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2. Auflage 2017

 

EDITION TICHYS EINBLICK

© 2017 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

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Lektorat: Dr. Annalisa Viviani, München

Korrektorat: Sonja Rose

Umschlaggestaltung: Manuela Amode

Umschlagabbildung: picture alliance/R4200

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

 

 

ISBN Print 978-3-95972-063-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-104-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-105-9

 

 

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Inhalt

Wenn die Sonne sinkt

High Noon für die Planwirtschaft der Gefühle und Gedanken

Das Medium ist die Message

Das demokratische Dilemma

Der New Deal für die leise Revolution: Regieren ohne Opposition

Ideologiefreie Zone für den Politikwechsel

German Leadership für ein autoritäres Europa

Merkels politische Ziele sind nur ohne Wirtschaftskompetenz erreichbar

Die Zeit der Alleingänge beginnt

Politik als Gefühlsmanagement. Im Namen des Guten – die Planwirtschaft schlägt zu

Sprengmeisterin unterwegs: Etappenziel ist die grenzenlose gelenkte Demokratie

Wenn die Grenzen zwischen Krieg und Frieden sich auflösen

Putin als Merkels Lehrmeister: »Die Verfahren zum Überschreiten von Staatsgrenzen vereinfachen«

Die »Eurorettung« spaltet Europa

Wenn Putin das Kriegsbeil ausgräbt, dann im Namen des Völkerrechts. Und die Kolonialherren der EU entdecken das Recht des Stärkeren

Zweipolige Welt mit fließenden Grenzen: Die Spieler suchen neue Plätze

Die EU erzieht gelenkte Demokraten

Europa hat Sehnsucht nach der »harten Hand«

Putins Kairos: Im schwächelnden Europa gewinnt der Imperator Bewunderer

Eine Schirmherrin – zwei Systeme: Was Angela Merkel und Wladimir Putin mit Katharina der Großen verbindet

Rechtsbrüche begleiten das »Rettungsgeschäft« in Europa – Die deutsche Kanzlerin räumt Normen ab

2015: das Jahr der Entscheidungen. Die Kolonialmacht EU demütigt die Griechen

Auch das war 2015: Startsignal für das größte Projekt der deutschen Kanzlerin. Start des passiven Imperialismus als »Willkommenskultur«

Sternschnuppen stürzen aus dem Brüsseler Sternenkranz – Deutschland probt passiven Imperialismus

Die »Wertegemeinschaft« Europa wird zum Trümmerfeld. Geht so »Autokratie mit menschlichem Antlitz«?

Kontrollverlust als Programm – Angela Merkel macht das grenzenlose Europa konkret

Die Entgrenzung Europas ist vollzogen

»Schöpferische Zerstörung« neu: Wie Demokraten zu Autokraten erzogen werden

Zur Überwindung der Demokratie gehört die Zertrümmerung von Gewissheiten

Deutschland schreibt seine Story um – Die humanitäre Superpower betritt die Weltbühne

Merkels Masterplan

Allahs verlorene Söhne, verstreut in der Welt. »Unsere Art zu leben« wird sie nicht retten

Die verlorenen Söhne des Propheten Mohammed

Das Dilemma der Führung: zu selbstgerecht, um zu trauern

Grenzen fallen. Die Überwindung der Demokratie macht Fortschritte

Die Antiheldin: Deutschlands leise Autokratin setzt auf neue Allianzen

»Interessen« schlagen Werte: Die autokratische Versuchung wirft ihre Schatten voraus

Dieser Deal verändert Europa. Werte verdampfen im Machtwillen beider Seiten

Die Umwertung der demokratischen Werte beginnt – Demokratie als Handicap

EU-Politiker erliegen der autokratischen Versuchung

Demokratie im Sog der Autokraten – Das demokratische Projekt erkrankt an einer Immunstörung

Die deutsche Kanzlerin: Avantgarde zur Überwindung der Demokratie zugunsten eines autokratischen Zentralismus

