Cover

WARRIOR CATS

Staffel I

In die Wildnis (Bd. 1)

Feuer und Eis (Bd. 2)

Geheimnis des Waldes (Bd. 3)

Vor dem Sturm (Bd. 4)

Gefährliche Spuren (Bd. 5)

Stunde der Finsternis (Bd. 6)

Staffel II – Die neue Prophezeiung

Mitternacht (Bd. 1)

Mondschein (Bd. 2)

Morgenröte (Bd. 3)

Sternenglanz (Bd. 4)

Dämmerung (Bd. 5)

Sonnenuntergang (Bd. 6)

Staffel III – Die Macht der drei

Der geheime Blick (Bd. 1)

Fluss der Finsternis (Bd. 2)

Verbannt (Bd. 3)

Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)

Lange Schatten (Bd. 5)

Sonnenaufgang (Bd. 6)

Staffel IV – Zeichen der Sterne

Der vierte Schüler (Bd. 1)

Fernes Echo (Bd. 2)

Stimmen der Nacht (Bd. 3)

Spur des Mondes (Bd. 4)

Der verschollene Krieger (Bd. 5)

Die letzte Hoffnung (Bd. 6)

Staffel V – Der Ursprung der Clans

Der Sonnenpfad (Bd. 1)

Donnerschlag (Bd. 2)

Der erste Kampf (Bd. 3)

Der Leuchtende Stern (Bd. 4)

Der geteilte Wald (Bd. 5)

Der Sternenpfad (Bd. 6)

Staffel VI – Vision von Schatten

Die Mission des Schülers (Bd. 1)

Donner und Schatten (Bd. 2)

Zerrissene Wolken (Bd. 3)

Dunkelste Nacht (Bd. 4)

Fluss aus Feuer (Bd. 5)

Wütender Sturm (Bd. 6)

Staffel VII – Das gebrochene Gesetz

Verlorene Sterne (Bd. 1)

Eisiges Schweigen (Bd. 2)

Special Adventure

Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans

Blausterns Prophezeiung

Streifensterns Bestimmung

Gelbzahns Geheimnis

Riesensterns Rache

Brombeersterns Aufstieg
Mottenflugs Vision

Habichtschwinges Reise

Tigerherz’ Schatten

Krähenfeders Prüfung

Eichhornschweifs Hoffnung

Short Adventure

Wolkensterns Reise

Distelblatts Geschichte

Nebelsterns Omen

Taubenflugs Schicksal

Ahornschattens Vergeltung

Tigerkralles Zorn

Blattsees Wunsch

Die Welt der Clans

Das Gesetz der Krieger

Die letzten Geheimnisse

Von Helden und Verrätern

Alle Abenteuer auch als E-Books bei Beltz & Gelberg

www.warriorcats.de

Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS, SURVIVOR DOGS und BRAVELANDS.

Besonderen Dank an Kate Cary

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

DONNERCLAN

SCHATTENCLAN

WINDCLAN

FLUSSCLAN

STREUNER

PROLOG

Die Sonne drang durch die Zweige über Echoklangs Kopf und schnitt durch die Schatten, die den Waldboden tüpfelten. Echoklang genoss die warmen Strahlen auf ihrem Rücken. Fröhlich ließ sie ihren Schwanz über die Blätter streichen, die in dem sanften, warmen Wind raschelten. Über ihrem Kopf zwitscherten die Vögel und sie leckte sich hungrig das Maul. Vor Sonnenuntergang würde sie noch jagen.

Sie hielt inne.

Vor Sonnenuntergang?

War die Sonne nicht längst untergegangen? Und war nicht Regen auf den Wacholderstrauch herabgeprasselt, in dem sie ihr einsames Nest gebaut hatte?

Ja! Sie war über dem Trommeln der Regentropfen eingeschlafen, während sie sich gefragt hatte, wo ihre in alle Winde zerstreuten Clan-Gefährten vor dem peitschenden Sturm wohl Zuflucht gefunden hatten.

Das ist ein Traum.

Doch für einen Traum fühlte es sich zu real an. Eine Vision? Ihr Herz wurde leicht. Es war so lange her, seit sie eine Vision gehabt hatte. Sie hatte schon geglaubt, der SternenClan hätte den WolkenClan vergessen, so wie alle anderen Clans es bereits vor unzähligen Monden getan hatten.

