Herausgegeben von Horst Peters
1. Auflage 2017
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© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
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ISBN 978-3-17-022661-6
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pdf: ISBN 978-3-17-030137-5
epub: ISBN 978-3-17-030138-2
mobi: ISBN 978-3-17-030139-9
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Das vorliegende Lehrbuch ist Teil der Lehrbuchreihe BWL Bachelor Basics. Dieses Buch sowie alle anderen Werke der Reihe folgen einem Konzept, das auf die Leserschaft – nämlich Studierende der Wirtschaftswissenschaften – passgenau zugeschnitten ist.
Ziel der Lehrbuchreihe BWL Bachelor Basics ist es, die zu erwerbenden Kompetenzen in einem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiengang wissenschaftlich anspruchsvoll, jedoch zugleich anwendungsorientiert und kompakt abzubilden. Dies bedeutet:
• Ein hoher wissenschaftlicher Anspruch geht einher mit einem gehobenen Qualitätsanspruch an die Werke. Präzise Begriffsbildungen, klare Definitionen, Orientierung an dem aktuellen Stand der Wissenschaft seien hier nur beispielhaft erwähnt. Die Autoren sind ausgewiesene Wissenschaftler und Experten auf ihrem Gebiet. Die Reihe will sich damit bewusst abgrenzen von einschlägigen »Praktikerhandbüchern« zweifelhafter Qualität, die dem Leser vorgaukeln, Betriebswirtschaftslehre könnte man durch Abarbeiten von Checklisten erlernen.
• Zu einer guten Theorie gehört auch die Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, denn Wissenschaft sollte kein intellektueller Selbstzweck sein. Deshalb steht stets auch die Anwendungsorientierung im Fokus. Schließlich verfolgt der Studierende das Ziel, einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erwerben. Die Bücher haben diese Maxime im Blick, weshalb jedes Buch neben dem Lehrtext u. a. auch Praxisbeispiele, Übungsaufgaben mit Lösungen sowie weiterführende Literaturhinweise enthält.
• Zugleich tragen die Werke dem Wunsch des Studierenden Rechnung, die Lehr- und Lerninhalte kompakt darzustellen, Wichtiges zu betonen, weniger Wichtiges wegzulassen und sich dabei auch einer verständlichen Sprache zu bedienen. Der Seitenumfang und das Lesepensum werden dadurch überschaubar. So eignen sich die Bücher der Lehrbuchreihe Bachelor Basics auch hervorragend zum Selbststudium und werden ein wertvoller Begleiter der Lehrmodule sein.
Die Reihe umfasst die curricularen Inhalte eines wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiums. Sie enthält zum einen die traditionellen volks- und betriebswirtschaftlichen Kernfächer, darüber hinaus jedoch auch Bücher aus angrenzenden Fächern sowie zu überfachlichen Kompetenzen. Um auf neue Themen und Entwicklungen reagieren zu können, wurde die Edition bewusst als offene Reihe konzipiert und die Zahl möglicher Bände nicht nach oben begrenzt.
Die Lehrbuchreihe Bachelor Basics richtet sich im Wesentlichen an Studierende der Wirtschaftswissenschaften an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, an dualen Hochschulen, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien und anderen Einrichtungen, die den Anspruch haben, Wirtschaftswissenschaften anwendungsorientiert und zugleich wissenschaftlich anspruchsvoll zu vermitteln. Angesprochen werden aber auch Fach- und Führungskräfte, die im Sinne der beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung ihr Wissen erweitern oder auffrischen wollen. Als Herausgeber der Lehrbuchreihe möchte ich mich bei allen Autorinnen und Autoren bedanken, die sich für diese Reihe engagieren und einen Beitrag hierzu geleistet haben.
Ich würde mich sehr freuen, wenn das ambitionierte Vorhaben, wissenschaftliche Qualität mit Anwendungsorientierung und einer kompakten, lesefreundlichen und didaktisch an die Bachelor-Studierenschaft abgestimmten Gestaltung zu kombinieren, dem Leser bei der Bewältigung des Bachelor-Lernstoffes hilfreich sein wird und es die Anerkennung und Beachtung erhält, die es meines Erachtens verdient.
