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ISBN 978-3-492-97010-5
September 2015
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015
Covergestaltung: Michael Hofstetter/Hauptmann und Kompanie Werbeagentur, Zürich
Datenkonvertierung: Uhl + Massopust, Aalen



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Nie wird er die Stimme seiner Mutter vergessen. An manchen Tagen verfolgt sie ihn bis in den letzten Winkel der Wohnung, es gibt einfach kein Entrinnen, keinen Ort, an dem er vor ihr sicher ist. Ihre Worte scheppern in seinem Kopf wie Nägel in einem Blecheimer.

Idiot, hat sie ihn genannt, Blödmann, Faulpelz, Strafe meines Lebens. Egal, was er machte, wie er sich bemühte, er blieb immer der nichtsnutzige Trottel, der es zu nichts bringen würde im Leben, genau wie sein Erzeuger. Bis heute begreift er nicht, warum sie ihn so gehasst hat.

Bei den nichtigsten Anlässen hagelte es Ohrfeigen. Sie war eine Meisterin darin, ansatzlos zuzuschlagen, so schnell, dass man nicht mehr ausweichen konnte. Manchmal reichte schon ein Blick, den sie respektlos fand, damit sie auf ihn einprügelte. Sie machte ihm das Leben zur Hölle, jeden einzelnen Tag, jede Stunde. Er nässte ein, bis er neun war, was ihm den Namen Pisser einbrachte.

Die schönsten Erinnerungen an seine Kindheit, eigentlich sogar die einzigen, die es wert sind, in seinem Kopf aufbewahrt zu werden, sind die wenigen Abende, an denen seine Mutter ihm aus dem dicken Märchenbuch vorlas. Er mochte die Geschichten, die allesamt ein bisschen gruselig waren und nie wirklich gut ausgingen. Die Bilder, feine Federzeichnungen in SchwarzWeiß, fand er abstoßend und schön zugleich. Die Menschen sahen hässlich aus und böse, selbst die Prinzessinnen hatten etwas Verschlagenes an sich. Wenn seine Mutter vorlas, klang ihre Stimme ganz anders, tief und ruhig und voller Zärtlichkeit. Ganz still lag er dann in seinem Bett, zugedeckt bis zum Hals, eingehüllt in den wohligen Geruchsnebel aus Waschpulver, den das Bettzeug verströmte (es wurde jeden Montag gewechselt) und dem Duft nach ihrem Haarspray, das sie so reichlich verwendete, dass ihre Haare sich ganz hart anfühlten und ein bisschen klebrig wie ein Gespinst aus Zuckerfäden. »Taft« stand auf der goldenen Spraydose. Noch heute macht sein Herz jedes Mal einen verzweifelten Hüpfer, wenn er den Namen in der Werbung hört. Inzwischen hat der Hersteller das Design mehrfach gewechselt, aber damals, als er ein kleiner, verängstigter Junge war, thronte auf der Ablage über dem Waschbecken eine große, goldene Spraydose, die so kostbar auf ihn wirkte, dass er überzeugt war, sie hätte ein Vermögen gekostet. Wenn seine Mutter ihn wieder mal grundlos geschlagen hatte und er nicht wusste, wie er sich trösten sollte, drückte er heimlich auf den Knopf und atmete den duftenden Nebel ein. Einmal erwischte sie ihn dabei. »Schwul bist du auch noch, was?«, kreischte sie und schubste ihn aus dem Badezimmer. Erst am Abend bemerkte er den riesigen Bluterguss auf seiner Hüfte, wo er gegen die harte Kante des Waschbeckens gefallen war. Als er älter wurde und stärker, hörte sie mit dem Schlagen auf, vielleicht fürchtete sie, dass er sich wehren könnte. Von da an malträtierte sie ihn nur noch mit ihrem schrillen, fordernden Gekeife.

Die Hypothek, die seine Mutter ihm für sein Leben mitgegeben hat, ist der Hass auf Frauen, auf ihre hohen Stimmen, mit denen sie ständig etwas von ihm verlangen.

Dienstag,
26. Februar

Es war der dunkelste Winter seit sechzig Jahren, nicht einmal hundert Sonnenstunden hatten die Wetterdienste bislang aufgezeichnet. Die Welt versank in stumpfem, trübseligem Grau. Schon tagsüber brannte Licht in den Wohnungen, und wer raus in die Kälte musste, hastete mit gesenktem Kopf durch die Straßen, die Zähne fest zusammengebissen und eingewickelt in warme Winterkleidung, die nur das Gesicht frei ließ. In den Wetterprognosen war die Rede von weiterhin frostigen Temperaturen. »Keine Aussicht auf Frühling«, sagte die blonde Wetterfee im Fernsehen, und ihr Lächeln wirkte verlegen, als schäme sie sich für das, was sie verkünden musste.

Seit einer Woche war Nola van Heerden, Oberkommissarin bei der Kripo Leer, wieder im Dienst. Ab und an schmerzte der rechte Arm noch, wenn sie ihn zu stark beanspruchte wie am Vortag beim Tragen der Kiste Mineralwasser. Ihr Physiotherapeut hatte zu moderatem Hanteltraining geraten, am besten täglich. Obwohl sie den Sinn durchaus begriff, konnte Nola sich nur selten dazu aufraffen.

Gerade als sie den Flur des Ersten Fachkommissariats betrat, stürmte ihr direkter Vorgesetzter, Kriminalhauptkommissar Robert Häuser, aus seinem Büro. Er hatte es so eilig, dass Jupp, sein uralter Rauhaardackel, der ihn häufig zum Dienst begleitete, beinahe von der zufallenden Tür eingeklemmt worden wäre, was Robert nicht einmal bemerkte, Jupp hingegen zu seinem Herrchen aufschauen ließ, gekränkt, wie Nola fand.

»Nola, der Anruf ist gerade reingekommen. Leichenfund. Eine junge Frau am Kreihenmeer.« Da sie nicht reagierte, weil ihr Blick immer noch an Jupp hing, sah er sich zu einer weiteren Erklärung genötigt. »Kreihenmeer. Das ist plattdeutsch und bedeutet Krähenmeer. Eine große Freizeitanlage mit Badesee. Im Sommer ist da der Teufel los. Mehr kann ich dir noch nicht sagen. Dr. Fenders und die Spurensicherung sind informiert.«

»Okay. Wer fährt mit? Conrad?«

Robert nickte. »Ja. Sein Wagen streikt, und er kommt später, vermutlich erst gegen Mittag. Du musst also allein anfangen.« Er räusperte sich und wich ihrem Blick aus. »Das Kreihenmeer liegt in Martinsfehn. Kriegst du das hin?«

»Natürlich.« Es klang weitaus überzeugter, als sie es wirklich war. Im November hatte Nola in Martinsfehn ermittelt und dabei Renke Nordmann, den Leiter des dortigen Polizeireviers, kennengelernt. Sie waren sich ziemlich nah gekommen, was Nola beinahe das Leben gekostet hätte. Sie betrachtete die Geschichte mit Renke als abgeschlossen, und im Nachhinein war es ihr unangenehm, dass jeder im Präsidium darüber Bescheid wusste. Never fuck the company. Daran würde sie sich künftig halten.

