton einzuschenken. Denn aus Rücksicht auf die Raten, die noch für Haus und Grundstück zu bezahlen waren, hatten sie sich darauf geeinigt, nur noch den billigsten Wein aus dem Supermarkt zu konsumieren, und den gab es nun einmal nur in Tetrapacks.

Der Steinkrug aber verlieh dem Getränk einen Hauch von Exklusivität. Er nahm einen der Käsehappen von dem Glastisch, trank einen Schluck und sagte:

„Ich glaube sie schlafen. Ich glaube es. Bin mir aber nicht absolut sicher. vielleicht liest er wieder mit der Taschenlampe unter der Bettdecke. Dieser kleine Schlingel.“

Christine hatte ihm überhaupt nicht zugehört, sie beobachtete gespannt eine Glücksradsendung im Fernsehen.

„Hey! Ich habe gesagt, vielleicht liest er wieder unter der Bettdecke.“

Christine nickte abwesend.

„Ja. aber immer noch besser, als wenn er sich einen runterholt oder seine kleine Schwester untersucht.“

Über dieses Thema zu diskutieren hatte Richard nun wirklich keine Lust, also sagte er:

„Ich gehe nachher noch einmal hinauf und sehe nach.“

Christine nickte, dann konzentrierte sie sich wieder auf die Gewinnshow. Richard seufzte resigniert.

„Sag mal, weißt Du Eigentlich wie diese Sendungen produziert werden? Das ist doch alles gestellt! Die Zuschauer klatschen auf Befehl.“

„Ja, aber ich finde sie machen es gut.“

„Meinetwegen.“

Er nahm sich das Buch, dass er am Vortag angefangen hatte, einen Krimi in Paper Back Ausgabe von A. Christie, lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Tisch.

„Hey! Füße runter! Wir sind nicht bei Duponts.“

Kommentarlos setzte er die Füße wieder auf den Boden. Später als Christine zu ihrem allabendlichen Spaziergang aufbrach, ging er zur Vitrine, holte ein Vietnamkriegsvideo heraus und startete den Videorecorder. Christine war tatsächlich so naiv zu glauben, er wüßte nicht, was sie auf ihrem abendlichen Spaziergang tat. Sie sprühte sich zwar jedesmal danach mit einem Deospray ein, doch er roch es trotzdem. Außerdem hatte er schon öfters ihre Zigarettenschachtel gefunden. doch er ließ ihr dieses kleine Laster, das schlechte Gewissen, dass sie bestimmt hatte, war Strafe genug.

Auf dem Bildschirm robbten ein paar verwegen aussehende Soldaten mir schmutzverschmierten Gesichtern durch den Urwald. Er sah sie gerne, diese Filme über den Vietnamkrieg, obwohl es ihm immer ein bißchen weh in der Seele tat, erinnert zu werden, wie schmählich Franzosen und Amerikaner dort besiegt worden waren. Seine rechte Gesinnung war zwar nicht so ausgeprägt, aber immerhin merklich vorhanden. Das war nichts Besonderes, die meisten Franzosen tendierten nach rechts.

Er hatte damals als Jugendlicher nie etwas mit der Antivietnamkampagne zu tun gehabt. auch mit der zu dieser Zeit gerade in Mode kommenden Subkultur, hatte er nie etwas am Hut gehabt.

Konservativ, - dieses Wort besaß nichts anrüchiges für ihn.

Als Christine von ihrem Abendspaziergang zurückkam, er hörte sie an der Haustür, schaltete er den Videorecorder auf „Pause“ und ging nach oben zu den Kinderzimmern.

In erster Linie tat er das, um dem intensiven Duftschwall des Deos, dass Christine benützte, um den Geruch des Rauches zu übertünchen, zu entgehen.

Beide Kinder schliefen fest. Unten stand Christine in der Küche und spülte ihr “Bonbon“, wie sie es nannte, eine Valium, die sie jeden Abend vor dem Schlafengehen nahm, mit einem Glas Wasser hinunter.

„Ich gehe jetzt ins Bett. Kommst Du auch bald?“

Das Timbre ihrer Stimme sagte ihm, dass er heute Abend wohl einmal wieder seinen ehelichen Pflichten nachkommen müsse und er antwortete leicht verstimmt:

„Ja, Schatz. Ich sehe mir nur noch diesen Film zu Ende an.“

Er ging nach unten und setzte sich wieder auf die Couch zu seinem Wein.

„Mmh.“

Sie streifte schon auf dem Weg nach oben, etwa auf der Hälfte der Treppe, ihren Wollpulli über den Kopf, so dass ihre kleinen, festen Brüste zu sehen waren, wie sie bei jeder Stufe wippten. Er schnaufte lautstark durch die Nase, mochte sie das auslegen wie sie wollte.

