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BWL Bachelor Basics

Herausgegeben von Horst Peters

Jürgen Stiefl

Kostenrechnung

Unter besonderer Berücksichtigung von kleinen und mittelständischen Unternehmen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die nicht wie ich das Glück hatten, in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1961 das »Licht der Welt« zu erblicken. Wäre ich im gleichen Land z. B. einige Jahrzehnte früher geboren, hätte ich vielleicht den 1. und/oder den 2. Weltkrieg erleben müssen oder hätte ihn nicht überlebt. Wäre ich im Jahr 1961 in einem anderen Kontinent, bspw. in der Mitte Afrikas oder in Indien geboren, hätte ich bestimmt nie die Chance meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung erfahren dürfen.

Ihnen wünsche ich als geneigter Leser dieses Buches auf jeden Fall eine gute Entwicklung.

Sommer 2016

Jürgen Stiefl

 

 

 

 

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-030965-4

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-030966-1

epub:    ISBN 978-3-17-030967-8

mobi:    ISBN 978-3-17-030968-5

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

Geleitwort des Reihenherausgebers

Das vorliegende Lehrbuch ist Teil der Lehrbuchreihe BWL Bachelor Basics. Dieses Buch sowie alle anderen Werke der Reihe folgen einem Konzept, das auf die Leserschaft – nämlich Studierende der Wirtschaftswissenschaften – passgenau zugeschnitten ist.

Ziel der Lehrbuchreihe BWL Bachelor Basics ist es, die zu erwerbenden Kompetenzen in einem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiengang wissenschaftlich anspruchsvoll, jedoch zugleich anwendungsorientiert und kompakt abzubilden. Dies bedeutet:

•  Ein hoher wissenschaftlicher Anspruch geht einher mit einem gehobenen Qualitätsanspruch an die Werke. Präzise Begriffsbildungen, klare Definitionen, Orientierung an dem aktuellen Stand der Wissenschaft seien hier nur beispielhaft erwähnt. Die Autoren sind ausgewiesene Wissenschaftler und Experten auf ihrem Gebiet. Die Reihe will sich damit bewusst abgrenzen von einschlägigen »Praktikerhandbüchern« zweifelhafter Qualität, die dem Leser vorgaukeln, Betriebswirtschaftslehre könnte man durch Abarbeiten von Checklisten erlernen.

•  Zu einer guten Theorie gehört auch die Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, denn Wissenschaft sollte kein intellektueller Selbstzweck sein. Deshalb steht stets auch die Anwendungsorientierung im Fokus. Schließlich verfolgt der Studierende das Ziel, einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erwerben. Die Bücher haben diese Maxime im Blick, weshalb jedes Buch neben dem Lehrtext u. a. auch Praxisbeispiele, Übungsaufgaben mit Lösungen sowie weiterführende Literaturhinweise enthält.

•  Zugleich tragen die Werke dem Wunsch des Studierenden Rechnung, die Lehr- und Lerninhalte kompakt darzustellen, Wichtiges zu betonen, weniger Wichtiges wegzulassen und sich dabei auch einer verständlichen Sprache zu bedienen. Der Seitenumfang und das Lesepensum werden dadurch überschaubar. So eignen sich die Bücher der Lehrbuchreihe Bachelor Basics auch hervorragend zum Selbststudium und werden ein wertvoller Begleiter der Lehrmodule sein.

Die Reihe umfasst die curricularen Inhalte eines wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiums. Sie enthält zum einen die traditionellen volks- und betriebswirtschaftlichen Kernfächer, darüber hinausgehend jedoch auch Bücher aus angrenzenden Fächern sowie zu überfachlichen Kompetenzen. Um auf neue Themen und Entwicklungen reagieren zu können, wurde die Edition bewusst als offene Reihe konzipiert und die Zahl möglicher Bände nicht nach oben begrenzt.

