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ANDREAS BUHR

VERTRIEBSFÜHRUNG

Aufbau, Führung und Entwicklung einer
professionellen Vertriebsorganisation

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Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft.

VertriebsIntelligenz® und Kunde 3.0® sind eingetragene Marken.

Vollständig überarbeitete Neuausgabe des 2014 bei inside partner Verlag und Agentur erschienenen Buches »Führung im Vertrieb – 7 Schritte zur einfachen Vertriebsführung« (ISBN 978-3-9812749-4-3).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86936-791-0

Redaktionelle Unterstützung und Recherche: text-ur agentur Dr. Gierke, Köln | www.text-ur.de

Copyright © 2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Printed in Germany

www.gabal-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

Kapitel 1Markt: Was Wandel und digitale Transformation für den Vertrieb bedeuten

1.1.Langfristige Marktbedingungen und -voraussagen für Ihren Vertrieb

1.2.Digitale Transformation nach außen und innen

1.3.Soziopolitische Megatrends verändern die lokalen Märkte

1.4.Der Kunde 3.0 – der neue Experte H2H

1.5.Neue Anforderungen an den Vertrieb: das Forschungsprojekt VertriebsIntelligenz®

Kapitel 2Führung: Von Selbstführung zur Führungspersönlichkeit

2.1.Die vornehmste Aufgabe der Mitarbeiterführung

2.2.Führung geht heute anders

2.3.Clean Leadership im Vertrieb

2.4.Digital Leadership im Vertrieb

2.5.Social Intranet – ein Tool der Digital Leadership

Kapitel 3Selbstmanagement: So entwickeln Sie die nötigen Kompetenzen

3.1.Selbstmanagement: klare Ziele, richtige Prioritäten und gute Zeitplanung

3.2.Selbstmanagement erweitern: eigene Kompetenzentwicklung

3.3.Selbstorganisation bei Mitarbeitern unterstützen: die neue Personalentwicklung

Kapitel 4Recruiting heute: So finden Sie die passenden Mitarbeiter für Ihr Team

4.1.Fehlbesetzungen im Vertrieb kosten Unternehmen buchstäblich Milliarden

4.2.Unterschiedliche Anforderungsprofile für neue Vertriebsmitarbeiter

4.3.Vom Wert des eigenen Netzwerks

4.4.Die 7 Wege des Recruitings

4.5.Der Einstellungsprozess

4.6.Karrierecheck mit Persönlichkeitstypologien

Kapitel 5Onboarding: So arbeiten Sie neue Vertriebsmitarbeiter richtig ein

5.1.Werte im Vertrieb – Ihre Rolle als beweisendes Vorbild

5.2.Trainings: Produktwissen vermitteln, Verkaufskönnen entwickeln, Einstellung stärken

5.3.Die ersten Wochen – neue Mitarbeiter in der Startphase begleiten

5.4.So gelingt der Wissenstransfer im Vertrieb

5.5.Der Kunde 3.0 – so bereiten Sie Ihr Team darauf vor

Kapitel 6Teaming: So stellen Sie gute Teams zusammen

6.1.Erfolgreiche Teams aufbauen

6.2.Leitwolf oder Teamplayer? Erkennen Sie Ihre Führungsstärken!

6.3.Merkmale erfolgreicher Teams

Kapitel 7Erfolgsziele: So führen Sie punktgenau und messbar

7.1.Erfolgsziele gemeinsam festlegen

7.2.Ihre eigene Zielplanung als Vertriebsleiter

7.3.Qualitative Ziele messbar machen

Kapitel 8Controlling: So nutzen Sie einfach Vertriebskennzahlen

8.1.Vertriebskennzahlen geben Übersicht

8.2.Welche Vertriebskennzahlen brauchen Sie für Ihre Vertriebsführung?

8.3.Vertriebskennzahlen sind »umgerechnete Vertriebsziele«

8.4.Reporting: So controllen Sie die faktischen Kennzahlen Ihrer Vertriebsmitarbeiter auf Basis des Berichtswesens

8.5.Der Vertriebs-Forecast

8.6.Der Funnel: Trichter von Leadgenerierung bis Kaufabschluss

8.7.Branchenbenchmarks: Vertriebskennzahlen B2B und B2C

Kapitel 9Führungsgespräche: So beherrschen Sie die »großen Fünf«

9.1.So bereiten Sie Ihre Mitarbeitergespräche richtig vor

9.2.Mitarbeitergespräche

9.3.Lob- und Anerkennungsgespräche

9.4.Kritikgespräch

9.5.Trennungsgespräch

Kapitel 10Teamspirit: So zünden Sie den richtigen Motivationsfunken

10.1.Unterschiedliche Motivationstrigger ansprechen

10.2.Mitarbeiter motivieren und inspirieren

10.3.Motivierende Führung ist in erster Linie Kommunikation

10.4.Wettbewerb und Kampfgeist

10.5.Incentives und Teamevents

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Über den Autor

Geleitwort

Ich hatte die Entscheidung, noch einmal nach Nepal auf das Dach der Welt zu reisen, schon in 2010 getroffen – damals in Gulmarg mit Blick auf den Nanga Parbat. Berge haben etwas Magisches für mich. Sie strahlen Souveränität, Klarheit, Orientierung und Stärke aus. Sie haben etwas Endgültiges. Zusammen mit meinem Freund und Kollegen Steve Kroeger habe ich mich schließlich 2014 einer Expedition zum Basecamp des Mt. Everest angeschlossen. Die Erfahrungen, die wir während dieser Expedition machen durften, werde ich noch in vielen Vorträgen und Veranstaltungen weitergeben können. Was mich besonders beeindruckt hat, war die vorbehaltlose Hilfsbereitschaft der Bevölkerung dort. Dieser Respekt, mit dem die Nepalesen anderen Menschen begegnen. Meinen Begleitern, Lakhpa Rita Sherpa und Tensing, habe ich viel zu verdanken, der ganzen Gruppe der »Climbers« und auch der fantastischen Bergwelt. Es gibt dort Orte, die so paradiesisch sind, dass sie für die Schöpfung der Welt als Vorlage gedient haben könnten.

