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1. Auflage 2017
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Die Mechanismen eines forcierten Wettbewerbs im Krankenhauswesen erfordern bei zugleich weiter steigenden Anforderungen an die medizinische Qualität eine zunehmend kritische Betrachtung der größten Kostenblöcke: Personalkosten (ca. 60%) und Sachkosten (ca. 37%).1 Während indes Restrukturierungsmaßnahmen zur Reduzierung von Personalkosten in den vergangenen Jahren nahezu üblich und vor allem professionalisiert wurden, lässt sich Vergleichbares zur Einsparung von Sachkosten nicht ohne Weiteres feststellen – ein Umstand, der im Übrigen auch im Schrifttum insofern eine Entsprechung findet, als der Bereich der Sachkosten (deutlich) unterrepräsentiert ist.
Die Analyse der Kostenentwicklungen im Krankenhauswesen rechtfertigt dies nicht: Eine breit angelegte Vergleichsstudie zeigte dazu bereits im Jahr 2014 signifikante Einsparpotentiale gerade bei Sachkosten auf.2 Da der medizinische Sachbedarf wiederum nahezu 50% der gesamten Sachkosten ausmacht, ist insoweit auch die Blickrichtung vorgegeben3 – zumal alleine angesichts der demographischen Entwicklung die Prognose eines weiter steigenden Verbrauchs bei fortschreitender Technisierung plausibel erscheint. Entscheider, die folgerichtig neben der Erlössteigerung verstärkt auch die Sachkostenreduzierung als vordringliches Ziel verstehen, werden in diesem Handbuch zahlreiche wertvolle Empfehlungen finden, die bei dem Aufbau und der Optimierung eines Sachkostenmanagements den angestrebten Erfolg ermöglichen.
Effizienz und Effektivität der Umsetzung eines strukturierten Sachkostenmanagements im konkreten Krankenhausbetrieb werden dabei von diversen Faktoren beeinflusst; so ist bei der Bewertung von Sachkosten u. a. zu prüfen, wie sich der Einsatz von medizinischem Sachbedarf im Gesamtkontext der Strukturen und Prozesse eines Krankenhauses darstellt.4 Entscheidungen zum Materialeinsatz und zur Produktauswahl erfordern daher einen intensiven Austausch der Beteiligten in Kenntnis sämtlicher Einflussfaktoren, etwa medizinischer, aber vor allem auch rechtlicher Provenienz.5 Letztere betreffen u. a. die (rechtlichen) Grenzen des Einsatzgebietes der zu erwerbenden Produkte (Zweckbestimmung, Off-Label-Use), die sich rasant verändernden Ansprüche, die durch den technologischen Fortschritt an den Einkauf (z. B. von Medical Apps) und den Einsatz resp. die Gewährleistung hinreichender Bedienungskompetenz gestellt werden, die Kenntnis darüber, auf welchen weiteren Wegen Produkte in das Krankenhaus (zurück-)kommen können (Aufbereitung, klinische Prüfungen, patienteneigene Produkte) und welche Anforderungen dabei zu berücksichtigen sind, die Möglichkeiten und Grenzen, innerhalb derer Krankenhäuser selbst Hersteller von Produkten werden können, und schließlich die Beurteilung, welche Haftungsrisiken jeweils drohen. Nicht zuletzt stehen gerade die vielseitigen Formen der Zusammenarbeit mit der Pharma- und Medizinprodukteindustrie angesichts der neu eingefügten §§ 299 a, b StGB unter verschärfter Beobachtung.
Der besonderen Expertise der renommierten Autoren zu diesen Spezialthemen ist es zu verdanken, dass ihren Beiträgen sowohl die wesentlichen Erkenntnisse für die Strukturierung des individuellen Sachkostenmanagements zu entnehmen sind, als vor allem auch die daraus resultierenden Fragen aus dem Klinikalltag praxisnah beantwortet werden. Vor diesem Hintergrund ist allen Autoren und Mitwirkenden an diesem Handbuch ein großer Dank auszusprechen! Den Nutzern des Handbuchs ist eine instruktive Lektüre zu wünschen, verbunden mit der Gewissheit, dass mit den zahlreichen Lenkungsimpulsen positive Effekte vorprogrammiert sind.
Köln, im Frühjahr 2017
Dr. Dirk Webel, LL.M.
1 Statistisches Bundesamt, Kostennachweis der Krankenhäuser 2015, erschienen am 20.12.2016
2 INVERTO AG Krankenhaus Desk Research (2014), (http://www.inverto.com/form, abgerufen am 01.11.2015
3 Der medizinische Sachbedarf nimmt »eine besondere Stellung für die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses ein«; Weiß/Leonhardt, Teil I, Kap. 2.1.4.
