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Originalausgabe

1. Auflage 2017

© 2017 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

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Redaktion: Christiane Otto

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: unter Verwendung von Mario7/shutterstock.com

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, München

ISBN Print 978-3-7423-0370-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-884-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-885-1

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Inhalt

Inhalt

Vorwort

A

B

C

D

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

O

P

Q

R

S

T

U

V

W

X

Z

Vorwort

Unsere Sprache ist einer steten Veränderung unterworfen und genauso, wie beinahe täglich neue Wörter entstehen (man denke nur an die Jugendsprache), verschwinden andere ganz aus unserem aktiven Wortschatz. Dieses Buch möchte einige von ihnen aus der Mottenkiste der Sprache hervorholen.

Darunter finden sich Ausdrücke, die man in der heutigen Zeit noch nie gehört hat, obwohl sie eigentlich zum Grundwortschatz der deutschen Sprache zählen. Aber auch Raritäten, die nur über ein paar Jahrzehnte im Sprachgebrauch waren und dann plötzlich »ausstarben«, sind zu finden. Das Verblüffende daran ist, dass es sich gerade bei diesen Ausdrücken um Begriffe handelt, die für die Zeit, in der sie existierten, absolute Schlag- oder Hauptbegriffe waren, um dann ganz plötzlich in der Versenkung zu verschwinden.

Wiederum andere Begriffe sind im alltäglichen Sprachgebrauch völlig unbekannt, während sie in speziellen Bereichen noch immer in Gebrauch sind.

Es ist also teilweise nicht ganz einfach, klare Grenzen zu ziehen. Daher sollen hier all jene Begriffe festgehalten werden, die zumindest im modernen Alltag nicht mehr genutzt werden. Es geht in diesem Buch um den Spaß und das Interesse, das an alten Begriffen geweckt oder auch gezeigt werden kann. Gerade die deutsche Sprache, die auf eine so lange Entwicklung zurückblickt, birgt mit ihren verschiedenen Einflüssen doch so manch einen begrifflichen Schatz, den es sich aufzubewahren lohnt.

A

Aar

Adler.

Der Ursprung des seit dem 8. Jahrhundert bekannten Begriffs findet sich im altgriechischen Wort »argòs«, was so viel wie »schnell, beweglich« bedeutet. Wahrscheinlich wurde dabei Bezug auf die Wendig- und Schnelligkeit der Tiere genommen.

Im 12. Jahrhundert wurde der »Aar« dann von dem »adelar« weitgehend verdrängt, hielt sich aber bis in das 16. Jahrhundert hinein. In diesen vier Jahrhunderten wurde der Begriff in seiner Bedeutung so verändert, dass man ihn eher in Bezug auf andere Vogelarten verwendete. Im 18. Jahrhundert wurde der Aar dann für einige Zeit vor allem im poetischen Bereich wieder eingeführt, starb dann aber im Laufe der Zeit doch letztendlich aus.

Aalen

Rohrreinigung.

Im 19. und 20. Jahrhundert gebräuchlicher Begriff, der als Synonym für die Rohrreinigung verwendet wurde. Ein verstopftes Rohr wurde geaalt, indem man das lebende Tier (den Aal) hindurchschickte.

Abba

Anrede für den Vater.

In diesem Fall wird sich der ein oder andere wundern und denken, dass es doch eher übertrieben wäre, den Namen der weltbekannten Band, die sich gerade mal 1982 getrennt hat, als ausgestorbenes Wort zu bezeichnen. Was aber nicht jeder weiß, ist, dass das Wort »Abba« früher eine ganz bestimmte Bedeutung hatte und seinen Ursprung im Aramäischen (der Vater) hat. Erst durch die Übersetzungen des neuen Testaments gelangte es in den üblichen Sprachgebrauch und stand für den Gottvater. Der Begriff wurde laut den Überlieferungen insbesondere von Jesus selbst gebraucht, wenn er von Gott, dem Vater sprach. »Abba« war also auf der einen Seite eine exklusive Anrede des Sohnes, bei der Sprachwissenschaftler davon ausgehen, dass diese wiederum auf eine kindliche Aussprache des Wortes »Ab« (Vater) zurückzuführen ist. Auf der anderen Seite war es die für alle Christen allgemein gültige Anrede für den Vater Gottes. Dieses Teilen einer im Grunde genommen dem einzigen Sohn vorbehaltenen Anrede seines Vaters beinhaltete die symbolische Wirkung des generellen Teilens und damit eine der Grundbotschaften des Christentums. Doch nicht nur das. Durch die gemeinschaftliche Nutzung des Namens Abba konnte zusätzlich symbolhaft die Zusammengehörigkeit aller Glaubenden gezeigt werden – die Kinder Abbas hatten sich zusammengeschlossen und waren dadurch alle Kinder Gottes.

