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Pädiatrische Neurologie

Herausgegeben von Florian Heinen

Übersicht über die bereits erschienenen Bände:

Mijna Hadders-Algra

Praxis Entwicklungsneurologie

Untersuchung auf Milde Neurologische Dysfunktion (MND)

2014. 176 Seiten mit 77 Abb. und 9 Tab. Inkl. ContentPLUS. Kart.

€ 49,99

ISBN 978-3-17-022197-0

Mirjam N. Landgraf/Florian Heinen

Fetales Alkoholsyndrom

S3-Leitlinie zur Diagnostik

2013. 224 Seiten mit 7 Abb. und 3 Tab. Inkl. ContentPLUS. Kart.

€ 19,90

ISBN 978-3-17-023444-4

Florian Heinen/Sandro Krieg/Ingo Borggräfe u. a.

Neuropharmakotherapie und klinische Systematik

2012. 442 Seiten mit 62 Abb.

Inkl. ContentPLUS. Kart.

€ 99,90

ISBN 978-3-17-021663-1

Wolfgang Müller-Felber/Ulrike Schara

Neuromuskuläre Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

Leitfaden für die klinische Praxis

2015. 256 Seiten mit 6 Tab.

€ 69,99

ISBN 978-3-17-022485-8

Mirjam N. Landgraf, Florian Heinen

Fetale Alkoholspektrumstörungen

S3-Leitlinie zur Diagnostik

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032128-1

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-032129-8

epub:   ISBN 978-3-17-032130-4

mobi:   ISBN 978-3-17-032131-1

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Inhaltsverzeichnis

 

 

  1. Abkürzungsverzeichnis
  2. Pocketguide FASD
  3. 1 Einleitung
  4. 2 Methodik
  5. 2.1 Zusammensetzung der Leitliniengruppe
  6. 2.2 Literaturrecherche und Evidenzbasierung
  7. 2.3 Erstellung von Evidenztabellen
  8. 2.4 Formale Konsensfindung und Formulierung von Empfehlungen
  9. 2.5 Verabschiedung
  10. 2.6 Verbreitung und Implementierung
  11. 2.7 Finanzierung der Leitlinie und Darlegung möglicher Interessenkonflikte
  12. 2.8 Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren
  13. 3 Hintergrundinformationen (Ergebnisse der fokussierten Literaturrecherche)
  14. 3.1 Prävalenz von mütterlichem Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und Prävalenz des Fetalen Alkoholsyndroms
  15. 3.2 Risikofaktoren für mütterlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
  16. 3.3 Risikofaktoren für die Entwicklung einer Fetalen Alkoholspektrumstörung
  17. 4 Diagnose Fetale Alkoholspektrumstörungen bei Kindern und Jugendlichen
  18. 4.1 Konsentierte Kriterien und Empfehlungen für die Diagnostik des Vollbildes Fetales Alkoholsyndrom FAS (fetal alcohol syndrome) bei Kindern und Jugendlichen
  19. 4.2 Konsentierte Kriterien und Empfehlungen für die Diagnostik des partiellen Fetalen Alkoholsyndroms pFAS (partial fetal alcohol syndrome) bei Kindern und Jugendlichen
  20. 4.3 Konsentierte Kriterien und Empfehlungen für die Diagnostik der alkoholbedingten entwicklungsneurologischen Störung ARND (alcohol related neurodevelopmental disorders) bei Kindern und Jugendlichen
  21. 4.4 Konsentierte Empfehlung für die Diagnostik der alkoholbedingten angeborenen Fehlbildungen ARBD (alcohol related birth defects) bei Kindern und Jugendlichen
  22. 4.5 Differentialdiagnosen zu den FASD bei Kindern und Jugendlichen
  23. Anhang 1: Methodik Fokussierte Literaturrecherche – Hintergrundinformationen
  24. Anhang 2: Methodik systematische Literaturrecherche – Diagnostische Kriterien des FAS (nur Vollbild)
  25. Anhang 3: Evidenzklassifikationssystem nach Oxford (März 2009)
  26. Anhang 4: Eingeschlossene Studien der systematischen Literaturrecherche zum FAS (Vollbild)
  27. Anhang 5: Methodik systematische Literaturrecherche – Diagnostische Kriterien des pFAS, der ARND und der ARBD
  28. Anhang 6: Eingeschlossene Studien der systematischen Literaturrecherche zum pFAS, zur ARND und zu den ARBD
  29. Anhang 7: Vorgeschlagene neuropsychologische Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf FASD
  30. Güteparameter der vorgeschlagenen neuropsychologischen Testverfahren zur Diagnostik von Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf FASD
  31. Register