Während der Fahrt versuchte Nola, ihre Gefühle zu sortieren. Freute sie sich auf ein Wiedersehen mit Renke oder fürchtete sie sich davor? Wahrscheinlich beides, auf jeden Fall war sie aufgeregt, und das nicht nur aus beruflichen Gründen.

Laut Google Maps lag das Kreihenmeer außerhalb der Ortschaft Martinsfehn, und es gab nur eine einzige Zufahrt, den Meerweg, der direkt von der Bundesstraße abging. Kurz vor der Abzweigung entdeckte Nola auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein großes Schild, das auf einen Reiterhof hinwies, der etwa vierhundert Meter zurück lag. Wenn es überhaupt Zeugen gab, dann wohnten sie dort. Von der Straße aus konnte man allerdings nur die große, fensterlose Reithalle sehen, deren grüne Fassade sich nahtlos in die Landschaft einfügte, und davor eingezäunte Koppeln, auf denen um diese Jahreszeit keine Tiere grasten. An der Stelle, wo der Meerweg begann, wartete ein uniformierter Kollege, dessen Aufgabe darin bestand, jeden, der nichts mit den Ermittlungen zu tun hatte, weiterzuwinken. Obwohl er zum Revier Martinsfehn gehören musste, hatte Nola ihn noch nie gesehen. Ihr fiel ein, dass jemand die zwei Beamten ersetzen musste, die im Dezember getötet worden waren. Sie verzichtete darauf, sich mit Namen vorzustellen, zückte nur ihre Dienstmarke, und er gab mit einer angedeuteten Verbeugung den Weg frei.

Die erstaunlich gut ausgebaute Zufahrtsstraße wurde auf beiden Seiten von Buschwerk gesäumt, die kahlen Äste sahen aus, als hätte jemand sie kürzlich gestutzt, sehr rigoros und ein bisschen lieblos. Dahinter erstreckte sich kilometerweit nur Weideland, ein Anblick, der typisch war für Ostfriesland. Was ihre neue Heimat anging, schwankte Nola zwischen wunderschön und todlangweilig, heute Morgen schlug der Pegel eindeutig Richtung langweilig aus, was durchaus an dem trübseligen Wetter liegen mochte. In der Nacht hatte es erneut gefroren, der Himmel konnte sich nicht so recht zwischen grau und weiß entscheiden, die Luft war dunstig, und auf dem bräunlichen Gras glitzerte Raureif. Irgendwo, ganz in der Ferne, meinte Nola ein Gehöft zu erkennen. Vielleicht handelte es sich auch nur um einen Geräteschuppen auf einer der Weiden.

Nach tausendfünfhundert Metern endete die Straße auf einem gepflasterten Parkplatz mit weiß markierten Stellplätzen, dessen Größe Nola erstaunte. Sie überschlug kurz, dass hier an die hundert Autos stehen konnten, was auf einen regen Sommerbetrieb schließen ließ. Bis auf zwei Polizeiwagen und einen orangefarbenen Pick-up mit der Aufschrift Gemeinde Martinsfehn war der Parkplatz leer.

Sie stellte ihren Mini direkt neben die beiden Polizeiwagen und stieg aus. Der eisige Wind raubte ihr für einen Moment den Atem. Hier draußen war es erheblich kälter als in der Stadt, und sie ärgerte sich, dass sie sich heute Morgen in Erwartung eines Bürotages gegen ihre gefütterten Winterstiefel entschieden hatte. In spätestens einer halben Stunde würden ihre Füße sich in Eisklumpen verwandelt haben, das wusste sie jetzt schon. Auch ihre Jacke war keineswegs für einen stürmischen Wintertag gedacht, und einen Schal hatte sie nicht dabei. Mist.

Nola erkannte Jens Stiller, einen jungen Kollegen aus Martinsfehn, der grüßend die Hand hob. Neben ihm hauchte sich eine weibliche Beamtin in die Hände, ihre leuchtend rote Nasenspitze verriet, dass sie genauso mit der Kälte zu kämpfen hatte wie Nola. Renke war nirgends zu sehen, und sie spürte eine leise Enttäuschung. Sei nicht blöd, rief sie sich zur Ordnung.

Ihr Blick blieb an einem achteckigen Gebäude mit Reetdach und dunkelgrün gestrichenen Fensterrahmen hängen. Kiosk stand auf einem weißen Schild. Zur Wasserseite hin schloss sich eine leicht erhöhte Terrasse an, an drei Seiten eingegrenzt von einem leuchtend weißen Lattenzaun. Auf dem Spielplatz zerrte der Wind an den rot und blau lackierten Schaukeln. Ein Holzsteg führte etwa zehn Meter weit ins Wasser. Wie ein Schild verkündete, wurden dort während der Saison Tretboote angebunden. Es gab einen etwa zehn Meter breiten Sandstrand, von dem Nola annahm, dass er künstlich aufgefahren war. Im Sommer musste es hier ganz nett sein. Um diese Jahreszeit wirkte die Anlage dagegen trostlos und verlassen.

Die Tote lag auf einer Bank, die unter dem Überdach des Kiosks stand. Von Weitem hatte es den Anschein, als ob sie einfach nur schlief. Nola holte tief Luft und machte sich auf den Weg. Sie war davon überzeugt, dass der erste Eindruck des Tatorts, noch völlig unverfälscht von Tatsachen, scheinbaren Tatsachen und den Wahrnehmungen und Gedanken der Kollegen, einer der wichtigsten Momente einer Todesermittlung bedeutete, und ging deshalb betont langsam, um alle Einzelheiten aufzunehmen.

Keine Anwohner und damit potenzielle Zeugen, dachte sie und dass der Täter den Platz sehr klug gewählt hatte. Das hier war ein ruhiger, sehr friedlicher Ort, der etwas Heiles, Erhabenes ausstrahlte. Gleichzeitig verspürte Nola einen Hauch von Melancholie, weil die Anlage so verwaist wirkte wie ein längst vergessenes Paradies. Das Wasser, der Strand, der in eine gepflegte Rasenfläche überging, im Hintergrund die hohen Bäume, Silberpappeln, wie es aussah, und darüber ein glasklarer Winterhimmel von beinahe durchsichtigem Grau. Selbst die Gebäude, die die Gemeinde Martinsfehn hatte errichten lassen, störten die Idylle nicht allzu sehr. Vor allem der Kiosk mit seiner annährend runden Form, den schmalen, hohen Sprossenfenstern und dem tief runtergezogenen Reetdach sah aus, als hätte er schon immer hier gestanden.

Irgendwo keckerte ein Vogel, ein Eichelhäher oder eine Elster, als wollte er sich über die vielen Menschen beschweren, die seine Ruhe störten.