Die Lehrbuchreihe Bachelor Basics richtet sich im Wesentlichen an Studierende der Wirtschaftswissenschaften an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, an dualen Hochschulen, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien und anderen Einrichtungen, die den Anspruch haben, Wirtschaftswissenschaften anwendungsorientiert und zugleich wissenschaftlich anspruchsvoll zu vermitteln. Angesprochen werden aber auch Fach- und Führungskräfte, die im Sinne der beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung ihr Wissen erweitern oder auffrischen wollen. Als Herausgeber der Lehrbuchreihe möchte ich mich bei allen Autorinnen und Autoren bedanken, die sich für diese Reihe engagieren und einen Beitrag hierzu geleistet haben.

Ich würde mich sehr freuen, wenn das ambitionierte Vorhaben, wissenschaftliche Qualität mit Anwendungsorientierung und einer kompakten, lesefreundlichen und didaktisch an die Bachelor-Studierenschaft abgestimmten Gestaltung zu kombinieren, dem Leser bei der Bewältigung des Bachelor-Lernstoffes hilfreich sein wird und es die Anerkennung und Beachtung erhält, die es meines Erachtens verdient.

Horst Peters

 

Vorwort zur ersten Auflage

Das vorliegende Buch möchte dem Leser das theoretische Grundlagenwissen aus dem Bereich der Kostenrechnung vermitteln sowie beim praktischen Umsetzen helfen.

Um diesen Zielsetzungen gerecht zu werden, sind sowohl meine mehrjährigen Lehr-, aber auch die praktischen Erfahrungen aus vielen Jahren Unternehmensberatung in die Lerninhalte eingeflossen.

Das Buch richtet sich an Studierende der Hochschulen, ist aber auch aufgrund der Übungen für Praktiker geeignet. Aus diesem Grund verweisen wir regelmäßig auf entsprechende Aufgaben, die die vorgestellte Thematik noch einmal aufgreifen und vertiefen. Zur Lernkontrolle schließen sich deren Lösungen an.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen Studentinnen und Studenten sowie den vielen Seminarteilnehmern, die mich zu diesem Buch ermutigt und mir auch durch ihre Hinweise und Fragestellungen wertvolle Tipps gegeben haben.

Besonders aber möchte ich mich bei den Personen bedanken, die an dieser Stelle nicht genannt werden wollen, die aber durch ihr Verständnis die Herstellung dieses Buches sehr erleichtert haben.

Juli 2016

Jürgen Stiefl

 