Alternativlose alternative facts – Autokratisches Wetterleuchten von Berlin bis Washington

Im Reich der Autokraten: Der stärkste Regelbruch macht unverwundbar

Die Avantgarde Europas verliert die Gefahrenwitterung – Demokratie wird zum Störfaktor

Die Immunstörung der Demokratie ist das Projekt einer Avantgarde

Die autokratische Versuchung mehrheitsfähig machen

Im Schlagschatten der Rechtsbrüche – Europa kann sich klassische Wertetraditionen nicht mehr leisten

Von der Radikalisierung der Tugend zur Radikalisierung der Politik

Überwindung der Demokratie: ein Projekt für Werteverluste

Auch Politik ist Gefühlsmanagement. Die Streitmacht der Gefühle zu unterschätzen, kostet die Macht.

Wo gefühlsarm regiert wird, gehen die Gefühle auf die Straße

Machtmanagement ist Gefühlsmanagement

Autokratie made in Germany

Ein grenzenloses Europa muss scheitern – Freiheit ohne Grenzen macht Knechte

Nichts geht ohne Grenzen

Probt Europa die Überwindung der Demokratie? – Ist die EU als Großprojekt ein Demokratiekiller?

Ist Europa ein metademokratisches Projekt, das die Demokratie übertrifft?

Dank

 

 

Wenn die Sonne sinkt

High Noon für die Planwirtschaft der Gefühle und Gedanken
Das Medium ist die Message.
Das demokratische Dilemma

High Noon für die Planwirtschaft der Gefühle und Gedanken

Abendrot über Angela M’s alternativloser Kanzlerschaft: Nichts mehr ist alternativlos, so pfeifen es die Spatzen von den Dächern – in Brüssel, in Ankara und Washington, in Den Haag. Selbst in Berlin legt der Bundesadler nicht mehr alternativlos die Flügel an, wenn die entmachteten Abgeordneten zu ihren Plätzen trotten.

In Washington ist die Alternative zu Obama an der Macht. Ein Dilettant namens Donald Trump, der immerhin den Vornamen mit dem Neffen des berühmtesten Moneymakers im Reich des genialen Walt Disney teilt. Trump zeigt Tag für Tag, dass es immer Alternativen zum Erreichten gibt – oberhalb und unterhalb der Ziele, die ein Vorgänger durchsetzte, um, ganz wie Trump auch, »America great again« zu machen. Kein amerikanischer Präsident hätte ein anderes Ziel haben können. Nur Trump, dem Draufgänger aus der Welt der hemdsärmeligen Selfmade-Manager, möchte eine empörte internationale Politlobby dieses noble Ziel verbieten. Dass es moving targets sind, denen Trump nachjagt, volatile Ziele also, flüchtig wie Antilopen, auffliegend im Schuss des Jägers wie Fasan und Wildente, unerreichbar kreisend wie der Adler im amerikanischen Wappen, das weiß der alternative Amtsinhaber sicherlich. Sein jüdischer Schwiegersohn nennt den schwer attackierten Rüpel im Oval Office »einen der liebenswürdigsten Menschen, die ich kenne«.

Die windows of opportunity, die alternativlos verschlossenen Fenster, gehen auch in den Zuschauerköpfen wieder auf, wenn sich herausstellt: Es gibt sie doch, die Alternativen.

Nur für die Erfinder der Alternativlosigkeit als Machtgarant wird es eng, wenn das Zeitalter der Alternativen anbricht. Abendrot für Angela? Noch steuert sie gegen. Versichert den Niederländern ihre »Solidarität«, weil sie ja Stellvertreter der timiden Deutschen beim alternativen Handeln sind. Um regierungsdeutsche Solidarität zu verdienen, müssen die mutigen Niederländer freilich die Schrumpfung ihrer Handlungsmotive auf das Nazithema in Merkels Lob hinnehmen. Die Kanzlerin wischte so den Vergleich vom Tisch, den alle deutschen Bürger anstellen: dass in Holland, anders als in Deutschland, die türkischen Falschmünzer mit den scheindemokratischen Betrugsmanövern im Schatten einer Machtergreifung nicht erwünscht sind.