Die Tote trug ein weißes, wadenlanges Gewand, scheinbar ein Nachthemd, mit breiten Trägern und einem viereckigen, mit Spitzen verzierten Ausschnitt. Warum auch immer fiel Nola sofort das Wort züchtig ein. Die Tote sah aus wie ein braves, anständiges Mädchen. Ihr Alter schätzte Nola auf Anfang zwanzig. Sie lag auf dem Rücken, die Augen waren geschlossen und die Hände unterhalb der Brust übereinandergelegt, aber nicht gefaltet. Sie war ungeschminkt und trug weder Schuhe noch Strümpfe. Ein Haarreifen, dicht besetzt mit weißen Plastikmargeriten und langen, gedrehten Seidenbändern, ebenfalls weiß, hielt ihr glattes, hellblondes Haar aus der Stirn, das so lang war, dass es bis auf den Boden herabfiel. Unter die Hände hatte jemand einen Strauß aus künstlichen Rosen geschoben, der billig wirkte und bei näherem Hinsehen eingestaubt. Ein Lederband mit einem winzigen, weißen Delfin, scheinbar aus Plastik, schmiegte sich eng an ihren Hals, und an ihrem rechten Ringfinger steckte ein breiter, goldener Ehering. Über den Körper der Toten, die Bank und die Bodenplatten davor waren dunkelrote Blütenblätter verstreut, und zu beiden Seiten der Holzbank brannten jeweils zwei Grablichter.

Jemand hatte sich Mühe gegeben, sehr viel Mühe. Nola konnte beinahe sehen, wie er vor der Toten kniete, die Haare ordnete, den Ausschnitt des Nachthemdes zurechtzupfte und zuletzt mit beiden Händen die Blütenblätter verstreute. Warum auch immer, sie war sicher, dass er dabei geweint hatte.

»Frieren kann sie ja nicht mehr«, hörte sie Jens Stiller sagen, der ihr gefolgt war. »Aber ich krieg trotzdem ’ne Gänsehaut, wenn ich die nackten Füße sehe.«

»Ich auch«, seufzte Nola.

Minutenlang betrachtete sie die Tote, versuchte, sich jedes noch so winzige Detail einzuprägen und einen verborgenen Sinn darin zu erkennen. Aus der Ferne hatte das Mädchen wunderschön ausgesehen wie die Prinzessin aus einem Märchen. Aus der Nähe wirkte sie grau, die Augen waren eingefallen, und um den Mund lag ein angestrengter Zug. Nola fragte sich, ob der Tod das mit sich gebracht hatte oder ob sie schon vorher so ausgesehen hatte.

Sie ging ein paar Schritte rückwärts, um die Szene als Gesamtes noch mal in sich aufzunehmen. Irgendjemandem hatte dieses Mädchen viel bedeutet. Er hatte darauf geachtet, sie auf der richtigen Seite des Kiosks abzulegen, im Windschatten, sodass die meisten Blütenblätter nicht fortgeweht wurden und das weit überstehende Dach sie vor Niederschlägen schützte, und er hatte einen Ort gewählt, wo sie sehr bald gefunden werden musste.

Was hatte der Täter – und Nola zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass es einen Täter gab, die Frau würde sich wohl kaum zum Sterben hierhergelegt haben – mit dieser Inszenierung bezweckt? Wollte er einfach nur seine Liebe zum Ausdruck bringen, oder bedeuteten das weiße Gewand, der Haarreifen, die künstlichen Rosen und der Ring, dass sie seine Braut war, seine wunderschöne, blutjunge Braut? Und für wen war diese Botschaft bestimmt? War sie an die ganze Welt gerichtet, oder hatte er an eine bestimmte Person gedacht? Spontan fielen Nola die Eltern ein, das Mädchen schien ja noch sehr jung zu sein.

Sie warf Jens Stiller einen kurzen Blick zu und sagte: »Kennen Sie das Mädchen?«

Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Keine Ahnung, wer das ist. Ich hab sie noch nie gesehen.« Er zögerte kurz. «Vielleicht bilde ich mir das ein, aber dieses Mädchen in dieser Aufmachung könnte einem Pädophilen gefallen. Oder?« Fragend schaute er Nola an.

»Dafür scheint mir die Tote nicht jung genug zu sein.« Nola kniff die Augen zusammen und ließ ihren Blick erneut über das Mädchen gleiten. Sie war schlank, aber keineswegs kindlich, und der Busen war nicht zu übersehen. »Oder sie gefiel ihm nicht mehr, weil sie zur Frau geworden ist.« Beiläufig strich sie eine widerspenstige Locke hinter ihr Ohr. Dann ging sie noch weiter zurück und verschränkte die Arme vor ihrem Körper.

Woran mochte die junge Frau gestorben sein? Soweit sie es erkennen konnte, ohne die Tote zu bewegen, gab es keinerlei Verletzungen. Nola tippte auf Gift oder eine Überdosis, wovon auch immer. Dass sie an den nackten Armen keine Einstichstellen ausmachen konnte, die auf harten Drogenkonsum hinwiesen, bedeutete in diesem Zusammenhang nicht sonderlich viel. Heutzutage befand sich genug Mistzeug im Umlauf, das man sich einfach nur in den Mund stecken musste, um sich abzuschießen. Ihr fielen die Namen einiger Musiker und Schauspieler ein, die in letzter Zeit einem tödlichen Drogenmix zum Opfer gefallen waren.

Das Geräusch quietschender Reifen riss sie aus ihren Gedanken. Der weiße Bulli der Spurensicherung war eingetroffen. Stefan Bruhns riss die Tür auf, als der Wagen noch gar nicht richtig zum Stehen gekommen war, und hüpfte mit einem energischen Sprung ins Freie. »Und?«

»Schau selbst. Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll.«

Mit der rechten Hand winkte Stefan, der bereits den obligatorischen weißen Overall und hellblaue Überschuhe trug, den Kollegen mit der Kamera heran, der die fotografische Dokumentation der Leiche sowie der gesamten Umgebung vornehmen sollte. Dann zog er Handschuhe über und näherte sich der Toten.

Zeitgleich rollte ein weiteres Auto auf den Parkplatz. Dr. Gritta Fenders, die zuständige Rechtsmedizinerin. Sie wirkte schlecht gelaunt, mehr als ein mürrisches »Moin« brachte sie nicht heraus. Heute Morgen wirkte ihr Gang besonders ungelenk, vielleicht lag es an der feuchten Kälte. Der fotografierende Beamte war noch nicht fertig, was bedeutete, dass die Leiche nicht bewegt werden durfte. Mit beleidigtem Gesicht watschelte Gritta Fenders zurück zu ihrem Wagen, wo sie die Lehne des Fahrersitzes zurückstellte, bis sie beinahe lag, Kopfhörer einstöpselte und die Augen schloss. Sie hasste es, zu warten. Als Stefan grünes Licht gab, kletterte die Rechtsmedizinerin etwas umständlich aus ihrem Auto und untersuchte die Tote.

»Sind die Blütenblätter echt?«, wollte Nola von Stefan wissen, der gerade mit gerunzelter Stirn eines der Blätter durch die Plastiktüte betrachtete.

Er schüttelte den Kopf. »Nee. Und mehr kann ich dir auch noch nicht sagen.«

Mit anderen Worten: Lass mich in Ruhe. Nola nutzte die Zeit, um mit den beiden Kollegen aus Martinsfehn zu sprechen.