Abba war also nicht nur der Name einer Band, sondern ist eine Bezeichnung, die ihren Ursprung bereits vor Christi Geburt hatte. Sie zählt damit zu einem der ältesten Begriffe überhaupt, der noch bis ca. zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts in manchem jüdischen Haushalt umgangssprachlich für den Vater verwendet worden sein soll.

Abäthmen

Das ›Atmen‹ von frisch bearbeitetem Metall.

Im 19. Jahrhundert gebräuchlich, um das »Atmen« des Materials bei Metallarbeiten zu beschreiben. Gemeint war damit, dass das für die Verarbeitung heiß gemachte Metall auskühlen musste, bevor es fertig war. Es musste »Athem« fassen, um seine Form zu festigen.

Abäugeln

Synonym für liebäugeln.

Der Begriff wurde im 19./20. Jahrhundert oft verwendet, um zu beschreiben, auf welche Weise etwas erreicht wurde. Vergleichbar mit dem heute noch existierenden »liebäugeln« konnte man jemandem etwas abäugeln. Man könnte auch sagen »durch gefällige Blicke etwas abschwatzen«.

Abhold

Etwas abgeneigt sein.

Die Bezeichnung »Abhold« findet ihren Ursprung im Mittelhochdeutschen »abholt«. Man drückte damals einen gewissen Unmut gegenüber Zuständen oder Vorgängen aus: »Ich bin dieser Person abhold.«

Abtritt

Veraltete Bezeichnung für Toilette.

Der »Abtritt« war sozusagen der altertümliche Vorgänger der heutigen Toilette. Im Mittelalter gab es diverse Möglichkeiten, wie ein Abtritt aussah und wo er zu finden war. Anfangs handelte es sich zum Beispiel bei den Abtritten auf dem Land um Bereiche im Freien, die ein Stück weit von den Wohnhäusern entfernt errichtet wurden. Meistens waren dies einfache Hockgruben, in denen das tägliche Geschäft verrichtet werden konnte.

In Burgen gab es in dem Bereich des Abtritts eigens angebrachte Rohre, durch die die Verrichtungen gleich direkt in den Burggraben geleitet werden konnten.

Teilweise wurden auch getrennte Räume eingerichtet, in die Sitze gebaut wurden, sodass die Notdurft nicht im Stehen verrichtet werden musste. Die Hinterlassenschaft wurde in diesen Fällen in einer Grube unter den Sitzen aufgefangen und mit Erde oder Asche vermischt. Die Gruben wurden regelmäßig entleert, wobei ihr Inhalt als Dünger diente. Diese Jauchegruben waren auch im 19. Jahrhundert noch die »Auffangbehältnisse« der auf dem Abtritt verrichteten Geschäfte. Erst im 20. Jahrhundert, als sich der Begriff der Hygiene entwickelte, erkannte man die Gefahr, die von den Abtritten ausging, was zur sukzessiven Schließung führte und das neue Zeitalter der Toiletten einläutete.

Abwendig

Synonym für abspenstig.

Wenn man jemandem etwas ausreden, abspenstig machen wollte, benutzte man früher gelegentlich die Bezeichnung »abwendig«. Man wendete sich von etwas oder einer Person ab. Der Begriff wurde im Laufe der Zeit aber vollständig von seinem Synonym abgelöst.

Adlatus

Gehilfe, Laufbursche.

Der Adlatus ist eine Zusammensetzung aus dem Lateinischen »ad latus«, was so viel wie »zur Seite stehend«, »Gehilfe« meint. Die Bedeutung des Wortes war durchaus dehnbar und konnte somit in verschiedenen Bereichen benutzt werden. Der Adlatus war der Beistand, der Gehilfe in allen Belangen, hatte aber auch immer einen leicht negativen Ruf. Denn meistens gebrauchte man den Begriff, wenn man damit auch eine gewisse Geringschätzung ausdrücken wollte. Im Grunde war er vergleichbar mit dem Laufburschen. Aus diesem Grund wird das Wort auch seit ca. der Mitte des vergangenen Jahrhunderts im Zuge der Political Correctness nicht mehr gebraucht.