Da hörte sie vor sich einen Pelz durch das Unterholz streichen. Pfotenschritte kamen auf sie zu. Gefahr? Echoklang erstarrte, ihr Bauch verknotete sich vor Angst. Nein, beruhigte sie sich. Das ist eine Vision. Hier bin ich in Sicherheit. Dennoch rührte sie sich nicht und wartete stattdessen mit vor Aufregung kribbelnden Pfoten.

Ein breitschultriger Kater glitt zwischen den Farnbüscheln hervor und blieb ein paar Schwanzlängen vor ihr stehen. Sterne funkelten in seinem Pelz und seine blauen Augen glänzten wie der Himmel.

»Wer bist du?« Echoklangs Pfoten juckten, irgendwie kam ihr der Kater bekannt vor. Sein grauer Pelz war ihr vertraut, und er blinzelte sie freundlich an, als wären sie alte Freunde. Ja, sie war ihm schon einmal in einer Vision begegnet!

»Nehmt auf, was ihr in den Schatten findet, sonst sind die Wolken für immer verloren«, murmelte der Kater.

Ihre Gedanken rasten. »Was für Schatten? Von was redest du?«

Schweigend sah er sie an.

»Und wer ist sonst für immer verloren?« Ihre Brust zog sich frustriert zusammen. Dieser Kater hatte ihr schon einmal eine Prophezeiung gebracht: Was bleibt zurück, wenn das Feuer niedergebrannt ist?

Auch damals hatte sie herumgerätselt. Warum konnte er nicht einfach sagen, was er meinte? »Bitte, sag es mir doch einfach.« Wollte er ihr einen Hinweis geben, was mit ihrem Clan passiert war? Als die Streuner sie aus der Schlucht vertrieben hatten, waren die Katzen, die sie von klein auf gekannt hatte, in alle Richtungen geflohen. Sie hatte keine Ahnung, ob überhaupt noch eine von ihnen am Leben war.

Der graue Kater hob den Kopf und schaute hinauf zu dem Blätterdach über ihnen. Eine kalte Windböe fuhr durch die Zweige und sie folgte seinem Blick. Er betrachtete einen Wirbel trockener Blätter, die von den Bäumen herabflatterten. Die Blätter tanzten einen Augenblick zwischen ihnen in der Luft und schwebten dann sacht zu Boden.

Echoklang musterte die Blätter. Das waren keine Eichenblätter. Sie waren größer und hatten keine weiche, runde Form, sondern fünf Spitzen und erinnerten eher an Ahornblätter als an Eichenlaub.

»Im Moment seid ihr verstreut wie vom Winde verwehte Blätter.« Die Stimme des Katers unterbrach ihre Gedanken. Er streckte die Pfote vor und fegte die Blätter zu einem kleinen Haufen zusammen. Ein weiteres Blatt mit fünf Spitzen fiel herab, es war größer als die anderen und flatterte ihm wie eine Motte entgegen. Geschickt fing er es noch in der Luft und legte es oben auf den Stapel. »Sieh nur!«

Echoklang beugte sich vor. Ihr Pelz prickelte vor Aufregung. Was hatten diese Blätter zu bedeuten? Warum waren es Ahornblätter und kein Eichenlaub? Sie musterte den Blatthaufen und überlegte verzweifelt, was mit den Blättern gemeint sein könnte. Doch schon fingen sie an zu verblassen.

»Nein!«

Die Vision verschwamm und Dunkelheit nahm Echoklang die Sicht. Aber die Blätter durften noch nicht verschwinden. Sie begriff ihre Bedeutung nicht.

»Sag mir mehr!« Sie wurde von ihrem eigenen panischen Maunzen geweckt und ihr Kopf fuhr in die Höhe. Zutiefst enttäuscht starrte sie blinzelnd in die Dunkelheit. Sie saß wieder in ihrem provisorischen Nest und Regen prasselte auf die Wacholderzweige über ihr. Kaltes Wasser tropfte durch die Blätter und durchnässte ihren Pelz. Zitternd schloss sie die Augen und versuchte, sich an jede Einzelheit der Vision zu erinnern. Ihr Herz klopfte. Was wollte der SternenClan ihr sagen? Ich muss es verstehen! Wenn sie das herausfand, würde sie vielleicht auch endlich wieder zurück nach Hause finden.

1. KAPITEL

Erlenpfotes Blick wanderte zu den herabhängenden Zweigen am Eingang des Heilerbaus. Draußen wehte der Wind bereits das Laub in den Felsenkessel. Der Blattfall war schon so früh gekommen! Vor weniger als einem Mond erst war er unter einem sonnigen, blauen Himmel von seiner Mission zurückgekehrt.

