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© für die Originalausgabe und das eBook: 2017 F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Unter Mitarbeit von Holger Schaeben

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagfoto: Claudia Fahlbusch

Illustration: Mascha Greune, München

Satz und eBook-Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-7766-8265-6

Inhalt

Einleitung — Give Pies a Chance

Gefilterte Wahrheiten: Die Nieren

Der Klügere kippt nach: Trinken

Steinreich – arm dran: Nierensteine

Drängende Fragen: Die Harnblase

Dichtung und Wahrheit: Die Harninkontinenz

Von wegen klare Sache: Wasserlassen

Kein Pipifax: Harnwegsinfekte

Rauchen kann tödlich sein: Blasenkrebs

Eine Wachstumsstory: Die Prostata

Abnehmende Strahlkraft: Die gutartige Vergrößerung

Früh kommt besser: Die »Vorsorge«-Untersuchung

Thema statt Drama: Krebs

Geht den Mann an: Prostatakrebs

Kronjuwelen: Die Hoden

Hoffnung und Hormone: Eine Ode an die Hoden

Ein oft lösbarer Knoten: Hodenkrebs

Vorhang auf: Die Vorhaut

Jetzt wird’s eng: Phimose

Urteile und Vorurteile: Beschneidung

Antenne des Herzens: Penis und Sex

Tendenz steigend: Erektionsstörungen

Das blaue Wunder: Viagra

Quickie wider Willen: Vorzeitiger Samenerguss

Vorsicht, Sexperimente

»Frei« bis 18: Die Jungen-Sprechstunde

Juckreiz zwischen den Großzehen: Hygiene

Kein Empfang!?: Familienplanung

Cut and go: Sterilisation

Wenn die Saat nicht aufgeht: Unfruchtbarkeit

Wir müssen reden: Kommunikation

Ich hab einen Termin um 11:60 Uhr – »Nebenwirkungen« der Arzt-Patienten-Kommunikation

Arzt, aber herzlich: Dialog auf Lendenhöhe

Schluss — Nachsorge

Lachdienliche Hinweise

Danksagung

Glossar

Weiterführende Informationen

Quellenangaben

Einleitung — Give Pies a Chance

Die Urologie ist für viele Menschen zunächst einmal ein großes Rätsel. Versuchen wir es mit einer Definition: Die Urologie ist ein Teilgebiet der Medizin. Das Teilgebiet befindet sich unten herum. Der Urologe kommt damit gut klar, der Patient meist weniger. Obwohl es total menschlich ist, tun sich Menschen auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert immer noch schwer damit, über diese Teile ihres Körpers offen zu sprechen. Mensch hat sie, und damit ist gut. Schlecht ist, wenn Mensch da unten etwas hat. Wer spricht schon gerne über seine Schwächen, über Erektions- oder Blasenschwäche zum Beispiel. Da muss Mann stark sein, Frau aber auch.

Wir greifen meist in die Schublade: Gynäkologe = Frau. Urologe = Mann. Viele Menschen loben in diesem Zusammenhang übrigens gerne den Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Da weiß man, was man hat. Hieße der Urologe einfach Nieren-Blasen-Prostata-Arzt wäre vieles einfacher. Die Patienten unter den Lesern (also Sie alle) werden sofort denken: Hätte der Pies nicht Hals-Nasen-Ohren-Arzt werden können? Da hätten wir gleich alle gewusst, woran wir sind.

Männer glauben häufig, dass der Urologe ausschließlich für das männliche Geschlecht zuständig wäre. Doch zur Ehrenrettung des Mannes: Auch Frauen wissen es oft nicht besser. Urologe gleich Prostata gleich Mann. Das jedenfalls ist eine weitverbreitete Meinung. Wir Urologen sind daran nicht ganz unschuldig. Jahrelang haben wir die spezifische Kompetenz auf dem Gebiet der Prostatakrebsvorsorge betont, wodurch das Bild des Urologen in der Öffentlichkeit Schlagseite bekommen hat.

Im Kopf einer Frau wird dieses Bild erst in dem Augenblick geradegerückt, da sie an Blase oder Niere erkrankt, unter Blasenentzündung, Inkontinenz oder Nierensteinen leidet und von ihrem Hausarzt oder Gynäkologen zum Urologen überwiesen wird. Und dann trifft es auch die Männer schlagartig: Sobald sie im Wartezimmer des Urologen auf Frauen treffen, müssen sie ihr Vorurteil, dass beim Urologen nur ihresgleichen behandelt würden, über Bord werfen. Bestätigt wird ihre Vorstellung von der Urologie erst in dem Moment wieder, wo sie es mit einem Blasenkatheter zu tun bekommen. Ich bin mir aber sicher, dass sie auf diese Form der Bestätigung gerne verzichten würden.