»Liegt eine Vermisstenmeldung vor, die zu der Toten passt?«

Die beiden schüttelten die Köpfe fast synchron. Dann stellte Jens Stiller die weibliche Beamtin als Polizeikommissarin Sandra Weiß vor. Ohne zu zögern, streckte die Frau Nola ihre Hand entgegen, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sie zu ergreifen. Sie war genauso eiskalt wie ihre eigene. Nola speicherte Sandra Weiß als mittelgroß, dunkelhaarig und ziemlich kurvig ab, Letzteres allerdings unter Vorbehalt. Sandra Weiß trug die dicke, etwas unförmige Winterjacke, die zur Uniform der niedersächsischen Polizei gehörte und die nur Vermutungen über den Körperbau der Trägerin zuließ.

»Was ist mit diesem Pferdehof, den ich unterwegs gesehen habe. Wohnt da jemand?«

Jens Stiller nickte. »Ja, hinter der Halle liegen noch Ställe und ein Wohnhaus. Aber das ist mindestens zwei Kilometer von hier entfernt.« Viel zu weit, um etwas von dem Geschehen am Kreihenmeer mitzubekommen, wollte er damit sagen.

Natürlich hatte er recht. Dennoch war es das einzige Haus in diesem Bereich der Bundesstraße, und manchmal gab es die unglaublichsten Zufälle. Mit ganz viel Glück war einer der Bewohner mitten in der Nacht nach Hause gekommen und hatte dabei einen Wagen beobachtet, der in den Meerweg einbog. Nola würde später jemand hinschicken.

»Wer hat sie überhaupt gefunden?«

»Zwei Gemeindearbeiter. Sie wollten die Müllbehälter leeren. Stehen dort drüben. Franz Lüken und Siegfried Erdwiens.« Jens Stiller zeigte mit dem Daumen auf zwei Männer, die beide leuchtend orangefarbene Arbeitsanzüge mit reflektierenden Streifen an den Ärmeln und dem Schriftzug Gemeinde Martinsfehn auf dem Rücken trugen. Den Älteren von beiden schätzte Nola auf Mitte fünfzig, er war groß und breit gebaut, wog bestimmt hundert Kilo und trug das graue Haar extrem kurz geschnitten. Er weinte wie ein kleiner Junge, das Schluchzen konnte sie noch fünfzig Meter weiter hören. Der andere wirkte gefasster. Er lehnte mit dem Rücken an einem der Polizeiwagen und rauchte hektisch.

»Haben Sie schon mit ihnen gesprochen?«

»Flüchtig. Machen Sie das lieber selbst. Franz Lüken, das ist der Ältere der beiden, war vorhin gar nicht richtig ansprechbar. Sie sehen ja, was mit ihm los ist. Und Siegfried Erdwiens haben wir bei anderer Gelegenheit schon mehrfach auf die Füße getreten. Ich würde uns nicht gerade als beste Freunde bezeichnen.« Jens Stiller verzog das Gesicht. »Der hat ’ne Abneigung gegen Polizeiuniformen. Falls er überhaupt was weiß, macht er bei uns garantiert nicht den Mund auf.«

»Okay, dann werd ich mal mein Glück versuchen.« Nola wandte sich zum Gehen und sagte dabei möglichst beiläufig, so als wäre ihr das gerade eben eingefallen und die Antwort nicht weiter wichtig: »Ist Renke nicht da?«

Jens Stiller lächelte zufrieden, und Nola begriff, dass er die ganze Zeit auf diese Frage gewartet hatte. »Renke macht eine Fortbildung in Oldenburg. Intervention bei häuslicher Gewalt. Heute und morgen. Donnerstag ist er wieder im Dienst.«

»Oh.« Sie kam sich ziemlich blöd vor wie jemand, der in eine Falle getappt war, eine weithin sichtbare, schlecht getarnte Falle.

Siegfried Erdwiens hatte krauses, weißblondes Haar, kalte, silberblaue Augen, die sie an einen Husky erinnerten, und ein kantiges, eher grob geschnittenes Gesicht mit ausgeprägtem Kinn und roten Wangen, die seiner Aufregung oder der Kälte geschuldet sein mochten. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig.

Mit gespreizten Fingern fuhr er sich durch die Haare. Dann betrachtete er eingehend ihre Dienstmarke. »Kriminalpolizei?« Es klang, als wisse er noch nicht so recht, ob er das glauben sollte. Seine Augen wanderten in aller Seelenruhe an ihrem Körper herunter und wieder zurück, und Nola ärgerte sich, dass ihre hellgraue Jacke, die kaum die halbe Hüfte bedeckte, so eng geschnitten war.

Abrupt drehte sie sich um und sprach den älteren der beiden Männer an. »Wer von Ihnen hat die Polizei verständigt?«

Sosehr er sich auch bemühte, sein Schluchzen zu unterdrücken, es gelang ihm nicht vollständig. »Ich ddddoch nicht, das wwwwar Siegfried.«

Ein aufgeregtes Nicken zeigte, dass Herr Erdwiens das Auffinden der Toten als seinen alleinigen Verdienst betrachtete, den er keinesfalls mit seinem Kollegen zu teilen gedachte. »Franz wär am liebsten einfach abgehauen. Hat gemeint, dass wir bloß Ärger kriegen. Dass jeder denken muss, wir hätten was damit zu tun. Stimmt’s, Franz?«

Der Angesprochene nickte zögernd, zog ein kariertes Taschentuch aus seiner Hosentasche, das nicht sonderlich sauber wirkte, schnäuzte sich lautstark und wischte dann mit dem Tuch über seine Augen.

»Ich hab sie entdeckt und die Polizei gerufen. 1-1-0.« Herr Erdwiens beugte sich vor und raunte: »Franz ist ein bisschen schlicht gestrickt, kann nichts dafür. Schlechte Kindheit.« Mit Daumen und Zeigefinger zupfte er an seinem Ohrläppchen, das knallrot leuchtete. In der Art, wie er sie anschaute, lag etwas Unverschämtes, und Nola musste sich zwingen, nicht rückwärtszugehen oder sich anders anmerken zu lassen, dass seine Nähe ihr unangenehm war.

»Ist Ihnen vorhin etwas aufgefallen?«

Während Lüken nur müde den Kopf schüttelte, grinste Erdwiens und ließ sie dabei nicht aus den Augen. »Nee. Was denn auch? Sagen Sie mal ein Beispiel.« Dann lachte er dröhnend und wackelte mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht hin und her. Auf seinem Daumen steckte ein breiter mattsilberner Ring. »Aber nicht, ob hier einer mit ’ner toten Frau über der Schulter rumgerannt ist. So was haben wir nicht gesehen. Hier war keiner, nur wir beide. Auch kein Auto. Stimmt’s, Franz?« Sein Blick streifte seinen immer noch leise schluchzenden Kollegen, und er bemühte sich gar nicht erst, seine Verachtung zu verbergen.

Der andere nickte erneut, und Nola fragte sich, ob er überhaupt zugehört hatte oder nur nickte, damit Erdwiens Ruhe gab.

