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»Es sind nicht unsere Fähigkeiten,
die zeigen, wer wir sind,
sondern unsere Entscheidungen.«

Albus Dumbledore
in Harry Potter und die Kammer des Schreckens von J. K. Rowling

Teil 1

Als 2012 alles begann.

Teil 2

Was ab 2012 geschah.

Hier zum Selbstraten alle Fragen, die ich im Laufe der Sendung Wer wird Millionär? beantworten musste

Hier einige Beispiele für dumme Fragen, die ich in meinen Videos gestellt habe – und die megadummen Antworten, die ich bekam.

Das heutige Telefonat zwischen Kellerkind Aaron und Ronald steht ganz unter dem Motto: »Wem fallen mehr Beleidigungen in kürzester Zeit ein?«

Teil 3

Und seitdem

Teil 4

»Hey Aaron!!!«

Teil 5

ReachHero

Dank

Was ich außerdem noch sagen möchte.

TEIL 1

Es war an einem ganz normalen Tag in meinem Shop »Back & Snack«, den ich seit circa zwei Jahren betrieb. Seit morgens um zwei Uhr hatte ich Brötchen gebacken, Ware aufgefüllt und schon einige Kaffees, Zigaretten und Lottoscheine an meine Kunden verkauft, als mein Handy klingelte.

»Guten Tag, ich melde mich von Endemol«, sagte eine freundliche Frau.

Ich wusste, dass Endemol eine TV-Produktionsfirma ist, und fragte: »Was kann ich für Sie tun?«

»Sie haben sich bei Wer wird Millionär? beworben«, bekam ich zur Antwort.

»Ja, das habe ich«, sagte ich ziemlich überrascht, denn ich konnte mich nicht an meine Bewerbung erinnern.

Im nächsten Augenblick war die Telefonverbindung unterbrochen.

Mein Backshop war, was das betrifft, eine Art Bunker. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass wir es fertigbekommen, dass Menschen bis zum Mond fliegen können, aber es nicht schaffen, dass wir in einer Stadt wie Berlin überall Handy-Empfang haben.

Eine Sekunde lang war ich deshalb total entsetzt, doch die Frau von Endemol hat mich kurz darauf erneut angerufen. Dafür bin ich ihr bis heute sehr dankbar.

Damit sie nicht dachte, ich hätte bei ihrem ersten Anruf einfach aufgelegt, entschuldigte ich mich für die schlechte Verbindung und rannte während des Telefonats in eine andere Ecke meines Ladens. Nach ein paar Sätzen war unser Gespräch jedoch wieder unterbrochen.

Die junge Frau hat mich vier oder fünf Mal angerufen, um mir schließlich erklären zu können, dass mich der Zufallsgenerator, der unter allen Bewerberinnen und Bewerbern bei Wer wird Millionär? zum Einsatz kommt, auserwählt hatte.

Heute weiß ich, dass sich beinahe unzählige Menschen darum bewerben, in diese Sendung mit Günther Jauch zu gelangen. Ich habe eine Frau kennengelernt, die sich über 300 Mal beworben hat, bis sie endlich diesen ersehnten Anruf aus der Redaktion von Endemol bekam. Ich dagegen hatte mich nur ein Mal beworben, also hatte ich ein solches Glück wie ein Kunde, der in meinem Backshop auf die richtigen Lottozahlen getippt hätte.

Noch dazu hatte ich mich erst drei Tage zuvor als Kandidat bei Wer wird Millionär? beworben.

In einem Urlaub in Lloret de Mar hatte ich Lotte kennengelernt, eine tolle Freundin, mit der ich mich auf Anhieb gut verstand, sehr viel unterhielt und mit der ich bis heute in megagutem Kontakt stehe. Sie erzählte mir unter anderem, dass sie sich bereits mehrmals darum beworben hätte, in Günther Jauchs Sendung auf den berühmten Stuhl zu gelangen, es aber bisher nicht geschafft hätte, dafür überhaupt nur in die engere Auswahl zu kommen.

Ich hatte mir zu dieser Zeit schon länger in den Kopf gesetzt, so schnell wie möglich den Kredit, den ich zwei Jahre zuvor bei einer Bank für meinen Backshop aufgenommen hatte, und außerdem auch das Geld, das mein Bruder in den Laden investiert hatte, zurückzuzahlen, so dass alles auf null wäre. Und so ging mir Lottes Idee, die Chance zu nutzen, bei Wer wird Millionär? Geld zu gewinnen, nicht mehr aus dem Kopf.