Apropos Blasenkatheter: Wenn in der Fußgängerzone Passanten befragt werden, was ihnen spontan beim Begriff Urologie in den Sinn kommt, fällt überdurchschnittlich oft der Begriff Blasenkatheter. Dabei ist es gleichgültig, ob die Befragten bereits Erfahrungen mit einem derartigen Utensil gemacht haben oder nicht. Aus meiner Praxis weiß ich, dass um den Blasenkatheter sehr viele Geschichten – meist Schauergeschichten – ranken. Schade eigentlich, denn die Urologie hat doch sehr viel mehr zu bieten. Aber was hilft’s? Unter Urologie kann sich kaum jemand etwas vorstellen, unter Blasenkatheter schon. Und diese Vorstellung ist bei allen Menschen ziemlich gleich. Das Bild des durch die Harnröhre eingeführten Instrumentes, verstärkt durch den dabei gefühlten – wenn auch in diesem Fall eingebildeten – Schmerz hat sich im Hirn eingebrannt und lässt jeden normal fühlenden Zeitgenossen bis ins Mark erschaudern. Vor allem Männer sind von dieser Vorstellung wie gebannt. Schnell kommt Panik auf, die sich vom Scheitel bis in die Lenden breitmacht. Das Ding hat in der langen Geschichte der Urologie dermaßen Eindruck hinterlassen, dass es für die meisten Menschen zum ultimativen urologischen Symbol geworden ist. Ist das nicht sensationell? Sage und schreibe 3000 Jahre Urologie – und was ist hängen geblieben? Der Blasenkatheter.

Zugegeben: Auch mein Weg in die Urologie hat mit einem Blasenkatheter-Erlebnis seinen Anfang genommen. Als junger Student arbeitete ich im Pflegepraktikum auf einer internistischen Station. Wie auf jeder Station gab es auch dort am Krankenbett eine Klingel, um sich beim Pflegepersonal bemerkbar machen zu können. Eines Tages betätigte ein sehr alter Herr – nennen wir ihn Herrn Not – die Klingel und bat mich, ihn zur Toilette zu begleiten. Nachdem ich ihn bis zum Toilettenraum geführt hatte, entließ ich ihn, um diskret vor der Tür zu warten. Wenig später hörte ich hinter der Tür ein leises, in der Wiederholung jedoch deutlich lauter werdendes: »Hilfe!«. Meiner Aufsichtspflicht gemäß, öffnete ich sofort die Tür und sah den »Not-Fall« breitbeinig über der Kloschüssel stehen. Seinen Katheterbeutel hatte er offenbar mit der Toilettenspülung in die Unterwelt befördert, sodass der Schlauch einen ganz ordentlichen Zug auf sein Genitale ausübte. Auch bei ihm war der Blasenkatheter hängen geblieben.

Heute kann ich sagen: Das Ereignis von damals muss auch auf mich eine starke Sogwirkung gehabt haben. Jedenfalls weiß ich, dass ich genau in jenem Moment, als mir der alte Herr Not seinen flehenden Blick zuwarf, beschlossen habe, Urologe zu werden. Und ich weiß auch, dass ich meine spontane Entscheidung bis dato nicht bereut habe.

Doch noch mal zurück zu den Frauen: Auch das weibliche Geschlecht muss zum Urologen. Also das ganze Weib, nicht nur das Geschlecht. Wenn es bei der Frau beim Wasserlassen schmerzt, wird der vermeintliche Männerarzt nämlich zum Frauenversteher. Ein Drittel unserer Patienten sind weiblich, und auch auf ärztlicher Seite gibt es einen Trend zur Feminisierung. Von den etwa 5000 Urologen in Deutschland sind fast 600 Frauen.

Und wo ich nun einmal dabei bin, in aller Offenheit über meinen Beruf zu plaudern, gehe ich noch weiter. Auch wenn es für manche Leserinnen und Leser hart sein mag, es ist die Wahrheit: Früher oder später kriegen wir jeden und jede. Ausnahmslos. Gleich welchen Geschlechts, egal welchen Jahrgangs. Mann, Frau, Kind, Greis. Alle!

Beginnen wir gedanklich im Säuglingsalter. Die Vorhautenge treibt besorgte Eltern in die urologischen Praxen, denn etwa die Hälfte der einjährigen Jungen hat eine Vorhautverengung (Phimose), die in diesem Alter oft noch nicht behandlungsbedürftig ist, aber in der Pubertät immerhin noch bei ein bis drei Prozent der Jungs vorkommt. Bei drei bis sechs Prozent der männlichen Neugeborenen und etwa einem Drittel der Frühgeborenen sind die Hoden noch nicht in den Hodensack hinabgewandert. Auch das ist ein Fall für den Urologen. Ebenso wie weitere angeborene Fehlbildungen der äußeren Genitalien oder der Harnwege.