»Erlenpfote!«

Häherfeders strenge Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Kräuter, die vor ihm lagen.

»Du solltest doch Schafgarbe und Huflattich voneinander trennen.« Häherfeders blinde, blaue Augen richteten sich wütend auf ihn.

»Entschuldige«, murmelte Erlenpfote. Nichts, was er tat, schien Häherfeder zufriedenzustellen. Hastig zog er die schlaffen Schafgarbenblätter von dem zähen Huflattich weg.

Neben ihm griff Blattsee mit der Pfote tief in den Felsspalt an der Rückseite der Höhle und holte ein weiteres Bündel mit Blättern hervor. »Ich glaube, das sind die letzten. Wenn wir die sortiert haben, können wir entscheiden, was wir vor der Blattleere noch sammeln müssen.«

»Wir brauchen auf jeden Fall Katzenminze«, miaute Häherfeder. »Hätten wir letztes Jahr mehr davon gesammelt, wäre Spinnenbein vielleicht noch am Leben.«

Auf der anderen Seite des Heilerbaus stemmte sich Wurzellicht in ihrem Nest in die Höhe. »Ich kann euch beim Sortieren helfen.«

»Danke«, antwortete Häherfeder, ohne sich umzudrehen. »Aber wir sind hier schon genug Katzen.« Dann fügte er mit verärgert zuckenden Ohren hinzu: »Und Junge.«

Erlenpfote warf einen schuldbewussten Blick zu Zweigjunges hinüber. Die kleine Katze spielte direkt vor dem Eingang des Baus mit einem Blatt. Sie stellte sich auf die Hinterbeine und schlug das Blatt mit der Pfote in die Luft, dann duckte sie sich rasch, um es auf ihrem Rücken aufzufangen, bevor es zu Boden trudelte. Jedes Mal, wenn das Blatt zwischen ihren Schulterblättern landete, maunzte sie erfreut. »Ich musste sie mitnehmen«, erklärte Erlenpfote. »Sie hat sonst niemand, mit dem sie spielen kann.«

»Und was ist mit Lilienherz’ Jungen?«, blaffte Häherfeder. »Die sind doch ihre Nestgefährten, oder?«

Blattsee schob einen Haufen Thymianstängel zur Seite. »Lilienherz’ Junge sind schon fünf Monde alt«, rief sie Häherfeder freundlich in Erinnerung. »Sie sind viel zu ungestüm für Zweigjunges.«

Und sie haben keine Lust, dass ihnen ein kleines Junges bei ihren Streifzügen durch das Lager am Schwanz hängt. Erlenpfote war dankbar, dass Lilienherz sich bereit erklärt hatte, Zweigjunges gemeinsam mit ihrem eigenen Wurf aufzuziehen, aber er wünschte, Blattjunges, Lerchenjunges und Honigjunges würden mehr Geduld mit ihrer Ziehgefährtin zeigen. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass die älteren Jungen bald zu Schülern ernannt werden würden und in ihren Spielen deshalb eher kämpften und sich gegenseitig jagten, als sich mit der kleinen Kätzin abzugeben.

Hätte doch nur Zweigjunges’ Schwester Veilchenjunges bei ihr im DonnerClan bleiben dürfen! Empört erinnerte sich Erlenpfote daran, mit welcher Gefühlskälte die SchattenClan-Katzen Zweigjunges’ Schwester von der Großen Versammlung weggeschleppt hatten. Es schien sie kein bisschen zu kümmern, dass sie zwei kleine, verwaiste Geschwisterjunge voneinander trennten. Für sie zählte nur, dass die SchattenClan-Schülerin Nadelpfote dabei gewesen war, als die Jungen gefunden wurden. Und da die beiden möglicherweise für eine Prophezeiung des SternenClans von Bedeutung waren, hatte Eschenstern darauf bestanden, eines von ihnen für seinen Clan zu beanspruchen.

Wut stieg in Erlenpfote auf. Das war meine Prophezeiung! Ich habe die Mission angeführt, bei der sie gefunden wurden. Doch das war nicht der eigentliche Grund, warum ihn der Verlust von Veilchenjunges so schmerzte. Ihm tat Zweigjunges leid. Und Veilchenjunges auch. Kümmerte sich der SchattenClan überhaupt richtig um die Kleine? Hatte sie eine Ziehmutter wie Lilienherz? Liebevolle Erinnerungen an seine eigene Kindheit mit seiner Schwester Funkenpfote und seiner Mutter Eichhornschweif wärmten ihm das Herz. Wie hätte ich mich gefühlt, wenn ich von ihnen getrennt worden wäre?

