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Tanis Helliwell
Elfensommer

Tanis Helliwell

Elfensommer

Meine Begegnung mit
den Elementarwesen

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9. Auflage 2015

Aus dem kanadischen Englisch von

Copyright © 1997 Tanis Helliwell

Titelseite:

Satz und Typographie: Dragon Design

eISBN 978-3-89060-194-6

Neue Erde GmbH

Inhalt

Danksagung

Vorwort

Botschaft des Leprechaun

1.Die Begegnung mit den Leprechauns

2.Mrs. O’Toole

3.Die Evolution der Leprechauns

4.Die Essenz der Nahrung

5.Der Weg nach oben

6.Markttag

7.Manifestieren

8.Ein vergangenes Leben

9.Ein ganz gewöhnlicher Tag

10.Eine ungewöhnliche Verabredung

11.Das Abendessen

12.Tag der Namensgebung

13.Geheimnisse

14.Kirche und Kneipe

15.Das Körper-Elementarwesen

16.Die Alten

17.Erde, Luft, Feuer, Wasser

18.Verbrechen an der Erde

19.Zusammenarbeit

20.Das Wesen vom Mittelpunkt der Erde

21.Der Botschafter kehrt zurück

22.Visionssuche

23.Die Motorradfahrer kommen

24.Ein Gespräch am Kamin

Nachwort: Zehn Jahre später

Anhang:

Zehn Möglichkeiten für Menschen, mit Elementarwesen zusammenzuarbeiten

Zehn Möglichkeiten für Elementarwesen, mit Menschen zusammenzuarbeiten

Über die Autorin

Danksagung

Obwohl nur ich als Autorin genannt werde, bin ich meinem Leprechaun-Freund und anderen Wesen sehr dankbar für alles, was sie mir über Elementarwesen beigebracht haben. Ein besonderes Dankeschön geht an meine irischen Freunde, die sich meiner annahmen und deren Namen ich nicht nenne, um ihre Privatsphäre zu schützen.

Für ihre Hilfe bei der Realisierung dieses Buches danke ich Patrick Crean, Joe Fisher und Jean Houston, die mich drängten, meine Geschichte über das Kleine Volk zu erzählen, als auch Bob Silverstein, der mich ermutigte, diese aktualisierte Ausgabe neu zu veröffentlichen.

Ich bedanke mich bei David Suzuki, Tara Cullins und Ann und Harper Graham dafür, dass sie mir großzügig ihre friedlichen Cottages an der Meeresküste zur Verfügung stellten, wo ich schreiben konnte.

Schließlich danke ich meiner Mutter, Margaret Helliwell, die mir irisches Blut und die Liebe zu allem Irischen schenkte. Sie hörte mit allen Sinnen zu, als ich ihr die Geschichte vorlas, und machte das Buch dadurch zu einem leuchtenden Juwel.

Vorwort

Im Jahre 1985 verbrachte ich einen Sommer in Irland, wo ich in einem alten Cottage lebte, das von Leprechauns bewohnt wurde. Diese Wesen, die sich selten zeigen, erzählten mir von der Evolution der Elementarwesen – von der Rasse, zu der Leprechauns, Elfen, Kobolde, Gnome, Trolle, Feen und Devas gehören. Sie erklärten mir, dass sie und die Menschen aufeinander angewiesen sind und drängten mich, durch dieses Buch ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Menschen und Elementarwesen zur Heilung der Erde zusammenarbeiten müssen. Obwohl meine ursprüngliche Begegnung mit den Leprechauns in Irland stattfand, sind sie und andere Elementargeister zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden, egal wo ich mich befinde. »Elfensommer« wurde in acht Ländern veröffentlicht, und täglich erreichen mich Emails von jungen und alten Menschen gleichermaßen, die sich alle sehr bewegt von dieser Geschichte äußern.

»Elfensommer« die aktualiserte Ausgabe, ist meine wahre Geschichte, mit einem neuen Vorwort, einer Botschaft des Leprechaun und noch einmal gänzlich überarbeitet. Diese neue Ausgabe führt auch auf amüsante Weise hin zu einem zweiten Buch, zu »Elfenreise – eine mystische Irlandfahrt mit den Naturgeistern«, in der meine späteren, vom irischen schwarzen Humor geprägten, Abenteuer mit dem Leprechaun und seinen Elementarwesen-Freunden beschrieben werden.

An diesem Punkt kommen Ihnen vielleicht Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit. Schließlich haben wir fast alle gelernt, dass Geister, Engel und alles, was nicht in der dreidimensionalen Wirklichkeit verankert ist, nicht existiert! Ich verstehe diese Zweifel, und ich glaube, wir brauchen ein gutes, kritisches Urteilsvermögen, damit wir Wahrheit und Phantasie unterscheiden können. Doch wenn wir unvoreingenommen urteilen, sind die Beweise für die Existenz der Elementarwesen überwältigend. Vor hundert Jahren schrieb W. B. Yeats in seiner Einleitung zu Fairy and Folk Tales of the Irish Peasantry: »In Irland sind sie immer noch zu finden. Sie beschenken freundliche und plagen griesgrämige Menschen.« Während er seine Geschichten sammelte, fragte er Paddy Flynn: »Hast du je eine Fee oder ähnliche Wesen gesehen?« Paddy antwortete: »Und ob! Sie gehen mir auf die Nerven.« Dann schilderte er einige seiner wahren Begegnungen mit ihnen.