So ging es bisher: Wo keine Alternative sich auftat, wurden Löwenanteile der Wahrheit gestrichen. Immer wieder obsiegte die alternativlose Welt der Kanzlerin. Und die Deutschen von heute haben sich eingerichtet in dieser Welt, die immer nur eine Lösung kennt, nämlich die der Herrschenden. Demokratie auf der Intensivstation: Darum reden seit Jahren alle, die die Wahrheit suchen, hier so leise.

Aber die alternative Welt ist multitask auf der Szene erschienen. Alternativlose Führungskräfte an der Staatsspitze leben nicht mehr ungestört.

In Ankara, gleich nebenan und mit Deutschland auf deutsche Initiative eng verbunden, wütet ein ähnliches Temperament wie der ungebändigte Donald, der neben Recep Tayyip Erdoğan geradezu berechenbar erscheint. Erdoğan kassiert die Demokratie. Und Europas Politiker tun ihm den Gefallen, seine Entschlossenheit zu unterschätzen. Während der Diktator in spe die Beweiskette für sein egomanisches Machtkalkül täglich verlängert, pendelt die alternativlos im Erdoğan-Deal gefangene Kanzlerin zwischen Schweigen und diplomatischen Segensformeln.

Erdoğan ist die Alternative zum antidemokratischen Erosionsmanagement der Kanzlerin in der EU und in Deutschland. Der türkische Präsident mit Alleinherrschaftsanspruch zeigt der Alleingängerin aus Deutschland, welche »alternativen« Konzepte ans Licht drängen, wenn man Demokratie mit der Tarnkappe betreibt. Der Anspruch, »alternativlos« herrschen zu können, ist antidemokratisch. Und der Deal mit Erdoğan zum Flüchtlingsthema war nur als Tarnkappenprojekt möglich. Bei so vielen verdeckten Karten, wie sie die deutsche Regierung im Flüchtlingsdeal zugelassen hat, findet sich immer einer, der plötzlich alle seine Karten aufdeckt – und die Demokratieverräter der westlichen Welt mit ihren eigenen Zitaten schachmatt setzt.

Auch Martin Schulz verwüstet die Szene des »alternativlosen« Spiels. Ob er unzumutbar harmlos oder unerwartet gefährlich sei, allein dies herauszufinden, beschäftigt Deuter-Heere, die für das Pro- und Contra-Lager arbeiten. Schulz ist keine Alternative!, rufen die einen. Schulz ist die Alternative!, triumphieren die anderen. Und Schulz holt die Stimmen der Leute, die nicht »alternativlos« leben wollen. Auch er ist genau deshalb eine Alternative, weil er eine Fiktion zu Grabe trägt, die tief im Herzen keiner je geglaubt hat: Demokratie sei die Story vom Leben ohne Alternative. Also tödlich. Wie das Leben selbst. Gleichviel, welche Botschaften er bringt, die Leute sind ihm dankbar, dass er das Tabu kassiert. Schulz ist gefährlich für die Alternativenkillerin, weil er allen zeigt, was sie bis dahin nicht sehen durften: Die Monopolistin im Ergreifen von Alternativen heißt Angela Merkel. Ab jetzt wird die Gefolgschaft kleiner, die Beifall klatscht, wenn die Kanzlerin ihren voltenreichen Kurs als schnurgeraden Highway beschreibt.

Abendrot im Lande der Alternativlosen. High Noon für die Planwirtschaft der Gefühle und Gedanken. Ehe die Planlosen ihr Spiel machen: Den homo ludens von der Kette lassen, den homo faber als Mitspieler gewinnen. Ehe die Sonne sinkt.

Das Medium ist die Message

Fragt nicht nach seiner Botschaft: Schulz ist die Botschaft: Sie handelt von uns.