Zweigjunges ließ das Blatt noch einmal durch die Luft segeln und sprang hoch. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, peitschte ihr kurzer, flauschiger Schwanz hin und her, als sie sich im Sprung drehte und das Blatt geschickt mit den Vorderpfoten fing.

»Sie ist sehr wendig.« Blattsee beobachtete sie beifällig.

»Sie sollte draußen herumtoben«, schnaubte Häherfeder. »Ein Heilerbau ist kein passender Ort für Junge.«

»Sie könnte doch mit Wurzellicht spielen«, schlug Erlenpfote vor.

Wegen ihrer verkrüppelten Hinterbeine war es für Wurzellicht wichtig, dass ihre Vorderpfoten stark und beweglich blieben und ihre Lunge frei war, um gut atmen zu können. Mit Zweigjunges nach einem Blatt zu jagen, wäre eine gute Übung für sie.

Häherfeder schien nicht überzeugt, aber Blattsee antwortete, bevor er widersprechen konnte: »Das ist eine sehr gute Idee, Erlenpfote.« Sie fragte Zweigjunges: »Möchtest du mit Wurzellicht Blattfangen spielen?«

Zweigjunges sah Blattsee mit begeistert funkelnden Augen an. »Darf ich?«

»Natürlich«, schnurrte Wurzellicht. »Du kannst jederzeit mit mir spielen.«

Häherfeder schnaubte nur und begann, die Thymianstängel voneinander zu trennen. »Heißt das, sie wird sich von nun an noch öfter hier herumtreiben?«

»Sei nicht so ein Griesgram«, schalt ihn Blattsee. »Sie stört uns doch nicht.«

»Abgesehen davon, dass ich drei oder vier Mal am Tag über sie stolpere«, beschwerte sich Häherfeder mürrisch.

Erlenpfotes Pfoten kribbelten gereizt. Es war fast, als würde Häherfeder es genießen, die mürrischste Katze im Lager zu sein. Wenigstens schien Zweigjunges ihn nicht gehört zu haben. Sie sprang fröhlich durch den Bau und brachte ihr Blatt zu Wurzellicht.

»Mach endlich weiter!« Häherfeders Ohren zuckten verärgert. Nicht zum ersten Mal fragte sich Erlenpfote, ob die blinde Heilerkatze seine Gedanken lesen konnte. Schuldbewusst widmete er sich wieder seinen Kräutern.

Das Rascheln der herabhängenden Zweige vor dem Eingang lenkte ihn erneut ab. Graustreif steckte den Kopf herein und blickte Häherfeder an. »Häherfeder, Brombeerstern möchte dich, Blattsee und Erlenpfote sprechen.«

Erlenpfotes Herz klopfte schneller. Warum?

Er wartete, bis Häherfeder etwas sagte, aber Graustreif fuhr fort: »Und kann ich etwas Beinwell in den Ältestenbau mitnehmen?« Der graue Kater musterte den Kräuterhaufen hoffnungsvoll.

Blattsee legte den Kopf schief. »Plagen dich deine Gelenke wieder?«

»Nicht meine«, schnaubte Graustreif. »Millies.«

»Soll ich mal nach ihr sehen?« Blattsee rollte bereits ein Blattbündel zusammen.

»Das ist nicht nötig. Außer, du wüsstest ein Heilmittel gegen das Altern.« Graustreif schob sich ganz in den Bau. »Außerdem solltet ihr Brombeerstern nicht warten lassen. Eschenstern ist bei ihm.«

Häherfeder spitzte die Ohren. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

»Hab ich doch gerade.«

Während Graustreif die Beinwellblätter vorsichtig mit den Zähnen aufhob, drängte sich Häherfeder an ihm vorbei zum Ausgang.

Erlenpfote sah zu Zweigjunges hinüber. War Veilchenjunges etwas zugestoßen? War der SchattenClan-Anführer deshalb gekommen? »Du bleibst hier bei Wurzellicht, verstanden?«

Sie nickte.

Erlenpfotes Herz klopfte aufgeregt und er schob sich hinter Häherfeder durch die Brombeerranken. Draußen stach ihm die grelle Sonne in die Augen.