Elementarwesen gibt es nicht nur in Irland. Fast alle Völker der Welt erzählen Sagen und Geschichten über sie. Nach einer Umfrage in Island, über die Globe and Mail, Kanadas führende Zeitung, vor kurzem berichtete, glauben zweiundzwanzig Prozent der Isländer an Elfen und Gnome. Der Bürgermeister Ingvar Viktorsson von Hafnarfjordur sagt: »Seit langem wissen wir von einer anderen Gesellschaft, die neben unserer menschlichen existiert, einer Gemeinschaft mit vor den meisten Menschen verborgenen Behausungen in vielen Teilen der Stadt, in den Lavagebieten und auf den Klippen. Wir sind überzeugt, dass Elfen, verborgenes Volk und andere Wesen, die dort leben, uns wohlgesinnt sind.«

Und es sind nicht nur Menschen mit europäischem Hintergrund, die überzeugt sind von Elementarwesen, auch die Naturvölker glauben an sie. Die Maori in Neuseeland nennen ihre ältesten Elementargeister »Kinder des Nebels« oder »Patupeirehe«. Sie sind schlank und haben flachsfarbenes Haar, und die Ältesten der Maori sagen, die Patupeirehe hätten schon lange vor der Ankunft des Maori-Volkes in Neuseeland gelebt. Die Maori kennen auch andere Arten von Elementarwesen, zum Beispiel die »Nanakia«, die ähnlich aussehen wie Elfen und mit Bäumen in Verbindung stehen; meist sind sie in den Wäldern anzutreffen.

In meinem eigenen Leben habe ich schon zu viele Beweise für die Existenz dieser Geschöpfe erfahren, um ihre Wirklichkeit noch leugnen zu können. Als Kind lebte ich in vielen Welten gleichzeitig, hörte Stimmen im Wind und erspähte Elementargeister aus den Augenwinkeln. Damals war mir nicht bewusst, dass andere Menschen diese Wesen weder hören noch sehen konnten, und deshalb stellte ich keine Fragen und sprach auch nicht darüber. Erst als ich sieben war, wurde mir klar, dass ich auf eine Art offen war, die den meisten Menschen abgeht. Diese Erkenntnis traf mich eines Tages wie ein Schock.

Ich war auf dem Weg zur Schule zusammen mit zwei Freundinnen. Eines der Mädchen mochte mich, die andere konnte mich nicht leiden, und obwohl sie nette Worte zu mir sagte, wünschte sie mich in ihren Gedanken weit weg.

Das tat mir weh, und ich fragte sie: »Warum sagst du das eine und denkst etwas anderes?« Dann wiederholte ich wortwörtlich ihre Gedanken.

Beide Mädchen waren entsetzt. Das Mädchen mit den garstigen Gedanken starrte mich furchtsam und auch hasserfüllt an. Die andere, die mich bis jetzt gemocht hatte, fürchtete sich von da an vor mir und hielt mich für gefährlich. Damals begriff ich, dass andere Menschen nur Worte, aber keine Gedanken hören können. Und ich wusste gleichzeitig, dass keines der beiden Mädchen meine Freundin sein wollte.

Erschüttert beschloss ich, am Abend meine Eltern zu prüfen, um herauszufinden, ob sie meine Gedanken hören konnten. Während des Essens sagte ich etwas und dachte das genaue Gegenteil – und musste zu meiner großen Enttäuschung feststellen, dass meine Eltern nur meine Worte hören konnten.

In diesem Augenblick entschied ich, dass ich, wenn ich von anderen akzeptiert werden wollte, so wie sie sein musste. So entwickelte ich im Alter von sieben Jahren meinen eigenen Ethikcode: Ich höre und sehe Menschen nur bis zu der Ebene, auf der sie gehört und gesehen werden möchten. Leider verschloss diese meine Entscheidung die Tür zu vielen der Stimmen und Wahrnehmungen, die meine Kindheit mit Wundern und Magie erfüllt hatten.

Ich glaube nicht, dass meine Erfahrung einzigartig ist. Viele Kinder sehen Elementarwesen wie Feen und Elfen, und viele dieser Wesen sind jene »besonderen Freunde«, die Eltern für Phantasiegebilde halten. Die Geschichte von Peter Pan illustriert die Verbundenheit von Kindern zur magischen Welt der Elementarwesen und übermittelt die Botschaft, dass sie als Erwachsene auf diesen Kontakt verzichten müssen. Dennoch gibt es Erwachsene, die offen bleiben und Engel und Elementargeister sehen und hören. Sie werden Mystiker oder Hellseher genannt, und ich bin davon überzeugt, dass es noch viel mehr Menschen gibt, die sich öffnen können, um wieder zu sehen und zu hören, wie wir es als Kinder taten.

Während meiner Kinder- und Jugendjahre begab ich mich auch weiterhin auf Astralreisen, und ich empfing prophetische Botschaften, wenn ich im Schlaf sprach. Ich spielte diese Ereignisse herunter, um als »normal« angesehen zu werden – bis ich im Alter von neunzehn Jahren eine Nahtoderfahrung machte. Bald nach diesem Erlebnis begann ich zu meditieren und öffnete mich wieder vollständig für andere Realitäten.