4 So Franz/Bunzemeier/Roeder, Kapitel 3.2.7, Teil I in diesem Buch.
5 S. etwa Güldner/Vladusic, Kapitel 2.2.4, Teil I in diesem Buch.
Die Reformgesetze und -vorhaben nehmen unweigerlich bedeutsamen Einfluss auf die Finanzsituation der Krankenhäuser. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Die aktuelle Situation in unseren Krankenhäusern bleibt angespannt. Das Ende 2015 beschlossene Krankenhausstrukturgesetz lässt uns aber optimistischer in die Zukunft schauen. Das Gesetz sieht zahlreiche Verbesserungen in der Betriebskostenfinanzierung vor. Ein Großteil dieser Verbesserungen zielt explizit auf eine Verbesserung der Personalkostenfinanzierung ab. So wird der Versorgungszuschlag ab 2017 in einen Pflegezuschlag umgewandelt, das Pflegestellenprogramm wird neu aufgelegt, bei steigenden Löhnen aufgrund von Tarifabschlüssen oberhalb der geltenden Obergrenze erfolgt eine hälftige Finanzierung durch die Krankenkassen und Mehrkosten, die aufgrund von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses entstehen, können geltend gemacht werden. Von übergeordneter Bedeutung ist zudem der Wegfall der Degression im Landesbasisfallwert. Der Mechanismus, nach dem alle Krankenhäuser niedrigere Preise aufgrund der Leistungsentwicklung einzelner Krankenhäuser erhalten, ist dadurch endgültig abgeschafft. Die Preise für Krankenhausleistungen können sich somit weitestgehend anhand der tatsächlich anfallenden Sach- und Personalkostenanstiege entwickeln. Einziger Wermutstropfen: die Deckelung durch die Obergrenze bleibt bestehen.
Die dargestellten Reformmaßnahmen sind jedoch nur einige Veränderungen durch das Krankenhausstrukturgesetz. Der Strauß an Änderungen reicht von der Weiterentwicklung der Sicherstellungszuschläge über die Einführung von Stufen für die Vorhaltung von Notfallstrukturen bis hin zu zahlreichen qualitätsorientierten Maßnahmen. Dabei sind auch problematische mengenmäßige Abstaffelungen der Preise sowie Qualitätsabschläge zu nennen. Eine abschließende Beurteilung kann jedoch erst in den nächsten Jahren erfolgen, wenn die geplanten Regelungen in der Selbstverwaltung mit Leben gefüllt wurden und in der Praxis angewendet werden.
Nehmen wir die Reformgesetze und -vorhaben noch etwas genauer unter die Lupe: Der Gesetzgeber initiiert eine deutliche Qualitätsoffensive. Gewährleistet unser System dazu hinreichende Voraussetzungen?
Die Krankenhäuser haben zu jeder Zeit die Intention der Qualitätsoffensive unterstützt. Die Krankenhäuser stellen sich der Debatte um eine stärkere Qualitätsorientierung konstruktiv und selbstbewusst. Zugleich ist es aber auch unsere Aufgabe darauf hinzuweisen, dass die praktische Umsetzbarkeit gegeben sein muss und dass das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag stimmt. Ist dies nicht der Fall, wird der Versorgungsqualität durch gut gemeinte, aber schlecht umgesetzte Maßnahmen nicht geholfen. Allen voran die qualitätsorientierten Zu- und Abschläge müssen sich in der Ausgestaltung und der praktischen Umsetzung an den mit ihnen verbundenen Zielen messen lassen. Werden diese Ziele nicht erreicht, muss dieses Experiment wieder beendet werden. Qualitätssicherungsmaßnahmen dürfen zu keinem Zeitpunkt als Instrumente zur Gängelung der Krankenhäuser missbraucht werden.
Grundsätzlich braucht Qualität Ressourcen und zwar in Personal und in Strukturen. Der erste Punkt wird mit dem Krankenhausstrukturgesetz angegangen, der zweite Punkt, die Strukturen, hingegen wurde ausgespart. Eine auskömmliche Investitionsfinanzierung ist der Grundbaustein für moderne, effiziente und effektive Strukturen im Krankenhaus. Aktuell sind die Krankenhäuser aber mit einem jährlichen Finanzierungsdefizit von 3 Mrd. € weit weg von einer auskömmlichen Investitionsfinanzierung.
Die mit der Vorbereitung der Krankenhausreform beauftragte Bund-Länder-Arbeitsgruppe konnte keine Lösung für diese Investitionsmisere finden. Die Krankenhäuser verstehen das als Signal, dass sich die Länder weiterhin alleine für die Investitionsfinanzierung verantwortlich sehen. Die Länder müssen ihre gesetzliche Aufgabe der Investitionsmittelbereitstellung dann aber auch umfassend wahrnehmen.
Betrachtet man die konkreten Zahlen, so fällt auf, dass die Sachkosten in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen sind als die Personalkosten. Die Daten des Bundesamtes für Statistik zeigen für die deutschen Krankenhäuser im Jahr 2013 einen Sachkostenblock in Höhe von 33 Milliarden Euro – zur Einführung der DRG-Reform waren es noch 21 Milliarden, also knapp 36% weniger. Wo sehen Sie die wesentlichen Gründe für diesen Anstieg?