Jetzt richtete Erdwiens seine Aufmerksamkeit auf etwas, das hinter ihrem Rücken passierte, und sein Gesicht verzog sich zu einem verächtlichen Grinsen. »Hey, was kommt da denn für ein Kapuzenzwerg angewackelt?«

Nola schaute über ihre Schulter und entdeckte Gritta Fenders. »Das ist die Rechtsmedizinerin. Bitte entschuldigen Sie mich. Ich muss Sie noch bitten, Ihre Adressen bei Polizeikommissar Stiller zu hinterlassen. Mit Telefonnummer. Falls noch Fragen auftauchen.«

Zuerst rümpfte Siegfried Erdwiens die Nase, dann spuckte er aus. »Die Polizei Martinsfehn weiß, wo ich wohne.« Jens Stiller hatte sich nicht geirrt, Herr Erdwiens konnte ihn und seine Kollegen nicht ausstehen. »Stehen wir etwa unter Verdacht?« Das schien ihn einerseits zu erschrecken, andererseits zu schmeicheln.

»Keine Sorge. Für uns sind Sie einfach nur Zeugen. Schließlich haben Sie die tote Frau entdeckt.« Nola ging der Rechtsmedizinerin entgegen, die sofort stehen blieb. Dr. Gritta Fenders brauchte dringend eine neue Hüfte, konnte sich bislang aber nicht überwinden, ihr Schicksal in die Hände anderer Mediziner zu legen. Lieber quälte sie sich und schluckte Schmerztabletten. Dass ihr Gang, vermutlich durch eine zur Gewohnheit gewordene Schonhaltung, dem einer Ente ähnelte, bemerkte sie möglicherweise nicht einmal. Oder sie wusste es, störte sich aber nicht daran, weil jegliche Eitelkeit ihr fernlag. Bis auf die Tatsache, dass sie in Westerstede wohnte und damit auf halber Strecke zwischen dem Rechtsmedizinischen Institut in Oldenburg und Leer, kannte niemand Einzelheiten über ihr Privatleben, ob es einen Mann gab, Kinder, wenigstens einen Hund. Falls ja, konnten sie nicht viel Raum in ihrem Leben einnehmen. Gritta Fenders schien praktisch rund um die Uhr im Dienst zu sein. Nie hatte jemand sie aus dem Theater geholt, aus dem Kino oder aus einem Restaurant.

»Ich bin so weit, Frau van Heerden. Eine junge Frau, höchstens zwanzig, würde ich sagen. Etwa acht Stunden tot, eher noch etwas länger. Ich kann keinerlei äußere Gewalteinwirkung erkennen, jedenfalls nicht aktuell. Dafür alte Narben. Ein halber Schneidezahn fehlt. Sieht aber, wie gesagt, nicht frisch aus. Mehr kann ich erst sagen, wenn sie auf meinem Tisch liegt. Die Obduktion setze ich auf morgen früh elf Uhr an. Werden Sie dabei sein?«

»Ja. Natürlich.«

Jetzt wandte sich Dr. Fenders an die beiden Arbeiter. »Sie haben doch die Frau gefunden. Haben Sie den Leichnam berührt?«

Ohne zu zögern, übernahm Erdwiens das Wort. »Mein Kollege nicht, der ist ja beinahe aus den Latschen gekippt. Aber ich. Ich wollte gucken, ob da noch was zu machen ist.«

Sehr glaubwürdig klang das in Nolas Ohren nicht. Daran, dass diese junge Frau tot war, konnte niemand zweifeln. Vermutlich hatte es diesen Erdwiens gejuckt, einmal im Leben eine echte Leiche anzufassen.

Die Rechtsmedizinerin nickte flüchtig. »Unter diesen Umständen benötige ich eine DNA-Probe. Zu Vergleichszwecken.« Gritta Fenders mochte klein sein, aber an Autorität mangelte es der Rechtsmedizinerin nicht.

In Erdwiens’ Gesicht machte sich Entsetzten breit. »Sie wollen bei mir Blut abnehmen? Jetzt? Muss das sein?« Seine Stimme kiekste vor Panik. »Ich kann kein Blut sehen. Außerdem hab ich ganz schlechte Venen.«

Kopfschüttelnd öffnete Dr. Fenders ihren Koffer, der alle nötigen Utensilien enthielt. »Ich brauche lediglich einen Abstrich Ihrer Mundschleimhaut, junger Mann. Keine Angst, das tut nicht weh. Und Ihre DNA nehme ich vorsichtshalber auch.« Sie richtete ihren Zeigefinger auf Franz Lüken, der bereitwillig seinen Mund öffnete.

Nach getaner Arbeit, Lüken hatte keine Miene verzogen, während Erdwiens ziemlich verängstigt ausgesehen hatte, so als fürchtete er, dass der Watteträger sich im letzten Moment doch noch als scharfes Messer entpuppen könnte, wandte Dr. Fenders sich an Nola, das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen verzogen. »Männer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wir sehen uns morgen um elf in der Rechtsmedizin.« Nach einer kurzen Überlegung fügte sie noch hinzu: »Fahren Sie bitte zehn Minuten eher los. Da ist eine Baustelle auf der Autobahn, zwischen Bad Zwischenahn und Westerstede. Ich hab keine Lust, zu warten.«

»In Ordnung«, sagte Nola gehorsam, die mit einem Ohr mitbekam, dass Stefan die beiden Gemeindearbeiter in den Bulli bat, um dort ihre Fingerabdrücke zu nehmen, ebenfalls zu Vergleichszwecken.

»Hat jemand schon den Ring abgezogen?«, rief Nola ihm hinterher.

»Keine Gravur, falls du das wissen willst. Nur ein Stempel. 333. Wirkt ziemlich neu, aber das kann Täuschung sein.« Damit verschwand er in seinem fahrenden Labor.

Gegen elf traf Oberkommissar Conrad Landau ein. Kein Wort darüber, warum er so spät kam. Er sah mal wieder aus, als hätte er die Nacht durchgefeiert. Sein stahlblauer Parka hätte schon vor Wochen in die Reinigung gehört, und die Jeans wirkte alles andere als frisch gewaschen. Sein verschwommener Blick war der eines schweren Alkoholikers, in den Augenwinkeln klebte eingetrocknetes Sekret, gekämmt hatte er sich auch nicht, und plötzlich war Nola klar, dass die Sache mit der Werkstatt nicht stimmte. Conrad kam direkt aus dem Bett. Vermutlich war er gestern mal wieder versackt und hatte es heute Morgen nicht aus den Federn geschafft.

Als könnte er ihre Gedanken lesen und müsste jetzt das Gegenteil beweisen, griff er mit beiden Händen nach Nolas Arm und zog sie zur Seite. »Und? Erzähl.«

Säuerlicher Geruch stieg ihr in die Nase, und sie griff automatisch in ihre Tasche und holte die Pfefferminzbonbons raus. »Hier.«

Ihr unausgesprochener Vorwurf beeindruckte ihn nicht im Geringsten. Wortlos steckte er ein Fisherman’s Friends in den Mund, während Nola ihn über den Stand der Dinge informierte, wobei es den Anschein hatte, dass er überhaupt nicht zuhörte.