Meine innere Reise und meine Arbeit mit geistigen Wesen zur Entwicklung meines Bewusstseins dauerten fünfzehn Jahre, doch sprach ich selten darüber, und wenn, dann nur mit guten Freunden, denen ich vertraute. Zum Glück fand ich in dieser Zeit einen Beruf, der es mir erlaubte, meine »Intuition« ganz legitim zu nutzen. In Toronto hatte ich eine Privatpraxis für Psychotherapie und spezialisierte mich auf spirituelle Transformation. Sechzehn Jahre lang arbeitete ich mit Menschen, die nach ihrer Seelenaufgabe suchten und mehr für die Welt tun wollten. Außerdem hielt ich in verschiedenen Ländern Seminare ab und brachte den Teilnehmern bei, die Qualitäten zu entwickeln, die ich von Natur aus geschenkt bekommen hatte. Es ging mir mehr darum, ihnen zu helfen, fähig zu werden, andere Wirklichkeiten wahrzunehmen, als darum, als Medium für diese Realitäten zu dienen.

Dies alles mündete im Jahr 2000 in die Gründung des »International Institute for Transformation« (IIT), welches den Menschen hilft, ihre spirituelle Intelligenz zu entwickeln, damit sie in Übereinstimmung mit den geistigen und den Naturgesetzen zu Mitschöpfern werden können, um der Erde und allen Wesen zu dienen.

Doch nun zurück zu den Elementarwesen! Bevor ich den Leprechauns begegnete, hatte ich seit meiner Kindheit keinen bewussten Kontakt mehr mit Elementargeistern gehabt. Während meines ganzen Berufslebens hatte ich mich darauf konzentriert zu verstehen, wie das »menschliche« Bewusstsein entwickelt werden konnte. Die Leprechauns und andere Elementarwesen erzählten mir von ihrer Entwicklung und machten mir klar, dass Menschen und Elementargeister zusammenarbeiten müssen, um unsere und ihre Evolution voranzutreiben.

Die wichtigste Aufgabe der Elementarwesen – so der Leprechaun – besteht darin, im Einklang mit den Naturgesetzen zu arbeiten und eine Welt der Schönheit und der Vielfalt zu erschaffen. Elementargeister helfen den Blumen zu blühen, den Bäumen zu wachsen und sogar unseren menschlichen Körpern zu leben. Aber sie tun noch mehr. Sie sorgen dafür, dass wir Spaß und Humor haben und schelmisch sein können; sie entfachen unsere Kreativität und stärken unseren Sinn für das Schöne.

Sie können »Elfensommer« auf verschiedene Weise deuten. Wenn Sie glauben, Leprechauns seien lediglich Produkte des Volksglaubens, ohne jeglichen Bezug zur Wirklichkeit, wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Lektüre meines »Märchens«.

Wenn Sie davon überzeugt sind, dass Leprechauns oder Feen existieren, obwohl Sie nie welche gesehen haben, und wenn Sie mehr über sie erfahren wollen, finden Sie in meinem Buch viele Informationen über diese mystischen Wesen, über ihre Lebensweise und ihre Fähigkeiten, und ich hoffe, dass die meisten Ihrer Fragen, die Sie nie stellen konnten, beantwortet werden.

Die dritte Gruppe ist schwieriger zu definieren. Wenn Sie zu ihr gehören, fühlen Sie sich berufen, mit der Natur zu arbeiten, um die Erde zu heilen. Meine Hoffnung ist, dass Sie in dieser Geschichte Hinweise finden werden, die Ihnen helfen, Mitschöpfer zu werden, gemeinsam mit den Elementarwesen, die nach engagierten Menschen suchen, welche mit ihnen arbeiten möchten.

Wenn der »Elfensommer« Ihnen aus einem dieser Gründe gefällt, war das Buch für mich ein Erfolg. Wir brauchen Spaß und wir müssen lachen, um die bedrückenden Gedanken loszuwerden, die auf dieser Welt so verbreitet sind. Und wenn wir mehr über die Elementarwesen erfahren, mit denen wir diesen Planeten teilen, wird dieses neue Wissen uns inspirieren, unsere Überzeugungen und Handlungen, die unserer und ihrer Welt Schaden zufügen, zu verändern!

Tanis Helliwell, 2011

Botschaft des Leprechaun

»Dies ist eine wahre Geschichte. Wir Elementarwesen besitzen in unserem Reich nicht wie die Menschen Bücher, doch schien uns dies die beste Art, um mit ihnen in Kontakt zu kommen. Elementargeister suchen nach Menschen, die auf dieser schönen Erde gemeinsam mit uns schöpferisch tätig sein wollen. Ich hoffe, ihr werdet euch unserer Reise anschließen.«

Leprechaun:

»Ein Zwerg oder Kobold des irischen Volksglaubens, oft als kleiner, alter Mann dargestellt, der jeden, der ihn fängt, zu einem Goldschatz führt.«

Webster’s Dictionary

Kapitel eins

Die Begegnung mit den Leprechauns

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Irgendwann kommt für die meisten Menschen der Tag, an dem sie dem Ruf des Blutes folgen. Ihre Wurzeln fangen an, sie dorthin zu ziehen, wo sie oder ihre Eltern herkommen. Meine Wurzeln liegen in Irland.

Meine Geschichte beginnt in Toronto, Kanada. Nach sechzehn Jahren hatte ich mich von meinem Partner getrennt. Mein Haus stand vor dem Verkauf. Meine beruflichen Aussichten waren düster und ich sehnte mich danach, den tieferen Sinn des Lebens zu entdecken. Ich hatte das Bedürfnis, mich zurückzuziehen, und da bot Irland sich an. Also bat ich eine Freundin, die nach Irland reisen wollte, einen abgeschiedenen Platz für mich zu suchen. Ich dachte an ein kleines Cottage, fern aller Städte und Dörfer. Dort wollte ich den Sommer verbringen und meditieren.