Die Ausgabenentwicklung für die Krankenhausleistungen insgesamt verhält sich seit über 10 Jahren absolut unauffällig. Der Anteil der Krankenhausausgaben an allen Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen ist seit Einführung der DRGs im Jahr 2004 stabil bei rund 35%. Die Kosten sind somit im gleichen Maße gestiegen wie bei allen anderen Leistungen im Gesundheitswesen auch.1
Der größte Ausgabenblock innerhalb der Sachkosten ist der medizinische Bedarf u. a. Arzneimittel, Implantate, ärztliches und pflegerisches Verbrauchsmaterial und Instrumente, Laborbedarf. Der medizinische Bedarf korreliert mit einer zunehmenden Patientenanzahl. 2,35 Mio. Patienten mehr wurden 2014 im Vergleich zum Jahr der Einführung der DRGs versorgt, damit geht dann automatisch ein deutlich höherer Verbrauch an medizinischem Bedarf einher. Ein weiterer Grund ist die fortschreitende Technisierung bei Innovationen in der Medizin, aber auch im tagtäglichen Krankenhausalltag in der Verwaltung und auf der Station, die insbesondere zu einem Sachkostenanstieg führen.
Ein Blick auf die Verteilung zwischen Sach- und Personalkosten in Bezug auf die Gesamtkosten zeigt, dass der Anteil der Sachkosten von 34% auf 39% gestiegen ist und diese Entwicklung bereits wieder rückläufig ist. In den letzten Jahren ist ein zunehmender Trend zu erkennen, dass der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten wieder steigt.2, 3
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat jahrelang die unsachgerechte Anbindung an die Grundlohnsummenentwicklung kritisiert, als Reaktion darauf gibt es nun den Orientierungswert. Wie beurteilen Sie dieses Instrument in Bezug auf die Abbildung der tatsächlichen Sachkostenentwicklung?
Die Grundlohnsummenanbindung als maximale Obergrenze für den Preiszuwachs auf Landesebene war zu keiner Zeit sachgerecht. Die Entwicklung der Sach- und Personalkosten im Krankenhaus ist vollkommen unabhängig von der Einnahmesituation der Krankenkassen. Grundsätzlich ist es also positiv, dass dieses unzulängliche Instrument durch den Orientierungswert abgeschafft werden sollte. Allerdings bildet der Orientierungswert insbesondere bei den Sachkosten, aber auch beim Personal, die tatsächliche Kostenentwicklung in den Krankenhäusern nicht sachgerecht ab. Das liegt einerseits an der retrospektiven Ermittlung und andererseits daran, dass dem Statistischen Bundesamt keine Preisindizes für einen krankenhausspezifischen Warenkorb vorliegen. So werden z. B. nicht die Zuwächse der krankenhausspezifischen Haftpflichtversicherungsprämien erfasst, sondern die Prämienentwicklung in der privaten Haftpflichtversicherung. Ebenfalls nicht zutreffend erfasst werden die Kostensteigerungen durch die EEG-Umlage, durch die sich die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern inzwischen um eine viertel Milliarde Euro verteuert hat. Ebenfalls nicht erfasst werden Personalmehrkosten infolge von Qualitätsanforderungen, weil nur Stundenlohnzuwächse berücksichtigt werden. Die Bundesregierung erkannte die Unzulänglichkeiten des Orientierungswertes und sah daher von einer alleinigen Anwendung ab. Weiter gilt: Liegt der Orientierungswert unterhalb der Grundlohnrate, so ist die Grundlohnrate die maßgebliche Obergrenze, liegt der Orientierungswert darüber, bildet die Differenz einen Verhandlungsspielraum für die Selbstverwaltungspartner. Diese Regelung gilt bis einschließlich 2017 und soll für 2018 überprüft werden.
Zu guter Letzt möchten wir einen Blick in die Zukunft wagen: Auf der »Inside 3D Printing«-Konferenz in New York haben Wissenschaftler der Princeton University und der John Hopkins University Anfang des Jahres über die Möglichkeiten »gedruckter Organe« diskutiert – eine Vision, die wohl in ferner Zukunft Realität werden könnte. Wie können wir uns denn die nähere Zukunft der medizinisch-technischen Ausstattung in Krankenhäusern vorstellen?
Die Krankenhäuser sind der Innovationsmotor im Gesundheitswesen. Solange der Verbotsvorbehalt für Innovationen mit Augenmaß und nur bei berechtigten Zweifeln gehandhabt wird, bleiben die Krankenhäuser die Eintrittspforte für den medizinischen Fortschritt. Sollten sich allerdings die innovationsbremsenden Akteure mit Forderungen nach höchsten Nachweisen für jede Weiterentwicklung in der Medizin durchsetzen, läuft der medizinische Fortschritt Gefahr, im Überprüfungshürdenlauf stecken zu bleiben. Hier ist die weitere Entwicklung schwer zur prognostizieren. Wenn »gedruckte Organe« problemlos funktionieren können, sollte es keine administrativen Hemmnisse geben.