Horst Peters
Eine hohe Durchdringung der Unternehmenswelt mit IT-gestützten Informationssystemen ist heute bereits Standard und wird in der Zukunft im Gefolge der weiteren Digitalisierung in der Industrie und auf den Märkten noch weiter verstärkt werden. Neben der Auswahl eines geeigneten betrieblichen Informationssystems aus der Vielzahl verfügbarer Produkte ist das Datenmanagement eine erfolgskritische Herausforderung. Wenn die in den Informationssystemen eingespeisten Daten und Informationen widersprüchlich, unvollständig und nicht realitätsgetreu sind, wird auch das hervorgebrachte Ergebnis nicht stimmen können. Die Qualität von betrieblichen Informationssystemen wird daher maßgeblich durch eine hohe Datenqualität und Datenverfügbarkeit bestimmt. Die Datenbasis eines Informationssystems muss neben den betrieblich relevanten und sachlogisch korrekten Daten auch den richtigen Bedarf an Daten für die jeweiligen Anwendungsbereiche abdecken. Die zunehmende Flut und Komplexität an verfügbaren Daten in den Unternehmen macht es umso notwendiger, der Datenorganisation und dem Datenmanagement im Unternehmen ein besonderes Augenmerk zu schenken.
Das heute vorliegende Volumen an Daten und Informationen in den Unternehmen zu nutzen, um hieraus mittels Datenanalysemethoden gezielt Wissen zu generieren, ist eine nächste Stufe, betriebliche Informationssysteme in Form von Data Warehouse-Systemen an den Anforderungen des Managements für die Entscheidungsunterstützung auszurichten.
Dieses Lehrbuch wurde mit dem Anspruch konzipiert, den wirtschaftswissenschaftlich orientierten Studierenden grundlegendes Wissen und anwendungsorientierte Kompetenzen in der Analyse und beim Entwurf von Datenbanksystemen zu vermitteln. Die Abbildung von betriebswirtschaftlichen Sachverhalten in semantische Modelle, die als Grundlage für den Aufbau und den Einsatz von datenbankgestützten Informationssystemen dienen, sind Fähigkeiten, die von Hochschulabsolventen im betrieblichen Umfeld zunehmend erwartet werden.
Die Beherrschung von logischen Datenstrukturen und IT-affinen Begrifflichkeiten sowie der Besitz von Abstraktionsfähigkeiten für die Modellierung der komplexen Datenwelt eines Unternehmens werden in diesem Lehrbuch als Lernziele vorangestellt. Das Lehrbuch soll den Studierenden in die Lage versetzen, nicht nur erlerntes Wissen beschreiben zu können, sondern die Anwendung von Methoden in praxisnahen Problemsituationen zu beherrschen. Der Anspruch, den Inhalt des Lehrbuchs möglichst ohne Vorbedingung von vertieften und technikorientierten IT-Kenntnissen zu vermitteln, soll die Verwendung des Lehrbuchs als vorlesungsbegleitende Lektüre in einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium besonders empfehlenswert machen.
Sigmaringen, im Dezember 2016 |
Hubert Kempter |
Die Gestaltung, Entwicklung und die Einführung von Informationssystemen für die Anwendung in betriebswirtschaftlichen Aufgabenbereichen sind Schwerpunkte, mit denen sich die Wirtschaftsinformatik1 seit einigen Jahrzehnten bereits beschäftigt. Die Leistungserbringung in den Unternehmen und das wirtschaftliche Handeln werden heutzutage maßgeblich durch den Einsatz von betrieblichen Informationssystemen geprägt. Für viele Unternehmen hat die Verfügbarkeit von IT-Systemen in allen Unternehmensbereichen eine strategische Bedeutung erlangt. Die Fähigkeit, die richtigen Daten und Informationen zum richtigen Zeitpunkt den Unternehmensentscheidungen zuführen zu können, prägt nicht zuletzt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Informationen sind längst eine bedeutende Unternehmensressource und bedürfen daher einer effizienten Organisation und Nutzbarmachung unter Einsatz entsprechender IT-Systeme.
Vor einer systemtechnischen Behandlung bedarf es einer begrifflichen Abgrenzung und Erläuterung wichtiger Begrifflichkeiten.
Im Kontext von Informationssystemen spielt natürlich der Begriff Information eine zentrale Rolle, der in der umgangssprachlichen Verwendung oftmals mit den Begriffen Daten und Wissen synonym eingesetzt wird. Eine begriffliche Abgrenzung von Zeichen, Daten, Informationen und Wissen ist für das weitere Verständnis in diesem Lehrbuch hilfreich ( Abb. 1.1).