Ich hatte ein Ziel vor Augen: Ich wollte erleuchtet werden. In spirituellen Büchern hatte ich gelesen, dass man erleuchtet wird, wenn man sich von Bindungen löst und sich einem spirituellen Pfad verpflichtet. Ich hatte mein Heim, meine Familie und meinen Beruf aufgegeben, und mir fiel nichts mehr ein, woran ich noch gebunden war. Offensichtlich war ich qualifiziert!

Zwei Monate später kehrte meine Freundin Elizabeth aus Irland zurück und wollte mich sofort treffen. Während ihrer ganzen Reise hatte sie sich immer wieder nach einem friedlichen kleinen Haus auf dem Land umgehört, das zu mieten sei. Doch erst an ihrem letzten Abend in Dublin, als sie mit einem alten Freund beim Essen saß, hatte sie Erfolg: Er kannte ein Cottage, das im Sommer zu haben war. Es stand auf Achill Island an der Westküste Irlands.

Zwei Wochen später verabschiedete ich mich von meinem alten Leben und stieg ins Flugzeug nach Dublin. Das Haus in Toronto sollte verkauft werden, und ich wusste, dass Bill, mein Partner, ein neues Leben begonnen haben würde, wenn ich zurückkehrte.

Ich kam am Morgen eines Werktages in Dublin an und suchte gleich den Besitzer des Hauses auf, um die Miete zu bezahlen und den Schlüssel zu holen. Mr. Davidson war ein recht erfolgreicher britischer Geschäftsmann in mittleren Jahren, der lange in Irland gearbeitet hatte. Höflich und zurückhaltend bot er mir einen Stuhl an.

»Mr. Davidson«, begann ich, eingedenk der europäischen Sitte, die Leute mit dem Nachnamen anzusprechen, »wie lange gehört dieses Cottage schon Ihrer Familie?«

»Seit zwanzig Jahren. Wir benutzen es allerdings nur im Sommer. Den Rest der Zeit steht es leer. Aber Mrs. O’Toole, eine Nachbarin, kümmert sich darum. Ich habe ihr gesagt, dass Sie kommen, und sie wird die Tür für Sie aufschließen.«

Er hielt inne, räusperte sich und fügte hinzu: »Leider habe ich schlechte Nachrichten. Vor zwei Wochen wurde das Cottage verkauft.«

Meine gute Laune verflog, und er fuhr fort: »Aber ich habe auch gute Nachrichten: Ich habe den neuen Eigentümern gesagt, dass sie das Cottage erst in einem Monat beziehen können, weil ich es Ihnen versprochen habe. Nach einem Monat müssen Sie sich allerdings nach etwas anderem umsehen.«

Ich saß da wie gelähmt. Die Umstände meines Retreats hatten sich so schnell geändert, und offensichtlich nicht zu meinen Gunsten. Nun hatte ich zwei Möglichkeiten. Entweder schaffte ich die Erleuchtung in einem Monat, oder ich musste einige unvorhergesehene Änderungen an meinen Plänen vornehmen. Das letztere schien mir wahrscheinlicher. Anscheinend war der Weg zur Erleuchtung doch nicht so einfach, wie ich gehofft hatte.

Ich erinnerte mich an meine britischen Manieren, schüttelte Mr. Davidson die Hand und dankte ihm dafür, dass er mir das Cottage für einen Monat überließ. Mit ängstlich pochendem Herzen verließ ich sein Büro, winkte einem Taxi und fuhr zum Busbahnhof. Die Uhr tickte. Innerhalb einer Stunde saß ich im Bus nach Achill Island in der Grafschaft Mayo.

Wir fuhren von der Großstadt in die Stadt, von der Stadt ins Dorf, vom Dorf hinaus aufs Land. Die Landschaft wurde zusehends trostloser und zerklüfteter. Schließlich in Mayo angekommen, waren die Hügel nackt und felsig. Bauern und andere Einwohner hatten die höheren Hügel aufgegraben, um Torf zu stechen. Ungefähr fünf Stunden nach meiner Abreise aus Dublin hielt der Bus an einer Landstraße, und der Fahrer deutete auf einen Hügel in der Ferne.

»Dort finden Sie Ihr Cottage«, sagte er.

Das war ja unheimlich! Woher wusste ein Busfahrer aus Dublin, welches Haus ich suchte? Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie effektiv die irischen »Buschtrommeln« arbeiten.

Ich schulterte mein Gepäck – Laken und Kleidung für den kühlen irischen Sommer. Es dämmerte schon, als ich die Straße entlangging. Meine Besorgnis nahm mit jedem Schritt zu.

Wohin sollte ich nach einem Monat, wenn meine Zeit abgelaufen war, gehen? Was würde ich in diesem Cottage vorfinden? Hatte ich den Grund, nach Irland zu reisen, falsch gedeutet? Und warum musste ich über alle meine Entscheidungen grübeln und mir Sorgen um die Zukunft machen – so wie in diesem Augenblick?