Vor der Kinderstube rekelte sich Lilienherz neben Minka und sog die kümmerliche Wärme in sich auf. Die Luft war kühl, aber die Felsen schützten das Lager vor dem Wind, der durch die Zweige der Bäume oberhalb des Felsenkessels wehte.

Blattjunges, Lerchenjunges und Honigjunges schnupperten an der heruntergefallenen Buche herum und steckten die Nasen durch die Lücken in den geflochtenen Wänden des Schülerbaus.

»Da drinnen ist ja so viel Platz!«, rief Blattjunges erstaunt.

»Ich will ein Nest in der Mitte haben«, miaute Lerchenjunges.

»Funkenpfote und Erlenpfote haben schon Nester«, seufzte Honigjunges sehnsüchtig. »Ich kann sie sehen.«

Blattsees Stimme lenkte Erlenpfote von ihrem Geplapper ab. »Hoffentlich kommen die Patrouillen bald zurück«, miaute sie. »Der Frischbeutehaufen ist leer.«

Erlenpfote schaute auf den nackten Flecken Erde. Lichtherz, Weißflug und Wolkenschweif stolzierten daneben auf ab. Hatten sie keine Beute von ihrer Patrouille mitgebracht? Vielleicht war ihnen Eschenstern begegnet, bevor sie Gelegenheit hatten zu jagen. Mit schmalen Augen musterten sie den kräftigen, goldbraunen Kater neben Brombeerstern auf der Hochnase.

Häherfeder stand mit gesträubtem Rückenfell bereits neben ihm. Erlenpfote folgte Blattsee den Steinfall hinauf und hielt dann oben an.

Brombeersterns Gesichtsausdruck war ernst. »Kleinwolke liegt im Sterben.« Er neigte den Kopf vor Blattsee. Die beiden Heilerkatzen kannten sich schon sehr lange.

Blattsees Blick verdüsterte sich. »Muss er leiden?«

»Lichtfell ist bei ihm«, erklärte Eschenstern. »Sie gibt ihm Mohnsamen, um seine Schmerzen zu lindern, aber sie weiß nicht, was sie sonst noch für ihn tun kann.«

Blattsee schnippte mit dem Schwanz. »Warum habt ihr denn nicht schon vor Monden einen Heilerschüler ausgewählt?«, miaute sie verärgert. »Dann hätte Kleinwolke jemand, der sich richtig um ihn kümmern kann.«

»Und der SchattenClan würde nicht ohne Heilerkatze zurückbleiben«, knurrte Häherfeder.

Eschensterns Fell sträubte sich. »Ich bin nicht gekommen, um mich belehren zu lassen.«

Brombeerstern trat vor. »Er bittet um unsere Hilfe, Häherfeder«, sagte er warnend.

Erlenpfote sah seinen Vater an und war beeindruckt von seiner Autorität. Brombeerstern schien klar zu sein, dass es nichts nützte, dem SchattenClan Mäusegalle in die Wunde zu reiben. Hier war ein behutsameres Vorgehen nötig. Zögernd trat Erlenpfote vor. »Kann ich vielleicht helfen?«, fragte er leise.

Häherfeder wehrte sein Angebot mit einem Schwanzschnippen ab. »Ihr könnt euch unseren Schüler nicht ausleihen«, erklärte er Eschenstern gereizt.

Erlenpfote stellte sein Fell auf. Warum eigentlich nicht? Du beschwerst dich doch immer, dass ich dir ständig zwischen die Pfoten komme.

Eschenstern blickte ihn finster an. »Ich will keinen Schüler. Kleinwolke muss von einer richtigen Heilerkatze versorgt werden.«

Erlenpfote peitschte empört mit dem Schwanz.

»Ich werde gehen«, bot Blattsee an.

»Danke.« Eschenstern beugte sich vor. »Grasherz’ Junge können jeden Moment auf die Welt kommen. Bernsteinpelz, Schneevogel und Lichtfell können ihr bei der Geburt schon helfen, aber es ist Grasherz’ erster Wurf, und ich hätte gerne eine Heilerkatze im Lager, die ihr helfen kann, wenn es Probleme gibt.«

Erlenpfote trat von einer Pfote auf die andere. Es war merkwürdig, den SchattenClan-Anführer mit solcher Sorge über seine Clan-Gefährten sprechen zu hören. Nachdem der goldbraune Kater Veilchenjunges von der Großen Versammlung fortgetragen hatte, war Erlenpfote davon überzeugt gewesen, dass er kein Herz besitzen konnte. Hoffnung regte sich in ihm. Hatte er sich geirrt? Vielleicht war Veilchenjunges ja beim SchattenClan ebenso wohlbehütet und geborgen wie Zweigjunges im DonnerClan.