Zuerst sagte er nichts, sondern kramte nur eine verknüllte Packung Gauloises aus seiner Jackentasche, aus der er eine leicht geknickte Zigarette zog, die er mit den Fingern glatt strich, bevor er sie in den Mund steckte. »Schweinekalt heute. Ich rauch erst mal eine.« Er warf einen flüchtigen Blick in Richtung Wasser. »Ist die Tote hier bekannt?«

»Nein. Scheinbar nicht.«

Mit dem Rücken zum Wind zündete Conrad seine Zigarette an. Er inhalierte tief, warf theatralisch den Kopf in den Nacken und schaute anklagend gen Himmel. »Gott, ist das wieder ein Scheiß! Wer kommt denn auf so eine abgedrehte Idee?« Seine linke Hand, in der er die Zigarette hielt, legte sich schwer auf Nolas Schulter. »Früher hat man die Leichen irgendwo verscharrt. Heutzutage servieren diese Irren uns ihre Opfer extra schön zurechtgemacht, als wollten sie uns zum Spielen auffordern. Weißt du, woran das liegt? An den beschissenen Medien. Die schlachten alles bis zum Erbrechen aus, beschreiben jede Kleinigkeit, und dadurch bringen sie die Leute erst auf solche kranken Ideen. Und dann diese abgedrehten Fernsehserien!« Es folgte eine Reihe Flüche, die mit der üblichen Jammerei endeten. »Tote Mädchen schlagen mir aufs Gemüt. Da frag ich mich echt, warum ich nicht längst im Vorruhestand bin.« Er zog an seiner Zigarette und stieß den Rauch mit einem pustenden Geräusch wieder aus. »Was machen wir?«

»Ich hab eine Hundertschaft aus Oldenburg und die Suchhunde angefordert.«

Mit einer wegwerfenden Handbewegung gab Conrad zu verstehen, dass er nichts von diesen Aktionen hielt. »Das kannst du dir sparen. Der Täter ist mit einem Wagen vorgefahren, hat die Kleine abgelegt und das ganze Brimborium veranstaltet, weil er sich für unglaublich clever hält und uns für total bescheuert. Der sitzt jetzt zu Hause vor der Glotze und geiert auf die Nachrichten. Wetten?«

Eigentlich hatte Nola sich vorgenommen, sich nicht mehr über Conrad zu ärgern. Aber jetzt hielt sie es doch nicht aus. »Wenn es irgendwelche Spuren gibt, finden wir sie jetzt oder nie. Das weißt du genau. Kann doch sein, dass er irgendwas verloren hat, ’ne Kippe, ein Taschentuch, was weiß ich. Vielleicht ist der Täter ein junger Typ, der sie wirklich geliebt hat. Dann war er nicht annähernd so cool, wie du glaubst.«

Wie immer wich Conrad nicht von seiner Meinung ab. »Vergiss es. Du wirst sehen, dass ich recht behalte. Aber mach ruhig ordentlich Wind, damit alle sehen, wie tüchtig du bist. Oder willst du nur jemand Bestimmten beeindrucken?« Grinsend zeigte er mit seiner brennenden Gauloise auf die uniformierten Kollegen aus Martinsfehn und stutzte. »Ist Renke gar nicht hier? Kann ja wohl nicht sein. Der bleibt doch nicht im Revier und überlässt seinen Leuten so einen spektakulären Tatort!«

»Renke macht eine Fortbildung. Und du kannst bitte mal bei dem Pferdehof auf der anderen Seite der Bundesstraße fragen, ob die Besitzer irgendwas mitgekriegt haben. Vor acht Stunden oder so …« Nola schaute auf ihre Armbanduhr und rechnete in Gedanken. »Sagen wir mal zwischen Mitternacht und sieben Uhr heute Morgen.«

»Andere herumzukommandieren, das macht dir Spaß«, brummte er.

Als er zu seinem Wagen marschierte, hätte Nola ihm am liebsten etwas nachgeworfen, ihre Tasche oder einen Schuh oder besser noch einen dicken Holzknüppel.

In diesem Jahr wollte der Winter einfach kein Ende nehmen. Die Natur befand sich bereits zwei Wochen im Rückstand, vielleicht sogar mehr, und in Anbetracht der Nachtfröste wagte niemand, Stiefmütterchen oder gar Primeln zu pflanzen. Stattdessen wurden die Gräber mit Sträußen geschmückt, die im ungünstigsten Fall nicht mal die erste Nacht überdauerten.

Annerose Wenzel stand hinter der Schaufensterscheibe ihres Blumenladens und schaute raus. Gegenüber lag der Friedhof von Martinsfehn. Die Tatsache, dass man heute früh ein totes Mädchen am Kreihenmeer gefunden hatte, ermordet, wie es hieß, veranlasste viele Leute dazu, Blumen auf den Friedhof zu bringen, so als hätte diese furchtbare Nachricht sie an ihre eigenen Toten erinnert. Susanne und Gerda, ihre Mitarbeiterinnen, kamen mit dem Binden der Sträuße kaum hinterher.

Viele ihrer Kunden, davon war Annerose insgeheim überzeugt, gaben große Summen aus für Grabschmuck, weil sie etwas wiedergutzumachen hatten an den Verstorbenen. Der frühere Leiter der Grundschule zum Beispiel, der seine Frau schamlos betrogen hatte, stellte Sommer wie Winter zweimal in der Woche rote Rosen auf das Grab, Rosen, über die seine Frau sich zu Lebzeiten sehr gefreut hätte. Manchmal musste Annerose sich zwingen, ihn freundlich zu behandeln, weil sie immer das Bild seiner Frau vor Augen hatte, die von Jahr zu Jahr dünner und kleiner geworden war, bis der Kummer sie schließlich ganz auffraß und sie eines Morgens tot im Bett lag, weil ihr Herz nicht mehr schlagen wollte. Auch die alte Tini Lohmeyer, die ihre Zwillingsschwester Motje zu Lebzeiten nur drangsaliert und gequält hatte, verbrachte jetzt Stunden auf dem Friedhof. Ein beträchtlicher Teil ihrer schmalen Rente floss in Blumen und eine ganze Corona von weißen Steinengeln, die über das Grab ihrer Schwester wachten. Doch nach dem Tod konnte man nichts mehr in Ordnung bringen, so war es nun einmal, da musste man sich schon zu Lebzeiten bemühen.

Hanno, ihr Lebensgefährte, lachte immer über ihre rabenschwarzen Friedhofsgedanken, wie er das nannte. Seiner Ansicht nach ging es auf dem Friedhof genau wie überall im Leben nur darum, andere zu beeindrucken. Mit Ausnahme der ersten drei Monate würde niemand beim Pflanzen, Gießen und Erdehacken wirklich an die Toten denken. Im Gegenteil, die Menschen wären genervt von der zusätzlichen Arbeit, die so ein Grab erforderte. Annerose sah das anders. Sie brauchte nur an Renke Nordmann denken. Manches Mal, wenn er am Urnengrab von Frau und Tochter stand, wischte er verstohlen eine Träne fort. Das hatte sie schon oft beobachtet, und immer wieder rührte es sie, weil Renke ansonsten so wenig zugänglich erschien.