Eines Abends traf ich meinen Kumpel Sören, um mit ihm gemeinsam im Fernsehen einen Boxkampf mit Felix Sturm anzusehen. Sören und ich tippten jeweils auf unseren Favoriten und jedes Mal wenn dieser einen Schlag auf die Glocke bekam, mussten wir, der eine oder andere von uns, einen Kurzen trinken.

Ich hatte auf Felix Sturm getippt und war total davon überzeugt, dass ich an diesem Abend fast nüchtern bleiben würde, doch Felix Sturm musste so viele Schläge einstecken, dass er schließlich auch seinen Titel verlor – und ich am Ende des Kampfes total hacke war. (Mich würde interessieren, wer am nächsten Tag von uns den dickeren Schädel hatte – Felix Sturm von den Schlägen oder ich vom Pfefferminzschnaps.) Mein Kumpel Sören hatte auf jeden Fall einen genauso dicken Schädel wie ich.

In sturzbetrunkenem Zustand hatte ich mich also offenbar noch abends von Sörens Sofa aus bei Wer wird Millionär? beworben. Unglaublich, dass ich es noch hinbekommen habe, den Euro, den man dafür per PayPal oder Kreditkarte überweisen muss, zu bezahlen.

Drei Tage später rief mich die Frau von Endemol an. Als sie mit mir endlich die Fragerunde durchgehen wollte, stand ich mit dem Telefon im Hof meines Backshops, damit währenddessen nicht erneut die Verbindung abbrach.

Sechs Fragen stellte sie mir.

Ich war sehr aufgeregt, weshalb ich mich heute nicht mehr an alle Fragen erinnere. Ich sollte zum Beispiel die Titel aller Stieg-Larsson-Romane nennen. Diese kannte ich, denn meine Mutter hatte mich mein Leben lang zum Lesen von Büchern gezwungen. Öfter hatte ich als Kind deshalb Tränen vergossen oder mit meiner Mutter gestritten, doch nun antwortete ich: Verblendung, Vergebung, Vergeltung. (Danke, Mutti!)

Eine weitere Frage war: »Von wem hat sich Johnny Depp getrennt?«

»Vanessa Paradis!« Das wusste ich ebenfalls, weil ich in meinem Backshop viele dieser Zeitschriften verkaufte, die über die Trennungen prominenter Paare berichten, und sich auch meine Stammkunden in meinem Laden gern über den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Promiwelt unterhielten. (Danke, Backshop!)

»Welche Boyband kommt demnächst zurück?«, fragte die Frau von Endemol.

»Take That« war meine richtige Antwort. (Danke, Backshop!)

»Eine tierische Bezeichnung für einen Fußgängerüberweg?«

Das war einfach: »Zebrastreifen.«

Und: »Die Hauptstadt von Australien?«

Meine Mama hatte mir mal erklärt, dass viele Leute meinen, dies sei Sydney, und nicht wissen, dass es Canberra ist.

Ich antwortete: »Canberra!«

Richtig! (Danke, Mutti!)

Dass ich richtig antwortete, habe ich also nur meiner Mutter zu verdanken. Sie ist immer viel mit uns gereist, weil sie uns vier Kinder sehr weltoffen erziehen wollte, was ihr auch gut gelungen ist. In jedem unserer Kinderzimmer hing eine Weltkarte an der Wand, auch deshalb wusste ich einfach, dass Canberra Australiens Hauptstadt ist.

Ich habe auch schon öfter mal das Wissen meiner Kumpels mit der Frage nach der Hauptstadt Australiens getestet. Sören wettete mit mir um zehn Euro, dass es Sydney sei. Ich hielt dagegen. Und ich gewann. (Liebe Leserinnen und Leser, ich würde mich sehr freuen, wenn es euch gelingen sollte, mit der Frage »Ist Sydney Australiens Hauptstadt?« den Betrag zu erwetten, den ihr für den Kauf dieses Buches benötigt habt!)

Die Frau von Endemol bedankte sich schließlich für unser Telefonat und sagte: »Wenn es für Sie bei uns weitergehen sollte, dann melden wir uns wieder!«

Aussagen wie »Wir melden uns wieder« finde ich Horror. Sie bedeuten kein Ja oder Nein, man weiß einfach nicht, woran man ist. Manche Damen (ich nenne Frauen, an denen mir sehr viel liegt, Damen) äußern sich ebenfalls gern so. Man fragt sie, ob man sie wiedersehen darf. Sie antworten nicht mit Ja oder Nein, sondern sagen: »Ich melde mich.«

Also wartet man ab.