Eine halbe Stunde später gelangte ich schließlich an ein kleines weißes Cottage mit einer blauen Tür und zwei riesigen Quarzblöcken am Eingang zum Grundstück. Das passte zu Mr. Davidsons Beschreibung, also öffnete ich das Tor und ging hinauf zum Eingang. Überrascht sah ich, dass die Tür einen Spalt offenstand. »Hallo, ist jemand da?« rief ich. Da niemand antwortete, ging ich auf Zehenspitzen hinein.

Im Kamin loderte ein Feuer. Ich ließ meinen Rucksack auf den Boden fallen und setzte mich auf den nächstbesten Stuhl. Als meine Augen sich an den dunkler werdenden Raum gewöhnt hatten, nahm ich meine Umgebung langsam in mich auf. Neben dem Kamin lag ein Haufen Torf, daneben stand ein Blasebalg auf dem Kopf. Vor dem Kamin stand ein durchhängendes altes grünes Sofa und dahinter ein großer Holztisch mit sechs sehr soliden Stühlen. Links befand sich ein kleines, leeres Zimmer, offensichtlich unbenutzt, und zu meiner Rechten konnte ich durch die Tür ein Fenster und einen Schrank sehen – vermutlich das Schlafzimmer. Hinter mir befand sich eine winzige Küche, die zugleich als Eingang diente.

Seit meinem Eintreten hatte ich das Gefühl, in das Heim anderer Leute eingedrungen zu sein. Es war, als sei jemand nur mal eben für ein paar Minuten weggegangen. Gleich würde er oder sie zurückkommen und mich entdecken! Ich versuchte, dieses Gefühl wegzuschieben, war aber immer stärker davon überzeugt, beobachtet zu werden. Da sich meine Augen an das trübe Licht angepasst hatten, ließ ich meinen Blick in die Ecke wandern, von der diese »Schwingungen« ausgingen. Erschrocken stellte ich fest, dass vier Leute mich beobachteten: ein kleiner Mann, eine kleine Frau und zwei Kinder. Ich erstarrte und wagte nicht zu atmen. »Ich bin in der Wohnung anderer Leute«, dachte ich. »Was für seltsame Kleider sie tragen … mein Gott – das sind keine Menschen!« Im Bruchteil einer Sekunde erkannte ich, dass ich mich in einem verwunschenen Cottage befand. »Mist!« dachte ich, und fühlte, wie meine Hysterie zunahm.

Doch bevor ich diesen Gedanken weiterspinnen konnte, sprach der kleine Mann mich an.

»Wir leben seit hundert Jahren eurer Zeit in diesem Cottage und sind bereit, es mir dir zu teilen. Aber wir stellen ein paar Bedingungen.«

Sein Aussehen strafte die Autorität seiner Worte Lügen. Er war nicht größer als ein Meter zwanzig und mit einer altmodischen, geknöpften grünen Jacke bekleidet, die ihm bis zur Taille reichte. Sie lag straff über einem ansehnlichen Bauch. Eine braune, an den Knien abgeschnittene Hose ging in dicke Leggings über, die in großen Holzschuhen endeten – nach menschlichem Ermessen waren sie weitaus größer, als die Füße es sein durften. Ein riesiger schwarzer Zylinder vervollständigte die sonderbare Kluft.

Die beiden Jungs waren Miniaturausgaben ihres Vaters, abgesehen vom gewölbten Bauch und vom Hut. Sie zappelten herum und versuchten offenkundig, sich gut zu benehmen. Aber sie wären bestimmt lieber woanders gewesen und hätten gespielt.

Die kleine Frau trug ein Kleid, das bis zum Boden reichte. Darunter guckten Clogs hervor, wie ihr Mann sie trug. Ihr Hut erinnerte mich an die Kopfbedeckung der Pilgerväter in Neuengland; er schien zu groß für ihren Kopf. Ihr rotes Haar war nach hinten in einen Knoten gezogen, doch ein paar Strähnen fielen widerspenstig heraus. Sie hatte Mühe, ihre Hände stillzuhalten; sie fuchtelte damit herum, dann versteckte sie sie hinter dem Rücken. Sie lächelte mich an, doch nach einem Blick auf ihren Mann entfernte sie ihr Lächeln wieder und bemühte sich, ernst auszusehen.

Der kleine Mann setzte zu all dem eine bemüht geduldige Miene auf, während er auf meine Antwort wartete. Ich war durcheinander, doch hatte ich das Gefühl, dass sich mir eine unerwartete Gelegenheit bot – etwas Ungeahntes, aber Kostbares. Im selben ernsten Ton wie er antwortete ich: »Wie lauten die Bedingungen?«

»Wir sind zu einem Handel bereit«, erwiderte er, offensichtlich erleichtert darüber, dass ich sprechen konnte.

»Worin besteht der Handel?« fragte ich abwehrend. Allmählich hatte ich den Verdacht, dass »wir« in Wirklichkeit »ich« hieß und dass die kleine Frau und die beiden Jungen nur als Rückendeckung gedacht waren.