Der Leitgedanke für dieses Buch entstammt einem Interview, das ich mit dem Bergführer Michael Horst im Basecamp des Everest geführt habe. Und ich gebe zu, eine solche Aussage zum Thema Führung hatte ich noch nicht gehört. Sie hat mich inspiriert, meine besten Erfahrungen zu diesem Thema in diesem Buch zusammenzutragen:

»Das Wichtigste in der Führung ist für mich, bei Menschen die Erlaubnis zu entwickeln, mir vertrauen zu können.«

MICHAEL HORST

Dieses Buch soll diejenigen inspirieren und unterstützen, die in der Führung von Verkäufern täglich gefordert sind. Die – wie beim Bergsteigen – den Gipfel, also das Ziel, im Blick haben und dennoch auf den jeweiligen nächsten Schritt achten, die nächste Entscheidung treffen, das nächste Gespräch im Fokus haben. Beides ist wichtig, wenn es um Vertriebsführung geht – gerade jetzt, gut drei Jahre nach meinem Besuch Nepals und in einer Zeit, in der sich für Verkäufer und für Führungskräfte nahezu alles verändert. In der die Digitalisierung und digitale Transformation für uns alle eine große Herausforderung ist. Gehen wir gemeinsam voran!

Ihr Andreas Buhr

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Vorwort

Wie Sie am meisten von diesem Buch profitieren

Dieses Buch richtet sich an Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wenn es Ihre Aufgabe ist oder in Kürze sein wird, ein Vertriebsteam auf- oder auszubauen, eine Vertriebsstruktur zu entwickeln oder Mitarbeiter im Vertrieb zu führen und erfolgreich zu machen.

Das Buch fokussiert auf die Grundlagen, Aktuelles dazu gibt es digital

Dieses Buch ist ein Standardwerk, geschrieben von einem, der unternehmerisch seit mehr als dreißig Jahren aktiv ist, eine große Vertriebsorganisation mit aufgebaut und Vertriebsteams entwickelt sowie Unternehmen zu Umsatz- und Gewinnrekorden geführt hat. Von einem Unternehmer, der selbst von unten kommt, der viele Erfahrungen gemacht und durchlebt hat. Von einem Praktiker, der jeden Tag – inzwischen als Gründer und CEO eines eigenen Trainingsunternehmens – an der »Vertriebsfront« ist und daher ständig hinterfragt, was sich in der Vertriebsführung aktuell ändert, wie die digitale Transformation sich auswirkt, welche neuen Tools und Systeme genutzt werden, welche indes Unsinn sind und vor allem, was sich aktuell bewährt, was bleibt und was Bestand hat.

Der Vorgängerband »Führung im Vertrieb«

In 2014 ist mit »Führung im Vertrieb. 7 Schritte zur erfolgreichen Vertriebsführung« der Vorgänger des vorliegenden Buches erschienen. Die erste und zweite Auflage waren in kurzer Zeit vergriffen, sodass wir den Verkauf von »Führung im Vertrieb« einfach hätten weiterlaufen lassen können. Doch haben die damals schon beschriebenen technologischen und soziopolitischen Entwicklungen in den vergangenen drei Jahren so rasant an Dynamik und Wichtigkeit gewonnen, dass ich diese Version des Buches vom Markt genommen habe. Die gänzlich überarbeitete und aktualisierte Fassung haben Sie mit diesem Buch vor sich und ich freue mich, dass »Vertriebsführung« im September 2017 auch auf dem US-Markt in Englisch unter dem Titel »Sales Leadership. Building, Managing & Developing a Professional Sales Organization« erscheinen wird.

Vertrieb ist in erster Linie ein Geschäft zwischen Menschen und basiert immer auf sozialen Kompetenzen. Aber Vertrieb muss auch effektiv und zielorientiert strukturiert sein, um schlagkräftig zu sein. Diese Leitlinie gilt auch für dieses Buch. Hier fasse ich in einfachen, klaren Worten, übersichtlichen Checklisten und mit handlich-komprimiertem Hintergrundwissen die wesentlichen Schritte zusammen, die nötig sind, um heute erfolgreich ein Vertriebsteam auf- und auszubauen. Denn ich halte viel von Dingen, die auf den Punkt sind, und von Klartext.

Die drei Kernfragen: WAS, WARUM, WIE?

Sie werden hier daher keine langen wirtschaftsphilosophischen Abhandlungen lesen und wir werden keine Theoreme diskutieren – in diesem Buch geht es immer konkret um die drei grundlegenden Kernfragen:

1. WAS ist in diesem Aufgabenbereich zu tun?

2. WARUM ist es zu tun?

3. WIE konkret ist es zu tun?

Wo immer möglich, habe ich aktuelle Beispiele aus realen Unternehmen und existierenden (Vertriebs-)Organisationen eingebracht. Die dazugehörigen Quellen und zusätzliches Hintergrundmaterial wie Studien und Tipps finden Sie als Links – größtenteils mit QR-Codes zum einfachen Einscannen versehen – inklusive des jeweiligen Dokumentationsdatums im Text. Sollte ein Link oder eine Studie nicht mehr zugänglich sein, so lassen sich im Umfeld der angegebenen Quelle sicher Aktualisierungen finden.

Kostenlose Downloads
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Zudem erhalten Sie in diesem Buch zahlreiche Checklisten und Formular-Muster, die Sie direkt im Arbeitsalltag einsetzen können. Dieses und weiteres Zusatzmaterial steht für Sie auch zum kostenlosen Download zur Verfügung unter: www.buhr-team.com/vertriebsfuehrung.