Inhalt

  1. Geleitwort des Reihenherausgebers
  2. Vorwort zur ersten Auflage
  3. 1 Einführung in die Kostenrechnung
  4. 1.1 Zielsetzung und Aufbau des Buches
  5. 1.2 Kostenrechnung als Teilgebiet des Rechnungswesens
  6. 1.3 Zusammenhänge der Kostenrechnung in Unternehmen
  7. 1.4 Systematik und Beispiel der Kostenrechnung
  8. 1.5 Die Kostenrechnung von KMU
  9. 2 Grundlagen der Kostenrechnung
  10. 2.1 Kostenarten und Kostenverläufe
  11. 2.1.1 Einzel- und Gemeinkosten
  12. 2.1.2 Fixe, variable und Gesamtkosten
  13. 2.1.3 Fixe, variable und gesamte Stückkosten
  14. 2.1.4 Mögliche Kostenverläufe
  15. 2.2 Produktions- und Kostenfunktionen
  16. 2.2.1 Kostenminimale versus optimale Produktionsverfahren
  17. 2.2.2 Grenzkosten
  18. 2.2.3 Gewinnschwelle – Break-Even-Analyse
  19. 2.2.4 Nutzenschwelle – Nutzengrenze
  20. 2.2.5 Kurz- und langfristige Preisuntergrenze
  21. 2.3 Grundzusammenhänge der Kostenrechnung in Unternehmen
  22. 2.3.1 Warum ist Kostenrechnung so wichtig?
  23. 2.3.2 Ablauf der Kostenrechnung
  24. 2.3.3 Abgrenzung der Kostenrechnung
  25. 2.3.3.1 Allgemeines zur Abgrenzungsrechnung
  26. 2.3.3.2 Unternehmensbezogene Abgrenzungsrechnung
  27. 2.3.3.3 Kostenrechnerische Korrekturen
  28. 2.4 Kostenrechnungssysteme und Organisation
  29. 2.5 Kostenartenrechnung
  30. 2.5.1 Aufgaben und Grundlagen
  31. 2.5.2 Die Materialkosten
  32. 2.5.2.1 Erfassung des Materialverbrauchs
  33. 2.5.2.2 Bewertung des Materialverbrauchs
  34. 2.5.3 Personalkosten
  35. 2.5.4 Kalkulatorische Kosten
  36. 2.5.4.1 Die kalkulatorische Abschreibung
  37. 2.5.4.2 Die kalkulatorischen Zinsen
  38. 2.5.4.3 Der kalkulatorische Unternehmerlohn
  39. 2.6 Kostenstellenrechnung
  40. 2.6.1 Aufgaben und Grundlagen
  41. 2.6.2 Gliederung eines Unternehmens in Kostenstellen
  42. 2.6.3 Der Betriebsabrechnungsbogen
  43. 3 Kostenträgerrechnung auf Vollkostenbasis
  44. 3.1 Aufgaben und Grundlagen
  45. 3.2 Kostenträgerstückrechnung
  46. 3.2.1 Divisionskalkulation
  47. 3.2.2 Äquivalenzziffernkalkulation
  48. 3.2.3 Zuschlagskalkulation
  49. 3.2.4 Maschinenstundensatzrechnung
  50. 3.3 Kostenträgerzeitrechnung
  51. 4 Kostenträgerrechnung auf Teilkostenbasis
  52. 4.1 Probleme und Gefahren der Vollkostenrechnung
  53. 4.2 Systeme der Teilkostenrechnung
  54. 4.2.1 Deckungsbeitragsrechnung (Direct Costing)
  55. 4.2.1.1 Deckungsbeitragsrechnung als Stückrechnung
  56. 4.2.1.2 Deckungsbeitragsrechnung im Einproduktunternehmen
  57. 4.2.1.3 Deckungsbeitragsrechnung im Mehrproduktunternehmen
  58. 4.2.2 Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung
  59. 4.3 Bestimmung der Preisuntergrenze
  60. 5 Ein vollständiges Praxisbeispiel zur Kostenrechnung eines kleinen Unternehmens
  61. 5.1 Vorstellung der Beispiels-GmbH
  62. 5.2 Welche Kosten sind bei der Beispiels-GmbH entstanden?
  63. 5.3 Wo bzw. wofür sind die Kosten der Beispiels-GmbH eigentlich angefallen?
  64. 5.4 Betriebsergebnis und Produktkalkulation der Beispiels-GmbH
  65. 5.4.1 Das Betriebsergebnis
  66. 5.4.2 Die Produktkalkulation auf Basis der Maschinenstundensatzrechnung
  67. 5.4.3 Plankostenrechnung – Sensitivitätsanalyse
  68. 5.4.3.1 Veränderung der Mitarbeiterzahl
  69. 5.4.3.2 Veränderung der Leerkosten
  70. 5.4.3.3 Veränderung des Materialeinsatzes
  71. 6 Spezielle Instrumente der Kostenrechnung
  72. 6.1 Lineare Funktionen der Kostenrechnung
  73. 6.1.1 Grundlagen
  74. 6.1.2 Beispiele zur Ermittlung einer linearen Kostenfunktion
  75. 6.2 Kurvendiskussion als Basis für höhere Funktionen der Kostenrechnung
  76. 6.2.1 Grundlagen
  77. 6.2.2 Graph von Funktionen
  78. 6.2.3 Unstetigkeitsstellen von Funktionen
  79. 6.2.4 Verhalten von Funktionen
  80. 6.2.5 Nullstellen von Funktionen
  81. 6.2.6 Bereiche fallender und steigender Funktionswerte
  82. 6.2.7 Extremwerte (Maximum und Minimum) von Funktionen
  83. 6.2.8 Wendepunkte von Funktionen
  84. 6.3 Quadratische Funktionen der Kostenrechnung
  85. 6.3.1 Grundlagen
  86. 6.3.2 Beispiele der Kostenrechnung
  87. 6.4 Kubische Funktionen der Kostenrechnung
  88. 6.4.1 Grundlagen
  89. 6.4.2 Beispiele der Kostenrechnung
  90. 6.5 Verschiebung und Drehung von Funktionen der Kostenrechnung
  91. 6.5.1 Grundlagen
  92. 6.5.2 Beispiele der Kostenrechnung
  93. 6.6 Integralrechnung von Funktionen der Kostenrechnung
  94. 6.6.1 Grundlagen
  95. 6.6.2 Bestimmte und unbestimmte Integrale
  96. 6.6.3 Beispiele der Kostenrechnung
  97. 6.7 Elastizitäten von Funktionen der Kostenrechnung
  98. 6.7.1 Grundlagen
  99. 6.7.2 Allgemeine Kreuzpreiselastizitäten
  100. 6.7.3 Spezielle Kreuzpreiselastizitäten
  101. 6.7.4 Beispiele der Kostenrechnung
  102. 6.8 Die lineare Optimierung als Teilgebiet der Kostenrechnung
  103. 6.8.1 Grundlagen
  104. 6.8.2 Beispiele der Kostenrechnung
  105. 6.8.2.1 Die Ausgangssituation
  106. 6.8.2.2 Die Simplex-Methode als algebraische Lösung
  107. 7 Aufgaben
  108. 8 Lösungen zu den Aufgaben
  109. 9 Abbildungsverzeichnis
  110. 10 Tabellenverzeichnis
  111. 11 Literaturverzeichnis