»Nun ja … du wohnst an einer verwunschenen Straße – und nicht alle Elementarwesen hier sind den Menschen wohlgesinnt.«

»Entschuldigung«, sagte ich. Ich wollte ganz sicher sein, dass wir uns in derselben Sprache unterhielten. »Was meinst du mit ›Elementarwesen‹?«

»Ihr ›Menschen‹«, sagte er ungeduldig, »nennt uns Gnome, Kobolde, Zwerge, Feen, Elfen und Leprechauns, aber wir sind alle Elementarwesen. Das ist unsere Rasse, so wie ihr der menschlichen Rasse angehört. Es gibt viele Arten von Menschen, so wie es viele Arten von Elementarwesen gibt. Nun, wie gesagt, wir werden dich den Sommer über beschützen. Ich weiß, dass du diesen Schutz brauchst, weil ich weiß, warum du hier bist.«

Fast hätte ich ihm erneut eine verdutzte Frage gestellt; aber dann biss ich mir auf die Zunge. Ich würde zu gegebener Zeit eine Erklärung bekommen. Er hatte wohl gemerkt, dass meine Gedanken abgeschweift waren, denn er hielt eine Weile inne, bevor er fortfuhr.

»Dafür«, sagte er, »werde ich dich am Ende des Sommers um ein Geschenk bitten.«

»Um was für ein Geschenk?«

»Das werden wir dir heute noch nicht sagen. Du erfährst es am Ende des Sommers.«

In meinem benebelten Gedächtnis kramend, fand ich Geschichten über von Feen und Elfen getäuschte Menschen, und ich fühlte ein gewisses Misstrauen gegenüber einem Handel mit ungewissem Ausgang. Nun könnte ich sagen, ich hätte keine andere Wahl gehabt, weil es sein Cottage war und ich nirgendwo sonst hingehen konnte, doch entspräche das nicht ganz der Wahrheit. Vermutlich hätte ich dort einen Sommer lang leben und diese kleinen Leute einfach ignorieren können. Aber welche unvorstellbaren Erlebnisse würden mir dann gleichzeitig entgehen? Und tief im Inneren hatte ich das Gefühl, dass sein Vorschlag fair war. Es war fast so, als ob ich ihm, damals schon, vertraute. Also willigte ich ein.

Ich erinnerte mich an Robert Frosts Gedicht »Der Weg, den keiner ging«. Der Dichter geht im Wald spazieren, kommt an eine Weggabelung und sagt: »Und ich – ich nahm den Weg, den keiner ging, und eben dieser Weg war gut.« Mir war, als habe der Leprechaun angeboten, gemeinsam mit mir den Weg zu gehen, den andere nicht gehen wollten. Ich hatte keine Ahnung, wohin diese Reise führen würde, aber ich wusste, ich würde es bereuen, wenn ich diese Gelegenheit nicht beim Schopfe ergriff.

Da unser Handel abgeschlossen war, wandte der Leprechaun sich ab und machte mir dadurch klar, dass unser Gespräch für diesen Abend beendet war. Die kleine Frau und die Kinder waren bereits verschwunden. Erschöpft hob ich mein Gepäck auf und ging ins Schlafzimmer. Das solide hölzerne Doppelbett hatte offensichtlich schon Generationen müder Körper tröstlich aufgenommen. Ich öffnete meinen Rucksack, zog die Bettwäsche heraus und bezog das Bett. Im Schrank fand ich mehrere Wolldecken, die ich alle mit aufs Bett warf. Zitternd vor Kälte nahm ich die Brille ab und legte sie auf den Nachttisch. Dann zog ich mich aus, schlüpfte in mein Großmutter-Nachthemd und kroch unter die Decken. Wenige Minuten später war ich eingeschlafen.

Kapitel zwei

Mrs. O’Toole

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Der nächste Morgen war herrlich und sonnig, und da ich am Abend zuvor nichts gegessen hatte, war ich überaus hungrig. Ich schlang mir einen zweiten Pullover um die Taille für den Fall, dass das Wetter sich änderte, schulterte meine Handtasche und machte mich auf den Weg, um ein wenig Proviant für meinen Speiseschrank zu kaufen. Als ich das Gartentor geöffnet hatte, blieb ich stehen. Vor mir erstreckte sich eine weite Landschaft mit ausgedehnten Feldern, begrenzt von zahlreichen Hecken, die hinab zu majestätischen, schroff ins Meer abfallenden Felsen führten. Zu meiner Rechten, dort, wo die Straße aufs Meer traf, standen weit entfernt ein paar Gebäude – das Dorf, vermutete ich.

Ich sog die saubere, feuchte Luft tief ein und ging hinunter zur Straße. Sie war von einer drei Meter hohen Hecke gesäumt, und an beiden Seiten befanden sich kleine Abflussrinnen. Diese Straße war so schmal, dass nur ein einziges kleines Auto auf ihr Platz hatte. Durch die Lücken in der Hecke sah ich strahlend schöne Flecken: gelbe Schwertlilien und Gänseblümchen zwischen saftigem grünem Gras. Es war kaum zu glauben, dass auf dieser Straße gefährliche Elementargeister lauerten. An diesem frühen Morgen war ich zuversichtlich und fröhlich. War es nicht herrlich, dass ich einen Monat in einem Häuschen mitten in dieser wundervollen Landschaft verbringen durfte?

