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Originalausgabe
© 2012 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, Berlin und bei den AutorInnen
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Archiv der Jugendkulturen e.V.
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Ansprechpartner für die Wissenschaftliche Reihe: Klaus Farin; klaus.farin@jugendkulturen.de

Vertrieb: www.jugendkulturen.de

Lektorat: Gabriele Vogel

Die Wissenschaftliche Reihe im Archiv der Jugendkulturen
Alljährlich entstehen an Universitäten und Fachhochschulen Hunderte von wissenschaftlichen Arbeiten, die zumeist nur von zwei Gutachtern gelesen werden und dann unbeachtet in den Asservatenkammern der Hochschulen verschwinden. Dabei enthalten viele dieser Arbeiten durchaus neues Wissen, interessante Denkmodelle, genaue Feldstudien. Das Archiv der Jugendkulturen, Fachbibliothek und Forschungsinstitut zugleich zu allen Fragen rund um Jugendkulturen, hat deshalb damit begonnen, wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Jugend zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen. Mehr als 500 solcher Arbeiten enthält die Präsenzbibliothek des Archivs inzwischen – für jedermann kostenlos und frei zugänglich.

In der Wissenschaftlichen Reihe publiziert das Archiv der Jugendkulturen seit 2007 zudem qualitativ herausragende wissenschaftliche Arbeiten zu jugendkulturellen Zusammenhängen. Die Arbeiten werden von fachkundigen GutachterInnen gelesen und vor der Veröffentlichung professionell lektoriert. Da pro Jahr von 20 - 25 eingereichten Arbeiten nur zwei veröffentlicht werden, kann bereits die Aufnahme in den Verlagskatalog als Auszeichnung verstanden werden. Doch für die AutorInnen lohnt sich die Veröffentlichung auch materiell. Die Archiv der Jugendkulturen Verlag KG verlangt von ihren AutorInnen keinerlei Kostenbeteiligungen! Im Gegenteil: AutorInnen, deren Arbeiten wir in unserer Wissenschaftlichen Reihe veröffentlichen, erhalten bereits für die Erstauflage ein Garantiehonorar von 2.000 Euro!

Seit 2011 wird diese Reihe durch eine elektronische Schwester ergänzt. Denn immer wieder mussten wir hervorragende Manuskripte ablehnen, da ein kleiner Verlag wie der unsrige sich nicht mehr als zwei wissenschaftliche Titel mit den gesetzten Qualitätsstandards (großformatige Hardcover, alle Bände sind reichlich illustriert, oft in Farbe) und dem bewusst sehr niedrig angesetzten Ladenpreis (um möglichst viele Menschen zu erreichen) leisten kann. Die E-Book-Reihe soll dieses Manko nun ausgleichen. Was für die Printreihe gilt, gilt auch für unsere E-Books: Sie werden ebenfalls unter der Fülle eingereichter Arbeiten sorgfältig ausgewählt und lektoriert, die AutorInnen erhalten ein kleines Garantiehonorar und werden am Umsatz beteiligt.

Das Archiv der Jugendkulturen e.V.
Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e. V. existiert seit 1998 und sammelt – als einzige Einrichtung dieser Art in Europa – authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen selbst (Fanzines, Flyer, Musik etc.), aber auch wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der Öffentlichkeit in seiner Bibliothek kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus betreibt das Archiv der Jugendkulturen eine umfangreiche Jugendforschung, berät Kommunen, Institutionen, Vereine etc., bietet jährlich bundesweit rund 80 Schulprojekttage und Fortbildungen für Erwachsene an und publiziert eine eigene Zeitschrift – das Journal der Jugendkulturen – sowie eine Buchreihe mit ca. sechs Titeln jährlich. Das Archiv der Jugendkulturen e. V. hat derzeit 230 Mitglieder weltweit (darunter viele Institutionen). Die Mehrzahl der Archiv-MitarbeiterInnen arbeitet ehrenamtlich.

Schon mit einem Jahresbeitrag von 48 Euro können Sie die gemeinnützige Arbeit des Archiv der Jugendkulturen unterstützen, Teil eines kreativen Netzwerkes werden und sich zugleich eine umfassende Bibliothek zum Thema Jugendkulturen aufbauen. Denn als Vereinsmitglied erhalten Sie für Ihren Beitrag zwei Bücher Ihrer Wahl aus unserer Jahresproduktion kostenlos zugesandt.

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BLITZKRIEG POP

Partialfaschismen und ästhetisierte

Mythen des Faschismus in der Popkultur

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademisches Grades

eines Magisters der Philosophie

eingereicht bei Herrn

ao. Univ. Prof.