Kurz vor der Einschulung wachsen dann die Sorgen, wenn das Kind noch einnässt. Was tun? Wohin? Schnell zum Urologen! Später, mit Eintritt der Pubertät, beginnt der Jugendliche, seinen Körper zu entdecken und sein Genitale zu beobachten. Er kommt zu mir, weil er Fragen hat. Vorher hat er noch seinen Intimbereich blank rasiert. Was darunter zutage tritt, muss von einem medizinischen Fachmann meist als Normalbefund abgesegnet werden. Die Größe ist normal. Die Form ist normal. Und, ja, der wächst noch. Doch die Jugendlichen sind verunsichert: Was habe ich da für einen Knubbel am Hoden ertastet? Warum zieht es nach dem Fitnesstraining oft bis in die Leisten? Diese Rötung an der Eichel und der Pickel am Hodensack, sind die normal? Ist mein Sperma in Ordnung? Ach ja, was ich noch zur Verhütung fragen wollte … Alles Fälle für unsere »Jungensprechstunde«.

Und den gleichaltrigen Mädchen, die sich jetzt beim Lesen über die Jungsprobleme schon kichernd die Bäuche gehalten haben, sei gesagt: Mit der Aufnahme der sexuellen Aktivität besteht für euch ein Risiko von fünf Prozent, eine Blasenentzündung zu bekommen. Tendenz steigend. Auch wir sehen uns also früher oder später.

Alles, was mit den urologischen Organen im Laufe eines langen Lebens passieren kann, werde ich Ihnen in diesem Buch nahebringen. Greifen wir mal ein Beispiel heraus: Nierensteine. Eine echte Zivilisationskrankheit. In den Industrieländern bekommt jeder Sechste im Laufe seines Lebens einen Nierenstein. Ursachen? Die Lebensgewohnheiten, das Ess- und Trinkverhalten. Womit wir schon beim nächsten Beispiel wären: dem Trinken und dem Müssen. Dass das jeder muss, müsste jeder wissen. Doch nicht jeder weiß wann, was und wie viel getrunken werden muss. Rat gibt’s beim Urologen. Und was oben reingegossen wird, muss halt auch unten wieder raus. Dazu muss man wiederum wissen: Bei dem einen kommt zu viel, beim anderen zu oft etwas, beim Dritten zu wenig – oder die Kontrolle geht ganz verloren: Urinverlust. Inkontinenz. Allein in Deutschland hat fast jeder Zehnte damit zu kämpfen, sprich sechs bis acht Millionen Menschen. Nicht anschaulich genug? Okay: Sage und schreibe 6000000 bis 8000000 leiden an Urinverlust. Wenn man die Zahlen ausschreibt, werden sie gleich viel deutlicher. Das sind so viele, wie die gesamte Schweiz Einwohner hat.

Doch bevor wir uns weiter in die Themenbreite bewegen, lassen Sie uns einmal tiefer in die Welt der Männer-Urologie eindringen und hier auf die Probleme der Männer mittleren Alters schauen. Schon um die dreißig tauchen oft Fragen zur Fruchtbarkeit auf. Etwas später möchte Mann im umgekehrten Fall bei abgeschlossener Familienplanung der weiteren Fortpflanzung ein Ende setzen, sprich sich sterilisieren lassen. Noch ein paar Jährchen später wächst dann so langsam die Prostata, während andere Organe schrumpfen und bei über der Hälfte der reiferen Herren die Manneskraft abnimmt: Impotenz droht. Wie furchtbar, wenn man in dieser Situation hängen gelassen wird. Mann fragt sich: Was soll Mann nur tun? Oder muss Mann es jetzt ganz lassen?

Seien Sie unbesorgt, liebe Zeitgenossen: Auch bei diesen Sorgen ist Ihr Urologe bei Ihnen. Wie natürlich auch bei der Vorsorge. Einem sehr wichtigen Thema. Jeder müsste, keiner möchte. Vielleicht haben Sie schon mal etwas vom PSA-Wert gehört? Wenn nicht: schlimm genug. Wenn ja: oft noch schlimmer. Fragen über Fragen. Aufklärungsbedarf an allen Ecken und Enden.

Und nun bedenken Sie bitte noch, dass die Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969, gerade in ihre sechste Lebensdekade starten. Bei insgesamt steigender Lebenserwartung können Sie erahnen, was auf Sie und uns Urologen in den nächsten 20 Jahren noch zukommen wird.

Tja, die Urologie. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie mitreden können. Dann wissen Sie mehr. Alles gar nicht so schlimm. Alles total menschlich. Vor lauter gespannter Erwartung auf Ihren ersten Besuch beim Urologen haben Sie jetzt wahrscheinlich gar nicht bemerkt, dass wir bei unserer kleinen Lebenszeitreise durch die Urologie schon im letzten Lebensdrittel angekommen sind. Beim Ende. Aber das Ende ist ja bekanntlich offen. Und so endet die Arbeit des Urologen hier auch noch lange nicht. Ich begleite Sie weiter bis ins hohe Alter. Zum Beispiel wenn eine bösartige Erkrankung vorliegt, Pflegebedürftigkeit ansteht oder gar eingetreten ist. Ich wechsle – wenn nötig – regelmäßig Ihren Katheter (da ist das Ding wieder) und komme zu Ihnen nach Hause oder ins Seniorenheim. Komme, was wolle. Kurz: Ich bleibe bei Ihnen.