Mein Tipp: Drucken Sie sich das Material, das Sie brauchen, dann aus, wenn Sie es haptisch nutzen wollen. Oder arbeiten Sie von Anfang an konsequent online. Entscheiden Sie sich in jedem Fall für einen effizienten Weg. Was die Erfahrung zeigt und die Wissenschaft zwischenzeitlich bewiesen hat, ist, dass Verschriftlichung, also handgeschriebene Notizen, besser erinnert werden und damit hilfreich und nachdrücklich wirksam sind.

In einigen Kapiteln habe ich Fragen eingefügt, die häufig während meiner Kongress-Vorträge und Firmen-Keynotes an mich gerichtet werden – selbstverständlich inklusive meiner Antworten darauf. Wenn Sie weitere vertiefende Fragen an mich haben, dann schreiben Sie mir diese gern als Nachricht auf meiner Facebook-Seite www.facebook.com/andreas.buhr.unternehmer.redner.autor.

Am Ende eines jeden Kapitels werden Sie aufgefordert, eine Stichwortliste anzulegen, in der Sie notieren können, um welche Aufgaben, Tools oder Strukturen Sie sich künftig noch besser kümmern wollen oder was Ihnen beim Lesen besonders wichtig erschienen ist und wo Sie weiterdenken oder woran Sie weiterarbeiten wollen.

Am Ende dieses Buches haben wir für alle Leser zwei Gutscheine bereitgestellt:

Gutschein für Seminarteilnahme

Gutschein für Teilnahme am Online-Kurs »Machen statt meckern« (Führung)

Ihre Aufgabe: Auf- und Ausbau einer professionellen Vertriebsstruktur

Nehmen wir an, Sie haben jahrelang an Ihrer Karriere im Vertrieb gearbeitet. Mit Spaß Herausforderungen angenommen. Sie haben Erfolge erzielt, sind von Kollegen immer wieder darauf angesprochen worden, wie (gut) Sie Kunden gewinnen, wie Sie überzeugen können. Sie sind vielleicht sogar gefragt worden, was genau Ihr Erfolgsrezept ist. Sie haben beachtliche Umsätze und Erträge erzielt, die auch Ihren Vorgesetzten nicht verborgen geblieben sind. Und nun sitzen Sie in einem Gespräch der Chefin der Personalabteilung oder dem Chef des Unternehmens gegenüber, die oder der Ihnen die Führung der Vertriebsabteilung anvertrauen möchte.

Oder aber Sie sind Gründer, Inhaber, Unternehmer und haben selbst ein gut laufendes Business aufgebaut, das jetzt noch eines braucht: sehr gute und für die Aufgaben passende Vertriebsmitarbeiter.

Vertriebsführung basiert auf guter Selbstführung

In beiden Fällen – ob Sie angestellt oder Unternehmer sind – kommt es zunächst auf den Ausbau Ihrer persönlichen Führungs- und Vertriebskompetenzen an. Denn wirksame Führung steht und fällt mit der Fähigkeit, sich selbst führen zu können. Wer sich selbst nicht führen kann, der führt auch kein Team. Wie wichtig und erfolgsrelevant ist weiterhin die Fähigkeit, sich führen lassen zu können? Sich einlassen, Teil eines Teams, einer Aufgabe werden zu können? Interessanter Gedanke? Ich finde schon. Niemand ist unersetzbar! Handle so, dass du schrittweise entbehrlich wirst. Und wie sieht es bei Ihnen mit der Fähigkeit aus, andere führen zu können? Ehemalige Kollegen und neue Mitarbeiter zu Bestleistungen bewegen zu können?

Ganz unter uns: Ich möchte Ihnen ein Geheimnis verraten, das eigentlich keines ist. Vertrieb ist kein Hexenwerk, und das Führen von Verkäufern ist es ebenso nicht! Die wichtigste Herausforderung haben Sie mit dem Lesen dieses Buches bereits angenommen: sich führen zu lassen. Das ist die Basis. Nur, wer sich führen lassen kann, wird auch wirksam führen können. Dann kommt die Selbstführung: die Fähigkeit, die eigenen Ziele zu verfolgen und dabei seinen Werten treu zu bleiben. Der nächste Schritt ist, Verantwortung für Ihr Team und das gesamte Unternehmen zu übernehmen. Denn was Sie als künftige Führungskraft entscheiden, hat weitreichende Folgen für alle.

Mit diesem Buch erhalten Sie Tipps aus der Praxis

Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen. Es richtet sich an alle Leserinnen und Leser, die vor der Aufgabe stehen, die Vertriebsführung in einem Unternehmen zu übernehmen, zu entwickeln und zu etablieren. Es unterstützt Sie – ausgehend von der aktuellen Marktsituation und den neuen Anforderungen der Kunden 3.0 im B2B- und B2C-Segment – mit zahlreichen Tipps aus der Praxis beim Aufbau und Ausbau, in der Führung und in der Entwicklung von Teams im Vertrieb.

Die Aufgaben, die auf Sie in der Vertriebsführung warten, sind umfangreich und verlangen Ihr ständiges Dazulernen. Von der Entwicklung der Vertriebs- und Kundenstrategie, der Kundensegmentierung und Kundenselektion über die Auswahl der Vertriebsmitarbeiter, deren Einarbeitung, Führung, Training, Coaching und Begleitung zum Kunden bis hin zum Aufbau von Vertriebsprozessen, inklusive der notwendigen Kennzahlen zur Steuerung im Vertrieb, dem Etablieren von Systemen und der Einführung und Aktualisierung von Tools wie Customer-Relationship-Management(CRM)-Systemen – all dies sind Dinge, die zum Aufgabenprofil der Führungskräfte im Vertrieb dazugehören.