Mag. Dr. Reinhold GÄRTNER

Institut für Politikwissenschaft

Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie

der Universität Innsbruck

von

Thomas Ehrenfest

Innsbruck, September 2008

INHALT

EINLEITUNG

1 PARTIALFASCHISMEN

1.1 PROTO-ODER PARTIALFASCHISMEN? ZUR BEGRIFFSFINDUNG

1.2 VORTEILE DES SUCHWERKZEUGS „PARTIALFASCHISMUS

1.3 FASCHISMUS ALS IDEOLOGIE OHNE KANON

1.4 DIE BEDEUTUNG DES SYNKRETISTISCHEN WESENS DES FASCHISMUS FÜR DIE POPKULTUR

1.5 PARTIALFASCHISMEN

1.6 KARDINALE PARTIALFASCHISMEN: MYTHOLOGISIERUNG, ROMANTISIERUNG, ÄSTHETISIERUNG

1.6.1 Mythos und Mythologisierung

1.6.2 Romantik und Romantisierung

1.6.3 Ästhetik und Ästhetisierung

2 FASCHISTISCHE ÄSTHETIK

2.1 POLITISIERTE ODER POLITISCHE ÄSTHETIK?

2.1.1 Der „faschistische Blick“ als politische Ästhetik bei Leni Riefenstahl

2.1.2 Das faschistisch-ästhetische Bild als partialfaschistische Form

2.2 WIE KLINGTDEUTSCH“? FASCHISTISCHE ÄSTHETIK UND MUSIK

2.3 ÄSTHETIK ALS EINFLUSS UND AUSFLUSS DES POLITISCHEN

2.4 DAS MASSENORNAMENT: POLITISCH-ÄSTHETISCHE EINVERLEIBUNG UND ENTÄUßERUNG

3 ANALYSE DER POPKULTUR

3.1 ZUM BEGRIFF „POP

3.2 KATEGORIEN DER REZEPTION UND INTENTION IM POP

3.3 DIE DISKURSIVE ANWENDUNG VON PARTIALFASCHISMEN UND IHRER ÄSTHETIK

3.3.1 Die unerträgliche Hässlichkeit des Seins: Throbbing Gristle

3.3.2 Und Micky Maus mordet doch: Marilyn Manson

3.3.3 Ich schaue links, rechts, links…: faschistische Symbole im Punk als Sonderfall

3.3.4 Zu 101 Prozent totalitär und keine Ironie: Laibach

3.4 DIE APOLOGETISCH WIRKENDE VERWENDUNG FASCHISMUSGEEIGNETER INHALTE

3.5 ROMANTISIERUNG UND MYTHOLOGISIERUNG VON PARTIALFASCHISMEN AM APOLOGETISCHEN BEISPIEL

3.6 VORGESTERN VORAUS! ROMANTISCHE RÜCKWÄRTSGEWANDTHEIT ALS APOLOGETISCHES KONSTRUKT

3.7 TARNEN UND (SICH) TÄUSCHEN? „UNPOLITISCHER“ POP UND PARTIALFASCHISMEN

3.7.1 Ästhetisierung am Beispiel Neue deutsche Härte

3.7.2 Stripped stripped: ein Rammstein-Video näher betrachtet

3.7.3 Mythologisierung und Politikfreiheit

3.7.4 Wird schon wahr werden: postfaschistische Mythologisierung im Film

3.7.5 Drei zum Preis von einem: Mythologisierung, Romantisierung und Ästhetisierung am Beispiel des Films 300

SCHLUSS

LITERATUR-UND QUELLENVERZEICHNIS

DRUCKWERKE

INTERNETQUELLEN

BILDMEDIEN

AUDIOMEDIEN

Einleitung

„I developed the curious notion that the Nazis were overthrown by music“1, schrieb Leonard Cohen in einer Anmerkung zu seinem Song The Partisan, einer Adaption eines antifaschistischen Kampfliedes. Cohen lernte dieses Lied schon als Jugendlicher kennen, es faszinierte ihn und er dachte sich wohl, dass es Musik wie dieser zu verdanken war, dass es Menschen gab, die sich nicht vom Ungeist der nationalsozialistischen Barbarei anstecken ließen und sich auflehnten. Ich für meinen Teil glaube jedoch, die Nazis konnten sich selbst nach ihrer Niederlage im Krieg zumindest auf einem Gebiet ihr „Tausendjähriges Reich“ sichern: auf jenem dem Popkultur. Dies mag auf den ersten Blick absurd erscheinen, verbindet man mit Pop oftmals doch eher unbeschwerte Unterhaltung in einem mehr oder weniger ideologiefreien Umfeld mit Bezugnahmen auf eventuell sogar emanzipatorisch gedachte Subkulturen wie Punk oder Hip-Hop. Pop – im Zusammenhang dieser Arbeit als weit gefasster Begriff gedacht – scheint erst dann politisch zu werden, wenn er durch explizite Stellungnahmen seiner ProtagonistInnen eine entsprechende Aufladung erfährt, oder seine thematischen Inhalte zumindest als so gedacht verstanden werden können. Im Umkehrschluss bedeutete dies allerdings die gesellschaftliche und politische Irrelevanz eines jeden popkulturellen Produkts, also die a priori apolitische Beschaffenheit von einer spezifischen Ausdrucksform. Ist es somit blanke Hysterie, Filme wie 300 oder Bands wie Rammstein (um nur zwei der prominentesten Beispiele zu nennen) unter der Verwendung der Attribute „faschistoid“, „gewaltverherrlichend“ oder Ähnlichem mehr zu diskutieren?2 Beide werden