Dieser große Informationsbedarf hat mich sehr motiviert. Zudem litt ich wie viele Kolleginnen und Kollegen unter dem dramatisch unzureichenden Bekanntheitsgrad meines Faches in der Öffentlichkeit. Als ich dann auch noch hörte, dass selbst Medizinstudenten nicht wissen, was die Urologie alles zu bieten hat, wurde mir klar: Aufklärung tut not. Junge, sagte ich mir, du musst selbst die Hosen runterlassen. Gesagt, getan. Ich war ja Urologe. Und ich war bereit, offen darüber zu sprechen. Also, ein Buch. Alles über untenrum musste ans Tageslicht.

Ich fasste den Plan, meine Leserinnen und Leser hinter die Kulissen einer urologischen Praxis schauen zu lassen, selbst in den OP-Saal, vor allem aber dort hinein, wo absolute Schweigepflicht geboten ist und trotzdem viel gesprochen wird: ins Sprechzimmer.

Gehen wir die Sache jetzt mal ganz systematisch an und hangeln uns von oben nach unten an den urologischen Organen entlang: Nieren, Blase, Prostata, Hoden und Penis sollen unsere Themen sein. Und zwar nicht nur theoretisch, also aus meiner Sicht, sondern ganz praktisch, aus Patientensicht, basierend auf den besten Sprüchen und Zitaten, die ich über viele Jahre während meiner täglichen Arbeit aufgeschnappt habe.

Immerhin hatte ich über die Jahre gelernt, zwischen den Zeilen zu hören. Und Sie werden sich wundern, was dort an Absurditäten zutage kommt. Und wenn man wie ich seine Lehrjahre in den verschiedensten Ecken des Rheinlandes verbracht hat, ist einem das Interesse für Sprache, Kommunikation und die Vielfalt der menschlichen Persönlichkeit förmlich in die Wiege gelegt. Dies – verbunden mit der unglaublichen Vielseitigkeit und Brisanz des Faches – erwies sich als äußerst fruchtbarer Boden für lustigste Begebenheiten.

Ein weiterer Grund, der mich zum Schreiben bewogen hat, war schlicht die medizinische Tradition. Wenn Sie im weltweiten Netz das Suchwort »piesacken« eingeben, landen Sie ziemlich sicher bei einem meiner Vorfahren: Diederich Pies, Stammvater der Hunsrücker Knochenflicker-Familie Pies. Kein Urologe, aber Arzt. Ob Stammvater Pies seine Patienten wirklich gepiesackt hat, ist nicht belegt. Auch nicht, ob ich der Erste im Pies’schen Geschlecht bin, der sich ausschließlich mit dem Pieseln und dem Geschlecht befasst. Sicher aber ist, dass ich Sie nicht piesacken möchte. Aber die Tradition erhalten, das will ich schon.

Und eine lange Tradition, die hat die Urologie wirklich. Schon Platon sagte etwa 400 Jahre vor Christus: »Die Heilkunst ist in der Hauptsache nichts anderes als die Kenntnis der Regungen des Leibes in Bezug auf Füllung und Entleerung.« Aha! Die Urologie kann also mit Fug und Recht als die Mutter aller medizinischen Disziplinen gelten. Als ich Urologe wurde, war die Urologie schon 3000 Jahre alt. Bereits im antiken Ägypten, etwa 1000 v. Chr., haben Patienten mit dem Blasenkatheter Bekanntschaft gemacht. Man sollte meinen, dass die Welt inzwischen mehr über die Urologie wissen müsste. Doch tatsächlich hat sich die Vorstellung, die sich Otto-Normal-Mensch heute von der Urologie macht, nicht viel verändert.

Sie merken: Es war für mich ein Herzenswunsch, dieses Buch zu schreiben. Es war aber auch ein Projekt, das ich mit sehr viel Ernsthaftigkeit angegangen bin und umgesetzt habe. Es ist zu Ihrer medizinischen Information und gleichzeitig zu Ihrer Unterhaltung gedacht. Als gewissenhafter Arzt rate ich Ihnen, vor der »Einnahme« folgende Hinweise zu beachten:

Darreichung: Sie werden Ihre Freude am Lesen umso mehr verspüren, wenn Sie sich das Geschriebene in kleiner Dosis zuführen. Und wenn Sie bei einer Geschichte oder einem Zitat kurz innehalten und über das Gesagte nachdenken oder sich die beschriebene Situation bildlich vor Augen führen, wird die Wirkung sicher noch verstärkt. Außerdem ist es ratsam, den Lesestoff mit etwas Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Empfohlen werden ein bis zwei Glas Wein. Erwachsene verteilen die Einnahme des Lesestoffes auf maximal drei Einnahmen täglich, bis der ganze Vorrat an Texten aufgebraucht ist. Die Bekömmlichkeit ist deutlich höher, wenn Sie den gesunden Lachverstand anwenden. Überdosierungen sind nicht bekannt.