Bundesministerium für Gesundheit. Gesetzliche Krankenversicherung. Rechnungsergebnisse 2004–2014.
Statistisches Bundesamt. Grunddaten der Krankenhäuser. Fachserie 12, Reihe 6.1.1, Jahrgang 2004–2014.
Statistisches Bundesamt. Kostennachweis der Krankenhäuser. Fachserie 12, Reihe 6.3, Jahrgang 2004–2014
Mit der Einführung des DRG-Systems für stationäre Leistungen im Jahr 2004 versuchten der Gesetzgeber und die damaligen Selbstverwaltungsorgane vermutete Ineffizienzen in der Krankenversorgung zu eliminieren. Vermeintliche Überkapazitäten sollten abgebaut und Behandlungszeiträume (vor allem die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten) signifikant gekürzt werden, um gleichzeitig eine Begrenzung der Kostensteigerungen im stationären Bereich zu erzielen. Ein Blick auf die wesentlichen Kennzahlen der deutschen Krankenhausversorgung zeigt hier auf den ersten Blick einen Erfolg der Reform. Viele Parameter haben sich in den letzten Jahren in die postulierte und gewünschte Richtung entwickelt – auch wenn dieser Trend sich bereits seit Mitte der 1990er Jahre nachweisen lässt. Vermeintliche Überkapazitäten wurden abgebaut und der Bettenbestand der stationären Versorgung seit 1994 von mehr als 609 000 auf zuletzt (2013) knapp 500 000 gesenkt. Ebenso wurde die durchschnittliche Verweildauer reduziert: Sie beläuft sich in 2013 auf 7,5 Tage – im Jahr 1995 waren es durchschnittlich noch 11,4 Tage. Verbunden mit einem gleichzeitigen Anstieg der Fallzahlen um über 11% von 16,8 (2004) auf 18,8 Millionen im Jahr 2013 zeigt sich4 eine tatsächliche Leistungssteigerung der Leistungserbringer in der stationären Versorgung.
Gleichzeitig befinden sich die deutschen Krankenhäuser aber in einer finanziell schlechten Situation: Über 40% der Kliniken schreiben nach einer aktuellen5 Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts rote Zahlen, der Ausblick ist ebenfalls schlecht. 85% erwarten nach einer Umfrage aus dem Jahr 2014 keine Verbesserung der Ertragslage in den nächsten zwei Jahren.6 Besonders schwer betroffen sind augenscheinlich die deutschen Universitätskliniken, die als Maximalversorger mit zusätzlichem Forschungs- und Lehrauftrag eine besondere Stellung in der deutschen Krankenhauslandschaft einnehmen. Das Defizit der 33 deutschen Unikliniken summierte sich im Jahr 2013 entsprechend auf 160 Millionen Euro, ohne dass kurzfristig Verbesserungen zu erwarten sind.
Mit dem Ziel, die Gründe für die offensichtliche finanzielle Schieflage deutscher Kliniken zu eruieren, wurden im Rahmen einer groß angelegten internationalen Vergleichsstudie7 die Geschäftsberichte der letzten Jahre von 180 Krankenhäusern in Deutschland und über 160 Krankenhäusern in Großbritannien analysiert. Im Mittelpunkt standen hierbei die Vorratspositionen aus den Bilanzen sowie die Materialaufwendungen, die im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung durch die Häuser ausgewiesen wurden.8
Ein erstes Kernergebnis zeigt sich hierbei bei einer Makro-Betrachtung des Themas Kosten der Krankenhäuser. Die Sachkosten der Krankenhäuser stiegen in den letzten Jahren deutlich stärker als die Personalkosten. Die Daten des Bundesamtes für Statistik zeigen für die deutschen Krankenhäuser im Jahr 2013 einen Sachkostenblock in Höhe von 33 Milliarden Euro – zur Einführung der auch als Kostendämpfungsmaßnahme gedachten DRG-Reform waren es noch 21 Milliarden, also knapp 36% weniger. Verschärft wird diese Entwicklung durch die Tatsache, dass die Gesamtkosten der Kliniken trotz eines signifikanten Personalabbaus in den Jahren nach der DRG-Einführung, insbesondere im pflegerischen Bereich, stetig steigen.