in Zusammenhängen inszeniert, die vordergründig keine politischen Bezüge haben, die „Show“ und das „Entertainment“ stehen scheinbar im Vordergrund. Thematisch wird Persönliches oder Fiktives abgehandelt – und dennoch: Es hagelt Vorwürfe aus dem avancierten Feuilleton und von Seiten der Cultural Studies, während andere sich wundern: Was kann, zugespitzt formuliert, an einer Filmadaption einer Comicadaption einer Legende, die vor 2 500 Jahren ihren Anfang nahm, von aktueller politischer Relevanz sein, wie im Fall von 300, basierend auf der mythenumrankten Thermopylen-Schlacht zwischen Spartanern und Persern im Jahre 480 v. Chr.? Manche KritikerInnen meinten, dass die Darstellung der PerserInnen und ihres Herrschers Xerxes als brutales, barbarisches und mit maßloser Hybris ausgestattetes Kriegsvolk auf den Iran der Gegenwart aus der Sicht der USA verweise.3 Das ist denkbar, jedoch für die RezipientInnenschaft nur bedingt relevant. Diese müsste, um den intendierten Subtext zu verstehen, mehrere Voraussetzungen erfüllen: Nämlich, erstens, vorab über den realen Hintergrund des Films informiert sein, da die historische Bezugnahme zwischen Phantasiegestalten und Comicästhetik alles andere als offensichtlich ist, zweitens, über die mythologische und symbolische Bedeutung des antiken Griechenlands für das „Abend-“ bzw. Persiens für das „Morgenland“ informiert sein und außerdem, drittens, Bescheid wissen, dass „PerserIn“ ein etwas unscharfes Synonym für „IranerIn“ ist. Ähnlich verhält es sich mit dem viel diskutierten Video zu „Stripped“ von Rammstein. Band und Regisseur entschieden sich für die Verwendung von Originalmaterial aus Leni Riefenstahls Olympia-Filmen. Ein programmierter Skandal, jedoch von scheinbar größerem Ausmaß als ursprünglich intendiert. Die Reaktionen reichten von „geschmacklos“ bis hinauf zum Nazi-Propaganda-Vorwurf. Die Verantwortlichen reagierten ab einem gewissen Punkt verdutzt: Es seien doch gar keine NS-Symbole oder prominente Nationalsozialisten im Video zu sehen, hieß es, und Riefenstahl eine international anerkannte Künstlerin.4 Wieder erlagen – wie noch genauer gezeigt werden wird – Kritik und Verteidigung demselben Irrtum. Wirkt ein Film faschisierend, weil er von Riefenstahl gedreht wurde, oder nur, wenn er einschlägige Symbole enthält? Wieder müssten ZuseherInnen über die Entstehung des Materials informiert sein, um die Ankunft Riefenstahls im Pop-Mainstream überhaupt als propagandistisch empfinden zu können – im Übrigen war ihr Stil schon lange vor ihr dort, die Diskussion also eher von ethischen als von ästhetischen Prinzipien motiviert, worauf ich später noch eingehen werde.

Der genannte Irrtum lässt sich meines Erachtens im Wesentlichen auf eines zurückführen: nämlich auf das gedankliche Festhalten an einer starren Trennung von Form und Inhalt. Wenn sich in 300, bei bewusst oberflächlicher Formulierung, Freiheitskämpfer durch eine halbfiktive Umwelt schlagen, oder Rammstein davon singen, dass ihr Herz „links“ schlage, scheint der Inhalt nicht weiter problematisch zu sein. Wenn die Freiheitskämpfer allerdings beginnen, sich ohne ironische Brechung auf ihre „Reinheit“ durch Geburt und Auslese zu berufen, ihre idealisierten Männerkörper in Riefenstahl-Zeitlupen durch die Schlacht gegen den degenerierten Aggressor aus dem Osten bewegen und der, für die Niederlage schließlich verantwortliche, einzige Verräter aus den eigenen Reihen auch noch die einzig körperlich entstellte und kranke Figur unter dreihundert Siegfrieden ist5, beginnt man nicht nur an die Dolchstoßlegende, sondern vor allem an Marshall McLuhan zu denken: „The medium is the message.“6 Ähnliches gilt für Rammsteins „linkes“ Statement, das sich in Kombination mit Marschrhythmen und einem Video, in dem ein Ameisenvolk sich zu wechselnden Massenornamenten formiert, um scheinbar überlegene Eindringlinge in einem Abwehrkampf kollektiv niederzuringen und zu töten, nicht mehr so recht entwickeln will.7