Abbildung 1: Aufgaben der Vertriebsleitung in einem marktzentrierten Modell

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(Belz 2013, S. 3)

Führung versus Management

Ob Sie vom Kollegen zum Chef, also vom Verkäufer zur Führungskraft, befördert werden oder ob Sie Ihren eigenen Vertrieb aufbauen wollen: In jedem Fall werden Sie Führungsaufgaben und Managementaufgaben zu lösen haben. Führung bedeutet, dass Sie auf Basis ethischer Werte, moralischer Ansprüche, einer unternehmerischen Vision und einer wirtschaftlichen Erfolgsmission die richtigen Dinge tun. Führung ist stets emotional geprägt und basiert auf einer passenden Strategie. Management dagegen bedeutet, dass Sie Dinge richtig tun: mit der Festlegung von Zielen und Vertriebskennzahlen, mit Administration und Regelkommunikation. Management bedeutet, Dinge zu organisieren und Aufgaben zu verteilen. Beides, Führung und Management, ist wichtig. Draußen im Markt beim Kunden und im Office. Außen wie innen. Das eine bedingt das andere.

Sie brauchen also eine gute Vertriebsstruktur und effektive, einfache Tools zum Vertriebsaufbau sowie erprobte Strategien zur Vertriebsführung. Kurz: Sie brauchen ein einfaches »Einmaleins der Vertriebsführung«, das Ihnen in allen Arbeitsphasen und -bereichen mit Praxiswissen und nützlichen Tools zur Hand ist. Eine Anleitung für Führung im Vertrieb und eine Anleitung für bessere Ergebnisse. Und genau das liefert Ihnen dieses Buch!

Aufbau des Buches

Der Aufbau des Buches richtet sich nach Ihren Bedürfnissen: Wir beginnen damit, dass wir einen Blick auf den Markt werfen, auf die Faktoren, die ihn und damit Ihren Vertrieb beeinflussen, und wagen vorsichtige Blicke in die Zukunft. Anschließend beschäftigen wir uns mit Ihren Selbstführungs- und Selbstmanagementkompetenzen und beleuchten, wie Sie diese aktuell und zukunftsorientiert so ausbauen können, dass Sie Ihrer vornehmsten Aufgabe gerecht werden: Ihre (neuen) Mitarbeiter wirksam zu führen.

Im Weiteren geht es um die Aufgabe, die richtigen, zu Ihnen und zum Unternehmen passenden neuen Mitarbeiter zu finden, zu rekrutieren und einzustellen. Es folgen das Onboarding und das Teaming, also das Zusammenstellen funktionierender Vertriebsteams im Außen- und Innendienst, Ansätze zur Lösung von Konflikten bis hin zu Performance im Team. Auch den Themen Festlegung von Vertriebszielen, Vertriebskennzahlen und deren Controlling, Teamspirit und Motivation sowie den wichtigen Führungs- und Mitarbeitergesprächen wird ausreichend Platz eingeräumt. Schlussendlich haben Sie damit ein Kompendium, das Sie immer wieder zur Hand nehmen können, wenn Sie sich der einen oder anderen Aufgabe vertieft widmen wollen.

Nahe am und mit dem Kunden arbeiten

Wenn Sie sich an den Tipps in diesem Buch orientieren, werden Sie schnell entdecken, dass Vertriebsführung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, und gleichzeitig auch viel Freude macht. Kunden sind das Lebenselixier, sind der Zweck und die Existenzberechtigung von Unternehmen. In der Vertriebsführung selbst und persönlich nah am Kunden und mit dem Kunden zu arbeiten, ist Verpflichtung, ist Freude, Ehre und vorbildlich zugleich. Auf dass Ihre Erfolge in der Vertriebsführung unvergessen bleiben – für das Unternehmen, für die Mannschaft und für Sie selbst. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

KAPITEL 1

Markt: Was Wandel und digitale Transformation für den Vertrieb bedeuten

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IHR CHECK AUF EINEN BLICK: Worum es in diesem Kapitel geht

 

WAS ist in diesem Aufgabengebiet zu tun?

image Den Markt als »Spielfeld« des Vertriebs unter einer größeren Perspektive betrachten und Erkenntnisse für die eigene Vertriebstätigkeit daraus ziehen.

image Die Ansprüche des Kunden 3.0 kennen und vom Best Practice anderer Unternehmen lernen.

image Weiter in die Zukunft schauen: Nicht nur bei Fintechs und Securetechs tritt die klassische Vertriebsorganisation immer stärker in Konkurrenz mit »digitalen Kollegen« und Bots.

image Sich der fortschreitenden Digitalisierung im Vertrieb und bei den Kunden und Einkaufsabteilungen aktiv stellen und Vertriebsorganisationen »digital adaptiv« ausbauen.

 

WARUM ist es zu tun?

 

image Vertriebsführung bedeutet immer auch ein Stück Unternehmensführung, denn der Vertrieb bringt das notwendige Geld ins Unternehmen.

image Vertrieb ist direkt am Kunden dran und fungiert damit zugleich auch als Marktforschung und Impulsgeber.

image Das Wissen um Märkte und Kunden dient der Unternehmensführung zur Strategieentwicklung.

 

WIE konkret ist es zu tun?

 

image Wir analysieren die großen Markttrends und hinterfragen, was dies für Sie als (künftige) Führungspersönlichkeit im Vertrieb bedeutet.

image Sie erhalten einen Überblick über das Thema »Digitalisierung im Vertrieb« und entwickeln daraus Ideen für Ihre konkreten Maßnahmen.

image Sie lernen die Aktionsfelder der vertriebsstärksten Unternehmen kennen, die den Herausforderungen des Vertriebs angesichts der digitalen Transformation und des Kunden 3.0 besonders gut gerecht werden.

image Sie nutzen die (digitalen) Tools, die Sie beim Vertriebsaufbau und der Vertriebsführung unterstützen können – eine Synopse.