 

1          Einführung in die Kostenrechnung

1.1       Zielsetzung und Aufbau des Buches

Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre gehört die Kostenrechnung, vielleicht gleichzusetzen mit der Finanzierung und der Investition, zu den traditionsreichsten und damit automatisch zu den am intensivsten erforschten Gebieten. Warum aber ist das so? Offensichtlich ist es bspw. von zentraler Bedeutung, ob ein möglicher Jahresgewinn eines Unternehmens aus dem operativen oder dem so genannten »neutralen« Ergebnis entstanden ist. Sollte aber bspw. ein Jahresverlust entstanden sein, könnte dieser kurz- oder langfristige Konsequenzen haben. Unabhängig vom Jahresergebnis sorgt die Abgrenzungsrechnung als Vorstufe der Kostenrechnung für Klarheit über dessen Zustandekommen.

Das vorliegende Buch hat einen etwas unkonventionellen Aufbau.

Nach der hier kurz beschriebenen Zielsetzung des Buches beinhaltet das 1. Kapitel durch relativ einfache Geschäftsvorfälle den kompletten Aufbau des Rechnungswesens, wozu die Kostenrechnung einen Teil des internen Rechnungswesens darstellt.

Im 2. Kapitel werden mit diversen Kostenarten und Kostenverläufen sowie der Kostenarten- und Kostenstellenrechnung zunächst die Grundlagen (Basiselemente) der Kostenrechnung vorgestellt. In den folgenden Kapiteln 3 und 4 folgen die Kostenträgerrechnungen auf Voll- bzw. Teilkostenbasis.

Unkonventionell ist das Buch deshalb, da im 5. Kapitel ein komplettes Praxisbeispiel die Kostenrechnung eines kleinen Unternehmens aufbaut. Dieser Praxisbezug wird in den meisten Kostenrechnungsbüchern, wenn überhaupt, immer nur in Ansätzen vorgestellt. Der Autor dieses Buches hat aber durch Vorlesungen und Seminare erkannt, dass durch einen direkt erfolgten Praxisbezug die Studierenden besser »abgeholt« werden können, denn oftmals verliert man sich andernfalls in theoretischen Details, was nicht zielführend ist.

Kapitel 6 ist mit speziellen Instrumenten der Kostenrechnung umschrieben und baut weitgehend auf Basiselementen der Wirtschaftsmathematik auf. Dazu gehören z. B. lineare und quadratische Funktionen, die Kurvendiskussion, Elastizitäten, die Integralrechnung, aber auch die lineare Optimierung. Alle Fälle beziehen sich aber insbesondere auf die Kostenrechnung.