Risiken und Nebenwirkungen: Die ärztlich notierten Redewendungen und Dialoge mitten aus meinem Arztalltag könnten den einen oder anderen Leser denken lassen, ich würde meine Patienten nicht respektieren. Doch das ist weit gefehlt. Ich wollte die Situationskomik, die sich gelegentlich in den Vieraugengesprächen zwischen meinen Patienten und mir ergibt, ungefiltert erfassen und so lebensnah wie möglich wiedergeben. Auch wenn manche Zitate und O-Töne von mir mit einem Augenzwinkern medizynisch kommentiert wurden, können Sie versichert sein, dass ich jedem Menschen höchsten Respekt entgegenbringe und versuche, allen, die in meine Sprechstunde kommen, die Freude, die ich selbst nach einigen Berufsjahren noch bei meiner Arbeit habe, nahezubringen.

Zu den Nebenwirkungen ist zu sagen, dass in den vorbereitenden Dosisfindungsstudien, die ausschließlich an Freiwilligen durchgeführt wurden, vereinzelt über Schmerzen am Zwerchfell und einen Verlust der Schamgrenze berichtet wurde. Aber ich kann Sie beruhigen: Die Betroffenen leben heute wieder völlig beschwerdefrei.

Dieses Buch dient allerdings nicht der Selbstdiagnose und ersetzt auch nicht den Arztbesuch. Es gibt aber Stellen im Text, an denen ich Ihnen dringend empfehle, urologischen Rat einzuholen. Am Rand der jeweiligen Textstellen gibt es eine wahrheitsgetreue Zeichnung von mir, fast schon fotorealistisch: Bitte! Hören Sie auf Dr. Pies und gehen Sie zum Arzt! Wir Urologen werden uns Ihrer annehmen. Dafür sind wir da.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern und Leserinnen gute Unterhaltung und beste Gesundheit; und mir, dass Sie beim Lesen Spaß haben und mein Buch weiterempfehlen. Herzlichen Dank!

Ihr Dr. Christoph Pies

Gefilterte Wahrheit: Die Nieren

Der Klügere kippt nach: Trinken

Die kürzeste Formel zum Thema ist die: oben rein, unten raus und dazwischen ein fließender Übergang. Diese einfache Dreiteilung müssen wir uns jedoch näher anschauen, denn so easy-peasy ist die Sache dann doch nicht. Wir Urologen sitzen ja direkt an der Fehlerquelle. Trinken und Wasserlassen sind für uns laufende Themen. Kaum ein Urologenbesuch vergeht ohne die Empfehlung, ausreichend viel zu trinken. Aber nicht nur die Fragen nach Art und Häufigkeit der Flüssigkeitszufuhr, sondern auch die Spekulationen darüber, wie oft man müssen muss, zählen zu den letzten großen Rätseln der Menschheit. Dabei ist die Mutter aller Fragen diese: Woraus entstand das Leben auf der Erde? Die Antwort: Erst das Vorhandensein von Wasser ermöglichte die Entwicklung von Leben auf unserem Planeten.

Im September 2015 ließ uns die Wissenschaft an einer Sensation teilhaben: Die Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter hatte Hinweise auf flüssiges Wasser auf dem Mars gefunden. Die Wissenschaftler waren verzückt. Fast hätten sie sich bepinkelt vor Freude. War diese Entdeckung ein Beleg für mögliches Leben auch auf dem roten Planeten? Das Ergebnis ist wohl noch offen. Bis es uns vorliegt, kehren wir zurück zur Erde und zum Trinken.

Die Bedeutung des Wassers für unser irdisches Leben mag man auch daran ermessen, dass nicht nur die Erdoberfläche, sondern auch unser Körper zu etwa 70 Prozent aus Wasser besteht. Beim Menschen variiert der Wassergehalt allerdings je nach Alter stark: Bei einem Neugeborenen liegt der Anteil noch bei 70 bis 80 Prozent des Körpergewichts, während er im Laufe des Lebens immer weiter absinkt. Bei Menschen, die älter als 85 Jahre sind, liegt er bei nur noch 45 bis 50 Prozent.

Die zentrale Rolle in der Regulation des Wasserhaushaltes spielen die Nieren. Diese bohnenförmigen Organe liegen im hinteren Bauchraum, jeweils links und rechts an den oberen Enden der Lenden. Und dort verbleiben sie auch ein Leben lang. Die sprichwörtliche »Wanderniere« ist nämlich erstens selten und beschreibt zweitens nur ein möglicherweise übermäßiges Absinken der Niere, wenn der Mensch aufrecht steht. Die Nieren filtern nicht verwertbare oder gar giftige Stoffe aus dem Blut und sorgen für die Ausscheidung mittels Harnbildung. Zudem kontrollieren sie den Sauerstoffgehalt des Blutes, denn sie produzieren das Hormon Erythropoetin, besser bekannt als EPO, das die Bildung der roten Blutkörperchen anregt. Nebenbei sorgen sie noch für einen ausgeglichenen Säure- und Salzhaushalt und regulieren über Urinproduktion und Hormone den Blutdruck. Unser gesamtes Blut fließt 300 Mal am Tag durch die Nieren, und ohne die Konzentrationsprozesse der Nieren würden wir 180 Liter Urin produzieren. Das entspricht in etwa einer vollen Badewanne.