Nach Merkel, der Unberechenbaren, Alternativlosen, meldet sich Martin. Er ist die Alternative. Er bedient den moralischen Furor. Er bringt die alten Werte zurück.

Schulz sagt uns, ohne es zu wissen, wer wir sind. Er stellt die Diagnose wie ein Wald- und Wiesendoktor, der Gefühle genauso ernst nimmt wie Gedanken. Schulz sei ein Traditionalist, schreiben strenge Journalisten. Schulz ist Siebzigerjahre pur. So macht er die Punktlandung in den Herzen der Menschen. Schulz, der Vielsprachige, bringt die progressive Sozialdemokratie der Aufbruchsjahre zurück. Jenen unwiderstehlichen Mix aus Habermas für Dummies und Bildungszukunft, Arm in Arm mit Arbeiterpower als Aufsteigermythos. Daneben sehen die technokratischen Traditionshüter des rheinischen Kapitalismus alt aus. Die progressive Linke votiert auch heute für Schulz. Junge Leute, die die Siebzigerjahre nur vom Hörensagen kennen. Auch sie wollen den nostalgischen Geschmack der unschlagbaren SPD auf der Zunge spüren, einer SPD, die die Hochschulen umkrempelte und das Bildungsmekka für Arbeiterkinder öffnete. Schulz erweckt die traditionelle SPD wieder zum Leben, jene Partei, die Grundwertedebatten anstieß.

Dieses Schulz-Profil antwortet auf die Verlustbilanz in den Köpfen und Herzen vieler Deutscher, die bis zu seinem Auftauchen in der Bundespolitik sprachlos blieb.

Die AfD fing viele von diesen Unzufriedenen ein. Und Martin Schulz holt wiederum viele zurück in die alte Mitte des Parteienspektrums.

Da ist inzwischen viel Platz. Die Merkel-CDU hat die Mitte freigegeben, um links die SPD zu entmachten. Die Mitte liegt jetzt rechts von der CDU, auch das gibt dem Schulz-Wahlkampf eine bis dahin unbekannte Note: Er kämpft mit seinem politischen Moralismus rechts von der CDU – und holt damit Wähler, die nicht zum traditionellen SPD-Potenzial gehörten, bis heute.

Der Erfolg von Martin Schulz auf den ersten Wahlkampfmetern hat mit seinem Talentmix zu tun: Der Kandidat ist mit einem hohen Pegel Intuition unterwegs, den Männer im Allgemeinen nicht zu ihren Spontantalenten zählen möchten. Schulz weiß, was er gerade dieser Fähigkeit verdankt. »Fühldrauflos«, wie es die Wähler tun, könnte ein Wahlkampfmanager dieses Rezept nennen. Lass dich nicht durch Denken vom Fühlen abbringen. Schulz kann sich diesen Habitus leisten, weil er über ein langjähriges Training in der Welt der Politintrigen verfügt. Seine emotionale Stärke macht ihn vielen Konkurrenten überlegen. Auch der Kanzlerin, die emotional auf Sparflamme lebt. Merkels Gefühlskalkül in Notsituationen verwirrt die Anhänger eher und lässt scharfsinnige Beobachter kalt. Das »freundliche Gesicht« beim Grenzenschreddern erzeugte gemischte Gefühle bei Freunden und Gegnern. Schulz »entmischt« die Gefühle. Er erscheint »ehrlich«, wo Merkel mit übergesetzlichen Notständen operiert. Wer, mit Jean-Claude Juncker, Ehrlichkeit für eine Kleinbürgertugend hält, sei daran erinnert, dass der Ehrliche nicht nur die Wahrheit verteidigt, sondern auch die Ehre des Partners und seine eigene Ehre bewahrt.

Schulz gibt den linken Idealisten, den Ältere aus dem vorigen Jahrhundert unter großen Namen kannten: Helmut Schmidt, Willy Brandt. Schulz gibt ihn nicht nur, er ist dieser linke Idealist, der seit Jahren nicht bei der SPD, sondern nur bei der Linken zu finden ist – dort allerdings in Frauenkleidern: Sahra, die Kluge und Schöne.

