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CAVALETTITRAINING
FÜR HUNDE

GYMNASTIK UND ABWECHSLUNG
FÜR JEDERHUND

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(Foto: Dr. Udo Recker)

Steffi Rumpf

CAVALETTITRAINING
FÜR HUNDE

GYMNASTIK UND ABWECHSLUNG
FÜR JEDERHUND

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Haftungsausschluss

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

Für Bilbo (1995 bis 2013), mein Herzhund ... unvergessen. Für Carte Blanche, für immer in meinem Herzen Für meine Kinder Amelie Arwen und Tristan Torin und meinen Mann Thorsten

IMPRESSUM

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Copyright © 2017 Cadmos Verlag GmbH, Schwarzenbek

Titelgestaltung und Layout: www.ravenstein2.de
Satz: Pinkhouse Design, Wien
Coverfoto: Thorsten Rumpf
Fotos im Innenteil: JBTierfoto, Elke Gruber, Catharina Cordes,
Marie Ferstl, Dr. Udo Recker, Thorsten Rumpf
Lektorat der Originalausgabe: Sylke Schulte

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6445-4

INHALT

Cavalettitraining – was ist das?

Training für jederhund

Vorteile auf einen Blick

Material

Voraussetzungen und Grundlagen

Die Gangarten des Hundes

Bodenbeschaffenheit

Witterung

Feststellen der individuellen Schrittlänge des Hundes

Stangenhöhe

Motivation

Erste Schritte

Trainingseinheit Nummer eins

So geht es weiter

Schritt, Trab ... Galopp!

Geschwindigkeit

Trainingsdauer

Einsatzmöglichkeiten

Gymnastizierung

Muskelaufbau

Konditionsaufbau

Gangschulung

Die physiotherapeutische Arbeit

Weitere therapeutische Einsatzmöglichkeiten

Training mit Welpen und alten Hunden

Training mit übergewichtigen Hunden

Sprungtraining

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(Foto: JBTierfoto)

Anregungen zum Übungsaufbau

Geraden in Schritt und Trab

Gebogene Linien

Fühlgasse

Erweitertes Galopp- und Sprungtraining

Steigungstraining

Geschicklichkeitsübungen

Übungen für Fortgeschrittene

In den Strecken anhalten

Lange Gerade

Klettern

Slalom um Cavaletti

Naturstangen/Geländetraining

Zwischen (rechts/links oder vorn/hinten)

Pfoten seitlich kreuzen

Elefant

Schnecke

Wellen

Cavagility

Troubleshooting/Fehlervermeidung

Der Hund tritt mit den Hinterbeinen auf oder gegen die Stangen

Der Hund tritt mit den Vorderbeinenauf die Stangen

Der Hund bricht seitlich aus den Trainingsreihen aus

Der Hund verweigertdie Cavaletti

Der Hund springt über ein oder mehrere Cavaletti

Der Hund geht nicht in den gewünschten Gangarten

Anhang

Über die Autorin

Danke

CAVALETTITRAINING – WAS IST DAS?

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(Foto: Elke Gruber)

Als Cavaletti bezeichnet man im Reitsport – und da kommt es her – niedrige Bodenricks, bestehend aus quer liegenden Stangen mit Halterungen, die in einer Reihe hintereinander aufgestellt werden. Der Begriff leitet sich von dem italienischen Wort „Cavaletto“ ab, was so viel wie „Pferdchen“ bedeutet. Das Cavalettitraining ist im Pferdesport bereits seit Langem etabliert. Das gleichmäßige Überlaufen – nicht Überspringen! – der leicht erhöht liegenden Stangen dient dazu, Takt, Schwung und Raumgriff zu erhalten und zu verbessern, das Gleichgewicht zu schulen und die Konzentrationsfähigkeit des Pferdes zu fördern. Zudem lernt das Pferd, seinen Rücken aufzuwölben und zu dehnen; verschiedenste Muskeln werden trainiert.