Alefanz

Veralteter Begriff für einen harmlosen Scherz.

Der aus dem Mittelhochdeutschen (von: »alefanzen«, »alfanzen«) stammende Begriff wurde hauptsächlich im umgangssprachlichen Bereich genutzt, wenn es darum ging, eine eher harmlose Betrügerei oder einen Schwindel zu bezeichnen. Mit der Zeit wandelte sich die Bedeutung hin zum Schelmischen, Närrischen und bekam dadurch wieder eine positivere Bedeutung. Der Alefanz war ein nicht ernst zu nehmender Scherz, in etwa vergleichbar mit den Aktionen eines Hofnarren. Deshalb war auch niemand, der den Begriff verwendete, tatsächlich verärgert oder wirklich um etwas betrogen.

Allerenden

Veralteter Ausdruck für »überall« und »allgemein«.

Umgangssprachlich wurde der Begriff zum Beispiel durch »an allen Ecken und Enden« ersetzt. »Allerenden« wurde bis ca. zum Beginn des 20. Jahrhunderts gebraucht, ist aber seitdem zumindest aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden.

Allmende

Ein Gemeinschaftsbesitz, meist im landwirtschaftlichen Sektor.

»Allmenden« existieren zwar auch heute noch, vor allem in ländlichen Gebieten, werden aber nicht mehr als solche bezeichnet. Man spricht heute von »Gemeinschaftsgut« oder einem »Genossenschaftsbesitz«. Ursprünglich waren damit Gebiete gemeint, die zur Nutzung der Gemeindemitglieder zu privaten Zwecken dienten. Dabei handelte es sich unter anderem um Dorfplätze oder Wälder.

Der Begriff wurde früher auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel in den Wirtschaftswissenschaften, verwendet. Hier wird er aber inzwischen durch den Anglizismus »common« ersetzt.

Altvordere

Respektvolle Bezeichnung älterer Menschen, Gemeindemitglieder.

Als »Altvordere« wurden hauptsächlich ältere Menschen bezeichnet, die sich in der Gemeinschaft verdient gemacht hatten. Durch den Begriff konnten höchstes Lob, Anerkennung und Wertschätzung ausgedrückt werden. Es war eine Ehre, wenn man beim Eintritt in den Lebensabend als Altvorderer betitelt wurde.

Der Begriff stammt von dem mittelhochdeutschen »altfordero« und konnte sich sowohl auf Personen (Ahnen) als auch auf Vereinigungen (zum Beispiel Parteien) beziehen. Dabei war nicht festgelegt, ob die so bezeichnete Person oder Vereinigung noch existierte oder nicht. So wurden die Altvorderen zum Beispiel oft auf diverse Veranstaltungen eingeladen. Es war aber genauso üblich, die Altvorderen zu ehren, die nicht mehr lebten, und zu ihrem Gedenken Versammlungen und Feste abzuhalten.

Angebinde

Schleifengebinde für Wöchnerinnen, das Taufgeschenk.

Der Begriff entstand zur Zeit der Ritter, als diese, wenn sie in den Kampf zogen, eine »Anbinde« von ihrer Verehrerin an den Arm gebunden bekamen. Das aus Stoff gefertigte Band sollte den Liebsten beschützen und daran erinnern, dass seine »Angebetete« auf ihn wartete. Außerdem diente der Schmuck als eine Art Glücksbringer, um den Kampf möglichst unversehrt zu überstehen.

Im 16. Jahrhundert veränderte sich sowohl das Wort als auch der Brauch. Nun sprach man von dem »Angebinde«, das in Form von Schleifen an Wöchnerinnen gebunden wurde. Sie sollten so zu Gesundheit und Glück verhelfen. Interessanterweise entwickelte sich im Laufe der Zeit aus dem Brauch des Angebindes dann die bis heute überlieferte Tradition des Taufgeschenkes. Hintergrund dafür war, dass man den Wöchnerinnen irgendwann anstelle der Schleife ein Tüchlein schenkte, in dem Geldstücke eingenäht waren.

In der Zeit der Romantik verstand man unter einem Angebinde aber auch generell ein kleines Geschenk, das nicht im direkten Zusammenhang mit einer Geburt stehen musste.

Anger

Platz im Dorf, auf dem sich die ansässigen Bewohner treffen konnten.