Diese Arbeit soll sich also im Sinne McLuhans weniger mit konkreten Äußerungen, als vielmehr mit der Abstraktion von bereits im Faschismus enthaltenen Motiven und Haltungen in Form von im Pop wiederkehrenden Ästhetiken, Mythen und romantisierten Darstellungen beschäftigen. Ferner möchte ich herausarbeiten, dass bestimmte Formen der Darstellung, völlig unabhängig von ihrem gesellschaftlichen oder politischen Kontext, eine normative Kraft entwickeln können. Mit anderen Worten: Es soll die These von einer Art „ästhetischem Imperativ“, also einer einem Ausdruck innewohnenden subtilen Aufforderung „so“ zu sein überprüft werden. Dies erscheint deshalb sinnvoll, da hierbei vom Kommentar durch die KünstlerInnen bzw. von einer Aufladung durch das Umfeld (z. B. beim so genannten Rechtsrock) weitgehend abgesehen werden kann und die Betrachtung eines Pop-Produkts mit Fokus auf die eventuell eigendynamische Wirkung seiner Ästhetik, also seiner Form, erfolgen kann. Um festhalten zu können, bei welchen stilistischen Elementen es sich um die Übertragung von problematischen, für das faschistische Ideenkonglomerat grundsätzlich geeigneten Haltungen in eine abstrakte Form handelt, müssen vorab der Faschismus und auch seine Kunstproduktion betrachtet werden. Wesentlich wird dabei sein, das Faschistische in möglichst kleine Ideologiefragmente – so genannte Partialfaschismen – zu zerlegen, wobei deren Ursprünge bis in vorfaschistische Zeiten zurückverfolgt werden sollen. Der Grund dafür ist, dass nur so gezeigt werden kann, wie einzelne Haltungen, die schon früher existierten und später zu einem Faschismus zusammengeführt werden konnten, nach 1945 als einzelne Fragmente auch außerhalb ewiggestriger Milieus überlebten und heute in der Popkultur in einem scheinbar unbedenklichen Umfeld als ästhetische Abstraktionen wieder zum Vorschein kommen. So wie der reine, gesunde und als ahistorische Konstante der deutschen Kultur präsentierte Körper bei Leni Riefenstahl, der, befreit von jeglicher NS-Symbolik und mit beinah religiöser Ehrfurcht ästhetisiert, in BetrachterInnen wohl mit anderen Konnotationen nachwirkt, als er es könnte, wäre er nicht – wie bei „Stripped“ von Rammstein – gänzlich dem ursprünglich offensichtlichen NS-Kontext enthoben.

Ziel dieser Arbeit ist es also nicht, KünstlerInnen, die sich aufgrund ihrer individuellen Äußerungen und ihres kulturellen Umfelds von der einschlägig rechten Szene abheben lassen, in eben diese hineinzuargumentieren. Es geht darum, auf die mittlerweile scheinbar selbstverständlich gewordene Adaption von klar faschistischer Ästhetik und – sehr viel wichtiger – die mit ihr unterschwellig transportierten Aussagen hinzuweisen. Dabei sollen natürlich Unterschiede im Umgang damit berücksichtigt werden. Diese reichen von der ironischen Dekonstruktion bis hin zur (offen) philofaschistischen Haltung, wenn sich etwa Aussagen und Ästhetik gegenseitig verstärken, anstatt sich zu brechen, wie es z. B. bei einem kritisch-diskursiven Umgang damit der Fall sein kann.

Zum Forschungsstand:

Wie aus der Einbindung von entsprechender Literatur in den Textverlauf leicht ersichtlich wird, ist das Thema der faschistischen Ästhetik bereits von mehreren Disziplinen, von der Kunstgeschichte über die Philosophie bis hin zu den Cultural Studies, ausgiebig behandelt worden – entsprechende Werke aus verschiedenen Fachbereichen finden sich demnach im Literaturverzeichnis. Demgegenüber glaube ich jedoch, mit dem Begriff der „Partialfaschismen“ (dieser wird noch genau erläutert) ein originäres Instrument gefunden zu haben, das in diesem Zusammenhang nach meinem Wissen noch nicht angewendet wurde. Auf das Wort selbst stieß ich im Zuge der Recherchen für diese Arbeit nur zweimal: Einmal in der nicht näher definierten Bezeichnung „partieller Faschist“ für den Schriftsteller Gottfried Benn8, ein anderes Mal bei Stanley Payne, der von „partiellen Protofaschismen“ sprach und damit ein frühes Entwicklungsstadium einer sich dem Faschismus annähernden Ideologie meinte.9 Auf Betrachtungen von faschistischer Ästhetik als künstlerischer Metapher für zum Faschistischen geeignete Haltungen und Einstellungen aus ideengeschichtlicher Perspektive stieß ich bei Verwendung der vorliegenden Literatur ebenfalls nicht. Ich hoffe daher, mit dem vorliegenden Text einen Beitrag zu einem Thema leisten zu können, das aus politikwissenschaftlicher Sicht, nach meinem Wissen, so noch nicht behandelt wurde. Die Arbeit ist aus Gründen der besseren Verständlichkeit und ihrem ideengeschichtlichen Schwerpunkt in drei große Teile gegliedert: Erstens, in eine Abhandlung über die historische Verortung der einzelnen Partialfaschismen und ihre Rolle für den Faschismus, zweitens, in einen Teil, der sich mit der Frage nach dem Vorhandensein einer dementsprechenden Ästhetik und ihrer politischen und sozialen Wirksamkeit beschäftigt und, drittens, in eine beispielhafte Darstellung der Verwendung von Partialfaschismen bzw. faschistischer Ästhetik in der Popkultur.