Wenn Hanno etwas passieren sollte, würde sie es genauso halten. Manchmal sah sie sich an seinem Grab stehen, wild schluchzend, die Arme voller Blumen. Leise schüttelte sie den Kopf. Was waren das bloß für morbide Gedanken? Bestimmt lag das an der Geschichte von dem toten Mädchen. Hanno würde nicht abstürzen. Er war ein erfahrener Pilot. Außerdem dauerten die Flüge von Nüttermoor auf die Inseln höchstens eine halbe Stunde, kaum in der Luft, setzte er schon wieder zur Landung an, was sollte da groß passieren?

Mehr als zwei Jahre waren sie jetzt zusammen, und immer noch kriegte sie bei Hannos Anblick regelmäßig weiche Knie. Er sah einfach zu gut aus, groß und kräftig gebaut, aber keineswegs dick, nur ein ganz dezenter Bauchansatz, der zu seinen sechsundvierzig Lebensjahren passte, dazu das volle, immer noch weizenblonde Haar und der aufrechte Gang. Sie kannten sich von früher, so wie man sich auf dem Dorf eben kennt, hatten einander aber nie als Mann und Frau wahrgenommen. Dafür war der Altersunterschied zu groß. Immerhin trennten sie acht Jahre. Als Annerose konfirmiert wurde, kam Hanno gerade erst in die Schule. Sie blieb im Dorf und machte eine Ausbildung als Floristin, er ging nach dem Abitur zum Bund, um sich zum Piloten ausbilden zu lassen. Ab und an hörte Annerose mal etwas, zum Beispiel dass Hanno in Amerika stationiert war und später in Süddeutschland, doch all die Jahre war er nicht ein einziges Mal nach Hause gekommen, um seine Mutter und seinen jüngeren Bruder zu besuchen. Mit Anfang vierzig war Schluss für die Piloten. Etwa zeitgleich starb Hannos Mutter. Er kehrte nach Ostfriesland zurück und mietete sich ein kleines Apartment in der Nähe vom Flughafen Nüttermoor, wo er für Max, der ebenfalls ehemaliger Bundeswehrpilot war, Gäste auf die ostfriesischen Inseln flog. Sein Chef schätzte Hanno als guten, zuverlässigen Piloten, befreundet waren sie allerdings nicht. Abgesehen von seinen Skatbrüdern, die er jeden Donnerstag im Tennessee Mountain traf, pflegte Hanno überhaupt keine freundschaftlichen Kontakte im Dorf, was ihr nur recht war, weil sie ihn am liebsten für sich allein behielt.

Im Dezember 2010 hatten sie sich auf dem Weihnachtsmarkt in Leer getroffen. Eigentlich grenzte es an ein Wunder, dass Hanno sie nach all den Jahren noch erkannt hatte. Doch er war ohne Zögern auf sie zugekommen.

»Hey, wenn das nicht Annerose Siemer ist oder wie immer du jetzt auch heißen magst.«

»Wenzel«, hatte sie geantwortet. »Ich hab Raimund geheiratet, aber wir sind schon eine Weile geschieden.«

Hanno hatte ihr einen Glühwein ausgegeben und dann noch einen. Den dritten hatte sie abgelehnt, weil sie noch Auto fahren musste. Zwei Tage lang schrieben sie sich pausenlos SMS, dann trafen sie sich erneut – und landeten im Bett. Sex beim zweiten Date, das war ihr nie zuvor passiert. Gleich am nächsten Tag zog Hanno mehr oder weniger bei ihr ein. Manchmal konnte sie es immer noch nicht fassen. Dieser gut aussehende Mann war jetzt ihr Lebensgefährte. Er flüsterte ihr morgens im Bett Komplimente ins Ohr, die sie erröten ließen, und behandelte sie so zuvorkommend, dass Gerda, ihre Freundin und liebste Mitarbeiterin, sie glühend beneidete.

Vor einem Jahr hatte Hanno ihr zuliebe seinen Nebenjob reduziert, jetzt flog er nur noch einmal die Woche, immer dienstags, damit ihnen mehr Zeit füreinander blieb. Auf das Geld waren sie nicht angewiesen, der Laden brachte genug ein, zudem bezog Hanno eine Teilrente vom Bund. Vor allem aber konnte Annerose einfach nicht genug von ihm bekommen, und im Geschäft gab es immer etwas für ihn zu tun.

Sie wusste genau, was hinter ihrem Rücken getuschelt wurde, nämlich dass Hanno nur scharf war auf ihr Geld, auf das Leben, das sie ihm bieten konnte. Wenn das wirklich stimmte, wollte sie es nicht wissen. Sie wollte die Zeit mit Hanno genießen, jeden Tag, jede Stunde, egal was die Zukunft ihnen brachte. Sie wollte ihr spätes Glück auskosten bis zum allerletzten Moment.

Im Präsidium wurde Nola schon von Robert erwartet. Er schüttelte ungläubig den Kopf, als sie von der Inszenierung berichtete. »Lange, hellblonde Haare? Hast du Fotos? Zeig mal her.« Ein Blick auf das Display ihres Handys ließ ihn leise fluchen. »Scheiße. Ich hab da so eine Ahnung. Gib mal Leona Sieverding in den PC ein.«

Es dauerte kaum fünf Minuten, bis der Computer die Vermisstenmeldung ausspuckte: Leona Sieverding, vermisst seit Dienstag, dem 9. Juni 2009, damals 15 Jahre alt, verschwunden aus einer Förderschule für Gehörlose mit angegliedertem Internat in Jemgum, mitten am Tag und ohne jede Spur. Das Foto zeigte ein Mädchen mit glatten, blonden Haaren, seinerzeit schulterlang. Auf dem Bild schaute sie ein bisschen dümmlich aus, ganz anders als in Wirklichkeit.

»Das war Renkes Fall«, hörte sie Robert sagen. »Wir haben getan, was wir konnten, praktisch jeden Stock und jeden Stein umgedreht, aber nichts rausgefunden. Sie war wie vom Erdboden verschluckt.« Dann stutzte er. »Hat Renke sie gar nicht erkannt?«

»Renke ist auf einer Fortbildung. Und die beiden Kollegen wussten nichts. Vermutlich waren sie vor vier Jahren noch gar nicht in Martinsfehn.« Nachdenklich betrachtete sie erneut das Foto auf ihrem Monitor. Die Ähnlichkeit ließ keinen Zweifel zu. »Conrad hätte sie doch auch erkennen müssen, oder?«

»Eigentlich schon. Allerdings hat er damals nicht mit Renke gearbeitet. Das war Tobias Wedekind. Der ist kurze Zeit danach zur Kripo Hameln gewechselt. Wo ist Conrad überhaupt?«

