Inhalt

1. Ich spreche Jura, nicht Deutsch

a) Scheußlich komisches Jurasprech

b) Die Tücken des Juristenkauderwelschs

c) Die Vorzüge der Unverständlichkeit

2. Das Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz

a) Wortungeheuer greifen an

b) Paragrafen

c) Kuriose Definitionen

3. Gebt ihm ein faires Gerichtsverfahren und hängt ihn dann auf

a) Das Casting

b) Der Spielverlauf

c) Endstation Hotel mit Gitterblick

4. Hemmungen kennt der Jurist nur bei derVerjährung

a) Zuvielrecht übersetzt

b) Ehesex im Jurasprech

c) Zivilverfahren nicht verstehen

d) Zwänge schnell vollstreckt

5. Die Verbescheidung des Bürgers

a) Definition des Beamtendeutschs

b) Grundwortschatz

c) Lang, länger, Mehrwortkomposita

d) Sagen & meinen

e) Beispiele aus der Praxis

6. Das sage ich jetzt zentriert, fett und unterstrichen

a) Der Spezialist im Spalten fremder Haare

b) Rechtsverdreherkauderwelsch

c) Das kleine Latinum

d) Liebesbriefe vom Anwalt

e) Geglückte Niederlage

7. Die Gerichts sprache ist Juristendeutsch

a) Der Paragrafen-Tempel

b) Über Richter und Rechtspfleger

c) Richtervokabeln

d) Das Gericht tagt

e) Der Richterwisch

8. Ein Liebesbrief in Juristendeutsch

§ 1

ICH SPRECHE JURA, NICHT DEUTSCH

Eine kurze Einführung

in das Juristendeutsch

a) Scheußlich komisches Jurasprech

»Igitt!«, denkt der Laie, wenn ein Jurist ihm erklärt, dass unter »guten Sitten« das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu verstehen ist oder unter »verwerflich« ein erhöhter Grad sittlicher Missbilligung.

Warum können die Schwarzkittel nicht einfach »Bahnschranke« sagen statt »die vorhandene Beschränkung einer höhengleichen Eisenbahn-Straßen-Kreuzung«? Die Sprache der Juristen wirkt auf Laien gestelzt, hölzern und unverständlich. Jurasprech ist die Wurzelbehandlung der deutschen Sprache. Dabei ist sie das Skalpell des Juristen, sein Handwerkszeug. Mit ihm spaltet er mit Vorliebe fremde Haare. Die Waffe des haarspaltenden Paragrafenreiters ist allein seine Wortgewalt.

Juristen gelten nicht unbedingt als sprudelnde Quelle des Humors. Viele Menschen reagieren mit Abscheu, wenn sie einen Paragrafenmann reden hören. Das muss nicht sein. Denn das Juristenkauderwelsch produziert oft unfreiwillige Komik. Es ist zugleich lach- und brechreizerregend. Dieses Buch will den Beweis antreten, dass die Juristensprache auch komisch sein kann.

Ju | ris | ten | deutsch, das (nicht selten despektierlich): diesbezüglich infolge seiner Unübersichtlichkeit schwer nachvollziehbare, von kleinlicher, übertriebener Genauigkeit geprägte, zudem breit und umständlich viel Nebensächliches beziehungsweise Überflüssiges mit darstellende, bisweilen sogar weitschweifige, Formulierungen charakterisierende, intransparente Ausdrucksweise seitens rechtskundiger Person, die ein universitäres Studium der Rechtswissenschaft absolviert hat.

b) Die Tücken des Juristenkauderwelschs

Die juristische Fachsprache ist hinterhältig. Beim ersten flüchtigen Hinhören klingt sie auf vertraute Weise deutsch, da sie arm an Fremdwörtern ist. Damit will der Jurist den Laien aber nur in Sicherheit wiegen. Ganz normale deutsche Wörter wie »Veranlagung«, »Kuckuck« und »peinlich« haben für Paragrafenpatienten einen ganz anderen Sinn als für normale Menschen. Es ist so leicht, Laien auf sprachliches Glatteis zu führen. Der Rechtskundige entnimmt seine Vokabeln häufig dem allgemeinen Sprachgebrauch, unterlegt sie aber klammheimlich mit neuer Bedeutung. Ist das gemein, denken Sie vielleicht. Den Vorwurf des hinterhältigen Sprachgebrauchs würde der Jurist jedoch überhaupt nicht verstehen. Er versteht unter gemein nicht hinterhältig, sondern allgemein. Er denkt an die gemeine Gefahr in § 323c StGB, die einer Vielzahl von Menschen droht, oder an den Gemeingebrauch. Aber gemein im Sinne von hinterhältig? Nein, da hätten Sie schon niederträchtig sagen müssen.

Weitere Beispiele für Abweichungen des Juristendeutschs von der Alltagssprache sind:

Unter »Veranlagung« ist alltagssprachlich die Begabung zu verstehen. Der Jurist meint damit aber die steuerliche Einschätzung.

Beiladung ist keine zusätzliche Fracht für Lkws und Flugzeuge, sondern die Möglichkeit, im Verwaltungsprozess Dritte zu Beteiligten des Klageverfahrens zu machen, § 65 VwGO.

Peinlich ist nicht etwas Beschämendes, sondern die Zufügung großer Schmerzen. Peinlich leitet sich aus dem Wort Pein im Sinne von Qual ab, dieses wiederum hat den Ursprung im lateinischen poena, Strafe. Der Jurist denkt bei »peinlich« an die »Peinliche Halsgerichtsordnung« von Karl V., die als Strafe im Wesentlichen vorsah, den Missetäter einen Kopf kürzer zu machen.

Jurasprech hat mit Deutsch so viel gemein wie das Skalpell des Chirurgen mit dem Vorschlaghammer des Schmieds. Die juristische Geheimsprache zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus:

1. Substantivsucht

Darunter versteht man das Phänomen, in einem Satz möglichst viele Hauptwörter zu verwenden. Es wird weitestgehend auf den Gebrauch von Vollverben verzichtet, stattdessen werden Substantivierungen verwendet. Besonders beliebt sind Verbalsubstantiva, denen die Endsilbe »ung« angehängt wird. Also anstatt »etwas bewerten« heißt es »die Bewertung«. Weitere Beispiele für diesen Papierstil sind Weiterbegebung, Inbrandsetzung, Glaubhaftmachung, Geltendmachung, Unbrauchbarmachung und Kraftloserklärung. »Die Einvernahme des Zeugen ist von mir zur Durchführung gebracht worden.«

Verpönt unter Rechtsgelehrten sind dagegen Substantivierungen mit der Endung »erei«, wie beispielsweise Sauferei, Stotterei und Lügerei.

2. Unpersönlicher Stil

Juristen verwenden niemals die »Ich-Form« und die persönliche Anrede. Der Paragrafenmann ist immer auf Distanz zu sich und anderen bedacht. Gottgleich schwebt er über den Dingen. Der unpersönliche Stil fördert zudem die Kluft zwischen Juristen und Rechtsunkundigen.

Der gemeine Bürger wird vom Justizvolk nicht als Person wahrgenommen, sondern bestenfalls als Rechtsunterworfener.

Personen werden deshalb nicht mit Namen genannt, sondern auf ihre Funktion in dem Verfahren reduziert. Herr Meier wird zum Angeklagten, Zeugen oder Kläger. Sich selbst bezeichnet der Rechtsklempner niemals mit »Ich«, das klänge zu subjektiv.

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