Daten setzen sich in syntaktisch vordefinierter Form aus Zeichen zusammen, ohne dass ein Verwendungszweck damit verbunden wird. Beispielsweise setzt sich die Zahl 0,19 aus den Ziffern 0, 1 und 9 sowie dem Sonderzeichen ›,‹ zusammen; das Wort Maier setzt sich aus den entsprechenden Buchstaben zusammen. Die zugrundeliegende Syntax beschreibt die formale Struktur des Aufbaus und definiert somit, wann von einem Wort und wann von einer Zahl gesprochen wird. Das Datum 0,19 stellt
Abb. 1.1: Wissenstreppe (in Anlehnung an Abts und Mülder 2004, S. 9)
lediglich eine Dezimalzahl dar, die ohne Verwendungszweck keine konkrete Bedeutung erlangt.
Werden Daten mit Kontext und damit Zweckbezug versehen, so spricht man von Information. Beispielsweise erhält das Datum 0,19 eine semantische Bedeutung, wenn damit der aktuell gültige Mehrwertsteuersatz von 19% verbunden wird. Hier liegt nun eine Information und nicht nur ein Datum vor. Auch das Datum Maier wird zur Information, wenn damit ein Kunde des Unternehmens verbunden wird. Informationen setzen sich auch häufig aus der Aggregation von Daten zusammen, wie beispielsweise » Kunde Maier kauft das Produkt Fahrrad«.
Auf der nächsthöheren Stufe ist der Begriff Wissen angesiedelt. Hier findet die zielführende Vernetzung von Informationen bzw. die Herstellung von sachlogischen Zusammenhängen zwischen den Informationen statt. Beispielsweise kann von Wissen gesprochen werden, wenn sich aus einer statistischen Analyse der Daten und Informationen des Unternehmens eine mathematische Verkaufskorrelation zwischen zwei Produkten vom Faktor 0,8 ergibt. Mit diesem Wissen ist es möglich, Entscheidungen im Unternehmen abzuleiten, beispielsweise hinsichtlich dem Angebotsportfolio gegenüber bestimmten Kunden.
Mit der Betrachtung der Information in der Betriebswirtschaftslehre als Produktionsfaktor und Unternehmensressource sowie der Erkenntnis, dass die Information eine essentielle Grundlage für betriebswirtschaftliche Entscheidungen darstellt, kommt einer systematischen Organisation und dem Management von Daten und Informationen eine wichtige, ja strategische Bedeutung zu.
Ausgangspunkt für eine fundierte Organisation und technische Verwaltung von Informationen bildet die elektronische Daten- und Informationsverarbeitung.
Der Datenverarbeitung zugrunde liegt das Prinzip der Verarbeitung und Transformation von Daten mit Algorithmen, die zu neuen Daten führen. Dieser Prozess kann wie in Abbildung 1.2 dargestellt, mit folgendem Prinzip beschrieben werden.
Abb. 1.2: Prozess der Datenverarbeitung
Der Prozess der Datenverarbeitung in Abbildung 1.2 setzt sich durch folgende vier Bestandteile zusammen:
• Input: die zu verarbeitenden Daten, auch Eingabedaten genannt.
• Prozess: die Transformation bzw. die Datenverarbeitung an sich, durch die Veränderungen an den Daten vorgenommen werden.
• Output: die entstandenen, neuen Daten, die sogenannten Ausgabedaten.
• Speicherung: diejenigen Daten, die abgelegt werden.
Hinsichtlich der Abgrenzung der Begriffe Daten und Informationen ist der hier dargestellte Prozess der Datenverarbeitung nun zu einem System zur Informationsverarbeitung zu erweitern, um den hierbei relevanten Anforderungen in einem Unternehmen gerecht zu werden.
Informationssysteme sind sozio-technische Systeme, die menschliche und maschinelle Komponenten bzw. Teilsysteme umfassen (in Anlehnung an Schwarzer und Krcmar 2014, S. 9). Die Zielsetzung hinter betrieblichen Informationssystemen ist,
• die richtigen Informationen,
• in der richtigen Menge,
• im richtigen Format,
• zur richtigen Zeit,
• am richtigen Ort
zur Verfügung zu stellen.