 

Elektronisches Zusatzmaterial

Pocket Guide Fetale Alkoholspektrumstörungen zum Ausdrucken unter1:

Link: http://downloads.kohlhammer.de/?isbn=978-3-17-032128-1; Passwort: r8cwwn7v

1     Wichtiger urheberrechtlicher Hinweis: Alle zusätzlichen Materialien, die im Download-Bereich zur Verfügung gestellt werden, sind urheberrechtlich geschützt. Ihre Verwendung ist nur zum persönlichen und nichtgewerblichen Gebrauch erlaubt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Abkürzungsverzeichnis

 

4DDC

4-Digit Diagnostic Code

ABAS

Adaptive Behaviour System

ACOG

American Congress of Obstetricians and Gynecologists

ADD

Attention Deficit Disorder - Aufmerksamkeitsstörung ADS

ADHD

Attention Deficit Hyperactivity Disorder - Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung ADHS

ADHS

Attention Deficit Hyperactivity Syndrome - Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom

AE

Alcohol exposed – Alkohol exponiert

ÄZQ

Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin

ALT

Alanin-Aminotransferase

ANOVA

Analysis of Variance - Varianzanalyse

ARBD

Alcohol Related Birth Defects - alkoholbedingte angeborene Malformationen

ARND

Alcohol Related Neurodevelopmental Disorder - alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störung

AST

Aspartat-Aminotransferase

AUC

Area Under The Curve - unter der Kurve liegender Bereich

AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.

BASC

Behavior Assessment System for Children

Binge Drinking

Exzessiver Alkoholkonsum zu einer Gelegenheit

BMA

British Medical Association

BMI

Body Mass Index

BRIEF

Behavior Rating Inventory of Executive Function

CANTAB

Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery

CASL

Comprehensive Assessment of Spoken Language

CAVLT

Children´s Auditory Verbal Learning Test

CBCL

Child Behavior Checklist - Verhaltens-Fragebogen für Kinder

CD

Conduct Disorder - Verhaltensstörung

CDC

Centre of Disease Control

CDT

Carbohydrat-defizientes Transferrin

CEBM

Centre for Evidence Based Medicine

CELF

Clinical Evaluation of Language Fundamentals -

CELF-P

Clinical Evaluation of Language Fundamentals - Preschool

CIFASD

Collaborative Initiative on Fetal Alcohol Spectrum Disorders

CMS

Children’s Memory Scale

CNS

Central Nervous System – zentrales Nervensystem

CPM

Coloured Progressive Matrices

CRS-R

Conners’ Rating Scales-Revised

CPT

Continuous Performance Test

CVLT-C

California Verbal Learning Test-Children’s Version

D-KEFS

Delis Kaplan Executive Function System

DPN

Fetal Alcohol Syndrome Diagnostic And Prevention Network Diagnostic Guide

D-Score

Discriminant Score

DSM-IV

Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders - Diagnostisches und Statistisches Manual mentaler Störungen

DSS-ROCF

Diagnostic Scoring System-Rey-Osterrieth Complex Figure

DTI

Diffusion Tensor Imaging

EEG

Elektroencephalographie

ELT

Expressive Language Test

EMBASE

Excerpta Medica Database

EP

Evozierte Potentiale

EVT

Expressive Vocabulary Test

FABS

Fetal Alcohol Behavior Scale

FAEE

Fatty acids ethyl ester - Fettsäure-Äthyl-Ester

FAS

Fetal Alcohol Syndrome - Fetales Alkoholsyndrom

FASD

Fetal Alcohol Spectrum Disorders - Fetale Alkoholspektrumstörungen

FASDC

Fetal Alcohol Syndrome Diagnostic Checklist

FSIQ

Full Scale Intelligence Quotient

FU

Follow Up

GAC

General Adaptive Composite

GC-FID

Gas Chromatography/Flame Ionization Detection

GC-MS

Gas Chromatography/Mass Spectroscopy

GGT

Gamma Glutamyl Transferase

HTA

Health Technology Assessment

IED

Intra-Extra-Dimensional Set Shift

IOM

Institute of Medicine, USA

IPDA

Questionario Osservativo per L’Identificazione Precoce delle Difficoltà di Apprendimento” – italienischer standardisierter Fragebogen zur Identifikation von Lernschwierigkeiten