Damit die einzelnen Kapitel leichter verständlich und erlernbar sind, werden in regelmäßigen Abständen Aufgaben angeboten, die die dargestellten Inhalte nochmals aufgreifen und vertiefen sollen. Diese Aufgaben sind in Kapitel 7, deren Lösungen in Kapitel 8 enthalten. Dabei wurden bewusst praxisnahe Aufgaben entwickelt.

1.2       Kostenrechnung als Teilgebiet des Rechnungswesens

Die Kostenrechnung ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechnungswesens und sollte niemals losgelöst von den anderen Bereichen, die nun kurz beschrieben werden, Betrachtung finden.

Ausgangspunkt aller kostenrechnerischen Überlegungen sind die unternehmerischen Prozesse, die ihren Niederschlag zunächst einmal in den Geschäftsvorfällen der Finanzbuchhaltung finden. Die Finanzbuchhaltung, aufgrund der diversen externen Interessentengruppen auch externes Rechnungswesen genannt, generiert mit der Bilanz die Bestandsrechnung und mit der Gewinn- und Verlustrechnung die Erfolgsrechnung.

Aus der Erfolgsrechnung leitet sich dann durch die so genannte Abgrenzungsrechnung die Kostenrechnung ab, die aufgrund des Adressatenkreises zum internen Rechnungswesen gehört, da diese Zahlen aufgrund der Brisanz niemals nach außen gelangen. Ebenso gehört die Finanz-/Liquiditätsrechnung zum Bereich des internen Rechnungswesens. Zwar gehört diese nicht zwingend zur Kostenrechnung, soll aber hier kurz den Bereich des internen Rechnungswesens abrunden. So erfahren Sie gleich durch relativ einfache Geschäftsvorfälle den kompletten Aufbau und die Entwicklung der Komponenten des Rechnungswesens.

Aus der Bilanzstruktur, die sich aus den Geschäftsvorfällen der Finanzbuchhaltung ergibt, leitet sich weiter ab, wo das unternehmerische Kapital herkommt, d. h. auf der Passivseite stehen mit dem Eigen- und Fremdkapital die beiden Finanzierungsquellen. Am heterogensten ist der Aufbau des Eigenkapitals, da dies sehr stark von der Gesellschaftsform abhängig ist. So beinhaltet Eigenkapital z. B. bei der AG das Grundkapital, die Kapital- und Gewinnrücklage, während diese Positionen z. B. bei der GmbH und diversen Personengesellschaftsformen ganz anders zusammengesetzt sind. Aus der Struktur der Aktivseite erkennt man gleichzeitig, wie das finanzierte Kapital investiv angelegt wurde, ob das Kapital also im tendenziell langfristig gebundenen Anlagevermögen oder im kurzfristig gebundenen Umlaufvermögen Verwendung gefunden hat.

Die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt auf der Habenseite alle Erträge und auf der Sollseite alle Aufwendungen der Abrechnungsperiode. Übersteigen die Erträge die Aufwendungen, entsteht ein (handelsrechtlicher) Gewinn, im umgekehrten Fall ein Verlust. In beiden Fällen wird der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung dem Eigenkapital auf der Passivseite der Bilanz zugeführt, unabhängig von der anschließenden Verwendung und der Gesellschaftsform.

Entstehen in der Abrechnungsperiode Aufwendungen und Erträge, die das operative Geschäft der Unternehmung betreffen, so werden diese als so genannte Kosten und Leistungen in die Kostenrechnung übertragen. Dort werden diese Kosten/Leistungen teilweise modifiziert bzw. ergänzt und zur Erstellung des operativen Ergebnisses bzw. für Zwecke der Kalkulation weiterverwendet.1

Führen die Geschäftsvorfälle schließlich zu Geldzu- oder Geldabflüssen, wird hiermit die Finanz- bzw. Liquiditätsrechnung angesprochen. Somit gibt es letztlich Transaktionen, die alle Teilbereiche des Rechnungswesens berühren, aber auch solche, die nur einzelne Segmente ansprechen.