Abb. 1.1: Kosten der deutschen Krankenhäuser (ohne Zinsen/Steuern) in m €)
Die Gründe für den Anstieg der Sachkosten sind hingegen vielfältig. So führt nicht nur der demographische Wandel zu einem erhöhten Patientenaufkommen, was auch durch die oben bereits erwähnten Anstiege der Fallzahlen belegt wird. Vielmehr kommt es erschwerend zu einem höheren Materialaufwand durch operative Eingriffe im Speziellen bzw. durch die Alterung des Patientenstammes im Allgemeinen. Betrug der Altersdurchschnitt von herzchirurgischen Patienten im Jahr 1990 noch 55,8 Jahre, lag er 2009 bereits bei 68,8 Jahren. Nicht nur der demographische Wandel bedingt diesen Trend – vielmehr führen schonendere Behandlungs- und Narkosetechniken zu einem reduzierten Eingriffsrisiko. Der personelle, aber auch materielle Aufwand für diese häufig multimorbiden Fälle trägt seinen Teil zu den gestiegenen Kosten bei. Die nach der DRG-Einführung zu beobachtende Mengenausweitung in bestimmten Disziplinen, z. B. in der Endoprothetik, begünstigt im europäischen Vergleich ebenfalls den Sachkostenanstieg. Ohne diese Mengenausweitungen zu berücksichtigen, sind darüber hinaus teils enorme technische und medizinische Innovationen,9 vor allem im Bereich der Implantate (zum Beispiel TAVI Herzklappen, bioresorbierbare Stents u. ä. Entwicklungen der letzten Jahre), Grund für einen stetig steigenden Materialkostenanteil in operativen Eingriffen.
Neben dieser allgemeinen Betrachtung wurden im Rahmen der Studie die Geschäftsberichte der Kliniken im Detail analysiert, um eine differenziertere Betrachtung der krankenhausindividuellen Strukturen zu berücksichtigen. Gibt es im Rahmen der beschriebenen Sachkostensteigerungen Unterschiede, auf deren Basis sich allgemeingültige Maßnahmen und Empfehlungen ableiten lassen?
Die genaue Betrachtung der Materialkostenentwicklung auf Klinikebene10 zeigt zwei interessante Ergebnisse: Es wird deutlich, dass die Größe, hier durch die Anzahl der Betten erfasst, in einer Korrelation zur Steigerung der Sachkosten steht. Die Sachkosten sind bei Krankenhäusern mit mehr als 1000 Betten in den Jahren 2009–2012 um 24% gestiegen. Eine Steigerung, die deutlich über dem Durchschnitt von kleineren und mittleren Häusern liegt.
Abb. 1.2: Materialkosten pro Bett nach Größe – Index: große Krankenhäuser 2009
Eine mögliche Ursache liegt in der Versorgungsstufe. Krankenhäuser mit einer hohen Bettenzahl decken häufig eine höhere Versorgungsstufe, also z. B. Maximalversorgung, ab oder sind sogar zusätzlich universitäre Einrichtungen. Hier ist zum einen die grundsätzliche Kostenbasis pro Bett höher als in kleineren Häusern, was durch zusätzliche »Versorgungsaufträge« wie dem Betrieb von Forschung, Lehre und kostenintensivere Behandlungsfälle verursacht wird. Die Steigerung dieser Rate ist dadurch aber nur zum Teil zu erklären. Vielmehr wird zum anderen offensichtlich, dass es gerade diese großen und komplexen Einzelhäuser sind, in denen Optimierungsprozesse auf Sachkostenbasis nur schwer umzusetzen sind. Klassische Maßnahmen, wie eine interne Standardisierung des Artikelsortiments,11 werden häufig durch starke Partikularinteressen von Anwendern erschwert und eine Durchsetzung scheitert aufgrund einer nicht ausreichend stark positionierten Einkaufsabteilung.
Abb. 1:3: Materialkostenentwicklung nach Trägerschaft)
Die Betrachtung der Trägerschaft ergibt einen weiteren spannenden Aspekt: Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft erfuhren im direkten Vergleich zu privatwirtschaftlich geführten Häusern eine fast doppelt so hohe Steigerung der Sachkosten im Zeitraum von 2009–2012. Die Praxis zeigt, dass die bereits oben erwähnten klinikübergreifenden Standardisierungen und die damit verbundenen Kostenvorteile deutlich konsequenter und erfolgreicher umgesetzt werden, als es bei öffentlichen Häusern vielfach der Fall ist. Spezielle Integrationsmaßnahmen bei der Erweiterung der Klinikkette durch Zukäufe erleichtern die Umstellung auf einen sogenannten »Hauskatalog«, in dem die Standardlieferanten und Materialien für den medizinischen und nicht-medizinischen Sachbedarf weitestgehend vorgegeben sind. Auch hier ist gleichzeitig die Versorgungsstufe zu berücksichtigen: Nur eine kleine Zahl der deutschen Maximalversorger und Universitätskliniken befindet sich in einem derartigen Konstrukt in privater Trägerschaft. Die vorhandenen Fälle zeigen bei näherer Betrachtung, dass auch private Träger in derartigen Fällen vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie öffentliche oder konfessionelle Betreiber.
Nichtsdestotrotz bleibt die Erkenntnis, dass es offensichtlich große Unterschiede im Umgang mit Sachkosten und den damit verbundenen Kostensenkungspotenzialen gibt. Bedingt durch den steigenden Anteil der Sachkosten an den Gesamtkosten rücken auch Optimierungsmaßnahmen in diesem Bereich weiter in den Fokus. Die folgenden Ausführungen werfen daher einen detaillierteren Blick auf aktuelle und potenzielle Maßnahmen, die Krankenhäuser ergreifen können.