»Mögest du in interessanten Zeiten leben«, lautet ein alter chinesischer Fluch. Und wir können konstatieren, dass dies in vielerlei Hinsicht zurzeit der Fall ist. Besonders für Sie im Vertrieb. Und ja, viele fluchen noch! Doch in diesem Fluch steckt auch eine positive Botschaft. Denn wir können (Vertriebs-)-Führung stemmen, wenn wir all die Herausforderungen als förderliche Stimulanz begreifen. Dazu müssen wir unseren Markt immer wieder auch unter einer größeren Perspektive betrachten, nicht nur lokal, regional und national nach Vertriebsgebieten und Kunden-Unternehmens-Kriterien, sondern auch hinsichtlich der Zukunftsentwicklungen. Denn es sind die globalen Märkte, die die großen Trends bestimmen.

1.1.Langfristige Marktbedingungen und -voraussagen für Ihren Vertrieb

»Was dich nicht tötet, macht dich nur härter« gilt als altes Vertriebsmotto. Aber weder wollen wir beim Auf- oder Ausbau einer Vertriebsorganisation »getötet« werden, weil wir kein Auge auf die großen Entwicklungstrends hatten, noch wollen wir einfach nur »härter« werden. Hart zu sein ist zwar eine hilfreiche Fähigkeit, aber heute geht es nicht mehr nur darum, härter und konsequenter zu sein. Es geht darum, smarter zu sein: informierter, aufmerksamer, eleganter, trainierter – nur so kann man heute und künftig Orientierung bieten sowie Sicherheit und Motivation geben.

Große Verunsicherungen und rasante Veränderungen

Denn momentan – und dieser Moment währt schon einige Jahre und wird dies noch einige weitere Jahre tun – ist die Verunsicherung in vielen Firmen so groß wie zuletzt während der Großen Depression, resümiert der Economic Policy Uncertainty Index. Kaum jemand in den Unternehmen weiß ob der politischen Entwicklungen so recht, wo die Reise hingeht. Und das wirkt sich direkt auf den Vertrieb aus.

Hinzu kommen die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt, der Digitalisierung und Automatisierung der internen Fertigungs-, Abwicklungs- und externen Kommunikationsprozesse, der Artificial Intelligence (AI). Der veränderten Ansprüche der neuen Generationen von Mitarbeitern – der Generation Y und Z –, die die Unternehmen als Mitarbeiter, als die neuen Führungskräfte und als Kunden bestimmen. Der globalen Trends wie Virtualisierung, Disruption, Flexibilisierung und Automatisierung. Das ist alles nicht neu. Was neu ist, ist die Geschwindigkeit, mit der diese Trends das Marktumfeld der Unternehmen und die Unternehmen selbst aufmischen.

Acht Prognosen für 2030

Acht Voraussagen für das Jahr 2030 hat das renommierte World Economic Forum getroffen, die unsere Volkswirtschaften, also auch Sie als Mensch, Unternehmer, Vertriebsleiter, radikal betreffen werden. (https://www.weforum.org/agenda/2016/11/8-predictions-for-the-world-in-2030/ Hier eine Synopsis der globalen Vorschau des WEF:

Es gibt keine Produkte mehr, nur noch Dienstleistungen (Services).

Der Ausstoß von Kohlendioxid kostet weltweit einen (hohen) Preis.

Es gibt eine Handvoll an Weltmächten – die bisherige Dominanz der USA wird Geschichte sein.

Medizinische Versorgung verlagert sich vom allgemeinen Gesundheitswesen auf das private Umfeld.

Fleisch zu essen und die Fleischindustrie sind out.

Die heutigen Flüchtlinge sind die CEOs von morgen.

Die vielzitierten westlichen Werte werden bis zu den Grenzen ihrer Belastbarkeit ausgetestet.

Die Menschheit sucht neue Entwicklungsmöglichkeiten außerhalb unseres geliebten, aber unverantwortlich ausgebeuteten Planeten – geht es in Richtung Weltraum?

Aber noch können wir nicht einfach alles hinter uns lassen. Angesichts der Vorbeben und Tendenzen, die die Märkte und Volkswirtschaften auch gegenwärtig schon weltweit spüren, greift in vielen Firmen, kleinen wie großen, ein Gefühl der Unberechenbarkeit und der wirtschafts- und geopolitischen Verwerfungen um sich – und damit einhergehend eine große Zögerlichkeit. Eine gefährliche Zögerlichkeit, denn Zögern oder Stillstand ist in den heutigen Märkten gleichbedeutend mit Rückschritt. Das ist ein Tod auf Raten.

1.2.Digitale Transformation nach außen und innen

Für viele Unternehmen wird das Aus noch schneller kommen, nämlich für diejenigen, die die digitale Transformation zu lange verschlafen haben und sich an modifizierte Technologien und Geschäftsmodelle auf ihren Märkten nicht anpassen konnten. Die Disruption entweder ignorieren oder zu spät wahrnehmen und dachten, die digitale Transformation beträfe in ihrem Unternehmen nur den Bereich Forschung und Entwicklung und nicht etwa auch Marketing und Vertrieb. Dabei liegt gerade an der Schnittstelle zum Kunden, also in der digitalen Transformation nach außen, das größte und wichtigste Anwendungsfeld der Digitalisierung wie die folgende Abbildung zusammenfasst.

Was bedeutet die Digitalisierung für Ihr Business?

Wenn Sie Ihre Vertriebsorganisation auf- und ausbauen wollen, kommen Sie nicht umhin, sich mit der Bedeutung der Digitalisierung für Ihre Branche, Ihren Vertrieb und für Ihre Führungsrolle auseinanderzusetzen. Denn in Zeiten der Digitalisierung hat der Kunde sein Verhalten geändert. Er kauft anders. Er ist selbst Experte für die Dinge, die ihn beschäftigen.