Cavaletti kommen sowohl in der Ausbildung junger Pferde als auch beim Training erfahrener Pferde aller Sparten (Dressur, Springen, Freizeit) zum Einsatz. Die Pferde lernen bei der Cavalettiarbeit, ihren Körper auszubalancieren und ihr Gewicht besser zu tragen. So werden Blockaden vermieden oder, falls bereits vorhanden, gelöst.

Bei Hunden hat das Cavalettitraining die gleichen positiven Effekte. Was genau wir mit der Arbeit an den Cavaletti bei unseren Hunden erreichen können und trainieren wollen, werde ich im Verlauf des Buches ausführlich erklären. So viel vorweg:

Durch gezieltes Cavalettitraining und gegebenenfalls physiotherapeutische Begleitung lässt sich die Leistungsfähigkeit von Sporthunden verbessern, Verletzungen wird vorgebeugt, ältere oder körperlich eingeschränkte Hunde können sinnvoll trainiert und mobilisiert werden und die Leistung, Konzentrationsfähigkeit und Bewegungsfreude jedes Hundes wird zunehmen.

TRAINING FÜR JEDERHUND

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(Foto: Catharina Cordes)

Cavalettitraining ist nahezu das einzige Training, bei dem wir aktiv die Bauchmuskulatur (und somit indirekt auch den Rücken) trainieren können. Schon deshalb sollte es zum Standardprogramm zur Gesunderhaltung unserer Hunde gehören!

Sofern Cavalettitraining sinnvoll und dem Hund angepasst betrieben wird, kann nahezu jeder Hund an den Stangen arbeiten, wenn es ihm Spaß macht. Es gibt nur wenige Einschränkungen.

So sollten sehr alte Hunde und Welpen nur über am Boden liegende Stangen laufen, und das auch nur im Schritt. Hunde mit chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparats wie Ellenbogengelenk- oder Hüftgelenkdysplasie dürfen nur nach Rücksprache mit dem Tierarzt und/oder unter Aufsicht eines Physiotherapeuten über leicht erhöhte Stangen (zwei bis drei Zentimeter) geführt werden. Stangen am Boden sind auch hier unbedenklich. Es ist zudem abzuklären, ob die Hunde nur Schritt gehen sollen oder auch traben dürfen. Mit Galoppstangen sollte in diesen Fällen nicht trainiert werden, da es sich beim Galopp um eine gesprungene und damit den Bewegungsapparat stark belastende Gangart handelt.

Dreibeinige Hunde können nicht über Cavaletti trainiert werden. Sie müssten immer ein Stück weit springen und würden dadurch jedes Mal aus ihrem individuellen Gleichgewicht gebracht, was eindeutig eine Überbelastung der verbleibenden Gliedmaßen zur Folge hätte.

Ebenso sollten lahmende Hunde nicht an den Cavaletti arbeiten, außer dies wird von einem erfahrenen Tierarzt oder Tierphysiotherapeuten im Rahmen einer Therapie empfohlen und begleitet. In Eigenregie sollte man hier keinesfalls herumprobieren. Unter Umständen kann gezieltes Cavalettitraining zum Wiedererreichen eines physiologischen Gangbildes beitragen, denn die Hunde müssen an den Cavaletti ihre Schonhaltung aufgeben, um den vorgegebenen Takt einhalten zu können.

Hunde mit bekannten Krebserkrankungen sollten nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt an den Cavaletti arbeiten, auch wenn es ihnen momentan gut geht. Cavalettitraining regt die Durchblutung an, wodurch vorhandene Tumore streuen könnten.

Tragende oder säugende Hündinnen trainieren selbstverständlich ebenfalls nicht an den Stangen. Gut geeignet sind die Cavaletti aber, um die Hündinnen nach dem Absetzen der Welpen wieder zu ihrem ursprünglichen Trainingszustand zurückzuführen.

Übergewichtige Hunde können mithilfe von Cavalettitraining schonend zu mehr Bewegungsfreude „erzogen“ werden und Übergewicht abbauen. Cavalettiarbeit allein reicht aber nicht aus, zumal nur kurze Einheiten über am Boden liegende oder leicht erhöhte Stangen empfehlenswert sind. Zu hohe Stangen würden die ohnehin schon strapazierten Gelenke noch mehr belasten. Eine auf den jeweiligen Hund abgestimmte Diät und ein Trainingsplan, der noch weitere Bewegungsformen enthält, sind notwendig.