Informationssysteme unterstützen die Durchführung von Aufgaben im Unternehmen. Die für ein Unternehmen relevanten Aufgaben werden dabei klassifiziert nach automatisierbaren und nicht automatisierbaren Aufgaben. Die automatisierbaren Aufgaben werden von Computer bzw. IT-Systemen ausgeführt, während die nicht automatisierbaren Aufgaben von Personen umgesetzt werden. Der Austausch von Informationen erfolgt auf der Ebene der Aufgabenträger, also zwischen Personen und IT-Systemen durch entsprechende Kommunikationskanäle wie Netzwerke, Internet oder Mensch-Maschine-Schnittstellen (Benutzerschnittstellen).
Aus der Sicht der Wirtschaftsinformatik besteht ein betriebliches Informationssystem aus den folgenden Komponenten bzw. Teilsystemen:
• Mensch: Der Mensch steht als Anwender und Nutzer im Mittelpunkt eines Informationssystems.
• Aufgabe: Mit einem Informationssystem sollen betriebliche Aufgaben und Funktionen in allen Bereichen eines Unternehmens unterstützt werden.
• Informationstechnik: Sie umfasst alle Techniken zur Unterstützung der Nutzung und Manipulation von Informationen im Rahmen der Bewältigung der zugrundeliegenden Aufgaben.
• Organisatorischer Kontext: Beschreibt das organisatorische Umfeld, in welches die betrieblichen Informationssysteme eingebettet sind. Informationssysteme sind Bestandteil einer komplexen organisatorischen Umwelt.
Der Betrieb und Einsatz von Informationssystemen in betriebswirtschaftlichen Funktionsbereichen der Unternehmen kann heute aufgrund der gegebenen Anforderungen nur unter einer IT-technischen Ausgestaltung stattfinden. Für die weitere Betrachtung von Informationssystemen werden daher IT-gestützte Systeme in den Fokus gestellt.
Ein IT-gestütztes Informationssystem ist ein sozio-technisches System, bei dem die Erfassung, Speicherung, Übertragung und/oder Transformation von Informationen durch den Einsatz von Informationstechnik teilweise automatisiert ist (in Anlehnung an Hansen und Neumann 2009, S. 85).Die zentralen Bestandteile eines IT-gestützten Informationssystems sind ( Abb. 1.3):
Abb. 1.3: Bestandteile eines IT-gestützten Informationssystems
• eine Datenbasis für die Speicherung und Verfügbarmachung von Daten und Informationen,
• eine Methodenbank mit einer Menge von Funktionen bzw. Programmen zur funktionalen Unterstützung der betriebswirtschaftlichen Aufgaben,
• eine Sammlung von betriebswirtschaftlichen Modellen, die die Ablaufsteuerung zur Regelung, Kontrolle und Steuerung der sachlichen Abfolge von Aufgaben und Funktionen verkörpert (in Anlehnung an Schwarzer und Krcmar 2014, S. 10).
Erst das Zusammenwirken der drei Bestandteile Datenbasis, Ablaufsteuerung und Funktionen ermöglicht die Lösung einer betriebswirtschaftlichen Aufgabe unter Einsatz eines betrieblichen Informationssystems.
Die Frage der Speicherung und der Verfügbarmachung von Daten im Kontext eines betrieblichen Informationssystems ist nicht nur eine technische Herausforderung, die durch Einsatz eines Datenbanksystems gelöst werden kann. Der Datenbasis kommt hinsichtlich der späteren Nutzbarkeit und der Qualität eines Informationssystems eine zentrale Rolle zu.
Mit dem Begriff Informationssystem wird häufig auch der Begriff Anwendungssystem ins Spiel gebracht. Genau betrachtet handelt es sich bei einem Anwendungssystem um denjenigen Teil eines Informationssystems, welcher die Anwendungsprogramme und die Daten umfasst. Anwendungssysteme unterstützen damit die operativen Geschäftsprozesse in allen Funktionsbereichen des Unternehmens wie beispielsweise Einkauf, Vertrieb und Marketing, Logistik und Produktion. Darüber hinaus sind die Anwendungssysteme für analytische Aufgaben in der Planung und Entscheidungsunterstützung ebenfalls einsatzfähig. Eine Abgrenzung der beiden Begrifflichkeiten Informationssystem und Anwendungssystem zeigt Abbildung 1.4 auf.
Abb. 1.4: Anwendungssystem als Teil eines Informationssystems
In einer betrieblichen Umgebung gibt es eine Vielzahl von Informations- und Anwendungssystemen, die dort zum Einsatz kommen. Eine Klassifikation der Informationssysteme nach unterschiedlichen Gesichtspunkten ist hilfreich, um die Auswahl, Qualität und die Gestaltung solcher Systeme zielführend und bewusst bewerten zu können. Nach dem Einsatzgebiet lassen sie sich in
• unternehmensinterne und
• unternehmensübergreifende
Informationssysteme gliedern.