Die Schnellen fressen die Langsamen und jetzt sogar die Großen

Interessanterweise hinken in der aktuellen Entwicklung derzeit Branchen hinterher, von denen wir es nicht erwartet hätten, wie etwa Beratung und Dienstleistungen, speziell die Finanzdienstleistungen. Gerade hier tobt jedoch der Kampf der Etablierten gegen die schnellen und aggressiven Fintechs und Securetechs erbittert. Eine Flut an digitalen Finanz- und Versicherungsplattformen und Apps schwappt über die bisherigen marktbeherrschenden Player hinweg, die sich bemühen, mit Ausgründungen und Zukäufen den Anschluss zu schaffen und mit ihrem Geld neue Ideen zu übernehmen und größer in den Markt zu bringen. Dabei geht es ihren Geschäftsmodellen zum Teil massiv an den Kragen: Digitalservices wie moneymeets beispielsweise verzeichnen Riesenzuläufe an Neukunden, da sie die Provisions- und Kickback-Modelle der Finanzdienstleister offenlegen und ihre Kunden an diesen beteiligen. Dadurch können sie konkurrenzlos günstig sein. Andere wie Parlamind stürzen sich als Anbieter »virtueller Teammitglieder«, digitaler Kauf- und Serviceassistenten oder Online-Verkaufsagenten auf den Bereich Kundenservice und besetzen damit strategisch intelligent den nächsten Kontaktpunkt zum Kunden, also die Schnittstelle, wo die Customer-Experience zum großen Teil bestimmt wird.

Abbildung 2: Die aktuelle Bedeutung der Digitalisierung in den Unternehmensbereichen

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(Van Dick et al. 2016, S. 6)

Abbildung 3: Die aktuelle Bedeutung der Digitalisierung in den Branchen

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(ebd.)

Big Data verändern den Vertrieb

Welches Marktfeld wir auch betrachten, überall tauchen an der Schnittstelle zum Kunden neue digital oder online aufgestellte Vermittler und »Makler« auf, die den Vertrieb massiv ändern bzw. schon geändert haben. Die Assets, die sie mitbringen, bestehen u. a. aus der Sammlung, Verknüpfung und Analyse von Big Data, also von aussagekräftigen Kundendaten in großer Menge und Tiefe.

Weitere Faktoren, die Ihre Führungsarbeit im Vertrieb in den nächsten Jahren massiv beeinflussen werden, haben Dr. Martin Handschuh und Dr. Christian Gebhardt von A. T. Kearney in ihrer spannenden Studie »Wie die Digitalisierung den B2B-Vertrieb verändert« im Überblick zusammengestellt (Abb. 4).

Und klar ist: Auch wenn die Grafik mit »Vertrieb im Jahr 2024« überschrieben ist, die dahinter liegenden Entwicklungen sind bereits in vollem Gange. Jetzt entscheidet sich, ob Sie im Jahre 2024 noch auf dem Markt mitspielen.

Abbildung 4: Vertrieb im Jahr 2024

(Anteil aller Vertriebsmanager, die folgende Szenarien als sehr wahrscheinlich oder wahrscheinlich einschätzen, in Prozent)

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(Gebhardt, Handschuh 2016, S. 47)

Lösungsansätze für die digitale Transformation nach außen

Wie also reagieren wir auf die rasanten Entwicklungen? Eine konkrete Lösungsidee sehe ich zum einen in dem Ansatz »H2H (Human to Human) statt B2B oder B2C«. Denn wie die obige Studie zeigt, wachsen die Vertriebsbereiche B2B (Vertrieb an Unternehmen) und B2C (Verkauf an Privatpersonen) in Art und Struktur immer stärker zusammen und immer stärker in Richtung Human to Human, Mensch zu Mensch.

Meines Erachtens wird es in naher Zukunft nur noch zwei funktionierende Vertriebsausrichtungen nach außen geben:

1. Digital-to-digital-Vertrieb, also der digitalisierte oder digital vermittelte Verkauf an ebenso digital aufgestellte Einkäufer. Ganze Einkaufsabteilungen in großen Unternehmen stellen sich derzeit bereits als »digital procurement« auf.

2. Hybrid-Vertrieb, also vertriebliche Maßnahmen, die das Internet und die reale Welt verbinden (mixed reality). Schrittmacher hierbei ist der Kunde 3.0, der sowohl offline als auch online präsent ist und also hybrid handelt. Hierbei bleibt der Faktor Mensch absolut erfolgskritisch; Vertrieb wird also noch persönlicher, noch menschlicher und noch individueller (vgl. Binckebanck / Buhr 2017).

Lösungsansätze für die digitale Transformation nach innen

Die digitale Transformation nach innen muss fokussiert sein auf Prozesse. Ein funktionierendes CRM, gern und perspektivisch als Cloud-Lösung, SEO und SEA, responsive Website etc. sind Strukturen, die heute schon Standard sein sollten. Die Welt ist schnell, transparent und weniger hierarchisch geworden. Mit Blick auf die nächsten Generationen, die in die Unternehmen kommen (Gen Y und Gen Z), stellen wir fest, dass immer häufiger die Krawatte wegfällt und das Du vorgezogen wird. Besonders spannend dürfte auch sein, Cross-Generation-Teams zusammenzustellen, zu entwickeln und zu führen. Hier wird es künftig immer mehr darum gehen, Projektmentalität in den Unternehmen zu etablieren. Aufgaben werden also für einen klaren, eher kurzen Zeitraum verteilt und in agiler Weise mit klaren Zielen umgesetzt.

Beide Richtungen der digitalen Transformation, nach außen auf den Kunden 3.0 ausgerichtet und nach innen auf Prozesse und wirksame, gemischte Teams fokussiert, sind die Herausforderungen heute.