In Deutschland leben etwa zwei Millionen nierenkranke Menschen, aber nur ein Drittel weiß etwas davon. Stellt sich also die grundlegende Frage, wie hoch der Tagesbedarf an Flüssigkeit bei einem durchschnittlichen Erwachsenen ist, um eine reibungslose Funktion dieser lebenswichtigen Organe zu gewährleisten. Schnelle Antwort: zwei Liter. In den USA gibt es die 8-×-8-Regel, also acht Mal acht Ounces (zirka 30 ml) am Tag, womit man auf gut 1900 ml kommt. Da es eine solche Einheit bei uns nicht gibt, könnte man 10 Gläser oder Tassen zu je 200 ml empfehlen. Einen Teil der Flüssigkeit nimmt der Durchschnittsmensch auch durch feste Nahrung auf. Der tatsächliche Gesamtbedarf hängt jedoch auch von äußeren Faktoren ab: dem Wetter, der Temperatur, der körperlichen Belastung sowie der Ernährung. Ein weiterer entscheidender Faktor ist das Alter. Insbesondere ältere Menschen müssen mehr trinken, da ihr Körper ja ohnehin schon einen deutlich geringeren Flüssigkeitsanteil aufweist. Ein dauerhafter Mangel an Flüssigkeit kann zur Austrocknung führen.

Grundsätzlich trinken wir eher zu wenig. Machen Sie mal den Test und führen Sie über zwei Tage ein Trink-Protokoll. Nur so werden Sie sich Ihrer tatsächlichen Trinkgewohnheiten bewusst. Eine weitere Kontrollmöglichkeit ist der Kneiftest. Nehmen Sie Ihren rechten Handrücken, greifen Sie mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand eine Hautfalte, und lassen Sie sofort wieder los. Wenn die Kneiffalte sich gleich zurückzieht, ist alles bestens. Bleibt die Falte jedoch länger stehen, ist das ein Zeichen dafür, dass es Ihnen an Flüssigkeit mangelt.

Manchmal mangelt es dem Patienten aber nicht nur an Flüssigkeit, sondern auch an Genauigkeit bezüglich der Angaben, wie viel oder wie wenig er trinkt.

Ich: »Wie viel trinken Sie denn so am Tag?«

Patientin: »Ich trinke viel, also mittelmäßig, also eigentlich wenig, also gut, mittelmäßig …«

Der folgende Patient hatte immerhin eine sehr grundlegende Weisheit abgespeichert: »Ich hab jehört, man soll ja auch wat trinken.« Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Die Getränkeindustrie sagt zwar: Bitte nicht warten, bis der Durst kommt – Wer auf das Durstgefühl wartet, hat meist schon ein Flüssigkeitsdefizit. Ich sage: Der menschliche Körper hat im Laufe der Evolution zuverlässige Mechanismen entwickelt, um den Wasserhaushalt zu regulieren. Das Wichtigste ist, gut auf das Durstgefühl zu achten.

Für unsere Gesundheit ist ausreichendes Trinken am Tag ebenso wichtig wie die richtige Ernährung. Fast sogar noch wichtiger, denn der Mensch kann rund einen Monat ohne Nahrung überleben, aber höchstens eine Woche, ohne zu trinken. Wasser ist Transportmittel für Blut, Harn und Schweiß sowie Lösungsmittel für fast alle Stoffe innerhalb einer Körperzelle. Es regelt zudem die Körpertemperatur, indem es dem Organismus durch Verdunstung an der Körperoberfläche Wärme entzieht (Schweiß).

Unser Körper scheidet täglich große Mengen an Flüssigkeit aus – nicht nur durchs Schwitzen. Sogar beim Atmen gehen täglich knapp 400 ml Flüssigkeit verloren! Da scheint es einleuchtend, dass dieser Verlust ständig ausgeglichen werden muss, denn wie ein Kamel auf Vorrat zu trinken, das funktioniert bei uns Menschen leider nicht. Zwar hilft sich der Körper bei einem Flüssigkeitsdefizit bis zu einem gewissen Maß selbst und gleicht den Mangel durch Konzentrationsprozesse aus, doch der Nutzen dieser Maßnahme ist eher fragwürdig. Irgendwo im Organismus muss er die Flüssigkeit ja schließlich abziehen, und dort fehlt sie dann womöglich. Braucht der Körper die Flüssigkeit zum Beispiel zum Regeln der Temperatur (Schwitzen), fehlt sie im Blutkreislauf, und das Blut kann nicht mehr richtig fließen. Der Körper wird schlechter versorgt. Gehirnleistung und Konzentrationsfähigkeit lassen nach. Auch die Gefahr von Nierensteinerkrankungen, Harnwegsinfektionen oder Verstopfungen steigt an. Haut und Schleimhäute trocknen aus, wodurch Viren und Bakterien leichter in den Körper gelangen können.