Der Fokus von unternehmensinternen Informationssystemen liegt in der Unterstützung von internen Geschäftsprozessen, wie beispielsweise der Produktionssteuerung. Unternehmensübergreifende Informationssysteme dienen der Unterstützung von Geschäftsprozessen über die Unternehmensgrenzen hinweg, beispielsweise der Supply-Chain (Lieferkette) zwischen Unternehmen und Lieferanten.
Eine Klassifikation nach dem Anwendungsgebiet der unternehmensinternen Informationssysteme führt zu folgender Einteilung (siehe Schwarzer und Krcmar 2014, S. 13ff):
• Transaktionssysteme unterstützen die Abwicklung von operativen Tätigkeiten (Geschäftstransaktionen). Beispiel: Warenwirtschaftssysteme in der Branche Handel oder Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (PPS) in der Branche Industrie. Administrations- und Dispositionssysteme werden oftmals auch als operative Transaktionssysteme, sogenannte OLTP-Systeme (Online Transaction Processing-Systeme), bezeichnet.
• Administrationssysteme dienen der Massendatenverarbeitung sowie der Verwaltung von Beständen. Diese Systeme sind in der Regel branchenneutral. Beispiel: Buchhaltungssysteme im Rechnungswesen und Bewerbermanagementsysteme in der Personalwirtschaft.
• Dispositionssysteme dienen der Unterstützung von operativen Entscheidungen. Beispiel: Auslösung von Bestellungen bei Erreichen der kritischen Bestellmenge.
• Querschnittssysteme sind auf vielen Ebenen eines Unternehmens zu finden, beispielsweise Büroinformationssysteme. Diese Systeme dienen zur Unterstützung der Aufgabenerfüllung an den einzelnen Arbeitsplätzen; auch Systeme der Gruppenarbeitsunterstützung werden darunter eingeordnet.
• Führungssysteme können in Führungsinformationssysteme (FIS), auch Managementinformationssysteme (MIS) genannt, sowie in Planungs- und Kontrollsysteme unterteilt werden. Planungssysteme unterstützen das Management bei der Planung, beispielsweise in der Vertriebs- und Absatzplanung. Managementinformationssysteme stellen dem Management führungsrelevante Informationen zur Verfügung. Beispielsweise sind hier Data Warehouse-Systeme bzw. analytische Informationssysteme zu nennen ( Kap. 5).
Eine Übersicht in der Klassifikation der Informations- und Anwendungssysteme gibt folgende Abbildung 1.5.
Abb. 1.5: Klassifikation nach Anwendungsgebiet (in Anlehnung an Hansen und Neumann 2009, S. 141)
Eine Klassifikation von unternehmensübergreifenden Informationssystemen führt zu folgender Differenzierung (Bächle und Kolb 2010, S. 11):
• Zwischenbetriebliche Informationssysteme: Informationssysteme, die die zwischenbetriebliche Integration von Geschäftsprozessen verschiedener Unternehmen unterstützen. Diese Art der Kopplung von Unternehmen wird als Business-to-Business (B2B) bezeichnet. Beispiel: Elektronischer Einkauf.
• Brancheninformationssysteme: Informationssysteme, die von Unternehmen derselben Branche zur Unterstützung laufender Geschäftsbeziehungen benutzt werden. Beispiel: Gemeinsame Einkaufsplattform.
• Konsumenteninformationssysteme: Informationssysteme, die eine Interaktion von Unternehmen mit Kunden ermöglichen. Diese Art der Kopplung wird als Business-to-Consumer (B2C) bezeichnet. Beispiel: Online-Shop im Versandhandel.
Mit dem Einsatz betrieblicher Informationssysteme verbunden ist das Ziel der Integration von unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen. Informationssysteme, die die Fähigkeit haben, die einzelnen Tätigkeiten, die in einer sachlich zeitlichen Reihenfolge zu bearbeiten sind, funktional sinnvoll miteinander zu verbinden, werden als integrierte Anwendungssysteme bezeichnet. Auch die Fähigkeit, einmal erfasste Daten in verschiedenen Unternehmensbereichen verfügbar zu machen, wird als Integration bezeichnet. Beispielsweise werden die im Rahmen der Erfassung eines Kundenauftrags aufgenommenen Daten auch automatisch in der Fertigung für die Planung zur Verfügung stehen, ohne dass in der Fertigung eine nochmalige Erfassung erforderlich ist. Integrierte betriebliche Informationssysteme sorgen primär für eine sachlogische Verzahnung und Zusammenführung von Daten und Geschäftsvorgängen. Charakteristisches Merkmal der Integration ist, dass eine Veränderung in einem Teil zugleich vor- und nachgelagerte Teile beeinflussen kann.