Mehrwert schaffen

Mehrwert zu schaffen – das fordert natürlich jeder vom Vertrieb. Doch in der Realität ist dies eine schwierige Herausforderung für Sie als (neue) Vertriebsführungskraft, denn es stellt sich die Frage, was genau damit gemeint ist. Werfen wir auch hier noch einmal einen Blick auf die schon oben zitierte Studie von A. T. Kearney. Demnach betrifft »Mehrwert schaffen« drei Felder:

1. Individualisierte Produkte: Für und durch Kunden konfigurierbare Produkte werden als Mehrwert erlebt. Der Trend zum Produkt mit der Losgröße eins ist seit Jahren spürbar. Kunden möchten keine Standardware mehr, alles soll persönlich adaptiert, umgestaltet, individualisiert werden können. Der Selbstbewerkstelligungs- und Besitzerstolz à la »I made it my own« ist, das zeigen viele Untersuchungen, ein extrem starker Kaufauslöser und Abschlussreiz. Die zehn Prozent der vertriebsstärksten Unternehmen haben dies bereits verstanden: Sie bieten bis zu Dreiviertel ihrer Produkte mit der Option »customized« an und schaffen den Kunden so einen Mehrwert.

2. Angebotsbreite: Das zweite Feld ist das der Angebotsbreite, die beispielsweise durch Vernetzung oder Kollaboration mit Partnern – auch externen Anbietern – geschaffen werden kann. Kunden schätzen es, wenn sie für Produkte und Leistungen, die miteinander zu tun haben oder aufeinander aufbauen, nicht bei X verschiedenen Firmen und Anbietern kaufen müssen. Sie möchten vielmehr eine aufeinander abgestimmte maximale Angebotsbreite aus einer Hand (früher als »Cross-Selling« bezeichnet). Dieser Mehrwert zeichnet die Top 10 der vertriebsstärksten Unternehmen ebenfalls aus.

3. Aufbau der Wertschöpfungskette: Der dritte Bereich liegt sozusagen in der Umkehr der bisherigen Funktion des Vertriebs. Statt Unternehmensprodukte zu verkaufen, baut der Vertrieb aus dem Kontakt mit dem Kunden heraus die komplette Wertschöpfungskette auf und entwickelt Innovationen, die sich direkt aus dem Bedarf des Kunden ableiten.

Abbildung 5: Mehrwert schaffen

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Anmerkung: Top-Performer sind Unternehmen, die in den letzten drei Jahren überdurchschnittliches Wachstum sowohl ihrer Vertriebskraft als auch ihres Umsatzes erzielen konnten. Best in Class sind Unternehmen der Top zehn Prozent innerhalb der jeweiligen Leistungsindikatoren.

(Gebhardt, Handschuh 2016, S. 52)

Digital Leadership – (Vertriebs-)Führung in einer neuen Zeit

Durch die Digitalisierung werden von Ihnen als Führungspersönlichkeit im Vertrieb zusätzliche Kompetenzen gefordert, die Sie bereits heute aufbauen müssen. Neben die erforderlichen Kompetenzen der klassischen Mitarbeiterführung (siehe auch Kapitel 2.3., Clean Leadership) und Vertriebsführung treten die neuen Fähigkeiten der Digital Leadership, mit denen wir uns im nächsten Kapitel noch ausführlich beschäftigen werden.

Übung

Welche ersten Ideen leiten Sie aus den genannten Impulsen für Ihre Vertriebsführung und langfristige Vision ab?

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Wie wichtig ist das Training der verkäuferischen Skills für den Erfolg, und wie bauen Sie Ihren Trainingsprozess auf?

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1.3.Soziopolitische Megatrends verändern die lokalen Märkte

Das nächste Feld an Herausforderungen liegt im demografischen Wandel. Immer weniger Kinder kommen in den wohlhabenden westlichen Ländern zur Welt. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung, sodass Eltern die Pensionierung ihrer Kinder erleben. Anders als unsere Großeltern zieht sich die Generation der 60+ jedoch nicht in den Ruhestand zurück – sie bleibt aktiv. Sie ist informiert und weiß Bescheid. Sie reist, studiert, treibt Sport und genießt Kultur. Und dies bis ins hohe Alter. Für den Vertrieb bedeutet das, dass die Interessengruppen der Älteren nominal immer größer und diese auch immer älter werden – ganz gleich, ob Sie Textilien, Elektronikgeräte, Baumaschinen, Dienstleistungen oder Finanzprodukte verkaufen, ob Sie Reiseanbieter oder Autoverkäufer sind. Um diese Kundschaft zu erreichen, sind neue Wege, neue Formen der Ansprache gefragt.

Der neue Kunde kommuniziert öffentlich

Und dies ist nur einer von vielen soziopolitischen Megatrends, die sich auf den Markt und damit auf Ihr Geschäft auswirken und neue Herausforderungen bieten, die Sie und Ihr Team täglich zu bewältigen haben. Denn mit der Globalisierung, der Digitalisierung unseres Lebens und dem steigenden Bewusstsein für nachhaltigen Konsum ändern sich nicht nur die Möglichkeiten und Märkte. Es findet auch ein rasantes Umdenken bei den Verbrauchern statt. Diese informieren sich per Social Media über Produkte, Unternehmen und deren Image. Holen Preisvergleiche ein. Gleichen Lebensdauer, technische Features und Kundenservice ab. Befragen ihr persönliches Netzwerk und erhalten Empfehlungen. Sie freuen sich öffentlich auf Facebook, Pinterest und Twitter über neue Kleidung, Taschen, Töpfe, das gute Essen beim Italiener oder die gute Beratung. Sie stellen Videos bei YouTube ein, die minutiös zeigen, wie sie ein neues elektronisches Gadget auspacken oder über welche Features ihre Neuerwerbung verfügt. Dies alles ist für Unternehmen unbezahlbare – und unbezahlte – Werbung. Genauso öffentlich ärgern sich diese Verbraucher aber auch über schlechten Service, schleppende Antworten auf Kundenanfragen oder Produkte, die die Erwartungen nicht erfüllt haben. So füllen sie Blog um Blog mit Beschwerden (»Rants«) über Dienstleistungen, die enttäuscht haben. Selbst über einzelne Vertriebsmitarbeiter oder Verkäufer, die sich nach Meinung der Kunden nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, wird öffentlich debattiert.