IQ

Intelligenzquotient

IVA CPT

Integrated Visual and Auditory Continuous Performance Test

LoE

Level of Evidence - Evidenzlevel

LMU

Ludwig-Maximilians-Universität München

LPA

Latent Profile Analysis

MCV

Mittleres korpuskuläres Volumen

MD

Mean Diameter - mittlerer Durchmesser

Movement ABC

Movement Assessment Battery for Children

MRI

Magnetic Resonance Imaging

MRS

Magnetresonanzspektroskopie

MRT

Magnetresonanztomographie

ND

Neurobehavioural Disorder - Verhaltensstörung

NEPSY

Developmental NEuroPSYchological Assessment – Battery of Tests

NHMRC

National Health and Medical Research Council

NHS

National Health Service

ODD

Oppositional Defiant Disorder – oppositionell aufsässige Verhaltensstörung

OFC

Occipital Frontal Circumference – (fronto-occipitaler) Kopfumfang

OWLS

Oral and Written Language Scales

PA

Pairs Associate

PAE

Prenatal Alcohol Exposure - pränatale Alkoholexposition

PAUI

Prenatal Alcohol Use Interview

PEA

Prenatal Exposure to Alcohol - pränatale Alkoholexposition

PF

Palpebral Fissure - Lidspalte

PFAS

partial FAS - Partielles Fetales Alkoholsyndrom

PFL

Palpebral Fissure Length – Lidspalten-Länge

PLAI

Preschool Language Assessment Instrument

PPVT

Peabody Picture Vocabulary Test

PPW

Positiver Prädiktiver Wert

RCFT

Rey Complex Figure Test

REM

Rapid Eye Movement - schnelle Augenbewegungen

ROC

Receiver Operator Characteristics

SD

standard deviation - Standardabweichung

SE

Static Encephalopathy – statische Encephalopathie

SES

Socioeconomic Status – sozio-ökonomischer Status

SIM

Selected Ion Monitoring

SSP

Short sensory Profile

T-ACE

Alkohol-Screening-Test (4 Fragen)

TLC

Test of Language Competence

TNL

Test of Narrative Language

TOLD-I

Test of Language Development-Intermediate

TOLD-P

Test of Language Development-Primary

TONI

Test of Nonverbal Intelligence

TOPS

Test of Problem Solving

TOWK

Test of Word Knowledge

TWEAK

Alkohol-Screening-Test (5 Fragen)

VDRL

Visual Discrimination Reversal Learning Test

VMI

Visual-Motor Integration – visuell-motorische Integration

VRAT

Wide Range Achievement Test

WBAA

Whole Blood–Associated Acetaldehyde

WCST

Wisconsin Card Sorting Test

WIAT

Wechsler Individual Achievement Test

WISC

Wechsler Intelligence Scale for Children

WISC-R

Wechsler Intelligence Scale for Children Revised

WPPSI-R

Wechsler Preschool and Primary Scale of Intelligence

WRAT

Wide Range Achievement Test

ZNS

Zentrales Nervensystem

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1          Einleitung

Mütterlicher Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann zu gravierenden Schäden beim ungeborenen Kind führen. Intrauterine Alkoholexposition kann Auffälligkeiten des Wachstums, cranio-faciale, cardiale, renale, ossäre und okuläre Malformationen, Störungen der Entwicklung, der Kognition und des Verhaltens sowie Einschränkungen in Teilleistungen und somit globale Funktionseinschränkungen im Alltag bewirken. Schädigungen, die durch intrauterine Alkoholexposition hervorgerufen werden, werden unter dem Oberbegriff Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD – fetal alcohol spectrum disorders) zusammengefasst. Zu den Fetalen Alkoholspektrumstörungen gehören (auch wenn diese Einteilung umstritten ist und ein fließender Übergang im Spektrum diskutiert wird) vier Krankheitsbilder: das Vollbild Fetales Alkoholsyndrom (FAS – fetal alcohol syndrome), das partielle Fetale Alkoholsyndrom (pFAS – partial fetal alcohol syndrome), die alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störung (ARND – alcohol related neurodevelopmental disorder) und die alkoholbedingten angeborenen Malformationen (ARBD – alcohol related birth defects).