Gerade neulich habe ich eine Dame gedatet, die auch einen YouTube-Kanal betreibt. Wir trafen uns mehrmals, und zunächst schien es so, als wenn es zwischen uns eine ernste Sache werden könnte. Doch sie ließ alles noch sehr offen, um mir dann nach längerer Zeit mitzuteilen, dass sie inzwischen einen anderen hätte. Horror!

Aber so etwas passiert nun mal im Leben, ich bin auch überhaupt nicht nachtragend. (Ich hoffe, sie wird mit ihrem Freund sehr glücklich … Und ich wünsche den beiden von ganzem Herzen, dass sie mal einen schönen Urlaub in Afrika und dort eine Safari machen. Und dass sie dabei von einem Rudel Löwen gefressen werden … Das meine ich nur aus Spaß, denn eine tödliche Elefantenattacke würde ich viel spektakulärer finden.)

Das Thema »Damen« ist ein Kapitel für sich bei mir.

Wenn mir Leute in meinem Alter zum Beispiel erzählen, dass sie seit acht Jahren glücklich vergeben sind, dann irritiert mich das. Wenn ich all die Jahre, in denen ich Beziehungen hatte, mit drei multipliziere und plus vier rechne, dann komme ich auf weniger als acht Jahre, in denen ich vergeben war. Pfiffige Leserinnen oder Leser werden sich ausrechnen können, dass meine längste Beziehung ein Jahr andauerte. Und dies auch nur aufgerundet und bloß deshalb, weil es eine Fernbeziehung war.

Ich werde niemals meinen ersten Besuch in der Wohnung einer Dame in Köln vergessen. Immer wenn ich beruflich in der Stadt zu tun hatte, gingen wir gemeinsam essen. Eines Tages bat die Dame mich, mit zu ihr nach Hause zu kommen, um eine DVD anzuschauen. Auf dem Weg zu ihr erzählte sie mir, dass sie drei Hunde habe. Ich sah darin kein Problem, denn ich liebe Hunde. Doch dann »beichtete« sie mir, dass zwei ihrer drei Hunde bissig seien und es vor allem auf fremde Leute abgesehen hätten.

Nachdem wir die Wohnung betreten hatten, verschwand die Dame im Badezimmer. Ich stand allein im Flur. Ein kleiner weißbrauner Hund kam auf mich zugerannt. In Cristiano-Ronaldo-Manier bezog ich Stellung – bereit zum Freistoß. Nicht allzu hart, aber gut platziert traf ich den Hintern des Hundes. Er machte sofort kehrt. Ich freute mich und hoffte, er würde seinem anderen bissigen Kollegen berichten, dass ich der neue Sheriff in der Stadt oder wenigstens in dieser Wohnung sei.

Als die Dame aus dem Badezimmer kam, führte sie mich ins Wohnzimmer. Dort lagen die zwei anderen Hunde auf dem Sofa.

»Das sind übrigens die zwei Rabauken, die gern zubeißen!«, warnte mich die Dame. Nur der weiß-braune Hund laufe immer auf alle zu, um sie freudig zu begrüßen. Während der ganzen Beziehung begrüßte mich der Weiß-Braune nun kein einziges Mal mehr, dafür kam ich mit den zwei Rabauken sehr gut aus und wurde nicht ein Mal gebissen.

Die junge Frau von Endemol rief mich einige Tage später erneut an. »Aaron, deine Antworten im ersten Casting für Wer wird Millionär? waren alle richtig. Ich gratuliere! Ich werde jetzt eine weitere Fragerunde mit dir durchführen. Bei dieser wirst du verschiedene Antwortmöglichkeiten erhalten.«

Dieses Mal musste ich zehn Fragen beantworten.

Sieben meiner Antworten waren richtig.

»So, und nun erzähle mal etwas über dich«, bat sie mich danach.