Hinsichtlich der Ausprägung in der Integrationsleistung eines betrieblichen Informationssystems unterscheidet man verschiedene Integrationsformen. In Anlehnung an Hohmann (1999, S. 28ff) werden die in Abbildung 1.6 dargestellten Blickrichtungen auf die Integration geworfen.
Abb. 1.6: Blickrichtungen auf die Integration
Primärer Gegenstand eines integrierten betrieblichen Informationssystems ist das enge Zusammenwirken von Funktionskomponenten und die gemeinsame Nutzung derselben Daten seitens verschiedener Programmfunktionen. Die Datenintegration sowie die Funktionsintegration im Sinne der Geschäftsprozessintegration sind daher die zentralen Betrachtungsgegenstände. Weitere Objekte der Integration können Programme, Medien und Hardware sein, die im Allgemeinen eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Unter der Datenintegration versteht man die gemeinsame Nutzung derselben Datenbestände im Unternehmen durch unterschiedliche Programmteile des Anwendungssystems. Daten, die beispielsweise bei der Erfassung eines Kundenauftrags in der gemeinsamen Datenbasis verändert werden, stehen unmittelbar den Anwendungsprogrammen in der Produktionsplanung und in der Logistik zur Verfügung. Der sogenannte Integrationseffekt der Daten spielt eine signifikante Rolle in den betrieblichen Informationssystemen.
Zentraler Baustein bei der Lösung der Integrationsaufgabe in den Daten ist der Einsatz von Datenbanksystemen, die allen Programmen einen gemeinsamen, koordinierten Datenzugriff auf die Unternehmensdaten ermöglichen. Der Konzeption einer gemeinsamen Datenbasis ( Kap. 4) und dem Aufbau von Datenbanksystemen ( Kap. 2 und 3) als Plattform von betrieblichen Informationssystemen wird daher ein besonderes Augenmerk in diesem Lehrbuch geschenkt.
Aus der Datenintegration und insbesondere dem Einsatz von Datenbanksystemen resultieren wesentliche Vorteile, die positiv auf die Qualität eines Informationssystems wirken:
• Verringerung von Datenredundanzen, d. h. Vermeidung von Mehrfachspeicherung von Daten.
• Konsistenz der Daten, d. h. Bereitstellung einer vollständigen, korrekten und aktuellen Datenbasis.
• Erhöhung der Datenintegrität, d. h. Sicherstellung der Korrektheit und Vollständigkeit der Daten bei Durchführung von Datenoperationen.
• Minimaler Datenerfassungs- und -pflegeaufwand, d. h. Ermöglichung der jederzeitigen Erfassung und Pflege der Daten.
Die Funktionsintegration als zweites wesentliches Integrationsobjekt baut auf der vorhandenen Datenintegration auf. Unter der Funktionsintegration versteht man die logische Verknüpfung einzelner Programmfunktionen des Anwendungssystems entlang der Vorgänge eines Geschäftsprozesses. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang auch oft von einer Prozess- oder Vorgangsintegration. Die logische Verknüpfung der Funktionselemente kann in der Programmausführung vollautomatisch oder teilautomatisch erfolgen.
In der Integrationsrichtung werden unterschieden:
• Horizontale Integration: Das Informationssystem verbindet Teilsysteme aus unterschiedlichen Funktionsbereichen des Administrations- und Dispositionssystems innerhalb eines Geschäftsprozesses. Im Vordergrund der Betrachtung des Geschäftsprozesses stehen durchgängige Informationsströme, die der betrieblichen Wertschöpfungskette bzw. dem Leistungserstellungsprozess folgen. Die horizontale Integration zielt damit auf die Integration funktionaler Anwendungssysteme zu einem Gesamtsystem entlang des Leistungserstellungsprozesses.
• Vertikale Integration: Diese Art einer Integration bezieht sich auf die Durchgängigkeit der oberen Ebene von Planungs- und Entscheidungssystemen bis hin zu der unteren Ebene von operativen Administrations- und Dispositionssystemen mit dem Ziel einer optimalen Datenversorgung für die Managementunterstützung in den Unternehmen.