Im ersten Schritt wurde 2012 eine Leitlinie für das Vollbild FAS erstellt. Im zweiten Schritt wurde die Leitlinie beim jetzigen, hier vorliegenden Update um die anderen Fetalen Alkoholspektrumstörungen (pFAS, ARND und ARBD) ergänzt.

Die vorliegende S3-Leitlinie zur Diagnose der Fetalen Alkoholspektrumstörungen gibt erstmalig für den deutschsprachigen Raum evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen bezüglich diagnostischer Kriterien für die Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) bei Kindern und Jugendlichen (0 bis 18 Jahre).

Aus Machbarkeitsgründen beschränkt sich die vorliegende Leitlinie auf die Diagnose der FASD. Sie versteht sich als ein erster Schritt auf dem notwendigen Weg zu einer umfassenden Bearbeitung auch der weiteren, noch nicht bearbeiteten Felder der Fetalen Alkoholspektrumstörungen, insbesondere der Diagnose bei Erwachsenen mit FASD und der Interventions-, Therapie- und Betreuungsmöglichkeiten von Menschen mit FASD aller Altersgruppen im Rahmen weiterer Leitlinien.

Die Fetalen Alkoholspektrumstörungen entsprechen einem sogenannten hirnorganischen Psychosyndrom oder einer sogenannten statischen Encephalopathie. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die cerebrale Schädigung durch intrauterine Alkoholexposition zwar biologisch nicht reversibel ist, die Funktions- und Alltagsbeeinträchtigung der betroffenen Kinder jedoch durch frühe und individuelle Förderung deutlich beeinflussbar sind und die FASD damit die klassischen Kriterien einer »developmental disorder« aufweisen.

Durch die festgelegten diagnostischen Kriterien einer FASD soll das Störungsbild früh erfasst und eine entsprechende Therapie und Förderung des Kindes initiiert werden. Dadurch kann das Auftreten von sekundären Erkrankungen bzw. Komorbiditäten bei Kindern mit FASD vermindert werden. Die Gesundheitsdienste und die Bevölkerung in Deutschland sollen über die schwerwiegenden Folgen des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft aufgeklärt werden. Langfristig soll die Prävalenz von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und die Inzidenz von FASD in Deutschland reduziert werden.

Alle bisherigen Leitlinien (eine kanadische und drei US-amerikanische Leitlinien) beinhalten die vier diagnostischen Säulen: (1) Wachstumsauffälligkeiten, (2) faciale Auffälligkeiten, (3) ZNS-Auffälligkeiten und (4) Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Von diesen internationalen Leitlinien für die Diagnose der FASD erfüllt keine die methodischen Voraussetzungen einer AWMF S3-Leitlinie. Das am besten standardisierte Diagnostikinstrument, der 4-Digit Diagnostic Code, gewichtet die vier Diagnostik-Säulen jeweils auf einer 4-Punkt-Likert-Skala und beinhaltet einen Lip-Philtrum Guide, anhand dessen man zwei der drei für FASD-typischen facialen Merkmale gewichten kann. Der 4-Digit Diagnostic Code weist jedoch keine eindeutige Evidenzbasierung auf und ist aufgrund seiner Komplexität in der deutschen Praxis nicht ausreichend etabliert.

In Deutschland besteht die Notwendigkeit, standardisierte und transdisziplinäre diagnostische Kriterien für die Fetalen Alkoholspektrumstörungen zu definieren, die in der Praxis effektiv und unmissverständlich genutzt werden können. Das Bundesministerium für Gesundheit hat daher als ersten Schritt ein Projekt (STOP-FAS) zur Erstellung einer diagnostischen Leitlinie des Fetalen Alkoholsyndroms (beschränkt auf das Vollbild) für Deutschland initiiert, das von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin angenommen und der Gesellschaft für Neuropädiatrie übertragen wurde. Als zweiter Schritt wurde ein Folgeprojekt für die Ergänzung der S3-Leitlinie um einen Expertenkonsens für die Diagnostik des pFAS, der ARND und der ARBD vom BMG unterstützt. Diese Projekte wurden von Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam N. Landgraf und Prof. Dr. med. Florian Heinen im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München (Abteilung für Pädiatrische Neurologie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie (integriertes Sozialpädiatrisches Zentrum, iSPZ Hauner)) geleitet.