Meistens handelte es sich bei dem »Anger« um eine Grünfläche in der Dorfmitte, die mit Sitzgelegenheiten wie Bänken ausgestattet war. Der »Anger« war somit auch eine Art »Allmende« ( Allmende). Seinen Ursprung findet der Begriff bereits im Germanischen »vangr«, wandelte sich im Althochdeutschen dann zum »angar« (Biegung, Bucht), bis er später im Mittelhochdeutschen zum »anger« wurde.

Zur Zeit der Germanen lag der Anger oft noch außerhalb der Siedlungen und wurde von den Bewohnern als Fest- oder Richtplatz verwendet. Auch für kulturelle Riten war der Anger der richtige Treffpunkt. Zu dieser Zeit handelte es sich allerdings meist noch um bestimmte Wiesen oder sonstige naturbelassene Areale, die dafür auserkoren wurden. Der Anger war also ein Ort der Zusammenkunft aller Bewohner, an dem sämtliche die Gemeinschaft betreffende Belange in Form von Versammlungen abgehalten wurden.

Der Anger war dann später als Mittelpunkt eines Dorfes, im Mittelalter vor allem in Südosteuropa und dem östlichen Mitteleuropa, verbreitet. Deshalb ist das Wort »Anger« auch bis heute noch als Namenszusatz in vielen Dörfern zu finden, wird aber im gängigen Sprachgebrauch nicht mehr als solcher genutzt. Im Zuge der Vergrößerungen der meisten Ortschaften wurden die meisten Anger nicht nur aus der Sprache, sondern auch aus den Dörfern getilgt, sodass der Zusatz im Ortsnamen meistens der einzig verbliebene Hinweis ist.

Auf dem Kiewief sein

Umgangssprachlicher Ausdruck für »auf etwas aufpassen«, »auf der Hut/auf Zack sein«.

Ein hauptsächlich im Plattdeutschen und in der Berliner Gegend gebräuchlicher Ausdruck. Entstanden ist er aus dem Ausspruch »être sur le qui-vive« der französischen Soldaten während des Krieges. Damals handelte es sich mehr um eine Art Befehl: Der wachhabende Soldat solle die Augen offen halten, bzw. gut informiert sein.

Mit der Zeit wurde der Ausdruck eingedeutscht und übernommen. Jemand, der »uffm« oder »op’n Kiewief« war, galt als schlaues, pfiffiges Kerlchen, dem nichts entging. Gerade im Dialekt konnte sich der Kiewief bis ca. Mitte des 20 Jahrhunderts halten, ist aber seitdem auch hier nicht mehr gebräuchlich.

Ausbaldowern

Synonym für »etwas auskundschaften«, aushecken.

Das eher saloppe Verb »ausbaldowern« hat eine weit längere Vergangenheit hinter sich, als man denken möchte. Man kann seine Entstehung bis ins Jiddische als eine Zusammensetzung von »bal« (Mann/ Herr) und »dowor« (Sache) zurückverfolgen. Ein »baldowor« war somit der Herr der Sache, was bedeutete, dass es sich um jemand gut Informierten handelte.

Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff hauptsächlich in der Gaunersprache als »Baldower«, was so viel wie »Anführer« bedeutete, verwendet. Gemeint war damit das Oberhaupt einer Gaunersippe. Aus dem »Baldower« wurde dann der Begriff »ausbaldowern«. Denn es war schließlich immer der Anführer einer Diebestruppe, der wichtige Informationen einholte und sich einen Überblick über die Lage verschaffte, bevor zugeschlagen werden konnte. Gleichzeitig bedeutete »ausbaldowern« aber auch so viel wie planen, aushecken. Auch diese Tätigkeiten fielen in den Bereich des Anführers. Die Verwendung des Begriffes in der Gaunersprache hat ihm auch bis zum Schluss den negativen Beigeschmack eingebracht. Denn immer wenn etwas »ausbaldowert« wurde, war jedem klar, dass es sich dabei um etwas handeln musste, was nicht unbedingt mit der geltenden Rechtsprechung konform ging.

Obwohl heute wahrscheinlich noch mindestens genauso viel ausbaldowert wird wie früher, wird das Wort seit ca. Mitte des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr dafür benutzt. Dies ist leider ein weiteres Beispiel dafür, wie immer mehr charmante und althergebrachte Begriffe neutralen und diplomatischen Wortschöpfungen weichen mussten.