Der Funktionsintegration bzw. Datenintegration kommt sowohl in der horizontalen als auch in der vertikalen Integrationsrichtung eine wichtige Bedeutung zu.
Die Integrationsreichweite adressiert die Fähigkeit eines Informationssystems hinsichtlich einer unternehmensinternen und einer unternehmensübergreifenden Integration von Teilsystemen und Komponenten.
• Die innerbetriebliche bzw. unternehmensinterne Integration fokussiert auf die Verzahnung der internen Funktionsbereiche und beinhaltet Aspekte der Daten-, Funktions-, Medien-, Hardware- und Programmintegration.
• Die zwischenbetriebliche bzw. unternehmensübergreifende Integration adressiert die Verknüpfung der Teilsysteme und Komponenten über die Unternehmensgrenzen hinweg.
Zusammenfassend sind die drei Formen der Integration anhand der Funktionsbereiche Verkauf, Entwicklung, Einkauf, Fertigung, Montage und Service auf den beiden Unternehmensebenen der operativen Administrations- und Dispositionssysteme sowie der Führungssysteme in ihrer Gesamtheit und im Zusammenspiel in Abbildung 1.7 dargestellt.
Abb. 1.7: Formen der Integration (in Anlehnung an Hohmann 1999, S. 31)
Die Ausstattung eines integrierten betrieblichen Informationssystems mit einem Datenbanksystem ist unumgänglich, um die Wesensmerkmale und die Anforderungen erfüllen zu können. Auf diesem Datenbanksystem werden alle betriebswirtschaftlich relevanten Daten gespeichert und den verschiedenen Anwendungssystemen zugänglich gemacht. Die betriebswirtschaftlich relevanten Daten lassen sich in Anlehnung an (Abts und Mülder 2004, S. 70–72) folgendermaßen strukturieren ( Abb. 1.8):
• Stammdaten beschreiben die Daten für alle wichtigen, aber nur wenig veränderlichen betriebswirtschaftlichen Objekte, wie z. B. Artikel-, Kunden- oder Maschinenstammdaten. Stammdaten haben meist keinen Zeitbezug, d. h. sie sind meist zeitlich invariant.
• Bewegungsdaten beschreiben die Daten, die durch Geschäftsvorfälle entstehen und für deren Bearbeitung gespeichert werden. Diese Daten haben einen Zeitbezug, sind daher zeitlich variant. Nach Abschluss des jeweiligen Geschäftsvorfalles können diese Daten oftmals entfernt werden. Beispiel sind Bestellmengen von Aufträgen.
• Einzeldaten beziehen sich auf einzelne Objekte oder einzelne Geschäftsvorfälle und dienen einer detaillierten Betrachtung. Beispiele sind eine Kundenreklamation oder eine einzelne Buchung.
Abb. 1.8: Klassifikation betriebswirtschaftlicher Daten
• Aggregierte Daten setzen sich aus einer Summe oder operativen Verknüpfung von Einzeldaten zusammen und dienen beispielsweise der Verdichtung von Daten als Grundlage betriebswirtschaftlicher Entscheidungen ( Kap. 5 und 6).
• Historische Daten beziehen sich auf frühere Geschäftsperioden und dienen häufig zur Ermittlung von Prognosen und Trends, beispielsweise die Umsatzzahlen der vergangenen Monate. Historische Daten können oftmals auch zu gesetzlich vorgeschriebenen Archivzwecken angelegt worden sein.
• Aktuelle Daten sind während der jeweiligen Geschäftsperioden verfügbar. Diese Daten weisen einen aktuellen Realitätsbezug im Unternehmen auf.
• Zukunftsbezogene Daten entstehen im Rahmen von Planungstätigkeiten und Prognoseauswertungen.
• Primäre Daten entstehen durch die unmittelbare Beobachtung realer Sachverhalte im Unternehmen. Beispiel: aktuelle Produktionsdaten der Fertigungsmaschinen.
• Sekundäre Daten wurden bereits von anderen Stellen oder für andere Zwecke erhoben und können im Rahmen von Analysen verwendet werden. Beispiel sind Daten von Marktforschungsunternehmen, die zur Kundenanalyse im eigenen Unternehmen herangezogen werden.
• Alphanumerische und grafische Daten dienen der optischen und schriftlichen Darstellung von betrieblichen Sachverhalten.