Anmerkungen:

1. Für die vorliegende Arbeit werden selbstverständlich geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet. An manchen Stellen wird allerdings aus Gründen der historischen Genauigkeit oder um ein Umfeld und auch seine Geschlechterverhältnisse präziser abbilden zu können, bewusst darauf verzichtet. Dies gilt beispielsweise dann, wenn etwa von der nationalsozialistischen Führung, gewissen männerbündlerischen Milieus oder abgrenzbaren popkulturellen Szenen wie der scheinbar ausschließlich von Männern repräsentierten Neuen deutschen Härte die Rede ist.

2. Faschismus und Nazismus werden im Kontext dieser Arbeit nur insofern als distinkte Phänomene betrachtet, als Nazismus hier den braunen Faschismus deutsch-österreichischer Prägung meint. Ich folge, aus Gründen, die im Verlauf des Textes noch deutlicher hervortreten werden, bewusst nicht der von manchen geforderten, oder zumindest diskutierten, Trennung von Faschismus und Nazismus (oder gar Hitlerismus).10 Vorausgeschickt sei nur, dass ich eine derartige Differenzierung als einen Fakten verdunkelnden Entschuldungsversuch der TäterInnengeneration betrachte: Die Begriffe Nazismus/Hitlerismus als ideengeschichtliche Einzelphänomene beschreiben zu wollen, suggeriert meines Erachtens lediglich, dass die Schuld bei den „deklarierten“ Nazis in der NSDAP bzw. alleinig bei Hitler und einer von ihm alleine zu verantwortenden doktrinären Ideologie und keinesfalls beim „Volk“ zu suchen sei. Ferner betreibt man mit dieser Exklusion des Nazismus aus der Familie der Faschismen die Reinwaschung des Faschismus vom Geruch der Shoah, um ihn als ideologischen Bezugsrahmen zu erhalten. „Nazismus“ wird von mir daher nur als Abgrenzungskriterium in Bezug auf die politische Einflusssphäre der deutschen Nationalsozialisten, also entsprechend jener des z. B. spanischen oder auch italienischen Faschismus, gebraucht.

3. Der Titel der Arbeit – Blitzkrieg Pop – bezieht sich auf den Song „Blitzkrieg Bop“ der US-Punk-Band The Ramones. Er wurde gewählt aufgrund seiner Identifikation mit dem Angriffskrieg der Nazis, der 1945 endlich und endgültig gestoppt werden konnte und der daher gegebenen thematischen Verwandtschaft zur vorliegenden Arbeit. Andernorts und mit anderen Mitteln jedoch etablierten sich faschistische Einstellungen oder Ästhetiken wie schon angedeutet nachhaltiger – zum Beispiel eben in der Popkultur. Dies geschah schnell und umfassend, unabhängig von der Kunstgattung und fast ebenso unabhängig von der Szene, wie noch gezeigt werden wird – sozusagen als Fortsetzung des Blitzkriegs mit ästhetischen Mitteln. Die Adaption des Ramones-Titels erschien mir außerdem passend, da besonders Gitarrist Johnny Ramone als politisch extrem konservativ eingestellte Person und NRA-Mitglied das Vorhandensein reaktionärer Tendenzen in eigentlich emanzipatorisch ausgerichteten Subkulturen – und somit eine der Thesen dieser Arbeit – verkörperte.11

1 Zitat dem Beiheft des folgenden Tonträgers entnommen: Interpret: Leonard Cohen, Album: Greatest Hits, Label: Columbia, 1975, S. 4 des Booklets.

2 Vgl. Michele Bettendorf: Ursprung Punkszene oder „Rammstein hätte es im Westen nie gegeben“, 2002, o. O. (Google Book, Book on Demand), S. 99, archiviert auf http://books.google.at/books?id=AepFc2TUUyAC&printsec=frontcover&dq=rammstein+ursprung+punkszene&sig=ACfU3U1jOsC9KivDB-1cIWWxZntnEB4B0A, Zugriff am 04.09.2008.