Mir war klar, wenn ich daraufhin zum Beispiel erzählen würde, dass ich Briefmarken oder Kakteen sammle, dann wäre das sicherlich nicht das Richtige (ich sammle keine Kakteen oder Briefmarken!), also berichtete ich über meinen Laden und mein Leben in und mit meinem Backshop. Ich erzählte ihr davon, dass nachts regelmäßig die Alarmanlage in meinem Laden anspringt. Was jedes Mal dazu führte, dass ich den kurzen Weg von zu Hause zu meinem Backshop rannte – im Schlafanzug. Jedes Mal war es Fehlalarm, aber das konnte ich ja nicht wissen, wenn ich loslief.

Ich erzählte außerdem eine Date-Story, die mir bis heute sehr peinlich ist: Ich schaute mit einer netten Dame Schlag den Raab im Fernsehen. Wir hatten es uns gemütlich gemacht und aßen Pizza. Doch irgendetwas an dieser Pizza vertrug ich wohl nicht, denn meine Verdauung begann verrücktzuspielen. Ich musste dringend aufs Klo. Das Problem war jedoch, dass sich das Badezimmer direkt neben dem Wohnzimmer befand, nur abgetrennt durch eine dünne Tür. Ich wollte keinesfalls, dass mich die Dame hört, wenn ich auf der Toilette sitze. Also quälte ich mich vier Stunden lang, bis die Sendung, die ich eigentlich sehr liebte, zu Ende war. Danach verabschiedete ich mich eilig, was die Dame sicherlich verwunderte. Ich rannte förmlich aus ihrer Wohnung. Auf der Straße suchte ich nach einer stillen Gelegenheit. Und ich hatte Glück: Unweit an einer Ecke stand ein Bauarbeiterklo. Als ich dieses in jeder Beziehung erleichtert wieder verließ, stand die Dame davor. Sie hielt meinen Wohnungsschlüssel in der Hand, denn den hatte ich in meiner Hektik vergessen mitzunehmen. Wie lange hatte sie schon vor dem Bauarbeiterklo gestanden? Sie sagte nichts, aber ich bin mir sicher, dass sie mein Feuerwerk mit angehört hatte. Dieser Abend ist bis heute das mir mit Abstand peinlichste Erlebnis in meinem Leben.

Die Mitarbeiterin von Endemol bedankte sich lachend für meine Storys und sagte: »Danke! Wenn es für dich weitergehen sollte, dann melden wir uns wieder.«

Schon wieder abwarten!

Doch tatsächlich: Wenige Tage später bekam ich erneut einen Anruf aus der Redaktion von Wer wird Millionär?, dieses Mal von einer anderen Person.

»Herr Troschke, wir müssen ein Stechen durchführen, denn es gibt außer Ihnen noch einen weiteren Kandidaten, der die Fragen ebenso gut beantwortet hat und ebenfalls sehr interessant ist. Wann hätten Sie heute dafür Zeit?«

»14 Uhr!«, antwortete ich.

Punkt 14 Uhr stand ich mit meinem Telefon in der Hand in meinem Kinderzimmer in der Wohnung meiner Mutter, in der ich damals noch lebte. Der Anruf kam.

Der andere Kandidat war ebenfalls in der Leitung.

Die Stichfrage lautete: »Nennen Sie bitte zwei Nachbarländer von Brasilien.«

An der Wand in meinem Zimmer hing immer noch die Weltkarte, auf die meine Mutter immer so großen Wert gelegt hatte. Ich schaute darauf und antwortete »Peru« und »Kolumbien«, bevor der andere Kandidat auch nur einen Moment lang nachdenken konnte. (Danke, Mutti!)

Am Ende dieses Telefonates hieß es dann dieses Mal: »Herr Troschke, hiermit haben Sie eine feste Zusage für die Sendung Wer wird Millionär?

(Die Dame von Endemol ist bisher die einzige in meinem Leben, die mich zappeln ließ und bei der dann doch noch etwas Gutes dabei herausgekommen ist. Danke!)

Über die Zusage freute ich mich mega!

Meine Mutter fragte mich: »Was ist denn los?«

Bis zu diesem Moment hatte ich außer meiner Schwester, die ich gern als meine Begleitperson in der Sendung dabeihaben wollte, noch niemandem etwas von meiner Bewerbung bei Wer wird Millionär? gesagt.