Ich näherte mich dem Dorf und kam an eine Kreuzung mit zwei Pubs und einem Gemischtwarenladen. »Keine große Auswahl«, dachte ich und ging auf den Laden zu. Ich öffnete eine quietschende Tür und trat ein. Alle Köpfe drehten sich zu mir, Schweigen breitete sich aus. »Eine Fremde.« Ich lächelte und wandte mich sogleich den Regalen mit den Lebensmitteln zu. Zu meiner Erleichterung wurden die normalen Gespräche wieder aufgenommen. Einige Zeit später – ich hatte Lebensmittel ausgesucht, aus denen ich möglichst viele Mahlzeiten bereiten konnte, ohne zuviel schleppen zu müssen –, hielt ich Ausschau nach der Kasse. Hinter der Theke stand ein Mann mit einer weißen Schürze und einem Gesichtsausdruck, der den Eigentümer verriet. Ich schlenderte hinüber und stapelte meine Einkäufe vor ihm auf. Als er sie sortierte, fragte er mich so beiläufig, wie er konnte: »Sie machen wohl Urlaub hier?«

»Ich habe für diesen Sommer das Haus der Davidsons gemietet«, sagte ich. Zwar hatte ich keine Lust, Stoff für den Dorfklatsch zu liefern, aber ich wollte dem Mann auch nicht die Freude nehmen, ein wenig über mich berichten zu können.

Seine linke Augenbraue hob sich ein wenig. Er schaute mir in die Augen und fragte in ernsthaftem Tonfall: »Wissen Sie, dass es dort spukt?«

Ich hielt es für das beste, mich unwissend zu stellen. Darum erwiderte ich: »Oh! Wer spukt denn da?«

»Nun, die kleinen Leute«, antwortete er rasch. »Aber das ist noch nicht alles. Sie wohnen an einer ganzen verwunschenen Straße. Gleich gegenüber Ihrem Cottage stand einmal ein Wohnwagen. Er wackelte und klapperte, und alles Mögliche passierte, ohne dass jemand drin war.«

Er hätte bestimmt weitergeredet, wenn ich ihn dazu ermutigt hätte. Aber seine Worte, die mein Erlebnis am vorigen Abend bestätigten, hatten mich doch etwas aus der Fassung gebracht. Wenn alle im Dorf von diesem »Spuk« wussten, konnte ich die Elementarwesen nicht einfach als Hirngespinst abtun. Am bisher so blauen Himmel schienen schwarze Wolken aufzuziehen. Ich glaubte nicht, dass er mir Angst einjagen wollte. Es fühlte sich eher so an wie die Freude der Iren, ein bisschen über die eigene Ortschaft erzählen zu dürfen; aber ich spürte auch, dass er ein Schelm war, dem es Spaß machte, eine Fremde aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das war ihm wahrhaftig gelungen.

Ich dankte ihm, nahm meine Taschen und ging. Mir war klar, dass »die Amerikanerin« (bei den Iren zählen auch die Kanadier dazu) heute Abend an jedem Tisch das Gesprächsthema sein würde. Vermutlich würden die Leute sogar Wetten darauf abschließen, wie lange ich durchhielt.

Dann wanderte ich auf der Landstraße zurück zum Haus. Sowohl das Gepäck als auch die Informationen des Kaufmanns lasteten schwer auf mir. Mit steifen Schritten ging ich die Hecken entlang und vermutete überall lauernde Wesen, die mich gleich anspringen würden. Als ich ankam, seufzte ich erleichtert auf. Drinnen packte ich die Lebensmittel aus, verzehrte ein hastiges spätes Frühstück und machte mich daran, das Haus wohnlicher zu gestalten. Die Leprechauns waren nirgends zu sehen, und ich suchte sie auch nicht. Vielleicht wollten sie mir ein wenig Zeit lassen, damit ich mich mit der Umgebung vertraut machen konnte. Wie auch immer, ich war froh, dass ich meine Ruhe hatte.

Ich stellte die Möbel um, baute einen Altar für die Meditation auf und pflückte Blumen. So verging die Zeit schnell, und die länger werdenden Schatten kündigten den Sonnenuntergang an. Es war Zeit, das Feuer anzuzünden. Ich legte vier Torfstücke so aufeinander, dass genügend Luftlöcher blieben, holte die Streichhölzer vom Kaminsims, zündete eins an und legte es unter den Torf. Nichts geschah. Wieder und wieder versuchte ich es, ohne Erfolg.

Verärgert schnappte ich mir mein neues Tagebuch, das ich gekauft hatte, um den Sommer meiner Erleuchtung zu dokumentieren, und riss einige leere Seiten heraus. Sorgfältig schob ich die Blätter unter den Torf und zündete erneut ein Streichholz an. Das Papier brannte sofort. Ich beglückwünschte mich, setzte mich aufs Sofa und sah zu, während die Flammen immer kleiner wurden und schließlich ausgingen.

Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte gar kein Feuer gebraucht – schließlich war es Sommer. Doch sehr schnell hatte ich festgestellt, dass die Sommer in Kanada und in Irland wenig gemeinsam haben. Das Cottage war so kalt und feucht, dass die Temperatur selbst am wärmsten Tag nicht über siebzehn Grad stieg. Schlotternd und bar neuer Ideen hob ich den Blick und sah am Gartentor einen Kopf auftauchen. Er war mit einem Tuch bedeckt, aus dem vorne und an den Seiten Strähnen von grauem Haar fielen. Eine abgearbeitete Hand öffnete den Riegel des Tors und drückte es auf. Der dazugehörige Körper war mit einem schmutzigen blaugrauen Regenmantel bekleidet, zusammengehalten von zwei Knöpfen. Bei jedem Schritt enthüllte der Mantel ein verblichenes Kleid mit Blumenmuster und den unregelmäßigen Saum eines Unterrocks. In ihren schlammverkrusteten Stulpenstiefeln schritt die Person schnurstracks auf die Haustür zu. Der Gehstock in ihrer rechten Hand war fast so lang wie sie.