3 Vgl. Thomas Willmann: Die Berlinale Hülse, archiviert auf: http://www.artechock.de/film/text/special/2007/berlinale/
02_14_berlinale_willmann.htm
, Zugriff am 07.09.2008.

4 Anm.: Die entsprechenden Passagen werden im Verlauf der Arbeit nochmals wiederholt und mit Literaturverweisen belegt.

5 Vgl. Titel: 300, Medium: DVD, Studio: Warner Home Video, 2007.

6 Marshall McLuhan, zitiert nach Jean Baudrillard: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, Merve, Berlin 1978, S. 94.

7 Vgl. Rammstein, Medium: DVD: Lichtspielhaus, Titel: Links 2, 3, 4, Label: Universal Music, 2003.

8 Vgl. Jan Raabe, Andreas Speit: L´art du mal – Vom antibürgerlichen Gestus zur faschistoiden Ästhetik, in: Andreas Speit [Hg.]: Ästhetische Mobilmachung, Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Unrast, Münster 2002, S. 72.

9 Vgl. Stanley Payne: Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung. Tosa, Wien 2006, S. 567.

10 Vgl. Ian Kershaw: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick. rororo, Reinbek bei Hamburg 2006, S. 76-77.

11 Vgl. Johnny Ramone. Rebel in a rebel’s world, in: The Washington Times, 11.03.2004, archiviert auf http://www.washingtontimes.com/news/2004/mar/11/20040311-
085521-1823r/
, Zugriff am 07.09.2008.

1 Partialfaschismen

1.1 Proto- oder Partialfaschismen? Zur Begriffsfindung

In den ersten Notizen zu der hier vorliegenden Arbeit wurde von mir der schon bekannte Begriff der Protofaschismen verwendet, um ideologische und weltanschauliche Versatzstücke des Faschismus/Nationalsozialismus herausheben und einzeln benennen zu können. Zur Verdeutlichung seien hier nur beispielhaft Phänomene wie Männlichkeitskult oder die Romantisierung und Heroisierung des Soldatendaseins genannt. Im Zuge der weiteren Ausarbeitung des Themas begann sich der Begriff immer weiter von dem ihm üblicherweise zugrunde gelegten Verständnis zu entfernen und wäre hier nicht mehr allgemein verständlich, dafür aber im schlimmsten Fall schlicht falsch gebraucht worden. Es bedarf daher eines anderen Begriffs. Der Grund ist folgender:

Schon der Wortteil „Proto“ („erster“ von gr. „prótos“) deutet an, dass es sich – ähnlich wie bei den Begriffen des Prototyps oder der Protowissenschaft – bei einem Protofaschismus bereits um ein komplexeres, sich aus mehreren Fragmenten zusammensetzendes Ideologiekonstrukt handeln muss, das schließlich in einen Faschismus übergeht, oder zumindest die erkennbare Möglichkeit dazu in sich birgt.12 So wird teilweise der frühe spanische Faschismus als Protofaschismus betrachtet13, oder ebenso die Philosophie des 1900 verstorbenen Friedrich Nietzsche.14 Zumeist wird mit dem Protofaschismus im Diskurs jedenfalls bereits ein Gedankengebäude oder zumindest ein in sich schlüssiger Gedankengang bezeichnet, der sich aus heutiger Sicht in die faschistischen Ideologien italienischer oder deutscher Prägung der Jahre von 1922 bzw. 1933 bis 1945 integrieren ließe oder gar ausdrücklich integriert wurde. Für die Anwendung auf das Gebiet der Populärkultur und der von ihr geprägten und sie in einer reflexiven Schleife wieder prägenden Ästhetik ist der Begriff zumindest im Kontext der vorliegenden Forschungsfragen nicht sinnvoll anwendbar. Zu schnell stieße man mit diesem Instrument wieder auf eine einschlägige politische (Bild-)Sprache, anstatt subtiler verpackte Inhalte aufspüren zu können.

Die für sich genommen also schon ein Amalgam aus verschiedensten Überzeugungen darstellenden und in ihrer Definition und politischen Zuordenbarkeit häufig umstrittenen Protofaschismen sollen daher in ihrer Zusammensetzung auf die wesentlichsten Punkte gebracht, ihr unter diversen -Ismen subsumiertes Ideengeflecht also in einzelne Fäden zerlegt werden. Anschließend ist zu überprüfen, ob die jeweiligen Fragmente Eingang in explizit faschistische Ideologien und ästhetische Ausdrucksformen gefunden haben. Ist dies nachweislich der Fall, sollen diese tradierten Elemente im weiteren Verlauf der Arbeit sinnvoller als „Partialfaschismen [P]“, also als tragende Elementarteile oder notwendige Puzzlesteinchen eines „reifen“ Faschismus herausgestrichen werden. Gemeint ist dies somit durchaus im Sinne einer mathematischen Teilmenge deren Obermenge der Faschismus darstellt. In weiterer Folge können eben jene zuvor festgemachten P in der auf breiter Ebene rezipierten Gegenwartskultur und den ihr zugrunde liegenden und als Reservoir kreativer Erneuerung dienenden Subkulturen aufgesucht und auf ihre Bedeutung geprüft werden. An einem offensichtlichen Beispiel aus Nietzsches Zarathustra grob dargestellt, soll folgendermaßen verfahren werden:15