Ein Krankenhaus, das nicht zumindest einen Teil seiner Bedarfe über Rahmenverträge von Einkaufsgemeinschaften beschafft, ist mittlerweile die absolute Ausnahme. Hierbei wird der strategische Beschaffungshebel der Bedarfsbündelung klar in den Vordergrund gestellt. Der Grundgedanke ist daher, dass gemeinsam geführte Verhandlungen mit der Industrie zu besseren Konditionen führen, da die Verhandlungsmacht durch ein größeres Beschaffungsvolumen entsprechend steigt. Hierbei ist bemerkenswert, dass nicht nur relativ kleine Kliniken mit einem geringen Einkaufsvolumen, sondern auch Universitätskliniken und Maximalversorger mit einem Einkaufsvolumen häufig im dreistelligen Millionenbereich derartige Einkaufsgemeinschaften bilden. Über die letzten Jahre haben sich weniger als zehn Einkaufsgemeinschaften herausgebildet, die die absolute Mehrheit des Marktes darstellen. Dabei gibt es verschiedene Organisationsformen, in der auch immer stärker privatwirtschaftliche Unternehmen als Einkaufsgemeinschaft ihre Dienstleistungen anbieten.
Häufig beschränken sich Krankenhäuser in Einkaufsgemeinschaften im Bereich Sachkostenoptimierung aber auf diese einzelne Maßnahme und verfallen nach dem Beitritt in eine Einkaufsgemeinschaft in eine ›Komfort-Starre‹, weil das Thema »Einkauf« damit hinreichend bearbeitet scheint. Umfragen unter Einkaufsleitern von Kliniken zeigen jedoch die systembedingten Schwächen von Einkaufsgemeinschaften. So sind zum Beispiel die aufwändigen Abstimmungen mit anderen Mitgliedshäusern und auch die fehlende Unterstützung bei der Umsetzung von Rahmenverträgen große Kritikpunkte.
In einer Umfrage aus dem Jahr 201312 war die überwiegende Mehrheit der befragten Kliniken Mitglied einer Einkaufsgemeinschaft und beurteilt die Zusammenarbeit grundsätzlich positiv (81%). Fast alle Studienteilnehmer (98%) sehen dabei die Bündelung von Einkaufsbedarfen mehrerer Kliniken, um die eigene Marktmacht zu stärken, als Hauptpotenzial einer Einkaufsgemeinschaft. Zugleich fordern die Befragten jedoch eine breiteres Leistungsspektrum der Einkaufsgemeinschaften, um weitere Verbesserungen und Einsparungen zu erreichen: Größtes Anliegen ist ein stärkerer Fokus von Einkaufsgemeinschaften auf klinikübergreifende Standardisierungen von Produkten und Leistungen (92%). Außerdem steht die Unterstützung durch die Einkaufsgemeinschaft bei der Optimierung der Warenversorgung weit oben auf der Wunschliste von 70% der Befragten. Als konkrete Dienstleistungen fordern zudem 63% der befragten Entscheider ein zentrales Controlling durch ihre Einkaufsgemeinschaft. Dagegen erwarten lediglich 39% Erfolgsmessung im Einkauf, 30% die Schulung von Einkäufern sowie nur 22% die Bewertung von Lieferanten von ihrer Einkaufsgemeinschaft.
Einkaufsgemeinschaften befinden sich mittlerweile, bedingt durch sich ändernde Anforderungen der Krankenhäuser, in einem immer stärkeren Wettbewerb untereinander. Waren Wechsel von Einkaufsgemeinschaften bis vor wenigen Jahren eine relative Seltenheit, finden immer häufiger offene Pitches statt, in denen Einkaufsgemeinschaften ihre Dienstleitungen, und vor allem die erzielbaren Kostensenkungseffekte im Wettbewerb darstellen müssen. Damit verbunden ist auch eine Ausweitung des Leistungsportfolios auf Maßnahmen, die im Folgenden näher beschrieben werden.