Gegen 1 Uhr wachte er ohne besonderen Grund auf. Er hörte ein immer lauter werdendes Summen, die Schwingungen taten seinen Ohren weh. Er langte mit dem Arm zu Seite, um Christine zu wecken, die eingerollt wie ein Embryo, flach atmend, tief schlief.

„Christine! Hörst Du das auch?“

Sie erwachte.

„Was?“

„Hörst Du das auch?“

„Was? Oh, ja natürlich. Was ist das?“

„Ich weiß nicht. Ich weiß es nicht.“

Er stand auf, um an das Fenster zu gehen und in den Garten zu sehen. In diesem Augenblick zuckte ein Lichtblitz auf, und das Summen verstummte.

„Verdammt!“

Richard räusperte sich.

„Was kann das verdammt gewesen sein?“

„Liebling...“

„Um Gottes Willen! Sieh mal! Das Gartenhaus brennt! Das Gartenhaus brennt!“

Christine reagierte blitzschnell.

„Ich rufe die Feuerwehr. Du siehst nach, ob Du es löschen kannst.“

Er fuhr in seine Hosen, die er säuberlich über einen Stuhl gelegt hatte und sauste die Treppe hinunter zur Haustür. Das Holzhaus brannte lichterloh.

Sein erster Gedanke galt seltsamer Weise seinem blauen Arbeitshemd, dass er in dem Häuschen aufbewahrt hatte. Christine hatte schon mehrfach versucht es fort zu werfen, doch er hatte es jedesmal gerettet. dann überlegte er sich, ob das Feuer wohl auf das Haus übergreifen konnte. doch der Abstand war ziemlich groß, nur Funkenflug konnte gefährlich werden.

Also begnügte er sich die nächsten 20 Minuten, mit Christines Hilfe, damit, die herumfliegenden Glutteile auszutreten und ansonsten zuzusehen, wie sein Gartenhäuschen bis auf den Boden niederbrannte.

Als die Feuerwehr endlich eintraf, war nur noch ein größerer Haufen Holzkohle zu sehen.

Christine weinte, und er mußte sie beruhigen. auch die Kinder waren aufgewacht und standen in ihren Schlafanzügen im Garten.

„Bring doch endlich die Kinder rein!“

fuhr er sie schließlich an, er hatte sie, seiner Meinung nach, lang genug getröstet.

auch die Kinder weinten, wenn sie auch nicht genau wussten weswegen. Nach geraumer Zeit stand er schließlich allein vor der qualmenden, stinkenden Holzruine.

Um vier Uhr morgens lag er dann wieder in dem Doppelbett, Christine schlief schon tief und fest.

Natürlich spekulierten sie alle, Richard und Christine, die Feuerwehr und auch die Polizei, über die Brandursache. doch da das Häuschen keinen besonderen Wert darstellte, gab sich niemand richtige Mühe.

Erst am Wochenende fand Richard  Zeit, den Schutt wegzuräumen. Als er, etwa in der Mitte der Hütte, mit seiner Schaufel auf einen harten Gegenstand traf, und sich dabei fast den Arm verstauchte, stutzte er. Was konnte das sein?

Er räumte verkohlte Balken und angesengten Teppichboden beiseite, und dann sah er es.

Ein Stein.

Ein Stein, der vorher noch nicht dagewesen war, bestimmt nicht.

Fest im Boden, vielleicht 2 Zentimeter hoch.

Wahrhaftig, ein Granitstein, ein spitzer Granitstein.
 

 

Die Druiden

 

„Und so, als Oberhaupt des weisen Rates,  spreche ich.

Ihr habt die Botschaft vernommen, die uns aus allen Gestaden erreicht hat. Ihr habt gehört, wie die Clans sich entschlossen haben und gezwungen dazu sind, zu kämpfen.

Die Clanführer haben mit ihren Leuten beraten und haben uns Ihre Meinung vorgetragen. Wir wissen um die Lage.“

Der alte Mann sprach im Schein von Kerzenlicht, dass sich auf dem Metall einer Anzahl von Skulpturen widerspiegelte. Er stützte sich schwer auf einen seltsam geformten Stock, etwa in der Form eines knorrigen Astes, doch offensichtlich fein geschnitzt.

Es war eine Grotte, in der er sprach, und die Zuhörerschaft bestand aus etwa 70 Männern und Frauen, alle schon etwas mehr als mittleren Alters, und offensichtlich von Würde.

Jeder von ihnen trug, offen sichtbar, einen ähnlichen Stock bei sich, manche einen Kleineren, manche einen Größeren.