Gute Frage, dachte sie und seufzte demonstrativ. »Nachdem er erst gegen elf eingetrudelt ist, hab ich ihn gebeten, die Leute auf einem Pferdehof zu befragen. Liegt etwa zwei Kilometer Luftlinie entfernt, aber ansonsten gibt es dort überhaupt keine Nachbarn.« Ein Blick auf ihre Armbanduhr verstärkte ihre Wut auf Conrad. »Jetzt ist es halb drei. Ich hab noch nichts von ihm gehört.« Da Robert keine Anstalten machte, auf diesen indirekten Vorwurf zu reagieren, redete sie weiter. »Soll ich gleich die Eltern informieren?«

»Warte noch. Leona Sieverding war gehörlos und trug diese Cochlear-Implantate. Die sehen aus wie normale Hörgeräte. Ist dir so etwas aufgefallen? Hat Gritta etwas in der Richtung gesagt?«

»Nein.«

»Hm.« Nachdenklich zupfte Robert an den lederbezogenen Knöpfen seiner dunkelbraunen Strickjacke. »Beidseitig Hörgeräte, die würde Gritta doch nicht übersehen.« Er griff sich in den Nacken, drehte den Kopf ein paarmal von rechts nach links und wieder zurück, dann fasste er einen Entschluss. »Lass uns abwarten, bis wir ganz sicher sein können. Ich meine mich zu erinnern, dass in der Akte ein Zahnstatus liegt. Das Mädchen steckte mitten in einer Behandlung und ist auf dem Weg zum Zahnarzt verschwunden.«

»Okay, ich suche die Bilder raus und schicke eine Kopie in die Rechtsmedizin. Wenn es eine Übereinstimmung gibt, können wir immer noch die Eltern benachrichtigen. Nach so langer Zeit kommt es auf die paar Stunden auch nicht mehr an.«

»Leona Sieverding … unfassbar.« Mit einem tiefen Seufzer nahm Robert seine Brille ab und rieb sich über die Augen. Ohne Brille wirkte er merkwürdig schutzlos, vor allem, wenn er so wie jetzt blinzelte. »Dass wir den Fall damals nicht aufklären konnten, hängt mir immer noch nach. Im Leben hab ich nicht erwartet, dass wir noch mal eine Chance kriegen, das aufzuklären.«

»Hoffentlich«, sagte sie leise.

Robert setzte die Brille wieder auf. »Ja, hoffentlich. Wir halten uns bedeckt, bis wir Gewissheit haben. Das gilt vor allem für die Presse. Totes Mädchen, Identität unbekannt, alles Weitere morgen in einer Pressekonferenz.«

Während Nola auf die Akte wartete, suchte sie in der polizeiinternen Datenbank nach toten Frauen, die man in ähnlicher Situation aufgefunden hatte, vergeblich, was sie nicht überraschte. Normalerweise lag es im Interesse des Täters, sein Opfer verschwinden zu lassen, damit die Tat unentdeckt blieb. Diese Zurschaustellung der Toten sprach für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein des Täters. Offenbar war er überzeugt, keinerlei Spuren hinterlassen zu haben.

In Martinsfehn gingen Kollegen von Haus zu Haus und fragten nach möglichen Zeugen, doch sie ahnte schon, dass die Aktion nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Eine dunkle Nacht Ende Februar, eisig kalt und ungemütlich, wer machte da einen Seespaziergang? Die Leute vom Pferdehof konnten eigentlich nichts gesehen haben, weil das Stallgebäude zwischen Wohnhaus und Straße lag. Ohnehin meldeten sich Zeugen, die etwas Spektakuläres bemerkt hatten, erfahrungsgemäß von selbst, und das in der Regel sehr schnell.

Die Hunde, das erfuhr sie telefonisch, hatten nur auf dem Parkplatz herumgeschnüffelt. Demnach war der Täter mit dem Wagen vorgefahren, hatte die Leiche abgelegt und war wieder verschwunden. Da die gesamte Fläche gepflastert war, hatte Stefans Team auch keine Reifenspuren gefunden. Im Grunde hatte sie nichts anderes erwartet, und doch ärgerte es Nola, dass Conrad mit seiner ewigen Schwarzseherei recht behielt.

Conrad erschien um kurz vor vier. Er roch auffällig nach Pfefferminze, was vermuten ließ, dass er getrunken hatte. »Die Mädels vom Ponyhof sind richtig nett, sag ich dir.« Mit breitem Grinsen zog er seinen Stuhl vor die Heizung und hockte sich rittlings darauf. »Junge Frauen in hohen Stiefeln. Dafür bezahlen andere Geld.«

»Und?«

»Die haben nichts beobachtet. Vom Haus aus ist das auch gar nicht möglich. Wenn ein Auto auf der Bundesstraße fährt, sehen die höchstens die Lichter, und das auch nur, wenn sie draußen in der Einfahrt stehen.«

»Für diese Erkenntnis warst du ja erstaunlich lange unterwegs.«

Wie üblich perlte ihr Vorwurf von Conrad ab wie ein Wassertropfen von einer frisch imprägnierten Regenjacke. »Die eine hatte gerade Reitstunde, da musste ich warten. Inzwischen haben die anderen Mädels mir einen Kakao angeboten mit einem ordentlichen Schuss Weinbrand drin. Wegen der Scheißkälte. Setz du dich mal in so eine Reithalle, da zieht es wie Hechtsuppe.« Er gähnte, verschränkte die Arme auf der Stuhllehne und legte seinen Kopf darauf. »Bin echt kaputt. Muss am Wetter liegen. Immer dieses Grau. Macht mich ganz depressiv. Und bei dir?«

»Wir vermuten stark, dass es sich bei der Toten um Leona Sieverding handelt. Die ist vor vier Jahren spurlos verschwunden. In Jemgum.«

Er schnipste mit den Fingern. »Schon klar, ich erinnere mich. War die nicht taub?«

»Ja. Gehörlos, heißt das heutzutage. Ich hab ihren Zahnstatus in die Rechtsmedizin gemailt und warte auf die Antwort. Wenn sie es ist, rufe ich in Bremen an, damit die Kollegen die Nachricht an die Eltern überbringen.«

»Okay, dann mach ich Feierabend. Heute passiert ja nichts mehr.« Stöhnend richtete er sich auf. Zwei Minuten später klappte die Bürotür, und Nola gestand sich ein, dass sie froh darüber war. Sie arbeitete lieber allein als mit Conrad. Die Energie, die es kostete, sich unentwegt zu verteidigen oder über ihn zu ärgern, investierte sie lieber in ihre Ermittlungen.

Anhand des Zahnschemas und der Operationsnarben hinter beiden Ohren, die Gritta Fenders auf Anfrage bestätigte, stand gegen achtzehn Uhr fest, dass die Tote Leona Sieverding hieß. Aus der Akte suchte Nola Adresse und Telefonnummer der Eltern raus. Das Überbringen einer Todesnachricht gehörte zu den schlimmsten Aufgaben eines Polizeibeamten, und Nola war mehr als dankbar, dass diese unangenehme Pflicht den Bremer Kollegen zufiel. Es gab zwei Adressen, eine in Bremen und eine in Bassum, einem Ort, der südlich von Bremen lag, wie ein Blick auf die Karte verriet, außerdem eine Firmenadresse in der Nähe vom Bremer Flughafen.