Anzeichen für einen Flüssigkeitsmangel sind: Kopfschmerzen, Übelkeit, Mundtrockenheit, Durstgefühl oder auch Appetitlosigkeit. Lassen Sie es nicht so weit kommen! Immer auf die Warnsignale des Körpers hören, denn der Klügere kippt nach! Die 42-jährige Journalistin Sarah Smith beispielsweise hat so ihre Migräne in den Griff bekommen – und über vier Wochen im Internet den Effekt einer erhöhten Trinkmenge auf ihr Aussehen dokumentiert. Beeindruckend!

Und noch etwas: Die Volksweisheit, beim Essen nichts trinken zu dürfen, weil man dadurch die Magensäure verdünnen und die Verdauung stören könne, stimmt nicht. Im Gegenteil: Eine gewisse Magenfüllung durch Flüssigkeit dämpft das Hungergefühl und verhindert, dass wir uns zu sehr vollstopfen. Sie dürfen also beim Dinieren durchaus etwas für die Nieren tun.

So, wie der Mangel an Flüssigkeit schaden kann, kann auch eine zu große Flüssigkeitsaufnahme schädlich sein. Schon ab mehr als zwei Litern wird ein körpereigenes Schutz-Eiweiß aus den Nieren, das schädliche Bakterien binden kann, zu stark verdünnt. Bei mehr als sechs Litern Flüssigkeitszufuhr wird das Blut zu wässrig, die Zellen platzen, und die Gehirnmasse schwillt drastisch an. Der Körper kann pro Tag nun mal nur ein gewisses Quantum an Flüssigkeit wieder ausscheiden. Dieser Hinweis richtet sich beispielsweise an alle Oktoberfestbesucher …

Grundsätzlich gilt: Wer sich an die empfohlene Durchschnittsmenge von zwei Litern täglich hält, macht nichts falsch. Besonders vorsichtig müssen aber Herz-, Nieren- und Leberpatienten sein. Mit zu viel Wasser sind ihre geschwächten Organe einfach überfordert. Sie dürfen daher nicht so viel trinken wie ein gesunder Mensch. Diese Aussage einer Patientin schien mir jedoch stark übertrieben: »Wenn ich Wasser trinke, dann muss ich das verdünnen.« Vielleicht meinte die Dame die berühmte Wasser-Wasser-Schorle? Ich weiß es nicht. Was ich aber sagen kann: Dieser Hinweis leitet über zum nächsten Thema und damit zur Frage nach der Art der Flüssigkeit.

Wasser, Tees und Säfte sind selten ein Fehler, sofern sie nicht überdosiert werden. Eine Lanze möchte ich an dieser Stelle für den Kaffee brechen. Als bekennender Koffeinist muss ich auf die positiven Effekte von Kaffee hinweisen. Amerikanische Wissenschaftler fanden Hinweise, dass bestimmte Inhaltsstoffe des Kaffees nicht nur eine zellschützende Wirkung haben, sondern über einen bestimmten Effekt auf Sexualhormone auch das Prostatakrebsrisiko senken können.

Einen traditionell besseren Ruf hat da schon der Wein, der ja gut für Herz, Kreislauf und Psyche sein soll. Eine kanadische Studie zeigte sogar, dass ein bis zwei Gläser Rotwein ähnlich positive Effekte auf die Herzfunktion und die Muskeln haben sollen wie eine Stunde Sport. Ursächlich dafür ist der Inhaltsstoff Resveratrol. Allerdings, so betonen die Wissenschaftler, sollte der Wein den Sport nicht ersetzen. Dem schließe ich mich an.

Am allerliebsten sind mir aber immer noch die Biertrinker unter den Patienten, denn sie glauben sehr genau zu wissen, wie viel und was sie trinken. Lesen Sie mal genau hin:

Ich: »Wie viel trinken Sie denn so am Tag?«

Patient: »Ich bin jetzt von Kölsch auf Alkoholfrei umgestiegen, is dat ’n Fehler?«

Oder: »Abends trinke ich drei bis vier Flaschen Bier, aber wenn spannende Filme kommen, dann schaffe ich nur eine.«

Oder: »Früher fing es nach 15 Bier an zu schmecken, heute muss ich nach fünf bis sechs aufhören.«

Oder: »An Alkohol trinke ich nur alkoholfreies Bier.«

Oder umgekehrt: »Ich trinke überhaupt keinen Alkohol, aber Bier trinke ich sehr gerne.«

Oder: »Für die Blase trinke ich Radeberger-Tee – oder wie der heißt.«

Ja ne, is klar! Da ist mir aufrichtige Abstinenz lieber. Ein anderer Patient erfand passend zum Thema die beschönigende Bezeichnung »Nasen- und Bierentee«. Nach diesen vier Flaschen und 15 Gläschen Bier fällt mir die Überleitung zu einem weiteren Trink-Thema leicht: dem gesteigerten Durst.

