cover

Nina Taphorn

Von der Straße auf die Couch

Glücklich werden mit Hunden aus dem Süden

© 2017 KYNOS VERLAG Dr. Dieter Fleig GmbH

Konrad-Zuse-Straße 3, D-54552 Nerdlen / Daun

Telefon: 06592 957389-0

Telefax: 06592 957389-20

www.kynos-verlag.de

Grafik & Layout: Kynos Verlag

eBook (epub) Ausgabe der Printversion 2017

ISBN-eBook (epub): 978-3-95464-147-5

ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-95464-131-4

Bildnachweis: Alle Bilder inkl. Titelbild Stefan Kirchhoff außer:

S. 102 – 110 Nina Taphorn; S. 42 Ute Lobüscher;

S. 51 – 55, 58 – 67, 72, 80 – 84 www.tierfotografie-winter.de;

S. 35 fotolia@Ermolaev Alexandr; S. 37 fotolia@ballbeyla;

S. 38 fotolia@nakaba; S. 40 fotolia@aquatarkus;

S. 45 istockphoto@dashabelozerova, S. 46 fotolia@Daniela Jakob;

S. 56 fotolia@grizzlybaerin; S. 95 fotolia@Carola Schubbel;

S. 112 fotolia@chalabala

images

Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie die Kynos Stiftung Hunde helfen Menschen

www.kynos-stiftung.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Haftungsausschluss: Die Benutzung dieses Buches und die Umsetzung der darin enthaltenen Informationen erfolgt ausdrücklich auf eigenes Risiko. Der Verlag und auch der Autor können für etwaige Unfälle und Schäden jeder Art, die sich bei der Umsetzung von im Buch beschriebenen Vorgehensweisen ergeben, aus keinem Rechtsgrund eine Haftung übernehmen. Rechts- und Schadenersatzansprüche sind ausgeschlossen. Das Werk inklusive aller Inhalte wurde unter größter Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Druckfehler und Falschinformationen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Der Verlag und auch der Autor übernehmen keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte des Buches, ebenso nicht für Druckfehler. Es kann keine juristische Verantwortung sowie Haftung in irgendeiner Form für fehlerhafte Angaben und daraus entstandene Folgen vom Verlag bzw. Autor übernommen werden. Für die Inhalte von den in diesem Buch abgedruckten Internetseiten sind ausschließlich die Betreiber der jeweiligen Internetseiten verantwortlich.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel I: Wer ist der Hund aus dem Süden?

Straßenhund, Streuner, Tierheimhund?

Hunde, die einen Besitzer haben oder hatten

Straßenhunde

Hunde in Tierschutzstationen und Tierheimen

Die südlichen Rassen und Mixe

Herdenschutz- und Hofhunde

Jagdhunde

Gesellschafts- und Schoßhunde

Hütehunde

Kapitel II: Warum ein Hund aus dem Süden?

Kapitel III: Prägung und Sozialisation

Die ideale Kinderstube

Die rätselhafte Kinderstube

Als Familienmitglied nicht geeignete Hunde

Kapitel IV: Die Aufgabe erkennen

Erkenne den Hund

Erkenne Dich selbst

Kapitel V: Ein scheuer Hund wird zahm

Die Bindung

Bindung herstellen

Vierbeiner werden

Handrücken benutzen

Soziale Signale

Krebsgang, Zwangsjacke und Seitenblick

Aus der Hand füttern

Rückzug gewähren

Bindung festigen

Rituale

Körperkontakt ausbauen

Spiele und Rollentausch

Alle für einen, einer für alle

Fallen vermeiden

Vergangenheit statt Zukunft

Meideverhalten von beiden Seiten

Gespenster sehen

Nutzlose Rituale

Im Dschungel der Körpersprache

Kapitel VI: Team-Bildung

Spaziergänge an der Leine

Die neue Welt zeigen

Die Leitung übernehmen

Voraussetzungen für Leinenführigkeit

Voraussetzungen für den Rückruf

Freiheit begrenzen

Entspannung

Orientierung fördern

Augen geradeaus

Ablenkungen ignorieren

Blickkontakt einüben

Das Schweigen im Walde

Toleranz aufbauen

»Bleib, wo du bist«

Groß, aber harmlos

Hampelmann

Talente fördern

Klettermaxe

Schnüffelnase

Laufwunder

Fallen vermeiden

Der Hund macht seine eigenen Übungen

»Bitte guck doch mal!«

Nichts geht mehr

Überfordern

Lobeshymnen

Kapitel VII: Häufig gestellte Fragen

Braucht der Hund aus dem Süden Artgenossen?