Um diese Zusammenhänge zu verdeutlichen, soll nun anhand eines sehr einfachen Beispiels auf die einzelnen Elemente des Rechnungswesens eingegangen werden. Nachfolgend werden acht Geschäftsvorfälle dargestellt und daraus die vier Teilbereiche des Rechnungswesens entwickelt. Beinhalten diese Geschäftsvorfälle auch die Kostenrechnung, werden, sofern später zwingend erforderlich, Alternativen aufgezeigt.

1. Geschäftsvorfall: Es wird ein Unternehmen gegründet, indem eine Bareinlage in Höhe von 200 T€ geleistet wird. Die Gesellschaftsform sei an dieser Stelle einmal unerheblich. Die Auswirkungen auf die Komponenten des Rechnungswesens sind wie folgt:

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Abb. 1: Eröffnungsbilanz

Die Bilanz zeigt auf der Passivseite die Mittelherkunft des Kapitals und damit die Finanzierungsseite. Im Rahmen der Gesellschaftsgründung wurden der Unternehmung 200 T€ in Form von Eigenkapital von außen zugeführt. Würde sich dieses Buch vorwiegend mit dem Finanzmanagement beschäftigen, wäre es die so genannte Außenfinanzierung.2 Das Kapital schlägt sich im vorliegenden Fall auf der Aktivseite ausschließlich in Form von liquiden Mitteln nieder.3 Die Aktivseite zeigt somit die Mittelverwendung und damit die Investitionsseite. Aktiva und Passiva sind somit lediglich die beiden Seiten ein und derselben Medaille! Eine Bilanz ist immer im Gleichgewicht, d. h. die Summe der Aktiva entspricht der Summe der Passiva. Der Geschäftsvorfall wurde liquiditätswirksam, da es zu einem Zufluss von Geld gekommen ist. Dies wird im Rahmen der Liquiditätsrechnung durch die Einzahlung (EZ1 = Einzahlung des Geschäftsvorfalls Nr. 1) in Höhe von 200 T€ deutlich. Es ist eine erste Querverbindung zwischen der Bilanz und der Liquiditätsrechnung erkennbar. Der Saldo der liquiden Mittel der Bilanz stimmt nämlich (immer) mit dem Saldo der Liquiditätsrechnung (EZÜ = Einzahlungsüberschuss) überein! Der Geschäftsvorfall berührt weder die Gewinn- und Verlustrechnung noch die Kostenrechnung. Im Rahmen der Kostenartenrechnung werden später die möglichen kalkulatorischen Zinsen beschrieben, die durch das Einbinden des Eigenkapitals in der Praxis häufig zur Anwendung kommen.

2. Geschäftsvorfall: Der Unternehmer benötigt maschinelle Anlagen in Form von Betriebs- und Geschäftsausstattungen in Höhe von 400 T€. Aus der obigen Bilanz wird unmittelbar ersichtlich, dass die verfügbare Liquidität nicht ausreicht, um diese Investition zu tätigen. Deshalb nimmt der Unternehmer ein Darlehen bei seiner Hausbank in Höhe von 400 T€ auf.

Der Geschäftsvorfall hat folgende Auswirkungen (bei der weiteren Betrachtung werden die Veränderungen als grau schraffierte Felder markiert):

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Abb. 2: Bilanz nach Anlagenkauf finanziert durch Fremdkapital

Durch die erforderlichen Investitionen in langfristig gebundenes Anlagevermögen in Höhe von 400 T€ hat sich die Bilanzstruktur ganz maßgeblich verändert. Die Unternehmung ist nun zu 2/3 über ein Bankdarlehen finanziert. Im Rahmen der Liquiditätsrechnung werden Aufnahme und Verwendung des Bankdarlehens brutto ausgewiesen. Die Darlehensaufnahme sorgte zunächst zu einem Liquiditätszufluss (EZ2), zeitgleich aber auch zu einer Auszahlung (AZ2). Der Einzahlungsüberschuss stimmt nach der Transaktion wiederum mit dem Bestand der liquiden Mittel der Bilanz überein.