Aus Sicht der Datenbanksysteme, die zur Speicherung und Verwaltung von betriebswirtschaftlichen Daten eingesetzt werden ( Kap. 2), werden oftmals die Begrifflichkeiten Primärdaten und Sekundärdaten im technischen Sinne interpretiert. Primärdaten einer Datenbasis stellen die eigentlichen Nutzdaten dar, während die Sekundärdaten sogenannte Metadaten repräsentieren und damit Verwaltungsinformationen über die Primärdaten sind, beispielsweise können dies Daten über die Struktur und Aufbau einer Tabelle sein.
Für die Unternehmen stehen heutzutage Software-Systeme im Fokus, die einen hohen Standardisierungsgrad hinsichtlich der Abbildung betriebswirtschaftlicher Aufgaben und Kernprozesse aufweisen sowie auf einer zukunftsorientierten technologischen Plattform basieren. Integrierte betriebswirtschaftliche Standard-Anwendungssysteme, die nahezu alle Aufgabenbereiche und Geschäftsprozesse im Unternehmen unterstützen, werden unter dem Begriff Enterprise Resource Planning-Systeme (ERP-Systeme) auf dem Software-Markt angeboten.
Ein ERP-System ist meist modular aufgebaut ( Abb. 1.9). Die miteinander verknüpften Module unterstützen typischerweise folgende Aufgabenbereiche: Vertrieb und Marketing, Einkauf, Materialwirtschaft, Fertigung, Finanz- und Rechnungswesen sowie Personalwirtschaft. Darüber hinaus decken ERP-Systeme auch Querschnittsfunktionen, beispielsweise für das Berichtswesen (Reporting), das Workflowmanagement und die Archivierung, ab.
Abb. 1.9: Bestandteile eines ERP-Systems
Ein ERP-System ist aufgrund seines typischen Modulangebots auf der Ebene der Administrations- und Dispositionssysteme anzusiedeln. Historisch gehen den ERP-Systemen, die Ende der 1980er-Jahre entstanden waren, Software-Systeme voraus, die in ihrer funktionsseitigen Unterstützung zunächst fokussiert auf bestimmte Kernbereiche des Unternehmens waren, wie zum Beispiel dem Rechnungswesen oder der Bedarfsermittlung und der Einbindung der Ressourcenplanung. Die Vorgänger waren damit MRP-Systeme (Material Requirements Planning) und dann nachfolgende MRP-II-Systeme (Manufacturing Resources Planning).
Der Integrationsgedanke, Daten und Funktionen aller Unternehmensbereiche zu verbinden, stand im Fokus der ersten ERP-Systeme. Dieser Gedanke wurde zunächst in einer innerbetrieblichen Verknüpfung umgesetzt und in Folge dann auch über die Unternehmensgrenzen hinweg einerseits zum Markt der Lieferanten (Supplier) und andererseits zum Kunden hin erweitert. Die Anbieter von betriebswirtschaftlichen Standard-Software-Lösungen eroberten auch diesen zwischenbetrieblichen Bereich mit entsprechend integrierter Anwendungssoftware wie beispielsweise den heutigen Supply Chain Management-Systemen (SCM-Systeme) und Customer Relationship Management-Systemen (CRM-Systeme). In Abbildung 1.10 werden die Überdeckungen der wesentlichen Bereiche durch die Standard-Anwendungssysteme CRM, ERP und SCM dargestellt.
Abb. 1.10: Standard-Softwaresysteme im Überblick der Funktionsabdeckung (in Anlehnung an Kemper et al. 2004)
SCM-Systeme bieten als Informationssysteme insbesondere Funktionen, die die unternehmensübergreifende Produktionsplanung und die Logistik betreffen. SCM-Systeme wirken sowohl in Richtung der Beschaffung (Hersteller, Lieferanten) als auch in Richtung des Absatzes (Händler und Endkunden). Die Integration der Informationsströme entlang der unterstützenden Teilsysteme einer Wertschöpfungskette ist sowohl für die Integration der Güter- und Dienstleistungsströme als auch der Geldströme eine notwendige Voraussetzung.
CRM-Systeme fokussieren auf die Bereitstellung geeigneter Informationssysteme, um die notwendigen Kundendaten (Stammdaten der Kunden, Kontaktdaten zum Kunden, Aufträge der Kunden) im Kontext einer dauerhaften und profitablen Kundenbeziehung systematisch pflegen und auswerten zu können.
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