Die Anwenderzielgruppe der Leitlinie beinhaltet personell und strukturell:

  Niedergelassene sowie ambulant oder in der Klinik tätige Ärztinnen und Ärzte der folgenden Gebiete und Schwerpunkte: Gynäkologie und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologie, Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Suchtmedizin und des öffentlichen Gesundheitsdienstes einschließlich des Schulärztlichen Dienstes.

  Niedergelassene und in der Klinik tätige Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten2 sowie Diplom- und Master-Psychologen

  Hebammen und Entbindungspfleger

  Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Sozialhelfer

  Sozialpädiatrische Zentren

  FASD-Spezialambulanzen und FASD-Spezialisten

Ebenfalls zur Information für:

  Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten

  Niedergelassene sowie ambulant oder in der Klinik tätige Ärztinnen und Ärzte der Allgemeinmedizin

2     Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Buch zumeist die männliche Form gewählt, es sind jedoch immer beide Formen gemeint. Wir bitten um Ihr Verständnis.

 

2          Methodik

2.1        Zusammensetzung der Leitliniengruppe

Die Organisation des ersten Teils der Leitlinienentwicklung (beschränkt auf das Vollbild FAS) übernahmen:

  Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam Landgraf (Leitlinienkoordination, Literaturrecherche, Moderation und Leitlinien-Sekretariat)

  Prof. Dr. med. Florian Heinen (Leitlinienkoordination und Moderation)

  Dr. med. Monika Nothacker MPH (Literaturrecherche und Evidenzbewertung)

  Prof. Dr. med. Ina Kopp (Methodische Führung und Moderation)

  Dr. Sandra Dybowski (Organisatorische Unterstützung und Ansprechpartnerin im BMG)

  Dr. Tilmann Holzer (Ansprechpartner in der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten).

Die Leitliniengruppe beinhaltete neben den Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern der sich mit dem Krankheitsbild Fetale Alkoholspektrumstörungen auseinandersetzenden deutschen Fachgesellschaften und Berufsverbänden auch Experten und Patientenvertreter (Images Tab. 2.1 und 2.2).

Tab. 2.1: Am ersten Teil des Leitlinienprojektes FASD (beschränkt auf FAS) beteiligte Fachgesellschaften und Berufsverbände

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Beteiligte Fachgesellschaften / BerufsverbändeMandatsträger und Mandatsträgerinnen

Tab. 2.2: Am ersten Teil des Leitlinienprojektes FASD (beschränkt auf FAS) beteiligte Expertinnen und Experten

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Expertinnen / ExpertenFunktion

Die Organisation des zweiten Teils des Leitlinienprojektes FASD (Ergänzung der S3-Leitlinie um die Diagnosen pFAS, ARND, ARBD) übernahmen:

  Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam Landgraf (Leitlinienkoordination und -verfassung, systematische Literaturrecherche, Moderation und Leitlinien-Sekretariat)

  Prof. Dr. med. Florian Heinen (Leitlinienkoordination und Moderation)

  Prof. Dr. med. Ina Kopp (Methodische Führung und Moderation)

  Albert Kern (Organisatorische Unterstützung und Ansprechpartner im BMG)

  Dr. Kirsten Reinhard (Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten).

An der Ergänzung der Leitlinie waren die gleichen Fachgesellschaften und Berufsverbände beteiligt, die Ihre Mandatsträger und Mandatsträgerinnen durch den Vorstand bestätigten bzw. neu ernannten, sowie nationale FASD-Experten (Images Tab. 2.3 und 2.4).

Tab. 2.3: Am zweiten Teil des Leitlinienprojektes FASD (Ergänzung um pFAS, ARND und ARBD) beteiligte Fachgesellschaften und Berufsverbände

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Beteiligte Fachgesellschaften / BerufsverbändeMandatsträger und Mandatsträgerinnen

Tab. 2.4: Am zweiten Teil des Leitlinienprojektes FASD (Ergänzung um pFAS, ARND und ARBD) beteiligte Expertinnen und Experten

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Expertinnen / ExpertenFunktion

2.2        Literaturrecherche und Evidenzbasierung

Die Literaturrecherche wurde in zwei Bereiche eingeteilt, die fokussierte und die systematische Literaturrecherche.