Ebenso wie beim ersten Geschäftsvorfall werden die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Kostenrechnung noch nicht angesprochen.

3. Geschäftsvorfall: Der Unternehmer kauft Vorräte, die anschließend weiterverarbeitet werden sollen. Die Vorräte kosten 120 T€ und werden bar bezahlt:

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Abb. 3: Bilanz nach Zukauf von Vorräten

Theoretisch hätten bei diesem Geschäftsvorfall auch schon die bestehenden Materialaufwendungen der GuV sowie die Materialkosten der Kostenrechnung zugeführt werden können. Diesen Geschäftsvorfall bezeichnet man buchhalterisch auch als reinen Aktivtausch, da die Passivseite nicht angesprochen wird.

4. Geschäftsvorfall: Die Gesellschaft stellt Mitarbeiter ein, die in diesem Jahr 660 T€ kosten und mit Vorräten im Wert von 70 T€ Umsatzerlöse in Höhe von 840 T€ erzielen. Von den Umsatzerlösen werden 11/12 liquiditätswirksam, das verbleibende 1/12 sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Erstmalig wirkt sich ein Geschäftsvorfall auf die Gewinn- und Verlustrechnung und die Kostenrechnung aus:

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Abb. 4: Erste komplexe Struktur des Rechnungswesens

In der Bilanz zeigt sich der Geschäftsvorfall sowohl bei den Vorräten, den Forderungen als auch den liquiden Mitteln. Ein- und Auszahlungen (EZ4 und AZ4) werden bei der Liquiditätsrechnung wiederum brutto dargestellt. Die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt im Haben den Umsatzerlös und im Soll den Personal- und Materialaufwand. Der bislang entstandene Gewinn in Höhe der Differenz (110 T€) würde, wenn der Jahresabschluss nun zu erstellen wäre, dem Eigenkapital zugeordnet und würde somit die Passiva auf 710 T€ (= Aktiva) erhöhen. Hier zeigt sich die nächste Querverbindung innerhalb des externen Rechnungswesens. Der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung ist nämlich dem Eigenkapital zuzuschlagen. Im Falle eines Gewinnes wird damit eine weitere Form der Finanzierung angesprochen, nämlich mit der so genannten Gewinnthesaurierung eine Form der offenen Selbstfinanzierung (Innenfinanzierung). Die Bilanz wäre nach der Übernahme des Gewinnes wiederum im Gleichgewicht. Da es sich bei dem Geschäftsvorfall um das operative Geschäft der Unternehmung handelt, werden die Umsatzerlöse in der Kostenrechnung als Leistungen und die Personal- und Materialaufwendungen als Personal- und Materialkosten dargestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Gewinn und operatives Ergebnis in Höhe von 110 T€ identisch. Später werden im Rahmen der Kostenartenrechnung Möglichkeiten aufgezeigt, die zu Änderungen der Materialaufwendungen und Materialkosten führen können, was aber nicht zwingend der Fall sein muss. Auch können so genannte Zusatzkosten die Personalkosten höher als die Personalaufwendungen ausweisen. Dies erfolgt häufig bei Einzelunternehmen, bei denen z. B. die Geschäftsführung ihre Gehälter nicht in den Personalaufwendungen zeigt.

5. Geschäftsvorfall: Das Bankdarlehen kostet 3% Zinsen (12 T€) und wird in bar bezahlt. Tilgungsleistungen fallen in diesem Jahr noch nicht an:

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Abb. 5: Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Rechnungswesens I

Dieser Geschäftsvorfall sorgt in der gleichen Höhe für sowohl Zinsaufwendungen als auch Zinskosten. Dies ist nicht zwingend der Fall. Vielmehr hängt es für den Kostenrechner davon ab, ob er langfristig mit diesen Zinsen kalkulieren kann. Hätte es sich bspw. um ein zinsgünstiges Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehandelt, wären die Zinskosten nach oben angepasst worden. Im Zuge der Kostenrechnung werden auch manchmal kalkulatorische Zinsen angesetzt, die entstehen können, wenn man eigentlich aufgrund niedrigen Fremdkapitals keine oder lediglich sehr geringe Zinsaufwendungen hat. Dies wird später im Bereich der Kostenartenrechnung genauer erklärt.