Kann der neue Hund allein bleiben?

Wird das Jagdverhalten auf andere Objekte übertragen?

Wie klappt die Stubenreinheit?

Wie geht der Hund mit der ungewohnten Kontrolle um?

Wie kommt der Hund mit dem Klima zurecht?

Kapitel VIII: Die Geschichten von Schinski, Lissy und Nino

Der Schinski

Lissy

Nino

Kapitel IX: Die Einfuhrbestimmungen für Hunde aus dem Ausland

Die erleichterten Reisebestimmungen für die private Verbringung

Die EU-Verordnungen für gewerbliche Verbringungen

Kapitel X: Die »Reisekrankheiten«

Über die Autorin

Zum Weiterlesen bzw. -schauen

Danksagung

Einleitung

Als im Herbst des Jahres 2005 im Kynos-Verlag mein Buch »Von der Straße auf die Couch – Streuner aus dem Süden als Familienhunde« erschien, war die Aufnahme von südländischen Hunden durch deutsche Hundeliebhaber zwar nicht mehr ganz neu, aber noch lange nicht so verbreitet wie heutzutage.

Es gilt jedoch immer noch als größeres Wagnis, einen Hund aus dem Tierheim statt eines Welpen vom Züchter zu holen. Kommt der Tierheimhund aus dem Ausland, wird oftmals angenommen, er sei in seiner Heimat gequält worden. Die Auslandshunde bilden deshalb unter den »Second-Hand-Hunden« die Gruppe mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad. Trotzdem sollen, so die verbreitete Mär, Liebe und Geduld ausreichen, um den Hund erfolgreich in sein neues Leben zu integrieren. Ein Widerspruch, der wahrscheinlich aus der emotionalen Betroffenheit entsteht, mit der wir hilflos vor den Elendsbildern von verletzten Hunden in Tötungsstationen, in Kettenhaltung, etc. stehen.

Das Verhalten von Hunden wird von vielen Faktoren beeinflusst und geformt. Neben Prägung und Sozialisation sind dies der persönliche Charakter und die Erfahrungen, die der Hund macht. Es ist individuell, wie aufgeschlossen ein Hund Neuem gegenübertritt oder wie viele Misserfolge er verkraftet, ohne eine Sache aufzugeben. Einigen Hunden kann man mit einem Hüsteln Grenzen setzen, andere brauchen deutlichere Ansagen. Einige vertragen viel Körperkontakt, andere müssen lernen, sich berühren zu lassen. Auf einen unsicheren Hund wirken schlechte Erfahrungen völlig anders als auf einen selbstbewussten. Letzterer ist schlicht schwieriger zu beeindrucken.

Es gibt deshalb kein einfaches Kochrezept, wie man mit Hunden aus dem Ausland am besten umgeht. In diesem Buch unternehme ich trotzdem den Versuch, einen Leitfaden herauszuarbeiten. Unter Berücksichtigung der Faktoren, die den Umgang mit dem Einwanderer aus dem Süden so komplex machen, möchte ich aufzeigen, was den Südhund besonders macht und wie man damit am besten zurechtkommt. Es geht vor allem darum, die Bedürfnisse des Hundes wirklich zu sehen, anstatt sie allgemeinen Annahmen oder den eigenen Bedürfnissen unterzuordnen nach dem Motto, Hauptsache gut gemeint.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit mit Ihrem Hund!

Ihre Nina Taphorn

images

images

Kapitel I

Wer ist der Hund aus dem Süden?

Straßenhund, Streuner, Tierheimhund?