»Ich hole rasch ein paar Kräuter und komme, so schnell ich kann.« Blattsee ging zum Steinfall. An der Felskante blieb sie stehen und rief über die Schulter zurück: »Erlenpfote, du begleitest mich. Ich brauche Hilfe beim Tragen der Kräuter.«

»Ins SchattenClan-Lager?« Erlenpfote blinzelte überrascht.

»Natürlich!« Blattsee schnippte mit dem Schwanz.

Häherfeders Pelz sträubte sich. »Soll ich mich etwa allein um den ganzen Clan kümmern?«, fragte er verärgert.

Blattsee sah ihn amüsiert an. »Ich bin mir sicher, du kriegst das hin. Aber keine Angst. Ich schicke Erlenpfote gleich wieder zurück.«

Häherfeder schob sich an Erlenpfote vorbei und folgte Blattsee die Felsen hinunter. »Ich helfe dir lieber beim Aussuchen der Kräuter. Sonst lässt du mir nichts als ein paar alte Rainfarnblätter da.«

Erlenpfote wollte ihnen folgen, doch Brombeerstern strich ihm mit dem Schwanz über den Rücken. »Warte.«

Erlenpfote drehte sich überrascht um. Brombeerstern neigte den Kopf vor Eschenstern. »Du solltest aufbrechen. Dein Clan braucht dich. Blattsee kommt so schnell wie möglich in dein Lager.«

Eschenstern nickte. »Danke für eure Hilfe«, miaute er förmlich. Erlenpfote fragte sich, wie viel Überwindung es ihn gekostet haben musste, beim DonnerClan um Unterstützung zu bitten. Die SchattenClan-Katzen waren nicht gerade bekannt dafür, dass sie ihren Stolz leicht hinunterschluckten. Mit hoch erhobenem Kinn tappte Eschenstern an Erlenpfote vorbei und sprang den Steinfall hinab. Er überquerte die Lichtung, ignorierte die neugierigen Blicke von Weißflug, Lichtherz und Wolkenschweif und verschwand im Dornentunnel.

Erlenpfote sah Brombeerstern erwartungsvoll an. Warum hatte der Anführer ihn gebeten, zu warten? Wusste er vielleicht etwas Neues über Veilchenjunges?

»Ich werde eine Patrouille losschicken.« Brombeerstern sprach leise, und sein Blick ging an Erlenpfote vorbei, als halte er Ausschau nach aufmerksam lauschenden Ohren auf der Lichtung unter ihnen. Doch Weißflug und Lichtherz hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich, Wolkenschweif war Eschenstern aus dem Lager gefolgt, und Lilienherz und Minka dösten, während die Jungen auf dem Birkenstamm herumkletterten. Brombeerstern fuhr fort: »Um nach dem WolkenClan zu suchen.«

Erlenpfotes Herz tat einen Satz. Dem SternenClan sei Dank! Seine eigene Mission, den WolkenClan zu finden, war fehlgeschlagen. Grausame Streuner hatten den lange verlorenen Clan aus seiner Heimat in der Schlucht vertrieben. Einen Überlebenden des WolkenClans hatte er noch entdeckt, doch dieser war von Dunkelschweif, dem Anführer der Streuner, getötet worden und von seinen Clan-Gefährten war nirgends eine Spur zu finden gewesen.

Die Prophezeiung des SternenClans war von Anfang an rätselhaft gewesen: Nehmt auf, was ihr in den Schatten findet, sonst sind die Wolken für immer verloren. Aber so war seine Mission zustande gekommen. Brombeerstern und Sandsturm waren davon überzeugt gewesen, dass sie den WolkenClan finden sollten. Stattdessen hatten Erlenpfote und Nadelpfote die beiden Jungen Zweigjunges und Veilchenjunges ganz allein in einem dunklen Tunnel entdeckt. Und nun glaubten alle, die beiden mutterlosen Jungen würden irgendwann die geheimnisvollen Wolken retten – vor was auch immer. Dennoch fragte sich Erlenpfote immer wieder, ob sie nicht einen neuen Versuch starten sollten, den WolkenClan zu suchen. Er wollte die Mission beenden, die er begonnen hatte. »Darf ich mitgehen?«

»Ich schicke Eichhornschweif, Löwenglut und Rußherz los«, erklärte Brombeerstern. »Dich brauchen wir hier.«