In der Praxis wird der prominente Hebel der Bedarfsbündelung wie beschrieben häufig überschätzt. Die daraus resultierenden Effekte sind zwar erheblich, lassen sich jedoch nicht im gleichen Maße wiederholen. An dieser Stelle sind entsprechende Strategien gefordert, die weitere signifikante Potenziale im Einkauf der Sachbedarfe realisieren.13
Allzu oft wird, auch von Seiten der Einkaufsgemeinschaften, unterschätzt, was die konsequente Umsetzung interner Maßnahmen, d. h. das jeweilige Einzelhaus betreffend, bringen kann. Ein gutes Beispiel hierfür ist die ständige Standardisierung des Artikelsortiments, um weitere Kostenpotenziale innerhalb des Rahmenvertragsangebots der Einkaufsgemeinschaft zu erzielen. Hier steht, im Abgleich zu einer relativ leicht durchzuführenden Bedarfsbündelung mit weiteren externen Partnern, eine interne Straffung des Sortimentes im Fokus. Es gilt, den häufig regelrechten Wildwuchs an verschiedenen Systemen diverser Lieferanten, insbesondere im Bereich der Implantate, einzudämmen, um bestehende Rahmenverträge besser nutzen zu können und die Verbindlichkeit gegenüber den Lieferanten und zugesagten Mengen zu erhöhen. Die Einrichtung von sogenannten Beschaffungskommissionen, in denen Vertreter aus Ärzteschaft, Pflege, Controlling und Einkauf gemeinsam Entscheidungen über die Gestaltung des Sortiments im medizinischen Sachbedarf treffen, sind ein Weg, die Entscheidungsträger in diese Maßnahmen einzubinden, ohne in komplexen Organisationsformen über diverse Kliniken an Zugkraft zu verlieren.14
Den dazu notwendigen Dialog mit den Anwendern scheut mancher Einkäufer noch. Es fehlt zum einen an Fachwissen und Kommunikationsfähigkeiten und zum anderen an der Unterstützung durch die Geschäftsführung im Konfliktfall. Hier ist es in der Praxis schlicht die unzureichend starke Positionierung des Einkaufs als kaufmännische Abteilung im Vergleich zu den medizinischen Ordinarien. Es geht an dieser Stelle jedoch nicht um ein »Gegeneinander« – wohl aber um eine Diskussion auf Augenhöhe.
Wichtig ist zudem die dauerhafte Beobachtung und konsequente Umsetzung der vereinbarten Verträge und Standardisierungsmaßnahmen. Allzu oft werden hohe Einsparungen auf dem Papier ausgewiesen, die dann letztlich die GuV nie erreichen. Hier helfen ein gezieltes und enges Controlling der Bestellungen sowie eine offene und regelmäßige Kommunikation mit Anwendern, um »Abwanderungen« in alte Gewohnheiten und Verträge zu verhindern.15 Es gilt vor allem zu verhindern, dass operative Probleme im Tagesgeschäft, zum Beispiel durch fehlerhafte Bestellungen, lange Lieferzeiten oder auch Schulungsbedarf auf neue Produkte/Systeme, die mühsam diskutierten Standardisierungsmaßnahmen bereits nach wenigen Wochen ad absurdum führen. Ein enger Kontakt zwischen Anwender, Einkauf und Lieferant ist unerlässlich, um typische Anlaufschwierigkeiten im Keim ersticken zu können.
Neben der umfänglichen Bearbeitung von Potenzialen im Bereich der Sachkosten, findet das gesamte Thema der effizienten Warenversorgungsprozesse zu wenig Beachtung, wodurch das erfahrungsgemäß große Potenzial, das in einer schlanken internen Warenversorgung steckt, noch zu häufig außer Acht gelassen wird. Die Krankenhäuser, und auch die Einkaufsgemeinschaften mit ihnen, konzentrieren sich bislang auf Preise von Waren und Dienstleistungen – ignorieren aber, wie sehr die Kosten der Kette von der Bestellung bis zum Verbrauch die Bilanz belasten können. Dabei sind die Probleme in Krankenhäusern aus Deutschland und dem europäischen Ausland häufig ähnlich:
• hochqualifiziertes Pflegepersonal verschwendet einen Teil seiner Arbeitszeit mit Tätigkeiten wie Lagerkontrolle und Bestellungen
• zahlreiche Sonderanforderungen für Arzneimittel und Medikalbedarfe – ohne Berücksichtigung von Hauslisten – erschwert Bündelungseffekte im Einkauf und damit niedrigere Preise
• von Hand ausgefüllte Bestellformulare für Standardartikel kosten Zeit und führen zu langwierigen Klärungsgesprächen mit dem Einkauf
• aufwändige und wenig transparente Bestellprozesse sowie unkoordinierte Materialflüsse
• hohe Bestände medizinischer Materialien an unterschiedlichen Lagerorten
• historisch gewachsene Strukturen und Prozesse aus Stations-, Zwischen- und Zentrallägern, deren Notwendigkeit nicht einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen wird
• unprofessionelle Bestandsführung in Zentrallägern
• Artikel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum und unklare Verantwortlichkeiten in der gesamten Lieferkette
Auch zu diesem Thema wurden die Bilanzen von mehr als 160 Krankenhäusern in Deutschland analysiert und hierbei ein besonderer Fokus auf die Bilanzposition der Vorräte, also des im Lager gebundenen Kapitals gelegt.16 Hier zeigen sich zwischen den Trägern und Größen der Krankenhäuser signifikante Unterschiede, wie sie bereits bei den Sachkostenpositionen zu beobachten waren:
Abb. 1.4: Große Krankenhäuser haben stark steigende Beständegroß: > 1.001 Betten, mittel: 501-1.000 Betten, klein: < 500 Betten
Krankenhäuser mit einer hohen Anzahl von Betten haben nicht nur eine erwartet höhere Vorratsposition als kleinere und mittlere Krankenhäuser, sondern erfahren auch die mit großem Abstand stärkste Steigerung der Vorräte im Betrachtungszeitraum. Indexiert auf das Jahr 2009 betrug die Steigerung bis zum Jahr 2012 für große Krankenhäuser bemerkenswerte 33%, wohingegen kleinere Krankenhäuser ihre Bestandsposition nahezu konstant hielten, wenn auch nicht reduzieren konnten.