»Hunde aus dem Süden sind allesamt Straßenhunde, meistens unterernährt, von den Menschen verfolgt und gemieden und eher bemitleidenswerte, kranke Kreaturen.« Diese weit verbreitete Ansicht bezieht sich nur auf einen kleinen Teil der Hunde. Die Wirklichkeit ist weit komplexer. Was sind das wirklich für Hunde, die von Tierschutzorganisationen nach Deutschland gebracht werden, um hier ein Zuhause zu finden?

Hunde, die einen Besitzer haben oder hatten

Diese Hunde dürften einen großen Teil der Hundepopulation auf südländischen Straßen ausmachen. Sie wurden entweder ausgesetzt, nicht mehr versorgt oder sie verbringen den Tag außerhalb von Haus und Hof und kommen erst abends wieder. Irgendwo herumlaufende Hunde sind in vielen südlichen Ländern eine Selbstverständlichkeit. Sie werden meist toleriert, solange sie keinen Schaden anrichten. So tauchte beispielsweise vor ein paar Jahren eine mittelgroße Hündin in der Wohnstraße einer südspanischen Kleinstadt auf. Sie wurde nicht weiter beachtet, eine Familie fütterte sie sogar. Doch dann begann sie, die Brötchentüten zu klauen, die der Bäcker morgens an die Haustürklinken hängte. Daraufhin rief jemand den Hundefänger. Die Hündin wurde eingefangen und abtransportiert.

Straßenhunde

Hunde, die irgendwo draußen auf dem Land oder in Städten Welpen bekommen, sind nicht unbedingt Straßenhunde. Oft ist es den Besitzern egal, wenn ihre Hündin bei jeder Hitze gedeckt wird. Entweder überleben die Welpen, oder nicht. Entweder finden sich neue Besitzer – oder nicht.

images
images
images

Schon fast ein Klischeebild: Hündin mit Welpen und ringsum Müll.

Wirkliche Straßenhunde sind schwer zu definieren. Manche Hunde haben keinen Besitzer, oder aber viele, weil sich gleich mehrere Leute kümmern. Die herrenlosen Hunde werden da gefüttert, dort lässt man sie im Hof schlafen und woanders werden sie angelockt, um sie zu streicheln. An einigen Orten sind sie unerwünscht und werden vertrieben.

Manchmal gibt es außerhalb von Städten ganze Hundeversammlungen, die auf die tägliche Fütterung durch Menschen warten. Von Menschen abgeschieden lebende Hunde, die sich in Gruppen organisieren und so ein komplett eigenständiges Leben führen, sind eher selten. Diese Hunde können starke territoriale Aggression entwickeln, wenn sie beispielsweise den Müllberg, der ihr Revier ist, gegen Eindringlinge, auch menschliche, verteidigen. Solche Hunde kommen nicht in die Vermittlung, da sie kaum einzufangen und als Haushunde nicht zu halten sind.

images

Manche Straßenhunde werden von Freiwilligen täglich gefüttert und finden sich zu festen Zeiten an den bekannten Orten ein.

Hunde in Tierschutzstationen und Tierheimen

In südlichen Ländern ist es häufig üblich, Hunde, die nach einer gewissen Zeit keinen Besitzer gefunden haben, zu töten. Daher stammt der Name »Tötungsstation«, obwohl es sich bei diesen Zwingeranlagen eigentlich um kommunale Tierheime handelt.

In Italien ist es schon seit längerer Zeit verboten, Tierheimhunde zu töten. In Rumänien wurde das kurz nach einem tödlichen Beißvorfall im Jahr 2013 wieder eingeführte Töten von Straßenhunden im Jahr 2014 für gesetzeswidrig erklärt, das Töten also faktisch wieder verboten. Tierschützer beklagen jedoch, dass sich in Rumänien nicht an das Tötungsverbot gehalten wird.

images

Diese Straßenhunde sind wohlgenährt.

Leider geht es den Hunden auf der Straße und in Tierheimen durch ein Tötungsverbot nicht viel besser. In Rumänien sorgen hohe Fangprämien für Hunde dafür, dass es kein Interesse an einem wirksamen Tierschutz geben kann. Wenn dann, wie es auch von Italien berichtet wird, staatliche Hilfen für Tierheime es zu einem lukrativen Geschäft werden lassen, Hunde in großer Zahl möglichst kostengünstig einzusperren, braucht man nicht mehr viel Fantasie, um sich vorzustellen, in welchem körperlichen und psychischen Zustand und unter welchen Bedingungen die Hunde in staatlichen Tierheimen leben müssen.