a) Es tritt im Buch deutlich die Ablehnung des Autors gegenüber Staatskonzepten per se – auch dem des Volksstaates – zu Tage: „Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. […] diese Lüge kriecht aus seinem Munde: ‚Ich, der Staat bin das Volk’.“16 Demgegenüber wurde der Volksstaat zu einem Fetisch der Nationalsozialisten, der Nationalismus zur regelrechten Religion der Faschisten.17 Die Haltung „Anti-Nationalismus“ kann also (natürlich) nicht als partialfaschistisch gelten und fällt daher als Vergleichsgröße im Rahmen dieser Arbeit aus.

b) Demgegenüber findet sich nur ein Kapitel zuvor ein Hohelied auf den soldatischen Kampf und die erst eigentliche Werdung des einzelnen (Mannes) im Angesicht seines Feindes sowie eine romantische Ästhetisierung des Krieges, z. B.: „Euren Feind sollt ihr suchen, euren Krieg sollt ihr führen und für eure Gedanken! Und wenn euer Gedanke unterliegt, so soll eure Redlichkeit darüber noch Triumph rufen.“18 Bei Vertretern des Nationalsozialismus findet sich Verwandtes; etwa in Goebbels Forderung nach einer „stählernen Romantik“ im Deutschtum, in der Rüdiger Safranski den Ruf nach einer gerüsteten, in Kriegsbereitschaft befindlichen Gesellschaft sieht.19 Die Haltung „Überaffirmation/Romantisierung des Kampfes“ kann daher als P gelten. In weiterer Folge soll nun damit nach Stilelementen in der Popkultur gesucht werden, die diese Einstellung transportieren.

Als Vergleichsgrößen werden der deutsche und italienische Faschismus herangezogen. Aufgrund der Tragweite, der Radikalität, der wegen der Singularität in vielen Bereichen bis heute divergierenden Einschätzungen und der noch existierenden gedanklichen Kontinuität in den Köpfen zu vieler, soll ein Schwerpunkt auf der nazistischen Ausprägung deutsch-österreichischer Provenienz liegen. Auch wird zur Verdeutlichung und Schärfung des Faschismusbegriffs kurz auf die Frage eingegangen werden, ob man in Bezug auf den Nationalsozialismus [NS] gerechtfertiger Weise von einem Faschismus sprechen kann, oder ob jene schon erwähnte Singularität und Exzessivität nach einem originären Begriff wie etwa dem des „Hitlerismus“20 bzw. nach einer deutlichen Abgrenzung von NS und Faschismus nicht-deutscher Art verlangt. Hier sei nur nochmals vorausgeschickt, dass der NS in dem vorliegenden Text als unbedingt faschistisch verstanden wird. Eine Trennung wäre – wie mit der Suche nach Partialfaschismen ebenfalls gezeigt werden kann – rein semantischer Natur und meines Erachtens wegen der suggerierten Distanz zu einem etwaigen „Hitlerismus“ unnötig relativistisch und verharmlosend was andere faschistische Bewegungen, deren Ziele, Ideale und Zerstörungspotentiale anbelangt.

1.2 Vorteile des Suchwerkzeugs „Partialfaschismus“

Der größte Vorteil ergibt sich hier nicht aus dem Begriff selbst, sondern aus der Kombination mit seinem Anwendungsgebiet, der Popkultur, und den zumeist fließend in sie übergehenden, nicht explizit rechtsradikalen oder neonazistischen Subkulturen. Sinnlos wäre es, mittels eines feinen Instrumentariums bei einer Band namens Volkszorn nach entkontextualisierten Ideologiefragmenten zu suchen, wenn es auf deren Album Der ewige Jude heißt:

Brenn alles nieder (…) Im Zeichen der Zeit sind wir zu jedem Blutbad bereit (…) Ein Nigger brennt an einem Kreuz, er hat’s nicht besser verdient. (…) Die Juden werden brennen, werden um ihr Leben rennen. Die Moslems werden brennen und dann zur Hölle fahr’n [Anm.: runde Klammern im Original].21

Hier hat man es mit klar neonazistischen Bekenntnissen zu tun, deren vor das Dritte Reich zurückgehende Ideengeschichte weit weniger relevant ist, als ihre Rezeption in der Gegenwart. Welche Aussage auch immer von einer klar deklarierten Band aus einem ähnlichen Umfeld getätigt wird, sie wird zuerst unter dem Gesichtspunkt ihrer unmittelbaren Herkunft betrachtet und bewertet werden – von Geistesverwandten ebenso wie von GegnerInnen. Auch greifen hier (noch?) gesetzliche wie massenmediale Blockademechanismen und Reflexe – wenn auch nicht immer und überall.22