Die relativ gesehen höhere Bestandsposition größerer Krankenhäuser geht einher mit der höheren Versorgungsstufe, ebenso spielen infrastrukturelle Gegebenheiten eine Rolle. Eine just-in-time Versorgung ohne zentrale Lagerhaltung aller Stationen eines 2000-Betten-Universitätsklinikums ist in aller Regel nicht praktikabel. Ein Zentrallager, mit allen Auswirkungen auf die Bilanz, kann daher im Dreiecksverhältnis Kapitalkosten/Einkaufskosten/Versorgungssicherheit durchaus eine ökonomisch sinnvolle Einrichtung sein.
Festzuhalten bleibt, dass aus der Praxiserfahrung das Thema effizienter Logistikprozesse sowie eine professionelle Lager- und Bestandsführung in vielen großen Instituten noch zu wenig Beachtung findet.
Abb. 1.5: Öffentliche Krankenhäuser haben steigende Bestände, während private Kliniken ihre Bestandsposition deutlich senken konnten
Eine erste Analyse der Bestellprozesse von medizinischen Artikeln in Krankenhäusern zeigt häufig, dass sie stationsübergreifend uneinheitlich organisiert sind und sich je nach Artikelklasse (z. B. Implantate, Arzneimittel, Verbandsmaterialien) deutlich unterscheiden. Hinzu kommt, dass sich oft das Pflegepersonal um Bestellungen kümmert; dadurch fehlt wertvolle Zeit für den Patienten. Hier gilt es, sogenannte Bestellklassen festzulegen, in denen die passenden Bestellprozesse und vor allem die Freigaberegelungen klar definiert sind. So lässt sich ein großer Teil der Bestellungen als »Standard« definieren, in denen Pflegepersonal oder Ärzte zwar den Bestellrahmen vorgeben – die eigentliche Bestellung und Verräumung wickelt aber erfahrenes Logistikpersonal ab. Katalogsysteme, Modulschränke und Scannersysteme bieten hier eine effiziente Unterstützung und entlasten das Pflegepersonal erheblich.
Die Analyse der Warenströme zeigt beinahe ebenso oft eine ungeordnete Struktur: Die verschiedenen Warenströme vom Materialtransport bis zur Entsorgung sind nicht ausreichend aufeinander abgestimmt, was den gesamten Versorgungsprozess ineffizient macht. Dies lässt sich jedoch durch klare Ziele zwischen internen Kunden (z. B. eine Station) und Dienstleistern (Logistik und Einkauf) vermeiden. In vielen Krankenhäusern ist die Warenversorgung inzwischen in eine externe Service GmbH ausgegliedert, doch erleben Krankenhäuser häufig gerade in diesem Bereich eine enorme Kostensteigerung; durch eine gezielte Steuerung des Dienstleisters kann das vermieden werden.
Die beschriebenen Bestellprozesse und ungeordneten Warenströme führen zu hohen Warenbeständen, die sich gerade in Hochkostenbereichen wie dem OP auch über eine Vielzahl von Lagerorten verteilen. Die Folge: das Bestandsmanagement wird erschwert. Sind erst einmal Bestellprozesse und Warenströme verbessert, hilft im nächsten Schritt ein Abgleich des Bestands mit dem tatsächlichen Verbrauch eines Materials. So werden Überbestände offensichtlich und damit auch die Summe des unnötig gebundenen Kapitals. Sind die Warenströme neu bestimmt, werden auch die optimalen Bestandsmengen sowie die Lagerumschlagshäufigkeit von Artikeln optimiert und damit die Warenbestände deutlich gesenkt. Im Anschluss können auch die Lagerorte neu geordnet werden, was oft zu einer Reduzierung der genutzten Lagerfläche führt.
Nach der schrittweisen Optimierung der gesamten Versorgungskette gilt es, die Verbesserungen auf Dauer zu sichern. Kernelemente hier sind das Benennen von »Logistik«-Ansprechpartnern je Station oder Bereich, die durch passende Controlling-Instrumente und Auswertung der Daten entlang der Versorgungskette unterstützt werden müssen. Diese Personen haben im Idealfall Entscheidungsbefugnis für die Aufnahme neuer Artikel, die jeweiligen Bestandsparameter, und sind erster und direkter Ansprechpartner für den operativen Einkauf einer Klinik.
In einem immer komplexeren Umfeld kommt dem Krankenhauseinkauf eine immer größere Bedeutung zu, in der er sowohl Bindeglied zwischen Anwender und Industrie als auch steuerndes Element der gesamte Kette der Warenversorgung über Lager und In-house-Logistik sein muss.