Im Tierheim bzw. in der Tötungsstation landen die Hunde, die vom Hundefänger eingefangen werden, ebenso wie Besitzerhunde, die nicht mehr erwünscht sind und dort abgegeben werden. Tierschützer betreiben eigene Tierheime und Auffanggehege und unterliegen keinem Tötungszwang.

Hunde, die in Deutschland zur Vermittlung kommen, stammen in der Regel aus staatlichen, bzw. kommunalen Tierheimen, wenn es Tierschützern gelingt, mit den Betreibern zusammen zu arbeiten, oder aus privaten Gehegen oder Pflegestellen. Tierschützer fangen auch Hunde, die streunend herumlaufen, zur Vermittlung ein oder es werden ihnen Hunde gebracht. Gelegentlich gelingt es ihnen, einem Besitzer seinen Hund abzuschwatzen oder einen Wurf Welpen mitzunehmen. Manchmal kommen streunende Hunde auch zu Tierauffanglagern gelaufen, weil sie mitbekommen haben, dass es dort Futter gibt.

Da es in südlichen Ländern nur wenige Menschen gibt, die sich einen Hund aus dem Tierheim holen, ist die allererste Vermittlungsoption für die Hunde die Reise nach Nordeuropa.

Die südlichen Rassen und Mixe

images

In den Tierheimen der Länder Süd- und Südosteuropas finden sich häufig Hunde einheimischer Rassen und deren Mischlinge. Es gibt aber auch Modeströmungen, die bewirken, dass ausländische Hunderassen wie z. B. die Französische Bulldogge und der Mops in Zoogeschäften angeboten werden. Diese Hunde sind aber seltener und spielen bei den Hunden aus dem Süden eine geringere Rolle. Sicherlich werden auch Schoß- und Gesellschaftshunde in Tierheimen abgegeben und können dann in die Vermittlung kommen. Werden sie allerdings ausgesetzt, haben es gerade kleine und in ihrer Körpersprache und Gesichtsmimik behinderte Hunde schwer, zu überleben.

Herdenschutz- und Hofhunde

Durch die strengen Gesetze zur Einfuhr und Haltung von Hunden bestimmter Rassen spielen Herdenschutzhunde bei der Vermittlung nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat die umfangreichste Liste von Hunderassen, bei denen von einer besonderen Gefährlichkeit ausgegangen wird. Darauf findet sich neben vielen ausländischen Hunderassen ebenso der Rottweiler. Wer in diesem Bundesland einen Hund über 40 cm Stockmaß und 20 kg Körpergewicht halten möchte, ist gut beraten, zunächst beim Innenministerium nachzufragen, ob mit Auflagen und Wesenstests zu rechnen ist.

Im Süden und Südosten Europas ist es durchaus üblich, Herden von Ziegen oder Schafen von Herdenschutzhunden bewachen zu lassen. Es sind keine Herdenschutzhunde nach den Rassestandards des FCI, sondern Hunde, die rein nach Nützlichkeit gezogen und bei weitem nicht so behäbig und behaart gewünscht werden, wie es dem Rassestandard entspricht. Solche Hunde und deren Mischlinge findet man sehr viel in Rumänien. In Spanien sind Mastiffs gerne gesehene Hofhunde, obwohl sie ursprünglich Herdenhunde sind. Auch Pyrenäenhunde kommen gelegentlich zur Vermittlung.

Aus Rumänien kommen neben Herdenschutzhunden viele Hof- und Wachhunde mit spitzartigem Aussehen, deren Wachsamkeit, gerade wenn noch etwas Herdenschutzhund in ihnen steckt, nicht unterschätzt werden sollte. Zahlenmäßig weniger vertreten in der Vermittlung sind der italienische Herdenhund aus der Maremma und der Kangal, der in der Türkei seine Heimat hat.

images