Ich erzählte es ihr und meine Mutter freute sich mit mir. Sie meinte, sie hätte auch schon öfter mit dem Gedanken gespielt, sich dort zu bewerben, doch sie befürchtete, zu nervös zu sein, um die Fragen richtig zu beantworten, wenn sie dann tatsächlich auf dem Stuhl Günther Jauch gegenübersitzen würde. Und ich dachte: Wenn jemand die Chance hätte, bei Wer wird Millionär? zu gewinnen, dann wäre es meine überaus kluge Mutter – und nicht ich. Ich befürchtete, froh sein zu können, wenn ich überhaupt über die 500-Euro-Frage hinauskäme.

Meine Mutter ist Sozialpädagogin und kümmert sich um schwer erziehbare Kinder. Ich selbst war auch nicht leicht zu erziehen, denn ich habe mich zum Beispiel lange dagegen gesträubt, wenn meine Mutter verlangt hat, dass ich viel lerne und ein umfangreiches Allgemeinwissen erlange. Als ich ein Kind war, hat sie mich gezwungen, Harry Potter zu lesen. Nach vielen Streitigkeiten habe ich schließlich Rotzblasen heulend damit angefangen. Später sollte ich die Bücher von Dan Brown lesen und es gab erneut Auseinandersetzungen mit meiner Mutter. Danach die Kriminalromane von Stieg Larsson …

Heute bin ich meiner Mutter sehr dankbar für alles, denn ihre Mühe hat mir nicht nur Allgemeinwissen und ein bestimmtes Maß an Pfiffigkeit eingebracht, sondern letztendlich auch den Platz auf dem Stuhl bei Wer wird Millionär?.

So sehr, wie ich meine Mutter liebe, liebe ich auch meine drei Geschwister und meinen Vater. Meine Eltern haben sich zwar bereits vor vielen Jahren getrennt, doch wir Kinder haben niemals darunter gelitten. Häufiger werde ich gefragt, wie ihnen das so gut gelungen ist. Die Antwort ist sehr einfach: Sie haben auch nach der Trennung niemals schlecht übereinander geredet. Und sie wollten nur das Beste für uns vier Kinder. (Außerdem brachte die Trennung uns Kindern doppeltes Taschengeld ein.)

Mein Vater ist Altenpfleger. Ich fand ihn mit seinen langen Haaren und dem Bart immer sehr gutaussehend, also trug ich die Haare bis zur sechsten Klasse ebenfalls lang, weil ich dachte, dass ich dann auch ein so guter Typ wie er wäre. War ich aber nicht. In der Schule bekam ich den Spitznamen »Mädchen« verpasst. Ehrlich gesagt sah ich auch aus wie eines – aber wenigstens wie ein hübsches. Wenn wir Fußball spielten, riefen immer irgendwelche Kinder, die am Rand standen: »Guckt mal, bei denen spielt ja ein Mädchen mit!« Das hat mich mega genervt und ich hoffte, dass sie alle bald eine Safari mitmachen, bei der sie von Löwen gefressen werden.

Außerdem hatte ich als kleiner Junge einen kranken Zahn, der alle danebenstehenden Zähne ansteckte, so dass ich im Alter zwischen vier und sieben Jahren vorn keine Zähne mehr hatte und dadurch eine undeutliche Aussprache entwickelte. Meine Geschwister nannten mich damals liebevoll »Urmensch«. Wir haben immer darüber gelacht, denn auch ich liebe meine allesamt älteren Geschwister. In unserer Familie ist immer jeder für den anderen da, wir können uns absolut aufeinander verlassen.

Ich wurde 1989 geboren, in dem Jahr also, als die Mauer fiel. Das ganze Thema »Ost und West« interessiert mich eigentlich kaum, denn ich habe von der DDR ja nichts mehr mitbekommen.

Einer meiner Brüder, der, wie meine anderen beiden Geschwister ebenfalls, in die DDR hineingeboren wurde, hat mir später mal erzählt, dass er miterlebt hat, wie Leute von der Staatssicherheit zu uns nach Hause kamen. Meine Mutter war gerade nicht in der Wohnung, sondern auf dem Dachboden. Als sie von dort oben hörte, dass sich diese fremden Männer mit meinen Brüdern Jonathan und Markus unterhielten, befürchtete sie, dass die Stasileute ihr die Kinder wegnehmen wollen, rannte hinunter und schrie die Männer außer sich vor Wut an. Sie prügelte fast auf sie ein. Die Geschichte ging glücklicherweise gut für meine Familie aus, und sie zeigt, wie sehr meine Mutter für uns Kinder einsteht. Und das bis heute.