1.4.Der Kunde 3.0 – der neue Experte H2H

Der Kunde 3.0, wie ich ihn schon seit 2010 bezeichne, ist schon lange der neue Experte. Er verlangt oft die Quadratur des Kreises – oder die »Quadratur des Preises«, wie ich es nenne. Einerseits möchte er einen möglichst preisgünstigen Einkauf – wobei er sein Marktwissen und seine Vergleichsmöglichkeiten ausspielt –, andererseits stellt er höchste Anforderungen an Qualität, Image, Service und an die Produktionsbedingungen. Wobei der kritische und interessierte Kunde unter den richtigen Umständen dann doch bereit ist, tiefer in die Tasche zu greifen und eben nicht dem billigsten Preis nachzujagen. Und dies gilt für den Endverbraucher, also den B2C-Käufer, genauso wie für den B2B-Kunden, also Firmenkunden und professionelle Einkäufer für Unternehmen. B2B und B2C werden zu H2H: Human to Human.

Was die »Quadratur des Preises« aushebelt

Die »Quadratur des Preises« ist dann nicht mehr der entscheidende Faktor, wenn:

1. die Produkte nicht nur einen emotionalen, sondern auch einen ethischen Mehrwert bieten. Wenn sie dem Käufer das gute Gefühl geben, nicht nur etwas gekauft zu haben, sondern damit auch bestimmte Werte zu unterstützen, die ihm wichtig sind – etwa ökologische oder regionale Produktion, faire Produktions- und Handelsbedingungen, erwiesene Nachhaltigkeit.

2. es sich um Produkte seiner absoluten Lieblingsmarken handelt, deren Image und Markenwerte er auf sich übertragen will.

3. es Produkte sind, die er selbst mitgestalten und konfigurieren kann, sodass sie einzigartig werden. »Produktpersönlichkeiten«, die in Auflage eins hergestellt werden.

Der Kunde 3.0 ist Gestalter und Experte

Auf diese Anforderungen müssen Sie, muss Ihr Team vorbereitet sein. Der klassische Verkäufer der 80er- und 90er-Jahre, aber auch der 2000er-Jahre ist passé. Der Kunde ist vom Konsumenten zum Gestalter und zum Experten geworden. Ihm steht der weltweite Markt offen. Er kann in Hongkong einkaufen, ohne das Haus zu verlassen. Sich Mode aus Spanien ordern. Oder sich im 3D-Druck individuelle Schmuckstücke und Geschenke für die Lieben herstellen lassen. In Taiwan werden Häuser gedruckt und bewohnt, in England werden Autos gedruckt, deren Form sich während der Fahrt der Geschwindigkeit anpasst.

Der Kunde 3.0 steht im ständigen Trommelfeuer immer neuer Produkte und Dienstleistungen: in Fernsehen und Radio, auf Videoplattformen und in Blogs, in Mailings und E-Mails, in Zeitschriften und Zeitungen, im Internet, auf seinem Smartphone und Tablet, über Messenger, in fast jeder kostenfreien App. Ich empfehle dringend, davon auszugehen, dass Ihr Wettbewerb alle Kanäle nutzt, um Ihren (potenziellen) Kunden von sich und seinen Produkten zu überzeugen. Verstärkt wird dieser Wettbewerb durch »elektronische Kollegen«: Mit (Re-)Targeting erhalten Verbraucher täglich Produktempfehlungen, die ihren Suchanfragen bei Google und Co. entsprechen. Sie werden immer wieder an die Produkte erinnert, die sie sich angesehen haben – und dies zum Teil auch noch Wochen nach dem Besuch der entsprechenden Website. Dank der Analyse der Cookies weiß der Computer mehr über Ihren Kunden, sein Surfverhalten und seine Interessen, als Sie – und er selbst – es ahnen. Damit ist er Ihnen einen entscheidenden Schritt voraus. Denn dieses Wissen über den Kunden müssen Ihre Mitarbeiter mühsam aufbauen. Müssen wissen, wo und wie sie die Informationen – im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen – finden und auswerten. Sie müssen den Kunden zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Angebot ansprechen, sein Interesse wecken und überzeugen.

Kaufen lassen ist das neue Verkaufen

Dabei ist der Kunde 3.0 nicht nur anspruchsvoller als früher – er ist auch sehr viel besser informiert. Er hat ganz andere Fragen zu Materialien, Herkunft und Verarbeitung als in den Jahren zuvor. Ihn interessiert nicht nur der Preis eines Produktes, sondern auch, welchen Lohn die Arbeiter für die Herstellung erhalten haben. Der Kunde 3.0 stellt bessere Fragen, er fordert damit den Verkäufer heraus. Der Kunde 3.0 ist der neue Experte! Er fordert das Management, das ganze Unternehmen auf einer anderen Ebene. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass dies nicht nur eine durch die Digitalisierung bedingte Entwicklung, sondern ein Paradigmenwechsel ist! Der neue Kunde möchte ein faires Angebot – und das in jeder Hinsicht. Er möchte sich und seine Werte wiederfinden. Im Produkt, aber auch bei dem Unternehmen, der Marke, dem Vertriebsmitarbeiter, mit dem er in Kontakt steht. »Unsympathen« haben keine Chance bei ihm. Wer nur auf Verkauf aus ist und sich dann dem nächsten Kunden zuwendet, verschwendet bei ihm seine Zeit. Kaufen lassen ist das neue Verkaufen. Die Zukunft des reinen Produkte-Verkaufens heißt: kein Verkauf!

Für Sie bedeutet das: Sie müssen einen ganz neuen Typ Verkäufer und Vertriebsmitarbeiter aufbauen. Sie müssen von Anfang an, also schon bei der Auswahl Ihrer Mitarbeiter, darauf