Schulz hat ein Ass im Ärmel, das ihn so stark wie unabhängig macht: Nicht die SPD hat ihn erfunden. Er hat sich selbst erfunden. Niemand in der SPD, die jetzt von ihm profitiert, hatte diesen Schulz so auf der Rechnung, wie er jetzt unterwegs ist. Schulz ist ein Schulz-Projekt, das macht seine Glaubwürdigkeit aus, wenn er SPD-Ideen von gestern und heute mit Distanz und kritisch diskutiert. Er ist ein Kuckucksei im Nest der schwindsüchtigen SPD-Komparsen. Dieser Umstand erlaubt es den Wählern, in Schulz tatsächlich ein bis dahin beispielloses Versprechen zu sehen, das die sogenannten Volksparteien nicht mehr glaubhaft formulieren können. Auch hier gilt: Er macht nicht ein Verspechen, er ist dieses Versprechen für ein Revival des Glaubens an politische Performance erster Klasse.

Bloß nicht zu viel Vernunft, ist die mitlaufende Botschaft. Aber: Politik ist ein hochmoralisches Geschäft, wenn sie gut ist. Solche Bekenntnisse, mit der Waage der Justitia in der Hand, im Namen der sozialen Gerechtigkeit zu liefern, das passt. Auch Illusionen lassen sich in diesem Klima der Versöhnung von Kopf und Herz als Visionen verkaufen. Schon im Präsidium des EU-Parlaments wuchs die Gestaltungsmacht von Martin Schulz wegen seiner emotionalen Kompetenz: Menschen gewinnen, um Probleme zu beherrschen, das ist sein Geschäftsmodell.

Habermas für Schulabbrecher und Konsensverweigerer: Das ist die Wiedergeburt der sagenumwobenen progressiven Linken, die Versager zu Akademikern machen wollte und die Arroganz der Patriarchen zu brechen versprach. Die Arroganz der Macht kommt heute als Ohnmachtserfahrung bei Normalverbrauchern an. Die Schulz-SPD, so das implizite Versprechen des frisch zugereisten Kandidaten, fühlt wie du. Sie will nicht an deiner Stelle, sondern mit dir gemeinsam politisch handeln. Schulz fängt viele entlaufene Bürger wieder ein, die das Systemvertrauen verloren hatten; er gehört ja nicht zum System. Zu seinem Mischtalent gehört es, dass ihm ein Salto mortale glückt, den vor ihm keiner geschafft hat: Nachweislich einer vom EU-Establishment, tritt er als der Panzerknacker contra Establishment auf – und man glaubt ihm. Wie macht er das?

Die Antwort ist ebenso bewegend wie einfach: Schulz lebt seinen Traum. Noch einmal der Mann aus dem Volk zu sein, der Abgestürzte, der aufgestanden ist, um weiterzulaufen, immer weiter und immer bergauf. Einer, der den Herzschlag der einfachen Leute im eigenen Herzen spürt, im gleichen Takt. Einer, der etwas Unschätzbares besitzt, was ihn seiner Gegnerin in der Spitzenpolitik überlegen macht: Schulz hat eine Story. Wer eine Story hat, obendrein eine wahre Story, der wird siegen, sagen die Amerikaner. Merkel hatte nie eine Story, es gab Gründe, eine wenn vorhandene zu unterdrücken. Die Kanzlerin reüssierte mit einer hidden story, die zu erzählen entweder zu langweilig oder zu gefährlich war. Wir wissen es nicht.

Der SPD-Mann Schulz hat eine Story. Dass er bei seinen Zuhörern Widersprüche abdeckt, hat mit dieser Story voller Widersprüche zu tun. Wer Widersprüche abdeckt, fängt alle ein.

In diesem Sinne, gleichviel wie der Wahlkampf ausgeht, steht Martin Schulz für das Ende der alternativlosen Welt der Angela M.