Mein Vater ist ebenso. Ich wusste immer und weiß bis heute ganz genau: Gleichgültig, was ich tun werde, mein Vater wird für mich da sein, er wird mich unterstützen und für mich einstehen. Er ist der Typ Mensch, den ich als Sohn auch anrufen könnte, wenn ich mal einen Mord begehen sollte (was hoffentlich niemals geschehen wird). Mein Vater würde für mich die Leiche entsorgen, und zwar so, dass sie wirklich niemals gefunden wird.

(Liebe Leserinnen und Leser, habt ihr eigentlich schon meinen YouTube-Kanal »Hey Aaron!!!« abonniert? Falls nicht, dann muss mein Papa sich wohl mal um euch kümmern!)

Wenn ich selbst mal Kinder haben sollte, möchte ich ihnen ein ebenso guter Vater wie der meine sein.

Viele in meinem Freundeskreis bekommen zurzeit Kinder.

Mein guter Freund Detlef erzählte mir, dass er mit 35 Jahren Vater geworden ist und dass es für ihn das perfekte Alter gewesen sei, um ab nun für ein Kind da zu sein. Das machte mir Mut, denn als ich erst neulich an einem Sonntagmorgen Zeichentrickfilme anschaute und währenddessen meinen Star Wars-Todesstern aus Lego zusammenbaute, wurde mir bewusst, dass ich wohl noch nicht so weit wäre, ein guter Vater zu sein.

Eines kann ich jedoch stolz von mir behaupten: Ich bin ein super Onkel! Meine eigenen Onkel waren immer eher Schulnote 3+, meine Tanten eher 4 (und meine Tante Susanne sogar eine 6), aber ich würde von meinen Neffen wahrscheinlich eine 1 bekommen. Bei mir gibt es immer Süßigkeiten und Cola, es darf getobt werden, bis das Sofa zusammenbricht, und ich stifte gern zu Dummheiten an und mache auch jede mit.

Als mein Bruder und seine Frau neulich auf einer Geburtstagsparty waren, blieben meine Neffen allein zu Hause. Ich rief sie an und fragte sie, ob sie schon etwas über die Einbrecherbande gehört hätten, die gerade in ihrem Wohngebiet unterwegs sei. Danach riefen meine Neffen alle zehn Minuten meinen Bruder an und fragten: »Wann kommt ihr endlich nach Hause?«

Es gibt nichts Schöneres, als meine Neffen zu ärgern. Außer mit ihnen gemeinsam die Harry Potter-Filme anzuschauen, denn dabei werde ich dann selbst wieder zu einem kleinen Jungen.

Als ich Kind war, sagten meine beiden großen Brüder Markus und Jonathan immer zu mir: »Aaron, wenn du mal Streit haben solltest, dann helfen wir dir! Toll wäre aber, wenn du den Streit nicht angefangen hast.« Dieses Gefühl und die Gewissheit, in einer Familie zu leben, in der jeder den anderen beschützt, sind unglaublich schön, denn es gibt jedem von uns absolute Sicherheit.

Meine Eltern sind sehr naturverbunden und waren häufig draußen mit uns unterwegs. Wir hatten immer einen Hund, ich liebe Hunde. Als wir mal wieder zelten waren, spielte ich mit unserem Hund Stöckchenwerfen, während meine Eltern und Geschwister die Zelte abbauten. Ich war nicht nur noch zu klein, um mitzuhelfen, sondern auch, um das Stöckchen richtig weit werfen zu können. Es flog immer nur drei oder vier Meter weit. Unser Hund fühlte sich veralbert und rannte nicht mal los, um das Stöckchen zu holen. Also versuchte ich, es weiter zu schleudern. Ich drehte mich, schaute dabei in die falsche Richtung – und ließ los. Der Stock flog weiter als vorher. Und traf meinen Bruder Markus am Kopf. Er brach zusammen und fiel ins Zelt – und baute es danach so schnell wie noch nie in seinem Leben ab.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals wegen solcher Sachen von meinen Eltern Strafen oder Standpauken gehalten bekommen zu haben. Dass ich Mist gebaut hatte, begriff ich selbst und lernte daraus.