6. Geschäftsvorfall: Das Anlagevermögen wird aufgrund des Verschleißes sowie des technischen Fortschritts über 5 Jahre linear abgeschrieben, so dass im Jahresabschluss 80 T€ erfolgswirksam erfasst werden (400 T€ / 5 Jahre).

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Abb. 6: Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Rechnungswesens II

Dieser Geschäftsvorfall zeigt einen elementaren Unterschied zu den vorangegangenen. Der handelsrechtliche Aufwand (80 T€) vermindert das Anlagevermögen und den ausgewiesenen Gewinn durch die Berücksichtigung der Abschreibung, wird aber nicht im Rahmen der Liquiditätsrechnung dargestellt. Es handelt sich um einen rein buchhalterischen Vorgang, der nicht zu einer Auszahlung führt. Ferner wurde im Rahmen der Kostenrechnung der langfristig erwartete Werteverschleiß des Anlagevermögens mit 90 T€ etwas höher ausgewiesen, die kalkulatorische Abschreibung (90 T€) weicht folglich von der handelsrechtlichen Abschreibung der Gewinn- und Verlustrechnung in Höhe von 10 T€ ab. Hier zeigt sich eine Problematik, die der Kostenrechner immer zu lösen hat. Er leitet die Kosten und Leistungen aus der Gewinn- und Verlustrechnung ab und muss grundsätzlich die Frage beantworten, ob erstens die Aufwendungen in gleicher Höhe als Kosten zu übernehmen sind (Grundkosten oder aufwandsgleiche Kosten), ob zweitens die Aufwendungen in einer anderen Höhe als Kosten ihren Niederschlag finden (Anderskosten) oder ob drittens die Aufwendungen möglicherweise gar keine Kosten darstellen (neutrale Aufwendungen). Im hier vorliegenden Fall wurde exemplarisch einmal von Anderskosten ausgegangen, natürlich wären auch die beiden anderen Varianten (Grundkosten oder neutrale Aufwendungen) denkbar gewesen.

7. Geschäftsvorfall: Da die Geschäftsleitung kurzfristig wenig Liquidität benötigt, wird ein Teil davon aus Rentabilitätsgründen in Wertpapiere angelegt (100 T€).

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Abb. 7: Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Rechnungswesens III

Dieser Geschäftsvorfall bewirkt einen reinen Aktivtausch.

8. Geschäftsvorfall: Die Wertpapiere verzinsen sich in Höhe von 5% (5 T€). Der Betrag wird dem Konto Liquide Mittel zugeschrieben.

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Abb. 8: Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Rechnungswesens IV

Dieser Geschäftsvorfall hat keinerlei Auswirkungen auf die Kostenrechnung, da das operative Geschäft nicht berücksichtigt wird.

Am Jahresende wird nun noch der handelsrechtliche Gewinn dem Eigenkapital zugeordnet und komplettiert den Jahresabschluss (aus Vereinfachungsgründen wurde im Beispiel auf die Berücksichtigung von Steuern verzichtet).

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Abb. 9: Schlussbilanz

Die Geschäftsvorfälle zeigen zusammenfassend folgende Ergebnisse und Implikationen:

Mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung wurde der Jahresabschluss erstellt. Beide Bereiche werden zum so genannten externen Rechnungswesen gezählt, denn es sind externe Adressaten (bspw. Finanzamt, Gläubiger, Lieferanten, Kapitalgeber), die ein Interesse am Jahresabschluss haben. Am Jahresende wird der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung dem Eigenkapital zugeführt (hier 23 T€). Die Erstellung des Jahresabschlusses ist Pflicht.

Kostenrechnung und Liquiditätsrechnung gehören zum so genannten internen Rechnungswesen