Hunden mit sehr langem Rücken und vergleichsweise kurzen Läufen (Dackel, Bassett) kann ein Training im Trab Schwierigkeiten bereiten. Ihnen fehlt in dieser Gangart der nötige Raumgriff, um die Cavaletti zu überwinden. Hier muss man dann ausprobieren und sich gegebenenfalls auf Schrittarbeit beschränken.

Die Abstände zwischen den Stangen wären bei diesen Hunden entweder auf die Rückenlänge oder die Beinlänge abgestimmt, weshalb sie mitunter einzelne Zwischenschritte machen müssen.

Wer – aus welchen Gründen auch immer – im Zweifel ist, ob sich Cavalettitraining für seinen Hund eignet, sollte seinen Tierarzt und/ oder Tierphysiotherapeuten zurate ziehen.

Vorteile auf einen Blick

1.Bereicherung der Ausbildung durch Abwechslung

2.Effiziente Verbesserung der Bewegungsabläufe und des Raumgriffs der Bewegungen

3.Hinterhandaktivierung durch neue Bewegungsreize und kräftiges Abfußen

4.Verbesserung der Kondition/Herz-Kreislauf-Training

5.Muskelaufbau durch gezieltes dynamisches An- und Abspannen nahezu aller Muskelgruppen bei minimaler Belastung

6.Verbesserung von Balance, Koordination, Körperbewusstsein/Körperbeherrschung und Trittsicherheit

7.Bringt mehr Schwung in die einzelnen Gangarten, da das Überwinden der Cavaletti ein stärkeres Abstoßen erfordert

8.Fördert Aufmerksamkeit und Konzentration

9.Verbessert das Taxieren von Abständen (auch im Sprungtraining)

10.Der Hund lernt, Aufgaben eigenständig (ohne dauerndes „Sich-beim-Hundeführer-Vergewissern“) zu lösen/Mitdenken

11.Fördert das Gleichmaß in den Bewegungen; Taktunreinheiten und erlerntes Lahmen werden abtrainiert

12.Rythmusgefühl und Takt des Hundes werden trainiert und er lernt, seinen Rhythmus auch über längere Strecken zu halten

13.Gutes Training für Selbstbewusstsein und Psyche des Hundes, da viele Erfolge und verbessertes Körpergefühl → Wohlfühlen

14.Vorwärts-abwärts-Dehnung der Rückenmuskulatur bei gerade gerichtetem Kopf

15.Aktives Bauchmuskeltraining

16.Verbesserung der Schulterfreiheit durch gezieltes Heben und Strecken

17.Gut mit weiteren Übungen aus dem Sport- oder Physiobereich kombinierbar

18.Sehr wenig belastend, daher auch für Junghunde und Senioren oder viele Handicap-Hunde geeignet

Wichtig

Wie für jede sportliche Betätigung gilt auch für die Arbeit an den Cavaletti, dass der Hund nicht direkt vor dem Training seine Tagesration Futter gefressen haben sollte. Dies könnte im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Magendrehung zur Folge haben. Nach dem Fressen sollte jeder Hund mindestens eine Stunde ruhen, bevor er wieder gezielt bewegt wird.

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1) Dehnen und Aufwölben der Oberlinie /des Rückens
2) Anspannen der Bauchmuskulatur
3) Aktives, dynamisches Abfußen
4) Deutliches Heben
(Grafik: Pinkhouse Design nach Vorlage von Steffi Rumpf)

MATERIAL

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(Foto: Marie Ferstl)

Zunächst einmal benötigen wir Stangen. Bewährt haben sich die meist etwa 1 bis 1,5 Meter langen Holzbesenstiele aus dem Baumarkt. Je nach Größe des Hundes und des zur Verfügung stehenden Geländes können die Stangen auch etwas kürzer sein. 60 Zentimeter sollten aber selbst bei kleinen Hunden nicht unterschritten werden. Geeignet sind auch Rundhölzer (ebenfalls aus dem Baumarkt). Sie sind viel dünner als Besenstiele und können daher besonders beim Training mit kleinen Hunden gut eingesetzt werden. Im Hundefachhandel oder im Fußballbedarf gibt es zudem auch Stangen aus Kunststoff, die sehr langlebig und leicht sind.