Die fokussierte Literaturrecherche befasste sich mit Hintergrundinformationen, die die Leitliniengruppe relevant für die Ziele der Sensibilisierung des Helfer- und Gesundheitssystems und der Aufklärung der Gesellschaft hielt. Die methodische Strategie der fokussierten Literaturrecherche ist aus Anhang 1 ersichtlich und wurde durch Fr. Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam Landgraf, Fr. Dr. Eva Rehfueß, Hr. Peer Voss und Fr. Priv. Doz. Dr. med. Anne Hilgendorff durchgeführt.

Den anderen Teilbereich der Literaturrecherche stellte die systematische Literaturrecherche über diagnostische Kriterien des FAS und deren Evidenzbewertung dar und wurde von Fr. Dr. med. Monika Nothacker MPH vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) übernommen (Images Anhänge 2 bis 4). Die systematische Literaturrecherche für die Ergänzung der Leitlinie um die Diagnose des pFAS, der ARND und ARBD wurde von Fr. Dr. med. Dipl.-Psych. Mirjam Landgraf (Leitlinienkoordinatorin) durchgeführt (Images Anhänge 5 und 6).

Die Schlüsselfrage der systematischen Literaturrecherche zum FAS (Vollbild) wurde in der ersten Konsensuskonferenz am 14.09.2011 im Bundesministerium für Gesundheit in Bonn folgendermaßen konsentiert:

Welche Kriterien ermöglichen entwicklungsbezogen die Diagnose eines Fetalen Alkoholsyndroms (FAS) im Kindes- und Jugendalter (0 bis 18 Jahre)?

Die Schlüsselfrage für die Ergänzung der Leitlinie um die anderen FASD (pFAS, ARND, ARBD) wurde in der Konsensuskonferenz am 25.01.2016 folgendermaßen konsentiert:

Welche Kriterien ermöglichen entwicklungsbezogen die Diagnose eines partiellen Fetalen Alkoholsyndroms (pFAS), einer alkoholbedingten entwicklungsneurologischen Störung (ARND) und alkoholbedingter angeborener Malformationen (ARBD) aus dem Formenkreis der Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) im Kindes- und Jugendalter (0 bis 18 Jahre)?

Die diagnostischen Kriterien für die FASD wurden, orientierend an den bisherigen internationalen Leitlinien, durch die Leitliniengruppe in die vier diagnostische Säulen (1) Wachstumsauffälligkeiten, (2) Faciale Auffälligkeiten, (3) ZNS-Auffälligkeiten und (4) Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft unterteilt.

Die systematische Literaturrecherche erfolgte gemäß der in den Anhängen 2, 3 und 5 dargestellten Strategie.

Die Recherche zum FAS umfasste englisch- und deutschsprachige Literatur im Zeitraum von 01.01.2001 bis 31.10.2011. Nach Sichtung der Abstracts und der daraus ausgewählten Volltexte wurden insgesamt 178 Publikationen zur Evidenzbewertung eingeschlossen (Images Anhang 4).

Die Recherche zum pFAS, zu den ARND und ARBD umfasste englisch- und deutschsprachige Literatur im Zeitraum vom 01.11.2011 bis 31.06.2015 (anschließend an den Zeitraum für die Literaturrecherche zur Diagnose des FAS). Nach Sichtung der Abstracts und der daraus eingeschlossenen Volltexte wurden insgesamt 58 Publikationen zur Evidenzbewertung eingeschlossen (Images Anhang 6).

Die resultierenden Volltexte über diagnostische Kriterien des FAS (beschränkt auf das Vollbild) wurden, soweit möglich, mit dem Oxford Evidenzklassifikations-System für diagnostische Studien (2009) bewertet (Images Anhang 3). Kohortenstudien wurden entsprechend der Oxford-Evidenzklassifikation in explorative Kohortenstudien mit einem Level of Evidence von 2b (LoE 2b) und Validierungskohortenstudien mit einem LoE 1b unterteilt. Nicht-konsekutive Kohortenstudien oder solche mit sehr kleiner Teilnehmerzahl wurden mit einem LoE von 3b, Fall-Kontroll-Studien mit einem LoE von 4 bewertet.

Bei der systematischen Literaturrecherche zum pFAS, zu den ARND und ARBD wurde keine Evidenzbewertung mittels des Oxford Evidenzklassifikations-System durchgeführt. Die aus der Recherche resultierenden Studien wurden zur methodischen Bewertung in folgende Gruppen eingeteilt:

a)  Einzelstudien:

  prospektiv

  retrospektiv

  explorativ

  validierend

b)  Reviews:

  narrativ

  systematisch