Ich eilte zur Tür und wurde von einem Zwinkern aus verschmitzten Augen und einem Lächeln begrüßt, das so viele fehlende Zähne enthüllte, dass ein Zahnarzt ein Jahr lang sein Auskommen damit gehabt hätte.

»Ich bin Mrs. O’Toole«, sagte sie, und ihr Blick schweifte zum kalten Kamin, wo die Überreste meiner vergeblichen Versuche alles klar machten.

Ich trat zur Seite, und ohne ein weiteres Wort ging sie direkt auf die Feuerstelle zu. Behutsam schob sie die Torfstücke beiseite, fegte die Papierasche weg und formte aus dem Torf eine Art Zelt, strich darunter ein Zündholz an, und innerhalb von Minuten brannte der Torf lichterloh.

»Das sieht gar nicht schwierig aus«, dachte ich, während ich ihr zusah. »Morgen werde ich kein Problem mehr damit haben.« An meinem ersten Tag im Haus war ich eben noch unschuldig. Ich glaubte noch immer, dass ich meine Umwelt kontrollieren konnte und, mit Hilfe meines freien Willens, die notwendigen Schritte hin zur Bewusstheit machen würde. Damals ahnte ich noch nicht, dass es mir nicht ein einziges Mal gelingen würde, den Torf anzuzünden, und dass Mrs. O’Toole mich jeden Tag zur gleichen Stunde retten würde. An diesem ersten Tag, obwohl ich dankbar für ihre Hilfe war, fühlte ich mich doch durch ihr Eindringen gestört. Ich hatte Tage und Wochen der Stille und der Meditation geplant, und zuerst war dieses Vorhaben von den Leprechauns und danach von ihr unterbrochen worden. Ich wusste noch nicht, wie sehr ich mich künftig über ihre Besuche freuen würde.

»Möchten Sie eine Tasse Tee?« fragte ich, als sie sich unaufgefordert aufs Sofa setzte.

»Ja«, antwortete sie.

Ich entschuldigte mich, lief in die Küche, um Wasser aufzusetzen, und kramte geschäftig nach Tassen und Keksen. Die Davidsons hatten ein wenig Zucker dagelassen, der sich in der feuchten Luft verfestigt hatte. Ich hobelte mit dem Messer etwas davon ab und gab es in eine Tasse. Als ich mit allem fertig war, ging ich zurück ins Wohnzimmer. Mrs. O’Toole saß ruhig auf dem Sofa und schaute ins Feuer.

Ich setzte mich ans andere Ende des Sofas, und da es keinen Tisch gab, stellte ich das Tablett vorsichtig auf den Boden vor mich hin. Mrs. O’Toole betrachtete immer noch das Feuer und hatte es anscheinend nicht eilig, eine Unterhaltung zu beginnen.

»Möchten Sie jetzt Ihren Tee?« fragte ich nach einigen Minuten. Die Iren mögen den Tee meist stark, darum hatte ich ihn länger ziehen lassen.

»Ja«, meinte sie.

»Zucker?«

»Ja.«

»Tut mir leid, dass ich keine Milch habe«, sagte ich.

»Morgen bringe ich welche von den Kühen mit.«

Das war das erste Anzeichen dafür, dass Mrs. O’Toole und ich uns noch wesentlich öfter sehen würden. In diesem Augenblick begannen meine früheren Erwartungen zu verfliegen, und ich beschloss, zu versuchen, offen zu bleiben für alle Gelegenheiten, die das Universum für mich bereithielt. Ich erwähnte nichts von meinem geplanten Schweigeretreat. Statt dessen fragte ich: »Möchten Sie einen Keks?«

»Ja«, antwortete sie. Wie saßen da, nippten an unserem Tee und kauten stillschweigend. Ihre Anwesenheit war tröstlich. Sie war gemütlich wie das brennende Feuer im Kamin. Behaglich ließ ich mich in ihre Wärme fallen. Ein paarmal versuchte ich, ein Gespräch in Gang zu bringen.

»Wo wohnen Sie, Mrs. O’Toole ?«

»Oben an der Straße«

»In welcher Richtung liegt das?«

»Auf dem Weg ins Dorf.«

»Und was machen Sie dort oben?«

»Wir haben einen Hof.«

Als sie ihren Tee getrunken hatte, stand sie auf und sagte: »Ich gehe jetzt am besten.« Begleitet vom Klopfen ihres Stocks auf dem Holzboden schritt sie zur Tür und ging hinaus. Ich blieb zurück mit der unbeantworteten Frage: Passte sie in meine Sommerpläne?

Kapitel drei

Die Evolution der Leprechauns

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, starrten mich Dutzende von Augen an. Elementarwesen aller Art füllten das Zimmer und beobachteten aufmerksam, wie ich mich jäh aufrichtete.

»Du hast recht, sie sieht uns, sie sieht uns«, kreischte eines von ihnen, ein besonders hässliches Wesen mit vielen Warzen auf der langen Hakennase. Mit seinen riesigen, knotigen Händen zog er sich am Fußteil des Bettes hoch, um mich besser sehen zu können. Selbst ohne Brille fiel es mir nicht schwer, sein groteskes Gesicht zu erkennen.

»Hab’s dir doch gesagt, hab’s dir doch gesagt«, zirpten die zwei Kinder, die in dem Cottage wohnten, und begannen im Zimmer herumzutanzen.