Für den Einstieg ins Training wird eine nicht zu lange Gerade aus vier bis maximal sechs Stangen aufgebaut. Weil die Stangen zunächst auf den Boden gelegt werden, sollte man sie mit vier Zeltheringen aus dem Baumarkt fixieren, damit sie nicht wegrollen. Später benötigen wir pro Stange zwei gleich hohe Auflageblöcke, von denen die Stange nicht bei jeder leichten Berührung oder jedem Windhauch herunterrollen kann. Gut geeignet sind kleine Holzklötze mit einer Einkerbung in der Mitte, Hütchen mit verschieden hohen Auflagemöglichkeiten aus dem Fußballbedarf oder die sogenannten Dogstepper. Für kleine Hunde kann man sich aus Lego Duplo® sehr gute Auflagen bauen oder auch selbst Auflagen aus Schwimmnudeln basteln. Eine weitere Möglichkeit ist es, zwei kurze Latten zu einem Kreuz zu verbinden, auf dessen Mitte man dann die Stange auflegen kann.

Zumindest für Anfänger und für Hunde, die zu physiotherapeutischen Zwecken trainieren, sollten die Stangen nicht fest mit den Auflagen verbunden sein. Falls ein Hund stolpert, muss die Stange herunterrollen, oder aber die Hütchen müssen so leicht sein, dass sie mit umfallen, damit keine Verletzungsgefahr besteht.

Bei fortgeschrittenen Hunden sind solche Probleme nicht mehr zu erwarten, weshalb man hier auch mit Cavaletti arbeiten kann, die wie im Pferdesport fest mit einem Auflagenkreuz verbunden sind. Hier kämen auch die Dogstepper zum Einsatz oder Kegel mit Löchern, in die man die Stangen fest hineinstecken kann. Das hat den Vorteil, dass die Höhe der Stange durch Drehen des Kreuzes variiert werden kann und sich die Cavalettistrecken deutlich leichter verändern lassen, da man die Stange samt Auflagen verstellen kann.

Die Auflageblöcke sollten nicht zu breit sein, damit sie nicht zu weit in die Lauffläche des Hundes ragen. Wenn man mit unterschiedlich hohen Stangen trainieren möchte, benötigt man genügend Auflagen in der jeweiligen Höhe. Ich habe mir im Baumarkt Klötze mit den Maßen 12 x 6 x 8 Zentimeter aus einem gewöhnlichen Vierkantholz sägen lassen. Durch Drehen der Klötze kann die Auflagehöhe für die Stangen im Training variiert werden. Für sehr kleine Hunde braucht man möglicherweise noch niedrigere Auflagen. Hier verwende ich das Lego Duplo®.

Für sehr große Hunde und für gesunde Hunde, bei denen der Trainingseffekt gesteigert werden soll, kann man die Auflagen auch noch etwas höher wählen. Voraussetzung ist dann aber, dass der Hund bereits mit der Cavalettiarbeit vertraut ist. Die Stangen sollten in jedem Fall maximal auf Höhe des Sprunggelenks des jeweiligen Hundes liegen (Ausnahme: siehe “Klettern”).

Für einige wenige Hunde (häufig große, eher gemütliche Rassen wie Molosser) kann es sinnvoll sein, statt der Stangen zunächst etwas Massiveres wie dünne Baumstämme oder Vierkanthölzer aus dem Baumarkt ohne Auflagen zu verwenden, da es passieren kann, dass sie die dünnen Stangen nicht ausreichend wahrnehmen und dementsprechend die Pfoten nicht wirklich heben. Mit dickeren Stangen kann man sich und dem betreffenden Hund dann viel Frust ersparen.

Für das Training an Geraden haben sich bei uns spezielle selbst gemachte Cavalettiauflagen aus langen Holzklötzen bewährt.