Eine andere Problematik stellen jedoch unter gewissen Umständen jene KünstlerInnen dar, die für sich und ihre Produkte in Anspruch nehmen, unpolitisch zu sein oder in der breiteren Wahrnehmung so scheinen. Diese Interpretation ist, wie zu zeigen sein wird, oft nur dann haltbar, wenn man von einem – eventuell bewusst – verengten Politikverständnis ausgeht. Der Poptheoretiker Martin Büsser greift dieses Phänomen auf:

Männliches Gehabe, das sich noch nicht das „Nazi“ auf den Arm geschrieben hat, findet um so mehr breite Akzeptanz, je „unpolitischer“ und zugleich jugendlich flippiger es sich zu verkaufen weiß. Das Unpolitische ist zum Virus geworden. Daß hoffnungslos veraltete Geschlechterbilder, Stereotypen von Macht und Männlichkeit […] wieder den Ton angeben, erschreckt gerade vor dem Hintergrund vermeintlicher Politiklosigkeit, die fast alle Vertreter stereotyp bekunden.23

An diesem Punkt beginnen die P als Analysewerkzeuge zur Sichtbarmachung, Benennung und Bewertung sublimierter Inhalte zu greifen. Darüber hinaus kann so nicht nur der Nimbus des Unpolitischen als häufig bloß scheinbar dargestellt werden, es können auch problematische Haltungen erkennbar werden, wo ansonsten ein ausdrücklich als links gedachter oder zumindest so verstandener Habitus vorherrscht. Hier sei nur kurz auf die als homophob und misogyn berüchtigten N.Y.C.-Hardcore-Bands Bad Brains oder die Cro-Mags verwiesen, die immerhin bewirkten, dass sich rund um das New Yorker ABC-No-Rio-Kulturzentrum eine gewissermaßen oppositionelle Hardcore-Szene entwickelte.24

Exkurs: Beispiele, die die Suche nach Partialfaschismen nahe legen

Die Einstellung „Misogynie/Homophobie“ ist nun mittels klarer Aussagen leicht festzumachen. Diffiziler wird es wiederum, wenn man die ästhetische Ebene mit in die Bewertung einbezieht. In diesem Zusammenhang relevant ist daher das Verständnis von beispielsweise „Punk als ästhetische[r] Abgrenzung gegen ‚die Hippies’“, die laut Martin Büsser „an vielen Stellen zu einer Ästhetik von Männlichkeit und Härte, die sich kaum mehr von der Gesinnung sogenannter Spießer unterscheiden ließ“25, verkam. Auch wenn dieser Härte-Code in den Jahren seit dem durch Bands wie Green Day oder The Offspring Mitte der Neunziger ausgelösten und bis heute anhaltenden Punk-Revival massiv aufgeweicht wurde,26 darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das gesamte Punk/Hardcore-Genre dadurch eine Wiederbelebung erfuhr. So sind auch Bands wie die, vorsichtig gesagt, politisch nicht immer ganz trennscharf agierenden Testosteron-Punks The Exploited wieder zunehmend präsent, die auf ihrer Homepage ihre angeknackste politische Integrität unter anderem mit der Leistung, Maggie Thatcher „repeatedly“ als „fucking cunt“ bezeichnet zu haben, zu zementieren versuchen.27 Der von Büsser beschriebenen Logik folgend, ist es jedenfalls wenig überraschend, dass gerade der von vielen (auch nach Eigendefinition linken) Bands mit aggressivem Machismo vorgetragene Hardcore, der im Fahrwasser des Schwestergenres Punk ebenfalls vermehrt Einzug in Jugendzimmer hielt, bald rechts besetzt wurde. Speziell die von der links-alternativen Band SFA in den Achtzigern geprägte Spielart des ursprünglich besonders sozialkritischen und musikalisch extremen Hate-Core wurde neonazistisch okkupiert; der Begriff gilt heute als Synonym für Hardcore mit rassistischen Inhalten. „Es ist nur folgerichtig, wenn auch ironisch, daß die heutigen Jungnazis ausgerechnet Punk zu ihrer Musik gemacht haben“28, so Rigobert Dittmann in seinem Aufsatz „Pop und Destruktion“. Unter Anwendung des P-Begriffs auf das Forschungsfeld jedoch wird zumindest augenscheinlich, dass der Aspekt des Ironischen deutlich hinter den der Folgerichtigkeit zurücktritt: Eine passende (ungebrochene!) und in einem zuvorderst „unproblematischen“ Kontext ebenso verwendbare Ästhetik lässt sich eben passiv auf unterschiedlichste Inhalte montieren, oder beginnt – wie im Hardcore/Punk geschehen – diese Inhalte selbst eigendynamisch einzugliedern.

29Fremd im eigenen LandExkurs Ende