Ein deutlich stärkeres Durstgefühl kann Anzeichen für eine Krankheit sein. Alkoholismus ist hier allerdings (noch) nicht gemeint. Wenn ich von übermäßigen Trinkmengen spreche, meine ich die gesteigerte Zufuhr von Wasser oder anderen alkoholfreien Getränken. Ganz oben auf der Liste steht die Zuckerkrankheit, auch Diabetes mellitus genannt. Vereinfacht gesagt, sind die Nieren bei Diabetikern überfordert, der Zucker geht in den Urin über und »zieht« das Wasser mit aus dem Körper. Um den Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen, verspürt der Körper diesen sehr großen Durst. Unstillbarer Durst kann aber auch durch eine Überfunktion der Nebenschilddrüse hervorgerufen werden oder durch die mangelnde Fähigkeit der Nieren, den Urin zu konzentrieren.

Werfen wir am Ende dieses Kapitels doch noch einen letzten Blick auf eine bisher nur am Rande erwähnte, aber in der Realität leider nicht seltene Folge übergroßen Durstes, nämlich diese:

Patient: »Ich bin jetzt Frührentner auf Alkohol jeworden.« – »So kann’s gehen.« Ich, aber nur gedacht.

Steinreich — arm dran: Nierensteine

Vorhin habe ich noch davon gesprochen, und nun kommt es dicke: Nierensteine. Wer schon mal welche hatte, kann ein Lied davon singen. Nierensteine kommen in meiner Praxis immer wieder vor, mitunter als Zufallsbefunde im Ultraschallbild. Häufiger aber fallen sie dem Patienten auf, und zwar durch Schmerzen, sehr heftige Schmerzen, sogenannte Koliken. Weibliche Betroffene, die Kinder haben, bestätigen häufig, dass Koliken nur noch von Geburtswehen übertroffen werden. Wehen ähnlich ist auch das Kommen und Gehen der Steinschmerzen. Ein Patient meinte zu mir: »Wenn meine Beschwerden besser werden, dann sind sie weg, und wenn sie dann wiederkommen, sind sie wieder da …«

Die Schmerzen treten in der Lendengegend oder im Bauchraum auf. Wer zum ersten Mal betroffen ist, kann mitunter nicht erkennen, ob der Schmerz wirklich von der Niere kommt. Die krampfartigen Schmerzen im unteren Rückenbereich strahlen nämlich gerne in alle Richtungen aus, typischerweise jedoch von der Flanke über den Unterbauch bis in die Leiste und je nach Lokalisation auch bis in die Schamlippen oder Hoden. Schweißausbrüche und Erbrechen zählen häufig zu den Begleiterscheinungen. Meine Standardfrage an Patienten mit Schmerzbeschwerden in der Nierengegend lautet daher: »Haben Sie noch weitere Beschwerden?« Einmal bekam ich zu hören: »Ja, ich hab ’ne schlechte Ernährung.«

Womit wir bei den Ursachen wären: Wer sich schlecht ernährt, nicht genügend trinkt und sich auch noch wenig bis gar nicht bewegt, bereitet dem Nierenstein die Bahn – und die führt geradewegs über den Harnleiter zur Harnblase. Doch »der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt«, sage nicht ich, singt Herbert Grönemeyer. Leider, sage ich, hat er recht. Die Menschen machen es sich aber auch einfach: »Ich hab bei der Krankenkasse ’nen Antrag für Sport laufen«, berichtete mir eine Patientin stolz. Worauf ich mir eine Spitze nicht verkneifen konnte: »Hoffentlich wird der bewilligt. Wie sollten Sie sonst jemals Sport machen können.«

Überernährung, Übergewicht und Süßgetränke haben die Menge der sogenannten Harnsteinbildner in den westlichen Ländern stark ansteigen lassen. Die Steine bestehen meistens aus Kalk, sprich Calcium, das vorwiegend in Milchprodukten vorkommt, und aus Oxalat, das in hoher Menge in Spinat, Nüssen und Schokolade enthalten ist. Noch etwas Cola obendrauf und der »Beton« ist angerührt. Wenn man pro Tag mindestens ein zuckerhaltiges Getränk zu sich nimmt, steigt das Steinrisiko um bis zu ein Drittel an, während das Trinken von Kaffee, Tee, Bier, Wein und Orangensaft mit einem niedrigeren Risiko verbunden ist. Dies liegt neben der harntreibenden Wirkung möglicherweise auch an den schützenden Inhaltsstoffen.