Bereits als Kinder waren wir große Wrestling-Fans. Oft spielten wir die Kämpfe unserer Helden in verteilten Rollen nach. Und dies besonders gern in unseren Hochbetten, die locker zwei Meter hoch waren. Eines Tages knallte ich dabei gegen meinen Bruder Markus, und das, obwohl wir ein Team waren – und wir flogen beide aus dem Hochbett, mit den Köpfen voran. Meine Schwester Theresa und mein Bruder Jonathan schauten sofort nach, ob uns etwas passiert war. War es aber nicht. (Und was soll uns Troschke-Jungs schon passieren, wenn wir mal auf den Kopf fallen, außer dass die Luft darin ein wenig durcheinandergeschüttelt wird? Wohl nicht viel.) Doch das Geländer unseres Bettes war zerbrochen. Wir mussten es also eiligst flicken, bevor unsere Eltern es bemerkten. Wie bis heute, wenn es etwas zu reparieren gibt, nahm Jonathan es in die Hand. Er schlug mit 20 Nägeln das Geländer wieder fest. Als unser Vater nach Hause kam und in unser Kinderzimmer schaute, fragte er nach einer Minute: »Was ist denn mit dem Geländer passiert?«

Wir saßen wie unschuldig auf unseren Betten.

Mein Vater meinte: »Möchte ich eine Antwort von euch? Nee, eigentlich nicht. Alles gut!«

Inzwischen besitzen wir schon lange ein sehr altes Haus in Brandenburg, das sehr einfach ist und nur ein Plumpsklo hat. Ich liebe dieses abgelegene Domizil, denn ich habe dort mit meiner Familie schon viele wunderbare Zeiten verbracht. (Die Dame, die ich eines Tages heiraten möchte, sollte sich in diesem Haus ebenso wohlfühlen wie ich.)

Dass unsere Familie dieses Haus ihr Eigen nennen darf, hat sie meinem Vater zu verdanken. Von ihm habe ich auch mein großes Mundwerk geerbt und dass ich vieles im Leben mit Humor nehme.

Meine große Klappe hat mir allerdings in der Schulzeit öfter Ärger eingebracht. Wenn ich mal wieder frech war oder die Freundinnen größerer Jungs anbaggerte, wollten mich häufiger mal einige verprügeln. Bis heute werde ich öfter gefragt, weshalb ich wegen meiner großen Klappe noch nie eine draufbekommen habe. Liebe Leserinnen und Leser, ich kann euch beruhigen, ich habe schon mal ordentlich etwas verpasst bekommen. Allerdings nicht wegen meiner großen Klappe, sondern ausgerechnet, weil ich jemandem helfen wollte.

Es geschah auf einem Dorffest. Einer meiner Kumpel, mit denen ich dort war, geriet in einen Streit. Ich ging dazwischen, um meinen Kumpel wegzuziehen. Das gelang mir auch, doch als ich mich umdrehte, kriegte ich von der gegnerischen Seite voll eins auf die Kauleiste. Mein Kumpel, der bis zu diesem Zeitpunkt ein guter Freund von mir war, rannte weg, nachdem ich ihm geholfen hatte. (Ich hoffe, der Assi macht mal eine Safari, bei der er von Elefanten angegriffen wird!)

Ich lag am Boden. Als ich wieder hochkam, begann der Typ, von dem ich voll eins auf die Mütze bekommen hatte, mit mir zu rangeln. Und seine Kumpels wollten erneut zuhauen. Glücklicherweise ging mein durchtrainierter Freund Benny dazwischen und beendete das Ganze. Und ich kam mit einem blauen Auge davon, im wahrsten Sinne des Wortes. Danach beschloss ich erstens, dass ich nie wieder auf Dorffeste gehen würde, und zweitens, dass ich nur noch meinen besten Kumpels helfen werde. Und meiner Familie.

1996 wurde ich eingeschult. Von 2002 bis 2006 besuchte ich die Oberschule. Das war die Zeit, in der ich beschloss, eines Tages zum Fernsehen zu gehen. Ich bewunderte inzwischen viele große Schauspieler. Robert De Niro, Bud Spencer und Dean Martin waren für mich wahre Helden. Stefan Raab und Oliver Pocher halte ich bis heute für großartige Moderatoren. So wie sie wollte ich ebenfalls eines Tages vor der Kamera stehen. Als ich dies mit dreizehn Jahren das erste Mal äußerte, wurde ich in meiner Familie nur müde belächelt. Doch das beirrte mich nicht, denn mein Entschluss stand fest. Steven Rieck, einer meiner bis heute besten Freunde, glaubte an mich und motivierte mich, indem er sagte: »Du bist wie Oliver Pocher, nur noch witziger!«